Botschafter des Heils in Christo 1876

Gedanken über das Kommen des Herrn - Teil 1/6

Einleitung

Der aufmerksame Leser des Neuen Testaments wird in demselben drei ernste und wichtige Tatsachen vor sein Auge geführt sehen, nämlich 1. dass der Sohn Gottes in diese Welt gekommen ist, aber sie wieder verlassen hat; 2. dass der Heilige Geist auf diese Erde herabgestiegen und noch immer auf derselben weilt; und 3. dass der Herr Jesus wiederkommen wird.

Dieses sind die in den Schriften des Neuen Testaments entfalteten drei wichtigen Wahrheiten; und wir werden finden, dass jede derselben, sowohl in Bezug auf die Welt als auch in Bezug auf die Kirche oder Versammlung, von doppelter Tragweite ist – auf die Welt insgesamt und jeden unbekehrten Menschen insbesondere; auf die Versammlung als ein Ganzes und jedes einzelne Glied derselben in Sonderheit. Es ist für jeden unmöglich, sich dem Einfluss dieser drei großen Tatsachen auf seinen persönlichen Zustand und seine zukünftige Bestimmung entziehen zu können. Und man beachte es wohl, dass wir hier nicht von gewissen Lehren – obwohl ohne Zweifel solche vorhanden sind – sondern vielmehr von Tatsachen reden, welche uns in möglichst einfacher Weise von den verschiedenen inspirierten Schreibern vor Augen gestellt sind. Es ist kein Versuch des Ausschmückens oder des Hervorhebens. Die Tatsachen sprechen für sich selbst; sie sind aufgezeichnet, um ihre eigene mächtige Wirkung auf die Seele auszuüben.

Betrachten wir zunächst die Tatsache, dass der Sohn Gottes in dieser Welt gewesen ist. „Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingeborenen Sohn gegeben.“ – „Der Sohn Gottes ist gekommen.“ Er kam in vollkommener Liebe als der vollkommene Ausdruck des Herzens und der Gedanken Gottes. Er war der Abglanz der Herrlichkeit Gottes und der Ausdruck seines Wesens, und dennoch ein so demütiger, sanftmütiger, gütiger und wirklicher Mensch, den man – gütig und freundlich gegen jedermann, so dass selbst der Ärmste nahen konnte – tagtäglich in den Straßen und in den Häusern umherwandeln sah, der in der zärtlichsten, gewinnendsten Weise die kleinen Kinder in seine Arme nahm, der der Witwe Tränen trocknete, das geschlagene und betrübte Herz tröstete, den Hungrigen speiste, den Kranken heilte, den Aussätzigen reinigte, kurz jeder Art menschlichen Elends begegnete und den Notschrei aller durch seine Hilfe und sein Mitgefühl beantwortete. „Er ging umher, Gutes tuend.“ Er war der unermüdliche Diener für die Bedürfnisse der Menschen. Er dachte nie an sich selbst; Er suchte in keiner Sache sein eigenes Interesse. Er lebte für anders; es war seine Speise, den Willen Gottes zu tun und die bekümmerten und mühseligen Herzen der Menschenkinder zu erquicken; aus seinem liebenden Herzen ergossen sich Ströme des Segens für alle, welche den Druck dieser sündhaften, kummervollen Welt fühlten.

Wir haben hier also eine bewundernswürdige Tatsache vor Augen. Diese Welt ist besucht, diese Erde ist betreten worden von dem Hochgepriesenen, von dem wir gesprochen haben, von Ihm, dem Sohn Gottes – dem Schöpfer und Erhalter des Weltalls – dem demütigen, sich selbst erniedrigenden, liebenden und gnadenreichen Sohn des Menschen – dem Jesus von Nazareth; von Ihm, der, obwohl „Gott über alles gepriesen in Ewigkeit“, dennoch als ein fleckenloser, heiliger, durchaus vollkommener Mensch umherging. Er kam in Liebe zu den Menschen: Er kam in diese Welt als der Ausdruck vollkommener Liebe gegenüber solchen, die gegen Gott gesündigt und nichts als die ewige Verdammnis wegen ihrer Sünden verdient hatten. Er kam nicht, um zu verderben, sondern um zu heilen – nicht, um zu richten, sondern um zu erretten und zu segnen.

Wie aber ist dieser Hochgelobte von der Welt empfangen worden? – Sie hat Ihn verworfen. Sie wollte nichts von Ihm; sie zog diesem heiligen, gnadenreichen, vollkommenen Menschen einen Räuber und Mörder vor. Die Welt hatte zu wählen. Jesus und ein Mörder wurden vor sie gestellt; und die Frage hieß: „Wen begehrt ihr?“ Und wie lautete die Antwort? „Nicht diesen Menschen, sondern den Barabbas.“ „Die Hohepriester aber und die Nettesten überredeten das Volk, dass sie um Barabbas bäten. Der Landpfleger aber antwortete und sprach zu ihnen: Welchen von beiden wollt ihr, dass ich euch losgebe? Sie aber schrien: den Barabbas?“ (Mt 27,20–21) Die religiösen Häupter und Führer des Volkes, sie, die die Menschen auf den rechten Weg hätten leiten sollen, überredeten die unwissende Menge, den Sohn Gottes zu verwerfen und statt seiner einen Räuber und Mörder aufzunehmen.

Lieber Leser! Bedenke, dass du dich in einer Welt befindest, die sich dieser entsetzlichen Handlung schuldig gemacht hat. Und nicht nur das, sondern du bildest, wenn du nicht wirklich Buße getan und an den Herrn Jesus gläubig geworden bist, einen Teil von dieser Welt und bist der vollen Strafbarkeit dieser Handlung unterworfen. Wie schrecklich ernst ist dieses! Die ganze Welt steht da, angeklagt der wohlüberlegten Verwerfung und Tötung des Sohnes Gottes. Wir besitzen das Zeugnis von nicht weniger als vier inspirierten Zeugen dieser Tat. Matthäus, Markus, Lukas und Johannes bekunden es, dass die ganze Welt, der Jude wie der Heide – die Könige und Landpfleger, die Priester und das Volk – kurz alle Klassen, Sekten und Parteien übereinstimmend in die Kreuzigung des Sohnes Gottes eingewilligt und die Tötung des allein vollkommenen Menschen, der je diese Erde betrat, vollzogen haben. Wir müssen entweder die Evangelisten als vier falsche Zeugen betrachten, oder zugeben, dass die ganze Welt mit dem Verbrechen der Kreuzigung des Herrn der Herrlichkeit besteckt ist.

Das ist der wahre Maßstab, nach welchem wir die Welt, sowie den Zustand jedes einzelnen, unbekehrten Menschen in der Welt zu messen haben. Wenn ich wissen will, was die Welt ist, so habe ich nur zu bedenken, dass sie vor Gott steht, als der absichtlichen Tötung seines Sohnes angeklagt. Welch eine furchtbare Wirklichkeit! – eine Wirklichkeit, welche die Welt in der ernstesten Weise kennzeichnet und sie in der erschreckendsten Schwarze vor unsere Augen stellt. Gott hat eine Rechtssache mit dieser Welt zu schlichten. Er hat eine entsetzlich ernste Frage mit ihr ins Reine zu bringen, eine Frage, deren bloße Erwähnung die Ohren der Menschen gellen und ihr Herz zittern machen sollte. Ein gerechter Gott hat den Tod seines Sohnes zu rächen. Und die Welt hat – was schon an und für sich eine verabscheuungswürdige Handlung gewesen wäre – nicht nur einen elenden Mörder aufgenommen und einen unschuldigen Menschen zu Tod gebracht, sondern dieser unschuldige Mensch war kein anderer, als der Sohn Gottes, der Eingeborene vom Vater.

Welch ein Gedanke! Die Welt wird Gott wegen des Todes seines Sohnes, den sie Zwischen zwei Räubern an das Kreuz geheftet hat, Rechenschaft geben müssen. Welch ein Abrechnen wird dort stattfinden! Wie blutig rot wird der Tag des Zornes sein! Wie schrecklich zerstörend der Augenblick, in welchem Gott das Schwert des Gerichts entblößt, um den Tod seines Sohnes zu rächen! Wie gänzlich eitel ist der Gedanke an die Veredlung der Welt, während sie mit dem Blut Jesu befleckt ist und dieser Tat wegen unter dem Gericht Gottes steht, und welche einem gerechten Gott Rechenschaft geben muss über die Art und Weise, wie sie den Geliebten seiner Seele, den Er zu segnen und zu erretten in Liebe gesandt, behandelt hat! Welch eine Blindheit! Welch eine Torheit! Ach nein, mein teurer Leser, eine Weltverbesserung ist unmöglich, solange nicht die Flut der Zerstörung und das Schwert des Gerichts ihr furchtbares Werk vollbracht und den Tod, die wohlüberlegte und vollzogene Ermordung des hochgepriesenen Sohnes Gottes gerächt haben. Wir können uns keinen verhängnisvolleren und größeren Irrtum denken, als sich einzubilden, dass eine Veredlung der Welt möglich sei, während sie unter dem schrecklichen Fluch der Tötung Jesu liegt. Diese Welt, welche einen Mörder dem Herrn Jesus vorgezogen hat, ist der Veredlung unfähig. Sie hat nichts zu erwarten, als ein überwältigendes Gericht Gottes.

So viel über die schwerwiegende Tatsache der Abwesenheit Jesu in ihrer Tragweite bezüglich des gegenwärtigen Zustandes und des zukünftigen Schicksals dieser Welt. Doch diese Tatsache hat noch eine andere Tragweite. Sie erstreckt sich auf die Kirche oder Versammlung als ein Ganzes und auf jeden einzelnen Gläubigen in Sonderheit. Wenn die Welt Christus ausgestoßen hat, so haben die Himmel Ihn empfangen. Wenn der Mensch Ihn verworfen hat, so hat Gott Ihn erhöht. Wenn der Mensch Ihn gekreuzigt hat, so hat Gott Ihn gekrönt. Diese beiden Dinge müssen wir sorgfältig unterscheiden. Der Tod Christi, als ein Werk der Welt, als ein Werk der Menschen betrachtet, schließt nichts als den unvermischten Zorn und das Gericht in sich, während andererseits dieser Tod, als das Werk Gottes betrachtet, für jeden Bußfertigen und Glaubenden nur eine vollkommene und ewige Segnung enthält. Zum Beweis dafür wollen wir nur einige wenige Stellen anführen.

Verweilen wir einen Augenblick bei dem 69. Psalm, welcher uns unseren gesegneten und anbetungswürdigen Herrn, leidend unter der Hand der Menschen und schreiend zu Gott um Rache, so lebendig vor Augen stellt. „Erhöre mich, Jehova, denn gut ist deine Güte; wende dich zu mir, nach der Größe deiner Barmherzigkeit und verbirg dein Antlitz nicht vor deinem Knecht, denn ich bin bedrängt; eilend erhöre mich! Nahe meiner Seele; erlöse sie! Erlöse mich wegen meiner Feinde! Du kennst meine Schmach, meine Scham und meine Schande; vor dir sind alle meine Bedränger. Der Hohn hat mein Herz gebrochen, und ich bin ganz elend; und ich habe auf Mitleiden gewartet, aber da war keins, und auf Tröster, aber ich habe sie nicht gefunden. Ja, sie gaben in meine Speise Galle, und in meinem Durst tränkten sie mich mit Essig. Es werde zur Schlinge vor ihnen ihr Tisch, und ihre Wohlfahrt selbst zu einem Fallstrick. Lass dunkel werden ihre Augen, dass sie nicht sehen, und lass beständig wanken ihre Lenden! Schütte aus über sie deinen Zorn, und deines Zornes Glut erreiche sie. Es sei verwüstet ihr Palast; in ihren Zellen sei kein Bewohner usw.“

Wie ernst und feierlich ist dieses alles! Jedes Wort dieser Anklage wird seine Antwort finden. Nicht eine Silbe wird zur Erde fallen. Gott wird sicher den Tod seines Sohnes rächen. Er wird die Welt zur Rechenschaft ziehen wegen der Behandlung, die sein Eingeborener unter ihren Händen erfahren hat. Wir erachten es als eine Notwendigkeit, dieses auf das Herz und Gewissen unseres Lesers zu legen. Wie schrecklich ist der Gedanke, dass Christus wider die Menschen Anklage erhebt! Wie entsetzlich, Ihn um Rache über seine Feinde zu Gott rufen zu hören! Wie furchtbar wird die göttliche Antwort auf den Schrei des geschmähten Sohnes sein!

Aber wenden wir uns zur Betrachtung des anderen Bildes, zu dem 22. Psalm, welcher uns den Herrn, als unter der Hand Gottes leidend, darstellt. Hier ist das Resultat ein ganz anderes. Statt des Gerichts und der Rache finden wir hier eine allgemeine Segnung und Herrlichkeit. „Verkündigen will ich deinen Namen meinen Brüdern, inmitten der Versammlung will ich dich loben. Ihr, die ihr Jehova fürchtet, lobt Ihn; aller Same Jakobs verherrlicht Ihn, und fürchtet euch vor Ihm aller Same Israels. Von dir ist mein Lobgesang in großer Versammlung: bezahlen will ich mein Gelübde vor denen, die Ihn fürchten. Die Elenden werden essen und satt werden; es werden Jehova loben, die Ihn suchen; es lebe euer Herz immerdar! Es werden eingedenk werden und zu Jehova umkehren alle Enden der Erde; und vor deinem Angesicht werden niederfallen alle Stämme der Nationen. Denn Jehovas ist das Reich, und unter den Nationen herrscht Er. ... Ein Same wird Ihm dienen; er wird dem Herrn als ein Geschlecht zugerechnet werden. Sie werden kommen und verkündigen seine Gerechtigkeit dem Volk, welches geboren wird, dass Er es getan hat.“

Diese beiden hier angeführten Schriftabschnitte zeigen uns in großer Klarheit die beiden Seiten des Todes Christi. Er starb um der Gerechtigkeit willen, als ein Märtyrer, unter der Hand des Menschen; und hierfür werden die Menschen Gott Rechenschaft abzulegen haben. Aber Er starb auch um der Sünde willen, als ein Opfer, unter der Hand Gottes. Dieses ist die Grundlage aller Segnung für die, welche an seinen Namen glauben. Sein Märtyrertod bringt Rache und Gericht über eine gottlose Welt; sein Opfertod öffnet die ewig sprudelnde Quelle des Lebens und der Errettung für die Kirche oder Versammlung, für Israel und für die ganze Schöpfung. Der Tod Jesu macht das Maß der Schuld der Welt voll; aber derselbe macht auch die Annahme der Versammlung sicher. Durch das Blut des Kreuzes ist die Welt befleckt und die Versammlung gereinigt.

Das ist die doppelte Wirkung der ersten unserer drei großen Tatsachen des Neuen Testaments. Jesus ist gekommen und wieder hinweggegangen – gekommen, weil Gott die Welt liebte, und gegangen, weil die Welt Gott hasste. Wenn – was einmal geschehen wird – Gott die Frage erheben wird: „Was habt ihr mit meinem Sohn gemacht?“ – so wird die Antwort heißen: „Wir haben Ihn gehasst, verworfen und getötet, wir zogen Ihm einen Mörder vor.“ – Aber – gepriesen sei der Gott aller Gnade! – der Christ, der wahre Gläubige, kann zum Himmel emporschauen und sagen: „Mein abwesender Herr ist droben und zwar für mich. Er hat diese elende Welt verlassen: und seine Abwesenheit macht den ganzen Schauplatz um mich her zu einer moralischen Wüste, zu einer traurigen Einöde.“

Er ist nicht hier. Dieses drückt der Welt in dem Urteil jedes wahren Herzens den Stempel eines unverkennbaren Charakters auf. Die Welt wollte nichts von Jesu. Das ist genug. Die scheußlichste Tat kann uns jetzt nicht mehr befremden. Polizeiberichte über die in unseren Städten und Dörfern begangenen scheußlichsten Verbrechen können uns nicht mehr überraschen. Die Welt, welche die göttliche Personifikation aller menschlichen Güte verwerfen und statt derselben einen Räuber und Mörder annehmen konnte, hat ihre moralische Schändlichkeit in einem Grad erwiesen, der nicht überschritten werden kann. Können wir uns noch wundern, wenn wir die Falschheit und Herzlosigkeit der Welt entdecken? Sind wir erstaunt, wenn wir finden, dass ihr nicht zu trauen ist? Wenn dieses der Fall ist, so ist es klar, dass wir die Abwesenheit unseres Herrn nicht richtig begriffen haben. Was beweist das Kreuz Christi? Dass Gott die Liebe ist? Ohne Zweifel. Dass Christus sein kostbares Leben dahingegeben hat, um uns von den ewigen Flammen der Hölle zu retten? Lob und Preis seinem unvergleichlichen Namen für diese köstliche Wahrheit! – Aber was beweist das Kreuz in Bezug auf die Welt? Dass das Maß ihrer Sünde voll und ihr Gericht besiegelt ist. Die Welt hat, indem sie Ihn, der vollkommen gut war, an das Kreuz heftete, den unwiderlegbaren Beweis von ihrer völligen Schlechtigkeit erwiesen. „Wenn ich nicht gekommen wäre und nicht zu ihnen geredet hatte, so hätten sie keine Sünde; jetzt aber haben sie keinen Vorwand für ihre Sünde. Wer mich hasst, der hasst auch meinen Vater. Wenn ich nicht die Werke getan hatte unter ihnen, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde; jetzt aber haben sie gesehen und gehasst beide, mich und meinen Vater. Aber auf dass das Wort erfüllt werde, das in ihrem Gesetz geschrieben ist: Sie haben mich ohne Ursache gehasst“ (Joh 15,22–25).

Richten wir jetzt unsere Blicke auf die oben angedeutete zweite wichtige Tatsache. Gott, der Heilige Geist, ist auf diese Erde gekommen. Schon mehr als achtzehn Jahrhunderte sind verflossen, seit Er vom Himmel herabgestiegen ist und von dieser Zeit an hienieden weilt. Welch eine wunderbare Tatsache. Eine göttliche Person weilt auf dieser Erde; und wie die Abwesenheit Jesu, so ist auch die Gegenwart des Heiligen Geistes von doppelter Tragweite in Bezug auf die Welt und auf die Kirche oder Versammlung – sowohl auf die Welt insgesamt und jeden einzelnen Menschen in Sonderheit, als auch auf die Versammlung als ein Ganzes und auf jedes einzelne Glied derselben insbesondere. Was die Welt betrifft, so ist dieser erhabene Zeuge vom Himmel gekommen, um sie des Verbrechens zu überführen, den Sohn Gottes verworfen und gekreuzigt zu haben, während Er bezüglich der Versammlung als der Sachwalter erschienen ist, um den Platz des abwesenden Herrn Jesus auszufüllen und durch seine Gegenwart und durch seinen Dienst die Herzen seines Volkes zu trösten. So ist der Heilige Geist also für die Welt ein mächtiger Überführer, für die Versammlung aber ein göttlicher Sachwalter.

Einige wenige Stellen der Heiligen Schrift werden in dem Herzen und dem Verständnis des gottesfürchtigen Lesers, der sich in demütiger Anbetung der Autorität des göttlichen Wortes unterwirft, diese Punkte befestigen. Wir lesen in Johannes 16: „Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat, und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? – sondern weil ich dieses zu euch geredet habe, hat Traurigkeit euer Herz erfüllt. Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist euch nützlich, dass ich hingehe; denn wenn ich nicht hingehe, so wird der Sachwalter nicht zu euch kommen; wenn ich aber hingehe, so will ich Ihn zu euch senden. Und wenn Er kommt, so wird Er die Welt überführen von Sünde, von Gerechtigkeit und von Gericht. Von Sünde, weil sie nicht an mich glauben, von Gerechtigkeit, weil ich zu meinem Vater gehe und ihr mich nicht mehr seht; von Gericht, weil der Fürst dieser Welt gerichtet ist.“

Und wiederum lesen wir in Johannes 14: „Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote, und ich werde den Vater bitten, und Er wird euch einen Sachwalter geben, dass Er bei euch bleibe in Ewigkeit – den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht kann empfangen, weil sie Ihn nicht sieht, noch Ihn kennt. Ihr aber kennt Ihn; denn Er bleibt bei euch und wird in euch sein.“

Diese Stellen werden genügen, um die doppelte Tragweite der Gegenwart des Heiligen Geistes festzustellen. Wir können in dieser kurzen Einleitung nicht länger bei diesem wichtigen Gegenstand verweilen: wir hoffen aber, dass der Leser dadurch angespornt sein möge, denselben für sich selbst in dem Licht der Heiligen Schrift näher zu betrachten, indem wir überzeugt sind, dass, je mehr er in diese Wahrheit eindringt, er desto mehr ihren Nutzen und ihre praktische Wichtigkeit fühlen wird. Ach, wie betrübend, dass sie so wenig verstanden wird, und dass die Christen so wenig erkennen, was die persönliche Gegenwart des Heiligen Geistes auf dieser Erde in sich schließt, und welches sowohl die ernsten Folgen in Bezug auf die Welt und jeden unbekehrten Menschen, als auch die unschätzbaren Resultate in Bezug auf die Versammlung und deren einzelne Glieder sind!

O möchten doch die Gläubigen überall zu einem tieferen Verständnis dieser Dinge geleitet werden! Möchten sie doch mehr erwägen, was dieser in und bei ihnen wohnenden göttlichen Person gebührt, und möchten sie doch aufrichtige Sorge tragen, den Heiligen Geist weder in ihrem persönlichen Wandel zu betrüben, noch Ihn in ihren öffentlichen Versammlungen auszulöschen!

Wir werden jetzt, so der Herr es erlaubt, zu der eben angedeuteten dritten Tatsache – betreffend die Ankunft unseres Herrn und Heilands Jesu Christi – als dem eigentlichen Gegenstand unseres Schriftchens übergehen. Möge der Heilige Geist diese herrliche Wahrheit in lebendiger Kraft und Frische unseren Seelen offenbaren, damit wir in Wirklichkeit den Sohn Gottes vom Himmel erwarten. 1. Die Tatsache selbst: Im Blick auf diesen so überaus herrlichen Gegenstand wissen wir nichts Besseres zu tun, als unseren Lesern das bestimmte Zeugnis der Heiligen Schrift über die erhabene Tatsache vorzulegen, dass unser Herr Jesus Christus zurückkehren, dass Er den Platz, den Er jetzt auf des Vaters Thron einnimmt, wieder verlassen und in Wolken kommen wird, um die Seinen zu sich zu nehmen, dann das Gericht über die Gottlosen auszuüben und sein eigenes Königreich aufzurichten.

Diese Tatsache ist im Neuen Testament ebenso klar und vollständig dargestellt, wie die bereits angeführten beiden ersten Ereignisse. Es ist eine ebenso völlige Wahrheit, dass der Sohn Gottes vom Himmel wiederkommen wird, wie es wahr ist, dass Er gen Himmel gefahren, oder dass der Heilige Geist noch auf der Erde ist. Wenn wir die eine dieser Wahrheiten annehmen, so müssen wir sie auch alle annehmen; und wenn wir die eine derselben verwerfen, so müssen wir auch alle verwerfen, weil sie genau eine und dieselbe Autorität zur Quelle haben. Sie stehen und fallen miteinander. Ist es wahr, dass der Sohn Gottes verworfen, ausgestoßen und gekreuzigt worden, dass Er gen Himmel gefahren ist und jetzt, gekrönt mit Ehre und Herrlichkeit, zur Rechten Gottes sitzt? Ist es wahr, dass der Heilige Geist, fünfzig Tage nach der Auferstehung des Herrn, auf diese Erde gekommen ist und noch hier wohnt? – Ist dieses alles wahr? Sicher so wahr wie Gottes Wort Wahrheit ist. Aber so wahr ist es auch, dass der Herr Jesus wiederkommen und sein Königreich auf dieser Erde aufrichten – ja, dass Er im buchstäblichen Sinne, tatsächlich und persönlich vom Himmel Herniederkommen und von einem Ende der Erde bis zum anderen seine Macht und sein Reich an sich nehmen wird.

Es mag vielleicht etliche unserer Leser befremden, dass wir es für nötig erachten, für eine solch einfache Wahrheit Beweise zu liefern; allein wir beabsichtigen über diesen Gegenstand in einer Weise zu schreiben, als ob derselbe dem Leser noch ganz unbekannt sei und er noch nie etwas über die Wiederkunft des Herrn gehört habe, oder als ob er diese ihm bereits bekannte Wahrheit in Zweifel ziehe. Dieses möge zu unserer Entschuldigung dienen, wenn wir diesen köstlichen Gegenstand in einer so elementarischen Weise behandeln.

Nun aber die Beweise.

Als unser anbetungswürdiger Herr im Begriff war, seine Jünger zu verlassen, suchte Er in seiner unendlichen Gnade ihre bekümmerten Herzen mit Worten der zärtlichsten Liebe zu trösten. „Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich. In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingegangen bin und euch eine Statte bereitet habe, so komme ich wieder und will euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seid“ (Joh 14,1–3).

Hier ist etwas ganz Bestimmtes. Es ist ebenso bestimmt, wie es erfreuend und tröstlich ist. „Ich komme wieder.“ Er sagt nicht: „Ich werde zu euch senden“, auch nicht: „Ihr werdet, wenn ihr sterbt, zu mir kommen.“ Nichts von diesem allen. Die Sendung eines Engels oder einer Legion von Engeln und seine eigene persönliche Wiederkunft sind zwei ganz verschiedene Dinge. Es würde ohne Zweifel sehr gnädig von Ihm und sehr herrlich für uns sein, wenn wir von himmlischen Heerscharen auf feurigen Wagen und Rossen gen Himmel entrückt würden: allein das wäre nicht die Erfüllung seiner eigenen köstlichen Verheißung. Sicher aber wird Er erfüllen, was Er verheißen hat. Seine Worte und seine Handlungen werden stets in Übereinstimmung sein. Er kann nicht lügen oder sein Wort verändern. Und nicht nur das, sondern es würde auch der Liebe seines Herzens nicht genügen, einen Engel oder Scharen von Engeln zu senden, um uns Ihm zuzuführen. Er will selbst kommen.

Welche Gnade erblicken wir in diesem allen! Wenn ich einen teuren, hochgeschätzten Freund mit der Eisenbahn erwarte, so wird es mir nicht genügen, einen Diener oder einen leeren Wagen ihm entgegen zu schicken, sondern ich selbst werde ihm entgegengehen! Und das ist dasselbe, was der Herr Jesus zu tun beabsichtigt. Er ist in die Himmel eingegangen; und sein Eingang bereitet und sichert dort den Platz der Seinen. In den vielen Wohnungen im Haus seines Vaters würde für uns kein Platz zu finden sein, wenn Jesus nicht vorher eingegangen wäre. Nun aber, damit bei dem Gedanken an den Eingang zu dieser Stätte kein Gefühl von Schüchternheit in unserem Herzen aufsteige, sagt Er in der zärtlichsten Liebe: „Ich komme wieder und will euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seid.“ Nichts weniger als dieses kann diese herrliche Verheißung erfüllen und sein liebendes Herz befriedigen.

Und beachten wir es wohl, dass diese Verheißung durchaus in keiner Beziehung zu dem Tod des Gläubigen steht. Wer könnte es sich vorstellen, dass, wenn unser Herr sagt: „Ich komme wieder!“ Er damit gemeint habe, wir sollten durch den Tod zu Ihm kommen? Wie könnten wir uns gegenüber diesen einfachen und köstlichen Worten des Herrn zu solchen Freiheiten erkühnen? Wenn Er von unserem Heimgang zu Ihm durch den Tod hätte reden wollen, so würde Er es getan haben. Sein Kommen zu uns und unser Gehen zu Ihm sind zwei ganz verschiedene Dinge; und als verschiedene Begriffe würden sie auch in verschiedene Ausdrücke gekleidet worden sein. Da sagt z. B. unser Herr nicht zu dem Räuber am Kreuz, dass Er ihn holen werde, sondern Er sagt: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Wir müssen uns erinnern, dass die Heilige Schrift ebenso göttlich bestimmt, wie göttlich eingegeben ist, und dass sie daher nimmer zwei so ganz verschiedene Dinge, wie das Kommen des Herrn und den Heimgang der Gläubigen mit einander vermengen kann und wird.

Es wird bei dieser Gelegenheit am Platz sein zu bemerken, dass in dem ganzen Neuen Testament nur vier Stellen zu finden sind, welche auf den Heimgang der Gläubigen durch den Tod anspielen. Zunächst lesen wir in Lukas 23,43 die bereits angeführten Worte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein;“ dann in Apostelgeschichte 7,59: „Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!“ ferner finden wir in 2. Korinther 5,8 die vertraulichen und köstlichen Worte: „Ausheimisch von dem Leib und einheimisch bei dem Herrn“; und endlich in Philipper 1,23: „Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein, welches weit besser ist.“

Diese vier Stellen schließen das ganze Zeugnis der Heiligen Schrift bezüglich der wichtigen Frage über den Zustand außer dem Leib in sich. Es gibt noch eine Stelle in der Offenbarung, die jedoch nicht selten falsch angewandt wird. „Glückselig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, von jetzt an; ja, spricht der Geist, auf dass sie ruhen von ihrer Arbeit, denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ Allein diese Stelle kann nicht auf die Gläubigen unserer Tage angewandt werden, obwohl ohne Zweifel alle, die im Herrn sterben, glückselig sein und ihre Werke ihnen nachfolgen werden. Sie bezieht sich vielmehr auf eine zukünftige Zeit, wenn die Versammlung diese Erde verlassen haben wird und andere Zeugen erschienen sind; und dieses muss wohl beachtet werden, wenn man eine Verwirrung vermeiden will.

Kehren wir indessen zu unserem Gegenstand zurück. Und indem wir mit unserer Beweisführung fortfahren, bitten wir den Leser, das erste Kapitel der Apostelgeschichte aufzuschlagen, wo wir bei der Himmelfahrt des Herrn, die angesichts seiner heiligen Apostel geschehen, die Worte lesen: „Und wie sie unverwandt gen Himmel schauten, als Er auffuhr, siehe, da standen zwei Männer in weißem Kleid bei ihnen, welche auch sprachen: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr und seht hinauf gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch in den Himmel aufgenommen ist, wird also kommen, wie ihr Ihn gen Himmel habt auffahren sehen.“

Das ist von höchster Wichtigkeit und liefert den schlagendsten Beweis für unsere Behauptung. Es ist in der Tat unmöglich, der Kraft dieses Beweises auszuweichen. Ach, dass es dennoch etliche gibt, welche ihr aus dem Weg zu gehen suchen! In diesem Zeugnis der himmlischen Boten erblicken wir eine liebliche Fülle, eine göttliche Vollkommenheit. Wir lernen daraus, dass derselbe Jesus, der diese Erde verlassen hat und in Gegenwart einer großen Zahl von Zeugen gen Himmel gefahren ist, in derselben Weise, wie sie Ihn haben auffahren sehen, wiederkommen wird. Wie ist Er aufgefahren? – In buchstäblichem Sinn, tatsächlich, persönlich. Derselbe, welcher soeben noch so vertraulich mit ihnen verkehrt hatte, den sie mit ihren Augen gesehen, mit ihren Ohren gehört, mit ihren Händen betastet hatten, welcher in ihrer Gegenwart gegessen und „sich auch nach seinen Leiden dargestellt hatte in vielen sicheren Kennzeichen“ (Apg 1,3); wohlan – derselbe „wird also kommen, wie ihr Ihn habt auffahren sehen.“

Und hier – obwohl wir in einem späteren Abschnitt darauf zurückzukommen gedenken – mochten wir fragen: Wer sah den Herrn bei seiner Himmelfahrt? Sah Ihn die Welt? – Nein. Von dem Augenblick an, wo Er in das Grab gelegt worden, vermochte Ihn das Auge eines unbekehrten, ungläubigen Menschen nicht mehr zu erblicken. Der letzte Anblick, den die Welt von Jesu hatte, war, als Er am Kreuz hing – ein Schauspiel den Menschen, den Engeln und den Teufeln. Der nächste Anblick, den sie von Ihm haben wird, wird dann sein, wenn Er gleich dem Blitzstrahl erscheint, um Gericht auszuüben und in furchtbarer Rache die Kelter des Zornes des allmächtigen Gottes zu treten. Welch ein furchtbarer Gedanke!

Niemand außer den Seinen sah den Erlöser gen Himmel fahren, sowie auch nur sie es waren, die Ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten. Er zeigte sich – gepriesen sei sein Name! – denen, die seinem Herzen teuer waren. Er vergewisserte und befestigte, stärkte und ermutigte ihre Herzen durch jene „viele sichere Kennzeichen“, wovon der inspirierte Schreiber zu uns redet. Er führte sie bis an die Grenzen der unsichtbaren Welt, und zwar so weit, als Menschen in diesem Leib zu gehen vermögen; und hier erlaubte Er ihnen, Ihn gen Himmel auffahren zu sehen. Und während sie noch voll Staunen emporschauen, sendet Er ihren Herzen das köstliche Zeugnis: „Dieser Jesus“ – kein anderer, kein Fremder, sondern derselbe liebende, teilnehmende, gütige, unveränderliche Freund – „dieser Jesus, der von euch gen Himmel aufgenommen ist, wird also kommen, wie ihr Ihn gen Himmel habt auffahren sehen.“

Ist es möglich, ein bestimmteres und befriedigenderes Zeugnis zu besitzen? Könnte ein Beweis klarer und entscheidender sein? Wie könnte ein Gegenbeweis erhoben, oder eine Einwendung gemacht werden? Entweder waren diese beiden Männer in weißen Kleidern falsche Zeugen, oder Jesus wird in derselben Weise wiederkommen, wie Er hinweggegangen ist. Es gibt keinen Mittelweg zwischen diesen Folgerungen. Wir lesen in der Schrift, dass „aus dem Mund zweier oder dreier Zeugen jede Sache bestätigt sei;“ und darum haben wir von zwei himmlischen Boten, von zwei Herolden aus der Region des Lichts und der Wahrheit, die Tatsache bestätigt, dass unser Herr Jesus Christus in wirklicher, leiblicher Gestalt zuerst von den Seinen geschaut werden wird, und zwar in der heiligen Vertrautheit und Zurückgezogenheit, welche seinen Weggang aus dieser Welt kennzeichnete. Alles dieses ist in den Worten zusammengefasst: Er wird also kommen, wie Er aufgefahren ist.

Der Raum dieser Blätter gestattet uns nicht, alle die Beweise anzuführen, welche sich in den Schriften des Neuen Testaments vorfinden. Wir haben einen dieser Beweise aus den Evangelien und einen anderen aus der Apostelgeschichte geschöpft, und wir bitten jetzt den Leser, sich mit uns zu den Briefen zu wenden. Nehmen wir den ersten Brief an die Thessalonicher zur Hand. Wir wählen diese, weil sie als das erste Schreiben des Apostels Paulus anerkannt und weil sie an eine Versammlung von Neubekehrten geschrieben ist. Letzteres ist von Wichtigkeit, weil wir oft behaupten hörten, dass es nicht passend sei, jungen Gläubigen die Lehre von der Ankunft des Herrn Vorzustellen. Dass der Apostel es nicht unpassend fand, zeigt uns der Umstand, dass keine von allen Briefen, die er schrieb, so viel von der Ankunft des Herrn enthält, wie gerade diese, die er an die kurz vorher erst bekehrten Thessalonicher richtete. Es unterliegt keinem Zweifel, dass, wenn eine Seele bekehrt und in das Licht und die Freiheit des Evangeliums von Christus gebracht worden ist, es ihrer göttlichen Natur entspricht, den Herrn vom Himmel zu erwarten. Diese höchst kostbare Wahrheit ist ein unantastbarer Teil des Evangeliums. Das erste Hiersein Christi und sein Wiederkommen sind in der gesegnetsten Weise durch das Band des Heiligen Geistes in der Versammlung mit einander verbunden.

Wo jedoch andererseits die Seele nicht in der Gnade befestigt ist, wo Friede und Freiheit nicht genossen werden, wo nur ein unvollkommenes Evangelium gepredigt worden ist, dort werden wir allerdings finden, dass die Hoffnung der Ankunft des Herrn nicht genährt wird, und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Seele notwendigerweise mit ihrem eigenen Zustand und ihren eigenen Bedürfnissen beschäftigt ist. Wenn ich meiner Errettung nicht gewiss, wenn ich nicht des Besitzes des ewigen Lebens versichert bin und nicht das Bewusstsein habe, ein Kind Gottes zu sein, dann kann ich unmöglich die Ankunft des Herrn erwarten. Nur wenn wir dessen überzeugt sind, was Jesus für uns getan hat, als Er auf dieser Erde war, können wir mit freudigem und heiligem Verständnis dem Herrn entgegen harren.

Doch kehren wir zu unserem Brief zurück. Wir lesen hier weiter: „Denn unser Evangelium war nicht bei euch im Wort allein, sondern auch in Kraft und im Heiligen Geist und in großer Gewissheit ... so dass ihr Vorbilder geworden seid allen Gläubigen in Makedonien und Achaja. Denn von euch aus ist das Wort des Herrn erschollen, nicht allein in Mazedonien und in Achaja, sondern an jeglichem Ort ist euer Glaube an Gott ausgebreitet worden, so dass wir nicht nötig haben, etwas zu sagen; denn sie selbst verkündigen von uns, welchen Eingang wir bei euch hatten, und wie ihr euch von den Götzenbildern zu Gott bekehrt habt, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott, und zu erwarten seinen Sohn aus den Himmeln, den Er auferweckt hat aus den Toten – Jesus, der uns errettet von dem kommenden Zorn.“

Hier haben wir ein schönes Gemälde von der Wirkung eines völligen, klaren Evangeliums, aufgenommen mit einfachem, ernstem Glauben. Sie hatten sich von den Götzenbildern abgewandt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten. Ihre Herzen waren in der Tat auf die herrliche Hoffnung der Ankunft Christi gerichtet. Es bildete einen ungetrennten Teil des Evangeliums, welches Paulus predigte, und mithin auch einen ungetrennten Teil ihres Glaubens. Hatten sie sich in Wirklichkeit von den Götzen abgewandt? Gewiss. Trachteten sie in Wahrheit danach, dem Herrn zu dienen? Ohne Zweifel. Nun, dann war ihr Warten auf den Sohn Gottes aus den Himmeln ebenso wirklich, ebenso bestimmt, ebenso einfach. Wenn wir die Wirklichkeit der einen Sache in Frage stellen, so müssen wir dieses auch bezüglich aller Dinge tun, weil alles mit einander verbunden ist und, so zu sagen, einen herrlichen Strauß der praktisch christlichen Wahrheit bildet. Wenn jemand einen Christen aus Thessalonich nach seinen Erwartungen gefragt hätte, wie würde dessen Antwort gelautet haben? Würde er gesagt haben: „Ich erwarte eine Veredlung der Welt durch die Predigt des Evangeliums, welches ich empfangen habe?“ Oder: „Ich erwarte die Stunde meines Todes, um bei dem Herrn Jesus zu sein?“ O nein: seine Antwort würde einfach gewesen sein: „Ich erwarte den Sohn Gottes aus den Himmeln.“

dieses und nichts anderes ist die wahre Hoffnung des Christen und der Versammlung. Die Verbesserung oder Veredlung der Welt zu erwarten, ist nimmer eine christliche Hoffnung. Wir können ebenso gut die Vervollkommnung des Fleisches erwarten; denn für das eine, wie für das andere, ist gleich wenig Aussicht. Und was den Tod des Gläubigen betrifft, so ist derselbe, obwohl er eintreten kann, auch nicht ein einziges Mal als die wahre und richtige Hoffnung des Christen dargestellt. Wir können mit der größten Kühnheit behaupten, dass es keine Stelle im Neuen Testament gibt, welche von dem Tod als der Hoffnung des Gläubigen spricht, während andererseits die Erwartung der Ankunft des Herrn mit allen Angelegenheiten und Verhältnissen des Lebens in der engsten Weise verknüpft ist, wie wir dieses aus der uns vorliegenden Brief ersehen können. Wenn z. B. der Apostel seine eigene persönliche Verbindung mit den geliebten Heiligen aus Thessalonich bezeichnen will, so sagt er: „Denn wer ist unsere Hoffnung, oder Freude, oder Krone des Ruhmes? Nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft? Denn ihr seid unsere Herrlichkeit und Freude“ (Kap 2,19–20). Und wenn er an ihre Fortschritte in der Heiligkeit und in der Liebe denkt, so hören wir ihn sagen: „Euch aber mache der Herr völlig und überströmend in der Liebe zu einander und zu alle, (so wie auch wir gegen euch sind), um eure Herzen tadellos in Heiligkeit zu befestigen vor unserem Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen seinen Heiligen“ (Kap, 3,12–13). Und in welcher Weise endlich tröstet der Apostel die Herzen der Brüder im Blick auf die, welche schon entschlafen waren? Sagt er ihnen etwa, dass sie denselben bald folgen würden? O nein: dieses würde sie in die alttestamentlichen Zeiten zurückversetzt haben, wo David von seinem entschlafenen Kind sagt: „Ich werde zu ihm gehen; aber es wird nicht zu mir wiederkehren“ (2. Sam 13,23). Allein also belehrt uns der Heilige Geist in dem Brief an die Thessalonicher nicht, sondern sagt im Gegenteil: „Wir wollen aber nicht, Brüder, dass ihr, was die Entschlafenen betrifft, unkundig seid, auf dass ihr euch nicht betrübt, wie auch die Übrigen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird auch Gott die Entschlafenen durch Jesus mit Ihm bringen; denn dieses sagen wir euch im Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen durchaus nicht zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme des Erzengels, und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, Zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft: und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten“ (Kap 4,13–18).

Unmöglich könnte ein Beweis einfacher, deutlicher und entscheidender sein. Die Gläubigen in Thessalonich waren, wie wir bereits angedeutet haben, zu der Erwartung der Ankunft des Herrn geleitet und wurden unterwiesen, Ihn täglich zu erwarten. Es war ebenso wohl ein Teil ihres Christentums, zu glauben, dass Er wiederkommen werde, als zu glauben, dass Er gekommen und wieder hingegangen war. Das war die Ursache, dass sie, als etliche aus ihrer Mitte ganz gegen ihre Voraussetzung durch den Tod abberufen wurden, in Verwirrung gerieten, indem sie fürchteten, dass die Entschlafenen die Freude des gesegneten und sehnlichst erwarteten Augenblicks der Ankunft des Herrn entbehren würden. Diesem Irrtum nun tritt der Apostel in seinem Brief entgegen und gießt zu gleicher Zeit einen frischen Lichtstrom über den ganzen Gegenstand mit der Versicherung, dass die Entschlafenen in Christus – d. h. alle, welche entschlafen sind oder entschlafen werden, sowohl die aus der Zeit des Alten, als auch die aus der Zeit des Neuen Testaments – zuerst, mithin vor der Verwandlung der übrig gebliebenen Lebenden, auferstehen und mit diesen gemeinschaftlich auffahren werden, ihrem Herrn entgegen, in die Luft.

Wir werden Gelegenheit haben, auf diese beachtenswerte Stelle zurückzukommen, wenn wir andere Zweige dieses erhabenen Gegenstandes behandeln. Wir führten sie nur als einen der vielen Beweise für die Tatsache an, dass unser Herr Jesus persönlich, wirklich und tatsächlich wiederkommen wird und dass sein Kommen die wahre und richtige Hoffnung der Versammlung insgesamt und jedes einzelnen Gläubigen in Sonderheit ist.

Wir schießen diesen Abschnitt, indem wir den Leser erinnern, dass er sich nicht an den Tisch des Herrn setzen kann, ohne an diese herrliche Hoffnung erinnert zu werden, solange in der Heiligen Schrift die Worte stehen: „Denn so oft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis Er kommt“ (1. Kor 11,26). Es heißt nicht: „Bis ihr sterbt“, sondern: „Bis Er kommt.“ Wie köstlich! Der Tisch des Herrn steht zwischen diesen beiden bewundernswürdigen Epochen – dem Kreuz und der Wiederkunft – dem Tod und der Herrlichkeit. Der Gläubige kann von dem Tisch emporschauen und sehen, wie die Strahlen der Herrlichkeit den Horizont vergolden. Es ist, wenn wir am Tisch des Herrn zusammenkommen, unser Vorrecht, den Tod des Herrn verkündigen und sagen zu können: „Vielleicht ist dieses die letzte Gelegenheit, dieses herrliche Fest zu feiern; denn bevor der nächste Sonntag oder erste Tag der Woche anbricht, mag der Herr schon gekommen sein.“ Nochmals rufen wir aus: Wie köstlich! (Fortsetzung folgt)

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel