Vorträge über die Stiftshütte
Vortrag 12: Der Sühndeckel
„Und er machte einen Deckel aus reinem Gold: zweieinhalb Ellen seine Länge, und eineinhalb Ellen seine Breite. Und er machte zwei Cherubim aus Gold; in getriebener Arbeit machte er sie, an beiden Enden des Deckels: einen Cherub an dem Ende der einen Seite und einen Cherub an dem Ende der anderen Seite; aus dem Deckel machte er die Cherubim, aus seinen beiden Enden. Und die Cherubim breiteten die Flügel aus nach oben, den Deckel mit ihren Flügeln überdeckend, und ihre Angesichter waren einander gegenüber; die Angesichter der Cherubim waren gegen den Deckel gerichtet“ (
2. Mose 37,6–9 ).
Der Sühndeckel war, wie schon kurz beschrieben, eine Abdeckung über der Lade und stimmte mit ihr in Länge und Breite überein. Er bestand aus reinem Gold, und an seinen beiden Enden waren aus demselben Stück heraus Cherubim getrieben. Sie bildeten somit einen Teil des Sühndeckels. Diese symbolhaften Gestalten überschatteten mit ihren Flügeln den Sühndeckel, während ihre Gesichter darauf herabblickten.
Gottes Offenbarung
Man erzählt sich, dass die Nationen etwas hatten, das der Lade und dem Sühndeckel mit seinen Cherubim ähnelte – allerdings von bizarrem und abstoßendem Charakter war. Es ist sehr bezeichnend, dass auf dem Deckel solcher heidnischer Laden ein Götzenbild stand, auf dem die anbetenden Blicke der Cherubim ruhten. „Ihre Götzen sind Silber und Gold, ein Werk von Menschenhänden“ (
Aber auf dem Sühndeckel war keine Darstellung Gottes. „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“ (
Man sagt, dass Israel nur eine Stufe in der natürlichen Aufwärtsentwicklung der menschlichen Rasse sei. Aber wo lernten die Israeliten, alle Götzen wegzutun? Wie hätten sie, oder wie hätte Mose von selbst auf den Gedanken kommen können, dass Gott unendlich groß und allmächtig, aber nicht greifbar ist? Es gibt nur eine wahre Antwort: Es hat Gott gefallen, sich zu offenbaren. Und wie geduldig und sorgfältig hat Er diese Lektion stets wiederholt.
Man sagt, dass Jahwe (der Herr) bloß die Bezeichnung für eine der vielen Stammes-Gottheiten war, von denen jede Nation mindestens eine hatte. Aber wie ist das in Einklang zu bringen mit Worten wie diesen: „Siehe, des Herrn, deines Gottes, sind die Himmel und die Himmel der Himmel, die Erde und alles, was in ihr ist“? (
Wo hätte ein Mensch oder ein Volk, umgeben vom Götzendienst Ägyptens, Unterweisungen wie die folgenden empfangen können? „So hütet eure Seelen sehr – denn ihr habt keinerlei Gestalt gesehen an dem Tag, als der Herr am Horeb mitten aus dem Feuer zu euch redete –, dass ihr euch nicht verderbt und euch ein geschnitztes Bild macht, das Gleichnis irgendeines Bildes, das Abbild eines männlichen oder eines weiblichen Wesens, das Abbild irgendeines Tieres, das auf der Erde ist, das Abbild irgendeines geflügelten Vogels, der am Himmel fliegt, das Abbild von irgendetwas, das sich auf dem Erdboden regt, das Abbild irgendeines Fisches, der im Wasser unter der Erde ist; und dass du deine Augen nicht zum Himmel erhebst und die Sonne und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, siehst und verleitet wirst und dich vor ihnen niederwirfst und ihnen dienst, die der Herr, dein Gott, allen Völkern unter dem ganzen Himmel zugeteilt hat“ (
Die letzten Worte dieses Abschnitts hat man mit der historisch-kritischen Methode zu der Aussage verkehrt, Mose habe gedacht, dass Gott das Himmelsheer den Nationen als Gottheiten gegeben habe, während man ohne solch verkehrten Sinn sogleich versteht, dass die Himmelskörper als Lichtträger das gemeinsame Teil aller Menschen sind. Als Teil von Gottes Schöpfung zeugen sie von seiner Macht und Fürsorge für die ganze Menschheit. Welche Blindheit, da etwas anderes zu sehen!
Die Lade war daher mit dem Sühndeckel und den zugehörigen Cherubim kein Götzenbild, sondern betonte die geistliche Natur jenes unendlich herrlichen Wesens, das Himmel und Erde erfüllt, und doch gekommen ist, um inmitten seines Volkes zu wohnen und sich ihm überall dort zu offenbaren, wo es den Glauben gab, der Es erfassen konnte.
Kranz und Gold
Oben auf der Lade war, wie wir gesehen waren, ein Kranz aus Gold, der wohl einem doppelten Zweck diente: Der Verzierung der Lade und der sicheren Einfassung des Sühndeckels. Dieser Kranz aus Gold stellt auf treffende Weise unseren nun verherrlichten Herrn vor. „Wir sehen aber Jesus ... mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (
Der Sühndeckel war aus reinem Gold. Das Wort „rein“ (es wird sowohl für Metalle verwendet als auch für moralische Reinheit, siehe
Eine Bedeckung
Das manchmal auch als „Gnadenstuhl“ übersetzte Wort bedeutet wörlich einfach „Decke“. In der Lade selbst, so wird man sich erinnern, wurde keine Decke erwähnt. Unser ewig gelobter Herr benötigte keine. Alles stand offen vor den Augen seines Vaters, und so war es zu seinem Wohlgefallen. In die reinen Tiefen dieses vollkommenen Herzens konnte der Allwissende hineinschauen und erblickte nichts als das, was dem göttlichen Willen entsprach. Es war wirklich der gebührende Wohnsitz für das Gesetz eines heiligen Gottes. Nur so jemand konnte die Grundlage einer göttlichen „Decke“ sein für solche, die ihrer bedurften.
Es wäre jedoch nicht angemessen, das Wort kapporeth ohne weitere Erklärung mit „Decke“ wiederzugeben. Es leitet sich von der Intensiv-Form des hebräischen Verbs für „bedecken“ ab und stellt daher den Gedanken einer vollständig bewirkten, ewigen Bedeckung vor. In Verbindung mit dem Gold, woraus sie gemacht wurde, spricht es also von einer göttlichen Bedeckung. Menschen denken bei einer Bedeckung daran, etwas zu verbergen, Gottes Gedanke jedoch ist Sühnung: „Wer seine Übertretungen verbirgt, wird kein Gelingen haben“ (
Wie wir gesehen haben, wurde das Gesetz in die Lade gelegt. Die im Gesetz ausgedrückten Grundsätze absoluter Gerechtigkeit gegenüber Gott und Menschen sind die Kennzeichen von Gottes Thron. „Denn gerecht ist der Herr, Gerechtigkeiten liebt er“, und diese Gerechtigkeit muss in völliger Unparteilichkeit gegen jeden Sohn Adams handeln. „Seine Augen schauen, seine Augenlider prüfen die Menschenkinder“ (
Das ist das unausweichliche Verderben aller Menschen nach dem Urteilsspruch aus Gottes heiligem Gesetz. Der enzige, der aufgrund seiner vollkommenen Gesetzestreue vor Gott bestehen könnte, ist unser Herr Jesus. Er hätte durch das Gesetz gerechtfertigt werden können, um daraufhin erhöht zu werden und das gerechte Verderben des gesamten Menschengeschlechts zu verkünden. Hat Er es getan? Nein, sein Name sei gelobt! Anstatt der Vollstrecker des Gesetzes zu sein, entblößte Er sein fleckenloses Herz dem Schwert der Gerechtigkeit. Er war ohne Fehl und ohne Flecken, und damit als Stellvertreter geeignet – von unendlichem Wert. Für uns schuldige Menschen ließ Er das Gesetz sein gerechtes Werk an sich selbst statt an den Schuldigen verrichten: „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist (denn es steht geschrieben: ‚Verflucht ist jeder, der am Holz hängt!‘)“ (
Hier also haben wir den wahren Sühndeckel – eine göttliche, gerechte, und ewige Decke für das Gesetz Gottes und für den schuldigen, aber glaubenden Sünder. „Gott hat ihn dargestellt als ein Sühnmittel (wörtlich: einen ‚Sühndeckel‘) durch den Glauben an sein Blut, zur Erweisung seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher (d. h. in vergangenen Heilszeitaltern) geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes; zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, dass er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist“ (
Diese Wahrheiten werden durch die Maße des Sühndeckels noch einmal hervorgehoben: 5/2 x x 3/2 Ellen, oder, wie wir im vorigen Kapitel bereits gesehen, im Verhältnis fünf zu drei. Die Zahl fünf spricht von der Verantwortlichkeit, der unser Herr Jesus vollkommen entsprochen hat, und die Zahl drei von göttlicher Fülle und Offenbarung. Wie vollkommen ist jedem göttlichen Erfordernis in seinem Sühnungswerk entsprochen worden, und wie vollkommen die Herrlichkeit des dreieinen Gottes darin offenbart worden! Infolgedessen ist Gott nun für den Glaubenden, statt gegen ihn zu sein, und das in Übereinstimmung mit all seinen Wesenseigenschaften.
Indem der Sühndeckel dieselben Maße hatte wie die Lade, bedeckte er sie genau. Es gab keine freiliegende Stelle. Das Gesetz war von jedem Blick abgeschnitten. In einem sehr wahren Sinn konnte es nichts gegen das Volk tun, obwohl das Volk es gebrochen hatte. Wird die Notwendigkeit dieser Bedeckung nicht in dem Bericht über die Rückkehr der Lade aus dem Land der Philister angedeutet, die wir schon kurz erwähnt haben? Die Männer von Beth-Semes schauten ehrfurchtslos in die Lade hinein. Zweifellos hoben sie dazu den Sühndeckel an (
Damit ist aber keineswegs dem Fleisch oder einem gleichgültigen Lebenswandel auch nur der geringste Spielraum gelassen. „Die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (
Cherubim
Wir hatten bereits die Gelegenheit, auf die Cherubim hinzuweisen, sowohl auf den Teppichen und dem Vorhang, als auch auf dem Sühndeckel, aber wir haben es bisher aufgeschoben, ihre Bedeutung aus der Schrift aufzuzeigen.
Die Cherubim wurden, wie wir gesehen haben, mit dem Sühndeckel aus einem Stück getrieben. Das deutet wohl an, dass sie dieselben Wahrheiten verkörpern, die auch im Deckel dargestellt werden, bloß aus einem anderen Blickwinkel. Wir werden zunächst eine Reihe von weiteren Schriftabschnitten besehen, die von den Cherubim sprechen.1
„Er ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim lagern und die Flamme des kreisenden Schwertes, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen“ (
„Und wenn Mose in das Zelt der Zusammenkunft hineinging, um mit ihm zu reden, dann hörte er die Stimme zu ihm reden vom Deckel herab, der auf der Lade des Zeugnisses war, zwischen den beiden Cherubim hervor“ (
Der Hauptgedanke, den diese Schriftstellen über die Cherubim vermitteln, ist daher der von Stützen oder Wächtern des Thrones Gottes in seiner absoluten Gerechtigkeit und Ausübung des Gerichts. Wir finden denselben Gedanken in einem anderen Zusammenhang in
Das führt uns zu einer anderen Schriftstelle, an der dieser Gedanke ausgeweitet wird, nämlich
Hier haben wir in göttlicher Ausführlichkeit den „Wagen der Cherubim“ (
Dasselbe Gesicht wird nochmals in
Es mag eine Bedeutung darin liegen, dass in der Beschreibung der Cherubim im zehnten Kapitel nicht wie im ersten Kapitel das „Angesicht eines Stieres“ erwähnt wird, sondern das „Angesicht eines Cherubs“ (V. 14). Der Stier als das wichtigste Geschöpf im Dienst des Menschen könnte die Tatsache hervorheben, dass diese Cherubim Geschöpfe sind, und nicht göttlich.
Als nächstes wenden wir uns dem feierlichen Abschnitt im sechsten Kapitel des Propheten Jesaja zu (
Im neutestamentlichen Buch der Symbole fallen die wesentlichen Kennzeichen von Cherubim und Seraphim in den vier lebendigen Wesen zusammen (
Aus den betrachteten Schriftstellen schließen wir, dass diese Wesen symbolhaft für Gottes vernunftbegabte Schöpfung stehen, denn sie erweisen Ihm Anbetung; dass sie mit unbeschreiblicher Macht ausgestattet sind, denn sie laufen mit der Geschwindigkeit eines Blitzes hin und her; und dass sie eng verbunden sind mit dem Thron seiner Regierung und mit der richterlichen Vollstreckung des gerechten Gerichts auf diesem Thron. Aber wir wollen uns diese Tatsachen noch etwas näher ansehen.
Wir können sie nicht als bloß symbolische Darstellungen göttlicher Eigenschaften auffassen, denn es ist undenkbar, dass Gott von seinen Wesenseigenschaften angebetet wird, oder dass diese in seiner Gegenwart mit Flügeln verdeckt würden. Nur Wesen mit einem eigenen Bewusstsein können Ihm auf solche Weise ihre Verehrung bringen. Und doch werden diese Wesen in ihrer Funktion mit der Ausübung göttlicher Gerechtigkeit identifiziert. Wir müssen uns hüten, auf Dinge einzugehen, die wir nicht gesehen haben, wozu auch die „Anbetung der Engel“ (
Sowohl das Alte wie auch das Neue Testament sind voll von Abschnitten, die von der Existenz, der Persönlichkeit, und dem Dienst der Engel berichten. Wörtlich heißen sie „Boten“, denn das ist ihre Bedeutung sowohl im Hebräischen als auch im Griechischen, und es gibt keine Zweifel, dass sie himmlische Boten sind. Ihr Wohnort ist im Himmel (siehe
Einen erhabeneren Gedanken haben wir in dem oft erwähnten „Engel des Herrn“ (
Die Cherubim scheinen also als symbolische Figuren wohlbekannt gewesen zu sein, die in ihrer zustammengestellten Form die Vereinigung aller geschöpflichen Macht darstellen, und in ihren Flügeln und der engen Beziehung zum Thron Gottes ihr himmlisches, engelsähnliches Wesen. Sie waren daher Symbole des Himmelsheers, der Engel, Diener göttlichen Gerichts und göttlicher Gerechtigkeit, verbunden mit Gott als seine Diener in der Regierung der Welt. Als solche sind sie seine Stellvertreter, mit seiner Autorität bekleidet und, soweit nötig, auch mit seiner Macht (siehe
Worauf die Cherubim schauen
Dass auf diesem Sühndeckel gleich zwei solche Figuren waren, lässt sie als befähigte Zeugen der Heiligkeit, Gerechtigkeit und Güte Gottes erscheinen. Wir sehen sie dort mit ihren Gesichtern dem Sühndeckel zugewandt, über den sie ihre Flügel ausbreiten. Diese Haltung erinnert uns an
Und die Engel tun wohl, auf dieses Opfer zu blicken! Alle Eigenschaften des Wesens Gottes strahlen darin hervor: Seine Gerechtigkeit, denn Er hat darin die volle Strafe für die Sünde des Menschen zugemessen; seine Liebe, denn es ist seine Gabe an eine verlorene Welt; seine Weisheit, denn niemand als Gott hätte einen so wunderbaren Plan ersinnen können.
Wie die Cherubim blicken auch wir voller Bewunderung auf dieses herrliche Zeichen. Wir erinnern uns: „Von den Tieren, deren Blut für die Sünde in das Heiligtum hineingetragen wird durch den Hohenpriester, werden die Leiber außerhalb des Lagers verbrannt. Darum hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten. Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend“ (
Das Blut auf dem Sühndeckel bekundet, dass Gott das Opfer des Stellvertreters angenommen hat. Der Wert dieses Blutes ist auf ewig mit dem Thron und mit dessen Gerechtigkeit und Gericht verbunden.
Wenn das Material des Sühndeckels und des säumenden Kranzes der Lade von göttlichen Herrlichkeiten und von Christus spricht, der dort thront, ist das daher in Übereinstimmung mit der Bedeutung des Blutes auf dem Gnadenstuhl und dem bewundernden Blick der Gerechtigkeits- und Gerichtsdiener. Alles ist vereint, um den Wert dieser „ewigen Erlösung“ zu bezeugen, die Christus erfunden hat (
Dort ist wirklich der „sühnende“ und immerwährende Ort der Begegnung Gottes mit seiner Schöpfung. Wie sonst könnte ein schuldiger Sünder Dem nahen, der zu rein von Augen ist, um böses zu sehen? Aber durch Glauben an Christus, dessen Blut die Sühnung von Sünden bewirkt hat, kann der reuige Sünder hinzutreten und dankbaren Herzens beanspruchen, was göttliche Liebe ihm tatsächlich aufdrängt. Keine Furcht auf Seiten des Sünders – kein Zorn auf Gottes Seite! Das Gesetz mit seinem zweifachen Zeugnis gegen den Menschen ist groß und herrlich gemacht. Sein gerechtes Urteil hat das Opferlamm getragen. So wohnt Gott nun und für immer inmitten der Lobgesänge seines bluterkauften Volkes (
Wenn wir dem Gedanken der Lade als Truhe etwas weiter nachgehen, können wir sie uns als den Schatz Gottes vorstellen, der endlose Vorräte an Reichtümern für sein Volk enthält. Sie spricht von Christus, in dem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt (
Der Sühndeckel war und ist der Ort der Gemeinschaft. „Dort werde ich mit dir zusammenkommen und von dem Deckel herab ... zu dir reden“ (
Aber das soll eine demütige Seele, wie sehr sie auch ihre Unwürdigkeit empfindet, nicht von diesem Thron der Gnade abhalten. So ist es stets, und selbst die Kraft zur wahren Beurteilung unseres eigenen Zustandes kommt von Gott. Dieser Thron der Gnade ist ein sicherer Ort – „damit sich vor Gott kein Fleisch rühme“ (
Fußnoten
- 1 Was die Bedeutung des Wortes Cherubim betrifft, gehen die Meinungen der Gelehrten weit auseinander. Manche haben nahegelegt, dass es von einem Wort abgeleitet ist, das „für den gewöhnlichen Gebrauch verbieten“ bedeutet, also den Gedanken des Heiligens enthält. Es würde dann einen Wächter oder Hüter bezeichnen. Ein anderer Gedanke sieht es als Bezeichnung für „jemanden, der hinzunahen darf“. Wiederum andere verbinden es mit dem Wort „Griff“, abgeleitet von einem persischen Wort, das „halten“ oder „greifen“ bedeutet und somit auf den Hüter eines Schatzes hinweist. Es ist auch der Gedanke geäußert worden, dass es sich von einer Wurzel ableitet, die „reiten“ bedeutet, was an einen Streitwagen denken lässt und Psalm 18,10.11 erklären könnte. Jemand anders legt nahe, dass es vom Wort „eingravieren“ abgeleitet ist. Gravuren seien für diese Figuren besonders kennzeichnend. Es würde so eine Verbindung mit dem griechischen und lateinischem Wort für „schreiben“ bestehen. Aber es ist zu bedenken, dass solche Gravuren nur der Ausdruck des bereits Bestehenden waren, und es scheint unnatürlich, der Beschriftung eines Gegenstands statt dem Gegenstand selbst einen Namen zu geben. Zu guter Letzt hat man in dem Wort auch eine Zusammensetzung der Worte für „als Bittsteller“ und „Feinde“ gesehen. Diese Herleitung ist gut möglich und stimmt mit der offenkundigen Bedeutung der Cherubim überein. Aber angesicht der Menge an Vorschlägen zögere ich doch, mich endgültig festzulegen, würde sie allerdings reduzieren auf den letzen sowie den, der das Wort „herzunahen“ darin sieht – die Cherubim sind es, „die Zutritt haben“ und als solche die Wächter der göttlichen Gegenwart sind. Es ist auffallend, dass sie schon so früh in der Schrift erwähnt werden, und dort so, als müssten sie wohlbekannt sein. Es scheint, dass ihr Sinn sich mehr durch ihr Tun erschließt als durch die Bedeutung ihres Namens.
- 2 Die Felgen der Räder waren „hoch und furchtbar“ (V. 18). Man kann in diesen Rädern eine Beschreibung von Gottes gewaltiger und unermesslicher Schöpfung sehen. Die Erde selbst und alle Himmelskörper sind sphärisch, und ihre Bewegungen kreisförmig. Das Ausmaß ihrer Umlaufbahnen ist nur schwer mit Worten zu beschreiben, die unser begrenzter Verstand fassen kann. Die Umlaufbahn der Erde hat einen Durchmesser von beinahe 300 Millionen Kilometern. Bei Neptun, dem entferntesten Planeten unseres Sonnensystems, sind es 9 Milliarden Kilometer. Aber das Sonnensystem als Ganzes hat eine Bahn von unerforschtem Ausmaß. So dreht sich ein System nach dem anderen um immer neue Mittelpunkte – Räder inmitten von Rädern. Alles geschieht in vollkommener Harmonie, und alles bringt den vollkommenen Willen dessen voran, der als Gott über allem steht. Angesichts dieser Unermesslichkeiten ist die Geschichte der Menschheit fast zu klein, um wahrgenommen zu werden. Wir beugen uns in unserer kümmerlichen Schwachheit vor dem allmächtigen Gott – Vater, Sohn, und heiliger Geist.
- 3 Die Herkunft des Wortes „Seraphim“ ist umstritten, aber es scheint klar, dass es eine der zwei folgenden Wurzeln hat: „brennen“ oder „groß, vornehm sein“. Wenn wir die erste Bedeutung annehmen, so haben wir darin eine Andeutung des verzehrenden Feuers, und wenn wir die zweite annehmen, dann scheint der Gedanke fürstlicher Würde darin zu liegen – „Furstentümer und Gewalten“ (Eph 3,10), oder Erzengel (Jud 9).
- 4 In Hesekiel treten die Cherubim, wie wir gesehen haben, besonders in Verbindung mit Thron Gottes hervor. In Kapitel 28 finden wir eine andersartige Erwähnung: „ein schirmender, gesalbter Cherub“ (Hes 28,14). So wird der „König von Tyrus“ beschrieben, Sinnbild von Glanz und Macht dieser Welt, und von dem Menschen als ihrem Herrscher. Aber, und darauf haben andere bereits hingewiesen, der wahre Herrscher dieser Welt, ihr „Fürst“, ist Satan (Joh 14,30), und dieser Abschnitt enthält bemerkenswerte Ausdrücke, die auf übermenschliche Würden und Privilegien hinweisen und auf mehr als nur eines Menschen Fall: „Dein Herz hat sich erhoben wegen deiner Schönheit, du hast deine Weisheit zunichte gemacht wegen deines Glanzes“ (Vers 17). Solcherart war der durch Stolz bedingte Fall dessen, der eigentlich als eines der höchsten Geschöpfe Gottes in Gericht und Herrschaft mit seinem Schöpfer verbunden gewesen wäre.