Botschafter des Heils in Christo 1876

Die Sachwalterschaft Christi (1.Joh 2,1–2) (Schluss)

Diese Reinigung von der Sünde nun ist eine Reinigung durch Wasser und nicht durch Blut. Durch das Blut Christi sind unsere Sünden aus dem Buch Gottes ausgelöscht und vor seinem Angesicht hinweggetan. Christus hat sein Blut vor Gott in das himmlische Heiligtum gebracht und dadurch die Sünden des Volkes gesühnt. Dies ist ein für alle Mal Er hat eine ewige Erlösung erfunden, und alle, welche glauben, sind in Ewigkeit vollkommen vor Gott. Allein es gibt auch eine Reinigung durch Wasser – eine Reinigung des ganzen Leibes, und eine Reinigung der Füße. Nicht nur müssen unsere Sünden ausgetilgt, sondern auch unsere Seelen gereinigt werden. Dieses geschieht beim Beginn unserer christlichen Laufbahn. „Es sei denn, dass jemand aus Wasser und Geist geboren worden sei, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen.“ Und wodurch geschieht dieses? „Durch die Waschung mit Wasser durch das Wort“ (Eph 5,26). Das durch den Heiligen Geist auf unser Gewissen angewandte Wort Gottes bringt die Seele zur Erkenntnis der Sünde und wirkt in ihr Reue über die Sünde, so dass sie sich mit einem Schuldbekenntnis zu Gott wendet und dadurch den Pfad der Sünde verlässt. Jeder Gläubige kennt dieses aus Erfahrung. Diese Reinigung, oder will man lieber sagen, diese Absonderung nun geschieht durch die Waschung mit Wasser bezüglich des ganzen Leibes. Die Söhne Aarons wurden beim Beginn ihres priesterlichen Dienstes ganz gewaschen und waren dann ganz rein, so dass diese Waschung nimmer wiederholt wurde. Hierauf anspielend sagt Jesus zu Petrus: „Wer gebadet ist, hat nicht nötig, denn sich die Füße zu waschen, sondern ist ganz rein; und ihr seid rein.“ Doch wiewohl die Söhne Aarons einmal ganz gebadet waren, und diese Reinigung niemals wiederholt wurde, so mussten sie doch jedes Mal, wenn sie im Lager gewesen waren, ihre Hände und Füße waschen. Der Herr sagt daher zwar zu Petrus: „Wer gebadet ist, ist ganz rein“; aber auch: „Er hat nötig, sich die Füße zu waschen;“ und: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil mit mir.“ Obwohl die Seele sich einmal bei der Bekehrung von den Sünden ab und zu Gott hingewandt hat, so muss sie dennoch jedes Mal, wenn sie durch eine bestimmte Sünde verunreinigt ist, sich von dieser Sünde abwenden: sie muss zur Neue und zum Bekenntnis kommen, um also wieder in die Gemeinschaft des Vaters, welche durch die Sünde gestört ist, zurück zu kehren.

Diese Fußwaschung der Gläubigen nun ist eine Frucht der Sachwalterschaft Jesu bei dem Vater. Nachdem die Erlösung vollbracht war, ist der Herr gen Himmel gefahren und hat sich zur Rechten Gottes gesetzt. Dort ist Er der große Hohepriester bei Gott und der Sachwalter bei dem Vater. Von dort hat Er den Heiligen Geist auf die Erde in die Herzen der Gläubigen gesandt, und dieser wirkt, entsprechend der Sachwalterschaft Jesu, durch das Wort in unseren Seelen. Der Heilige Geist stellt uns in das Licht des Wortes und lässt uns dadurch erkennen und fühlen, was Sünde und was nicht in Übereinstimmung mit der Heiligkeit Gottes und mit unserer Berufung als Kinder Gottes ist. Er bringt uns zur Erkenntnis und zur Reue unserer Sünde und also praktisch wieder zurück in die Gemeinschaft mit dem Vater. Solange man seine Sünde nicht bekannt hat, gibt es keinen Genuss der Gemeinschaft Gottes, keine Glückseligkeit in seiner Gegenwart; man fühlt sich dort nicht auf dem rechten Platze; aber sobald das Selbstgericht ein wirkliches ist und man sich von der Sünde abgewandt hat, so fühlt man sich wieder glücklich in der Nähe des Vaters und man genießt wieder seine Liebe und Güte.

Welch eine Gnade! Welch eine liebreiche Vorsorge in all unserer Notdurft als Gläubige! Jesus bittet für uns im Himmel, auf dass wir nicht aus der Gemeinschaft des Vaters ausgestoßen werden; und als Antwort auf seine Bitte wirkt der Heilige Geist durch das Wort in uns, damit unsere Seelen sich wieder des Genusses dieser Gemeinschaft praktisch erfreuen dürfen.

Wie dieses geschieht, zeigt uns die Geschichte der Wiederherstellung des Petrus in der treffendsten Weise. Wie ernst hatte der Herr seinen Jünger, bevor dieser fiel, gewarnt! Und wie hinfällig zeigt sich hier die Meinung etlicher, als ob man sündigen müsse, um sich kennen zu lernen. Hätte Petrus dem Wort der Warnung des Herrn geglaubt und sich vor der Gefahr, in der er sich befand, gefürchtet, so würde er sicher nicht so tief gefallen sein. Allein voll Selbstvertrauen beachtete er die Worte des Herrn nicht; und in eigener Kraft betrat er die Stätte der Gefahr. So ist es stets. Unser Ohr ist nie schwerhöriger, als wenn wir keine Lust haben zu hören.

Doch betrachten wir jetzt die Gnadenwege des Herrn. „Ich habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhöre.“ Das waren die Worte des Herrn vor dem Fall und sicher nicht durch die Reue des armen Jüngers hervorgerufen. Jesus ist der Sachwalter der Seinen bei dem Vater; und alles, was weiter geschah, war eine Antwort auf die Fürbitte Jesu. Als Petrus zum dritten Male mit Eiden und Flüchen seinen Herrn verleugnet hatte, wandte Jesus sich um und blickte ihn an. Welch ein Augenblick für den Jünger! Welch eine Gnade von dem Lehrer! Wir lesen: „Und Petrus gedachte an das Wort des Herrn, wie Er zu ihm sagte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Hier haben wir die Waschung des Wassers durch das Wort. Die Worte Jesu dringen in ihrer ganzen Kraft und Schärfe in die Seele des gefallenen Jüngers. „Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer denn jegliches zweischneidige Schwert.“ Und was war die Folge? Petrus ging hinaus und weinte bitterlich. Der Blick Jesu erinnerte ihn an die Worte Jesu, und diese brachten ihn zu aufrichtiger Reue. Doch hiermit war noch nicht alles geschehen. O nein, die Seele des Petrus musste in die Gemeinschaft mit Jesu zurückgeführt, und der gefallene Jünger musste in seinem Dienstverhältnis wiederhergestellt werden. Und was tut der Herr? Nach seiner Auferstehung ist Petrus unter den Aposteln der Erste, mit welchem Er eine besondere Unterredung führt. Der reumütige Jünger wird von dem auferstandenen Herrn aufgesucht und empfängt die Versicherung seiner unveränderlichen Liebe. Doch Petrus war nicht nur ein Gläubiger, sondern auch ein Diener des Evangeliums; und darum musste er nicht nur zur Gemeinschaft des Herrn zurückgeführt, sondern auch als Diener wiederhergestellt werden. Und auch dieses ist geschehen. Am See Tiberias vertraut der Herr, nachdem Er bis zur Wurzel des Bösen, dem Selbstvertrauen, gedrungen ist, dem gefallenen, aber wiederhergestellten Jünger die Obhut seiner Schafe und Lämmer an. So war also die Verheißung Jesu erfüllt: „Ich habe für dich gebetet, auf dass dein Glaube nicht aufhöre; und bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder.“ Der Herr tut kein halbes Werk. Wenn Er jemanden unter den Seinen wiederherstellt, so geschieht es in vollem Maß. – O gnadenreicher Jesus! Wie unaussprechlich groß ist deine Liebe, wie unwandelbar deine Treue! Wie herrlich weißt du deinen Zweck zu erreichen und deinen Namen zu verherrlichen! O möchten wir doch auf deine Stimme lauschen und auf deine Wege achten!

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