Botschafter des Heils in Christo 1876

Die Hoffnung des Gläubigen

„Denn in der Hoffnung sind wir errettet worden“, schreibt der Apostel an die Römer. Dieses hat jedoch keineswegs, wie etliche meinen, den Sinn, dass wir errettet zu werden hoffen. O nein, ein solcher Gedanke ist indem ganzen Neuen Testament nicht zu finden. Eine solche Unsicherheit ist nicht das Teil des Gläubigen. Seine Errettung beruht nicht auf solch unbestimmtem Hoffen, Wünschen und Meinen, sondern er weiß gewiss, dass, wenn sein irdisches Haus dieser Hütte zerstört wird, er einen Bau aus Gott hat (2. Kor 5,1). Er ist errettet worden. Das ist völlig gewiss. Darin besteht nicht der mindeste Zweifel; denn Jesus hat ihn errettet. Aber er ist in der Hoffnung der Herrlichkeit errettet worden. Er erwartet die Erlösung seines Leibes, welcher die Unsterblichkeit anziehen muss. Jetzt ist er in der Hoffnung errettet, dann wird er es im Schauen sein. Und letzteres wird stattfinden bei der Ankunft des Herrn, der uns nach seiner Verheißung in das Haus des Vaters bringen wird, in welchem viele Wohnungen sind, und wohin Er gegangen ist, um uns eine Stätte zu bereiten. Herrliche Hoffnung! Der Sohn des lebendigen Gottes, unser Heiland und Erlöser, unser Freund und Bräutigam, wird vom Himmel kommen, um uns zur ewigen Freude im Haus des Vaters abzuholen. Kann es eine bessere und herrlichere Stätte geben, als das Gaus des Vaters? Ist ein höherer Genuss denkbar, als für immer in der Gegenwart Jesu, Ihm gleich zu sein und Ihn zu sehen, wie Er ist? O voll Anbetung beugen wir uns vor Ihm nieder, der solch eine Errettung uns bereitet hat! Wie sehr sollten wir uns sehnen nach seiner herrlichen Ankunft!

Ja, seine herrliche Ankunft – sie ist die Hoffnung des Gläubigen. Und dennoch gibt es so viele, die diese herrliche Wahrheit nicht verstehen. Sie denken sich unter der Ankunft Christi nichts anderes, als dass Er, wenn wir sterben, kommen, und dass am Ende aller Dinge eine allgemeine Auferstehung und ein allgemeines Gericht stattfinden wird. Es ist sehr schwer zu bestimmen, worin eigentlich die Hoffnung solcher Gläubigen besteht, oder es muss jene soeben bezeichnete falsche Hoffnung sein, die eine Errettung in die Zukunft verlegt. Gewöhnlich geht die Ungewissheit bezüglich der Errettung Hand in Hand mit der Verwerfung der herrlichen Wahrheit der Ankunft Christi. Und dennoch ist nichts natürlicher und einfacher, als dass Er, der Gegenstand unseres Glaubens, auch der Gegenstand unserer Hoffnung ist. Erwägen wir dieses mit allem Ernst. Es ist eine Sache von höchster Wichtigkeit: unsere tägliche Freude hängt ganz und gar davon ab.

Wenn wir Jesus als den kennen, der uns liebt und der für uns starb, dann kostet es uns keine Mühe, auf Ihn unser Vertrauen zu setzen; wir glauben an Ihn. Die Erkenntnis seiner Liebe bewirkt ein unerschütterliches Vertrauen: das Zeugnis des Wortes über den Wert seines Blutes bringt jede Unruhe zum Schweigen und treibt alle Furcht aus. Wir sind in Ihm ganz glücklich. Seine Liebe entspricht allen Bedürfnissen unseres Herzens, und sein Opfer allen Forderungen unseres Gewissens. Nichts anders bleibt uns übrig, als den Herrn zu lieben und zu loben. Warum sollte Er, der der Gegenstand unseres Glaubens ist, nicht auch der Gegenstand unserer Hoffnung sein? Warum sollte Er nicht die tägliche Erwartung unserer Seele sein, wie Er die tägliche Ruhe unserer Seele ist? Sicher, wenn ein Gläubiger stirbt, so geht seine Seele sogleich zu dem Herrn ins Paradies. Das ist herrlich; allein in der Schrift wird dieses nimmer als die Hoffnung des Gläubigen bezeichnet. Vielmehr wird ihm vorgestellt, dass er nicht sterben, sondern Jesu entgegen gerückt werden wird in die Luft, um allezeit bei Ihm zu sein. Der Tod ist für den Gläubigen keine Notwendigkeit. Christus ist für ihn gestorben; und er ist gestorben mit Christus. Der Tod herrscht nicht mehr über ihn. Sowie er von der Macht der Sünde und von der Macht Satans befreit ist, so ist er auch der Macht des Todes entrückt. Er kann sterben, wenn Gott es für gut findet, die Ankunft Christi zu verzögern; aber sein Sterben ist nicht unbedingt nötig. „Wir werden nicht alle entschlafen“ (1. Kor 15). Und sterben wir vor der Ankunft Jesu, so ist der Tod nur ein Entschlafen in Jesu und ein Hingehen von dieser Erde ins Paradies, um mit Jesu den herrlichen Morgen der ersten Auferstehung abzuwarten. Doch wie köstlich dieses auch sein mag, so ist es doch nicht die Hoffnung des Gläubigen. Nein, seine Hoffnung ist die Ankunft des Herrn Jesus. Nehmen wir die Heilige Schrift zur Hand; denn diese allein kann uns in alle Wahrheit leiten. Viele setzen voraus, dass die Wahrheit seiner Ankunft nichts als eine Meinung gewisser Gläubigen sei; aber hierin täuschen sie sich sehr. Sie ist eine Wahrheit, die uns in der deutlichsten und bestimmtesten Weise in den Briefen des Paulus, und zwar ganz besonders in den Briefen an die Thessalonicher, vorgestellt wird. Verweilen wir hierbei einen Augenblick.

Ohne Zweifel waren die Thessalonicher bei der Verkündigung des Evangeliums durch den Apostel Paulus mit der Wiederkunft des Herrn Jesus in Herrlichkeit bekannt gemacht worden. Dieses geht klar aus Apostelgeschichte 17 hervor, wo die Juden in ihren Beschuldigungen gegen die Christen der Sache eine politische Wendung geben, durch die Worte: „Diese alle handeln wider die Verordnungen des Kaisers, indem sie sagen, dass ein anderer König sei – Jesus.“ Das war die Ursache, dass die Thessalonicher von dem Augenblick ihrer Bekehrung an täglich die Rückkehr Jesu erwarteten. Inzwischen aber starben etliche ihrer Brüder; und dieser Umstand beunruhigte sie und brachte sie in Verwirrung. Ihre Traurigkeit war sehr groß. Nicht dass sie Zweifel gehabt hätten wegen der Errettung ihrer Geliebten; o nein, aber es machte sie traurig, dass dieselben bei der Ankunft des Herrn nicht gegenwärtig sein würden und Ihn nicht begrüßen könnten. Von dieser Traurigkeit hörte Paulus und schrieb ihnen sofort einen Brief. Sie waren erst seit kurzer Zeit bekehrt und hatten von Seiten der Juden und der Nationen viele Verfolgungen zu erdulden. Der Apostel hatte nach ihrer Bekehrung nicht lange bei ihnen verweilen können, und mithin hatte ihnen die Gelegenheit gemangelt, um weiter in der Wahrheit unterwiesen werden zu können. Doch ihre Unwissenheit und Traurigkeit diente dem Herrn zu einer Veranlassung, um seine Gedanken und Pläne bezüglich dieses herrlichen Gegenstandes vollständiger mitzuteilen. In einer neuen Offenbarung, welche der Apostel empfing, wird die Aufeinanderfolge der Ereignisse ans Licht gestellt. Dieses ist von höchster Wichtigkeit, denn wiewohl diese Offenbarung zunächst deshalb gegeben wird, um die betrübten Herzen der Thessalonicher zu trösten, so ist sie doch auch mitgeteilt, um die Heiligen aller Zeitalter in diesen Dingen zu unterweisen.

„Wir wollen aber nicht, Brüder, dass ihr, was die Entschlafenen betrifft, unkundig seid, auf dass ihr euch nicht betrübt, wie auch die Übrigen, die keine Hoffnung haben.“ – Diese eifrigen, liebenden Christen waren noch unwissend darüber, wie die entschlafenen Heiligen bei dem Herrn sein würden, wenn Er kam, und wie sie an seiner Herrlichkeit Teil haben könnten. Sie waren so erfüllt von der Erwartung des Herrn, dass sie an ein Sterben vor seiner Ankunft nicht gedacht hatten; und darum waren sie betrübt, weil dennoch etliche ihrer Brüder starben. Und wie antwortet ihnen der Apostel? Tadelt er sie wegen ihres Verlangens nach der Ankunft Jesu? Sagt er ihnen etwa, dass sie sich zu viel mit dieser Angelegenheit beschäftigten? Ermahnt er sie, lieber an andere Dinge zu denken? In unseren Tagen ist ein solches Urteil nicht selten. Mancher Christ spricht jetzt über die Ankunft Jesu in einer Weise, als ob der Apostel getrachtet habe, die Thessalonicher von der brennenden Sehnsucht nach dieser Ankunft abzulenken. Doch wenn wir den Brief aufmerksam lesen, so finden wir gerade das Gegenteil. Ihr Warten auf den Herrn wird in jedem Kapitel zu ihrem Lob erwähnt. Und anstatt sie in ihrer Traurigkeit über die Entschlafenen, wie das leider heutzutage oft geschieht, mit dem Gedanken zu trösten, dass sie denselben bald folgen würden, richtet der Apostel vielmehr ihren Blick beständig auf die Ankunft Jesu und spornt sie an, Ihn vom Himmel zu erwarten, während er ihnen Zugleich eine neue Offenbarung gibt, um sie zu versichern, dass die Entschlafenen in Jesu, ebenso wie sie, an der Herrlichkeit dieses Ereignisses Teil haben würden.

„Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und wieder auferstanden ist, also wird auch Gott die Entschlafenen durch Jesus mit Ihm bringen.“ Die erste Bemühung des Apostels ist, das Auge dieser betrübten Jünger auf Jesus zu richten – auf Ihn, der gestorben und auferstanden war. Nur der Blick auf unseren hoch gepriesenen Herrn verleiht wahren Trost; von Ihm allein empfangen wir Kraft und Mut inmitten unserer vielen Versuchungen. Nur bei Ihm finden wir den Sieg über Tod und Grab. In Ihm erblicken wir den, welcher starb, begraben ward, aus dem Grab auferstand und sich dann zur Rechten Gottes setze. Er ist das Leben des Gläubigen. Wir sagen in gleicher Weise triumphierend: „Also wird auch Gott die Entschlafenen durch Jesus mit Ihm bringen.“ Unser Leben ist verknüpft mit Ihm, welcher gestorben und auferstanden ist, und es gehört der Herrlichkeit an. Alle, die in Jesu entschlafen sind, werden auferstehen und die Erde verlassen in derselben Weise wie Er, nur mit dem Unterschied, dass Er kraft des Rechts, welches Er besaß, in den Himmel ging. Er ruft die Toten und sie kommen aus ihren Gräbern; Er ruft die Lebenden, und sie werden verwandelt und Zugleich mit jenen „entrückt werden in Wolken, dem Herrn entgegen in die Luft.“ Es ist eine feierliche Handlung der Allmacht Gottes, die das Leben der Gläubigen und das Werk Gottes versiegelt und sie einführt in die Herrlichkeit Christi. Gesegnetes Vorrecht! Herrliche Gnade! Dieses aus dem Auge zu verlieren, vernichtet den wahren Charakter unserer Freude und unserer Hoffnung.

„Denn dieses sagen wir euch im Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen durchaus nicht zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen: danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten.“ Wir wissen, dass der Apostel stets unter der unmittelbaren Leitung des Heiligen Geistes schrieb; hier aber war etwas ganz Besonderes nötig für die Unterweisung und Tröstung der betrübten Thessalonicher; und darum leitet er diese Offenbarung mit den Worten ein: „Dieses sagen wir euch im Wort des Herrn.“ Ähnliches finden wir in 1. Korinther 11, wo der Apostel sagt: „Denn ich habe es von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe.“ Dort hatte er einem Missbrauch des Abendmahls des Herrn entgegenzutreten, hier einem Irrtum in Bezug auf das Kommen des Herrn zu begegnen.

Welche Gnade erweist hier der Herr Jesus seinen jungen Jüngern! Er versichert ihre Herzen, dass in der Reihenfolge der bei seiner Ankunft stattfindenden Ereignisse die Auferstehung der in Jesu Entschlafenen den Anfang macht, und dass diese, anstatt durch ihren Hingang etwas eingebüßt zu haben, im Gegenteil die Ersten sein werden, welche zubereitet sind, dem Herrn entgegen zu gehen. „Die Toten in Christus werden zuerst auferstehen.“ Weit entfernt davon, dass die in Jesu Entschlafenen etwas in Bezug auf den herrlichen Augenblick seiner Ankunft einbüßen werden, sollen sie vielmehr auferweckt werden, bevor noch die Verwandlung der Lebenden stattfindet. Welch eine Fürsorge des Herrn Jesus! Und Zugleich wissen wir, dass jedes, mit seiner Ankunft in Verbindung stehende Ereignis in einem Augenblick, in einem Nu erfüllt werden wird.

O möchten doch unsere Seelen diese doppelte Herrlichkeit Jesu mit stiller Bewunderung und Anbetung betrachten! Er steht auf von seinem Thron; Er steigt hernieder vom Himmel; Er gibt das Signal durch die Stimme des Erzengels, und die Posaune lasst den wohl bekannten Ton hören. Sowie eine Armee den Befehl ihres Führers an dem Ton der Posaune oder Trompete kennt, so wird auch die Armee des Herrn augenblicklich seinem Ruf folgen. All die Entschlafenen werden auferweckt, und die übriggebliebenen Lebenden verwandelt werden. Sie werden alle zusammen in die Wolken eintreten und, von diesen umgeben, dem Herrn entgegeneilen in die Luft, und also allezeit bei dem Herrn sein. Dort gibt es keine Trennung mehr. Darum fügt der Apostel hinzu: „So ermuntert nun einander mit diesen Worten.“

Paulus erklärt also den Thessalonichern, dass Gott alle, die in Jesu entschlafen sind, mit Ihm bringen wird. In den Versen 15 bis 18 teilt er die Weise mit, wie das in Vers 14 Gesagte in Erfüllung gehen wird. Wenn der Herr in Herrlichkeit auf diese Erde zurückkehrt, so wird es in Begleitung aller Heiligen geschehen. Aber zuerst wird Er die Entschlafenen auferwecken, die übriggebliebenen Lebenden verwandeln und sie alle in den Himmel ausnehmen.

Die Heiligen gehen also alle von dieser Erde in die Herrlichkeit droben im Himmel, um allezeit bei dem Herrn zu sein! Welch ein Ereignis! Kein einziges Glied der Familie Gottes bleibt im Grab; und kein einziger Gläubiger bleibt auf dem Erdboden. Alle gehen zusammen dem Herrn entgegen in die Luft. Wer vermag sich die glückseligen Begegnungen an diesem Morgen unverhüllter Freude vorzustellen? Ohne Zweifel wird die Person des Herrn einen jeglichen anziehen und jedes Herz erfüllen; aber dennoch wird ein bestimmtes Erkennen bezüglich aller stattfinden, die, obwohl von uns geschieden, stets einen Platz in unseren Herzen behaupteten; ja, wir werden alle kennen, die sich mit uns der überschwänglichen Liebe des Herrn erfreuen. Und da alle das Bild des Herrn tragen, werden sie Ihn nimmer aus den Augen verlieren. Jeder wird seine eigene Freude haben; aber die besondere Freude jedes Einzelnen wird die Freude aller sein. Aus einem Mund und mit einem Lied werden sie Ihn preisen, der sie durch sein teures Blut gereinigt und sie zu Königen und Priestern gemacht hat.

Wie herrlich wird dieses alles sein! Wie viele werden uns dort begegnen, die mit uns hienieden so innig verbunden waren, und deren Abscheiden aus dieser Welt eine Lücke zurückließ in unseren Herzen! Wie viele werden uns willkommen heißen im herrlichen Land, von welchen der Tod uns eine Zeitlang getrennt hatte! Wie vollkommen werden alle verändert und dennoch dieselben sein! Keiner kann mit dem anderen verwechselt werden, und keiner kann unbekannt bleiben. Alle sind dort bei einander; und alle sind herrlich, unsterblich, unverderblich. – Aber was ist all diese Freude im Vergleich mit der unaussprechlichen Wonne, das Antlitz dessen zu sehen und die Stimme dessen zu hören, der als der Bräutigam seine Braut abgeholt hat? Johannes sagt: „Wir werden Ihm gleich sein; denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“ In der Tat, Gott hätte uns nichts Besseres geben können, als gleichförmig mit Christus zu sein; es hätte uns kein größeres Glück zu Teil werden können, als Christus zu sehen, wie Er ist. Wir werden Ihn sehen und kennen in der ganzen Größe seiner Liebe und in der ganzen Herrlichkeit seiner Allmacht. Kein Engel wird diesen Platz einnehmen. Nein, uns, den ehemals verlorenen, schuldigen Geschöpfen, hat Gott seine überströmende Gnade offenbart, auf dass Er verherrlicht und gepriesen werden möge von Zeitalter zu Zeitalter.

Wenn nun die Heiligen im Himmel, im Haus des Vaters aufgenommen sein werden, dann werden sie im Licht offenbart werden, wie der Apostel sagt: „Wir müssen alle offenbart werden vor dem Richterstuhl Christi“ (2. Kor 5,10). Das will jedoch nicht sagen, dass die Heiligen, was ihre Person betrifft, einem Gericht unterworfen sein werden. O nein; Christus ist an ihrer statt gerichtet worden, und sie werden nimmer ins Gericht kommen, wie der Herr selbst gesagt hat. Es will vielmehr sagen, dass alle ihre Werke und Wege im Licht der Gegenwart Gottes gesehen werden sollen, damit sie erfahren, welche Gedanken Er über das hat, was sie für Ihn getan haben. Wenn wir in unseren verherrlichten Leibern sind, wird es unmöglich sein, etwas von Furcht und Traurigkeit zu fühlen; aber im Licht offenbart, werden wir, und zwar in Übereinstimmung mit den Gedanken Jesu, eine vollkommene Kenntnis von jedem Augenblick und von jedem Ereignis unseres verflossenen Lebens haben. Alles, was in unseren Handlungen, Worten und Beweggründen von uns selber war oder für den Herrn geschah, wird durch das volle Licht beschienen werden, – alles, was uns unverständlich war, wird vollkommen erkannt werden. Dann ist jedes Rätsel gelöst, jede Dunkelheit verschwunden und das volle Licht aufgegangen. Und wirklich, alles was von uns selber ist, wird im Licht der vollkommenen Gnade Gottes schwinden, so dass wir von dem Richterstuhl hinweggehen in stiller dankbarer Bewunderung der göttlichen Geduld, die uns während unserer Reise durch die Wüste getragen hat, um uns endlich sicher in die Herrlichkeit zu bringen. „Denn wir sehen jetzt durch einen Spiegel im Rätsel, dann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt worden bin“ (1. Kor 13,12).

Dann folgt, wie uns das Gesicht in der Offenbarung belehrt, die Hochzeit des Lammes. „Die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und sein Weib hat sich bereitet.“ Jesus stellt sie sich selber dar als eine Versammlung ohne Flecken oder Runzel (Eph 5). Welch ein Tag wird es sein Welch ein Tag für uns, aber auch welch ein Tag für die Bewohner des Himmels! Wiewohl schon lange an die Herrlichkeit gewöhnt, so werden sie doch dann etwas anschauen, das sie zuvor noch nie gesehen haben: Die erlösten Sünder in Gemeinschaft mit Jesu, die Braut verbunden mit dem Bräutigam, das Weib mit ihrem Mann! Wie Jesus, so ist die Versammlung: wo Er ist, da ist auch sie; was Er ist, das ist auch sie, und zwar in alle Ewigkeit. Das ist eine ganz neue Szene – der Anblick einer früher ganz unbekannten Herrlichkeit. Zwar wird uns die Hochzeit des Lammes nicht ausführlich beschrieben, denn das würde unmöglich sein, weil ein Mensch die himmlische Herrlichkeit nicht zu fassen vermag. Aber das, was uns darüber mitgeteilt wird, ist genug, um uns mit Bewunderung und Anbetung zu erfüllen und die Sehnsucht nach dem Anbrechen dieses Tages in uns zu erwecken.

„Lasst uns fröhlich sein und jauchzen und Ihm Herrlichkeit geben! Denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen und sein Weib hat sich bereitet“ (Off 19,7). Das wird der Ruf der Tausende der Engel im Himmel sein, wie eine Stimme vieler Wasser, und wie eine Stimme starker Donner. Und sollten wir uns nicht erfreuen, – wir, die wir Gegenstände dieser Herrlichkeit, die wir nicht die Gäste dieser Hochzeit, sondern die Braut selber sind?

Nachdem dann aber die Hochzeit des Lammes gefeiert und alles zubereitet ist, wird der Herr als der zweite Adam mit seiner himmlischen Eva, mit den verherrlichten Heiligen und den Tausenden von Engeln sich bereitmachen, um in Herrlichkeit zu erscheinen und von der Erde Besitz zu nehmen. Doch bevor wir diese Szene betrachten, müssen wir einen Augenblick bei den Ereignissen verweilen, die zwischen der Aufnahme der Heiligen in den Himmel und ihrer Rückkehr von dort auf die Erde stattfinden werden.

Wenn die wahre Versammlung des Herrn, welche sein Leib ist, von der Erde hinweggenommen sein wird, dann wird das noch zurückgebliebene Namens–Christentum für immer durch den Herrn verworfen werden (Off 3,16). Die Kirche, die ein Zeuge und ein Pfeiler der Wahrheit zu sein berufen war, wird wegen ihres Abfalls von Ihm durch den Herrn ausgespien werden. Der Geist Gottes beginnt dann in dem jüdischen Überrest seine Wirksamkeit. Diese Getreuen Israels, die sich zu dem Gott ihrer Vater bekehren und sich wegen ihrer Sünden demütigen, werden als Boten des Reiches das „ewige Evangelium denen verkündigen, die auf der Erde ansässig sind, und jeder Nation und Geschlecht und Sprache und Volk“ (Off 14,6). Das in Matthäus 25 beschriebene Gericht der bei der Ankunft Christi auf Erden lebenden Völker ist das Resultat dieser Predigt. Die Brüder sind diese getreuen Israeliten, während unter den Schafen diejenigen, welche ihr Zeugnis angenommen, und unter den Böcken diejenigen, welche es verworfen haben, verstanden werden. In Offenbarung 7 wird uns in einem Gesicht die große Schar aus den Juden und Nationen, die durch das ewige Evangelium bekehrt worden, vor Augen gestellt.

Aber während die Liebe Gottes in dieser Weise wirksam ist, und der Heilige Geist sich also offenbart, bedient sich der Teufel seiner ganzen Macht, um die ganze Erde zu verderben und wider den Herrn und seinen Gesalbten in Aufruhr zu bringen. Die verworfenen Bekenner des Christentums werden, weil sie „die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden“, hingegeben, um der Lüge zu glauben und ein Spielball des Teufels zu werden. Der Antichrist und das Tier – das Haupt der geistlichen und das Haupt der politischen Macht – werden die ganze prophetische Erde, d. i. das römische Reich, mit ihren Lästerungen erfüllen. Außerhalb dieses Gebietes sind die Völker zornig und werden sich zu einem großen Kriege rüsten. Der Drache und seine Engel werden durch Michael und seine Engel überwunden, und ihre Stätte wird nicht mehr in den himmlischen Örtern gefunden. Auf die Erde geworfen und sich wohl bewusst, dass ihre Zeit kurz ist, vereinigen sie ihre Macht auf der Erde (Off 12,7–12). Und diese Macht wird eine so große sein, dass, wenn Gott – was während einer kurzen Zeit geschehen wird – aufhört, ihnen zu widerstehen, die Menschen niederfallen und das Tier und den Drachen, der dem Tier die Macht gegeben, anbeten werden. Die Sünde erreicht in der Person des Antichristen, in dem der Teufel wohnt, ihren Höhepunkt und alles ist reif für das Gericht.

Jetzt kommt der Herr. Die Himmel öffnen sich. „Und siehe, ein weißes Pferd, und der darauf saß, genannt Treu und Wahrhaftig, und Er richtet und führt Krieg in Gerechtigkeit.“ Aber Er kommt nicht allein; die Heere im Himmel folgen Ihm. „Und die Kriegsheere, die im Himmel sind, folgten Ihm nach auf weißen Pferden, angetan mit reiner, weißer Leinwand.“ – Er wird kommen, um der Bosheit und Gottlosigkeit des Menschen und des Teufels auf Erden ein Ende zu machen. „Er wird die Erde schlagen mit der Rute seines Mundes, und mit dem Odem seiner Lippen wird Er töten den Gesetzlosen“ (Off 19; Jes 11; 2. Thes 2).

Welch ein entsetzliches Schauspiel wird das sein! In einem Augenblick, da die Welt sich gänzlich dem Teufel überliefert hat, und „Friede und Sicherheit“ ruft, wird plötzlich, in einem Nu, der Himmel sich öffnen und der einst verworfene und gekreuzigte Heiland zum Vorschein kommen. Er ist bekleidet mit Licht und Majestät. Seine Brust ist bedeckt mit Gerechtigkeit; sein Schwert ist gegürtet um seine Hüfte; seine Augen sind wie eine Feuerflamme, und auf seinem Haupt trägt Er viele Diademe. Die Heiligen und die Engel folgen Ihm und besingen sein Lob. Und die Welt? Ach, sie werden Ihn anschauen, in welchen sie gestochen haben. Jedes Auge wird Ihn sehen, jedes Herz mit Schrecken erfüllt sein. Die Genüsse der Erde und die tagtäglichen Beschäftigungen werden aufhören; und alle werden vor Ihm stehen, ihrem Richter und Herrn. Nirgendwo findet sich dann eine Hoffnung für die Verwerfer Jesu. Ihre Totenglocke hat geläutet. Die Hand des Herrn bringt das Gericht. „Und Er tritt die Kelter des Weines des Grimmes des Zornes Gottes, des Allmächtigen: und Er hat auf seinem Gewände und auf seiner Hüfte geschrieben den Namen: ‚König der Könige und Herr der Herren.‘“ Wie entsetzlich! O möchten doch alle, die Jesus noch nicht kennen und die Ihn bis hierher verworfen haben, auf dieses hereinbrechende Gericht ihr Auge richten, damit sie noch in dieser Zeit der Gnade zu Ihm ihre Zuflucht nehmen, der allein von Gericht und Verdammnis zu erretten vermag.

Wir haben also gesehen, wie der Himmel von dem Teufel und seinen Engeln, die Erde von ihren gottlosen Fürsten gereinigt ist. Das Tier und der falsche Prophet werden lebendig in den Feuersee geworfen, und Satan wird gebunden in den Abgrund eingeschlossen (Off 20). Der Sieg ist ein vollkommener. Der Teufel, die Quelle alles Bösen, wird tausend Jahre gebunden im Abgrund sein und der hochgepriesene Herr das Königreich einnehmen. „Das Reich der Welt unseres Herrn und seines Christus ist geworden; und Er wird herrschen in die Zeitalter der Zeitalter“ (Off 11,15). Dieses ist das tausendjährige Reich. Christus wird öffentlich anerkannt und herrscht als König, während der Teufel gebunden ist. Welch eine Umwandlung wird sich dann auf der seufzenden Erde zeigen, wenn Satan und seine Engel von der Oberfläche der Erde, aus den Wohnungen der Menschen gewichen sind und Christus und seine verherrlichten Heiligen über den ganzen Erdkreis regieren. Dann wird für die Schöpfung der Tag des Segens und der Ruhe angebrochen sein – jener Tag, der so oft von den Propheten des alten Bundes besungen worden ist. Die Wildnis und die dürren Plätze werden fröhlich sein, die Wüste wird sich erfreuen und blühen wie eine Rose; das dürre, durstige Land wird von Quellen überströmt werden. Die Berge werden tröpfeln von neuem Wein und die Hügel überfließen von Milch und Honig. Die wilden Tiere des Feldes werden zahm sein und mit den Lämmern ihre Nahrung nehmen; aller Streit, aller Krieg unter den Menschenkindern wird ein Ende haben. Also wird Gott den Menschen mit Segnungen überhäufen. Er wird seine Tränen trocknen und sein Elend aufhören lassen, und große Freude wird sich um ihn her ausbreiten; und dieses alles um des Verdienstes seines Sohnes Jesu Christi willen, der durch das vollbrachte Werk des Kreuzes sich ein Recht auf alle Dinge erworben hat.

Es gibt drei Wege, in denen sich Christus vollkommen offenbaren und Gott verherrlichen wird – Gnade, Regierung und Herrlichkeit. Das Erste ist geschehen während seiner Erniedrigung auf der Erde, das Zweite wird während der Dauer des tausendjährigen Reiches und das Dritte während der Ewigkeit geschehen. In dem tausendjährigen Reiche wird die Offenbarung Gottes in der Ausübung der Herrschaft stattfinden. Keine menschliche Sprache wird im Stande sein, die Herrlichkeit derselben auszudrücken. Dem Teufel ist es dann nicht mehr gestattet, den Menschen zu versuchen; und über die glückliche Menschheit wird die Güte Gottes ausgebreitet sein. Die Himmel droben, Israel und die Nationen hienieden, die Erde, das Meer, die niederen Wesen – alles ist dann der Herrschaft Christi unterworfen, alles in sein ausgedehntes Gebiet aufgenommen, und zwar zur Ehre und Herrlichkeit Gottes durch Christus.

Doch nichts kann so erniedrigend für den Menschen sein, als das, was wir am Ende des tausendjährigen Reiches finden. Gott wird dann zeigen, dass eine tausendjährige Herrlichkeit nicht im Stande ist, ohne seine rettende Gnade den Menschen zu verändern. Sobald der Teufel wieder losgelassen ist und seine Macht wieder ausüben kann, wird der unbekehrte Teil der Völker durch ihn verführt und zum Streit wider Gott und das Lamm versammelt. Aber es fallt Feuer von Gott aus dem Himmel und verschlingt alle.

Und dann kommt der Schluss der Geschichte des Menschen – der Tag des Gerichts. „Und ich sah“, sagt Johannes, „einen großen weißen Thron und den, der darauf saß, vor dessen Angesicht die Erde entfloh und der Himmel; und keine Stätte ward für sie gefunden. Und ich sah die Toten, Geringe und Große, vor dem Thron stehen“ (Off 20,11–12). Es ist durchaus nicht schwer, dieses letzte Gericht von der Ankunft des Herrn und der ersten Auferstehung zu unterscheiden. Wenn der Herr kommt, so kommt Er aus dem Himmel auf die Erde, und die Erde wird durch Ihn in der herrlichsten Weise gesegnet. Allein dieses ist hier nicht der Fall. Hier gibt es keine Erde; der Himmel und die Erde sind geflohen und keine Stätte wird für sie gefunden. Es ist die Auferstehung und das Gericht der Gottlosen, die von Beginn der Welt an gestorben sind. Alle werden nach ihren Werken gerichtet, alle werden verdammt und in den Feuersee geworfen, welches der zweite Tod ist. Entsetzlicher Gedanke! O Mensch, bedenke, was zu deinem Frieden dient! Bedenke, wie schrecklich es ist, zu fallen in die Hände des lebendigen Gottes.

Ja, es wird ein entsetzlich ernster Augenblick sein. Alle, die je auf Erden lebten, von Anfang bis zu Ende, werden dort einander gegenüberstehen, – die Gerechten bei dem Herrn, die Gottlosen vor dem Thron. Welch ein Unterschied zwischen diesen beiden! Die einen mit verherrlichten Leibern, unverderblich und unsterblich, gleichförmig dem Bild Christi; die anderen in der ganzen Nacktheit ihres elenden Zustandes. Entblößt von allen Feigenblättern eigener Gerechtigkeit, wird ein jeder im Licht der göttlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit seine Sünden sehen. Alle werden dort erscheinen müssen: „Und das Meer gab die Toten, die in ihm waren, und der Tod und der Hades gaben die Toten, die in ihnen waren, und sie wurden gerichtet, ein jeder nach seinen Werken.“ Die Tiefe des Meeres und die unsichtbare Welt werden gezwungen, ihre bejammernswerten Gefangenen los zu lassen, damit sie von den Lippen des von ihnen verworfenen Jesus ihr Urteil vernehmen. Der Himmel und die Erde sind vergangen; und nichts wird gesehen, als der große weiße Thron in blendendem Glänze, sowie die herrliche Majestät dessen, der darauf sitzt. „Und wenn jemand nicht geschrieben gefunden ward in dem Buch des Lebens, so ward er geworfen in den Feuersee.“ Das ist das Ende der menschlichen Geschichte – das Ende aller Begebenheiten. Jetzt beginnt die Ewigkeit, wo keine Zeit mehr ist. Die Gottlosen sind verloren, die Gerechten gerettet, und alle Wege Gottes haben sich als Wege der Herrlichkeit und Majestät erwiesen. Seine Liebe wird neue Himmel und eine neue Erde schaffen, als ein Wohnplatz für seine Heiligen; und Gott kommt um in ihrer Mitte zu wohnen. „Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott“ (Off 21).

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