Botschafter des Heils in Christo 1885

Einige Worte über die Feier des Abendmahls nach der Schrift - Teil 1/3

1.: Das Abendmahl des Herrn ist das teure Vermächtnis des von seinen Jüngern scheidenden Heilands. Er hat es den Seinen für die Zeit seiner sichtbaren Abwesenheit „bis Er kommt“ hinterlassen, auf dass sie dadurch an seine Liebe erinnert werden und ihrerseits durch die Feier desselben seiner in Liebe gedenken möchten. Weil Er sie so unvergleichlich liebt, hat sein Herz das Bedürfnis, von ihnen wiedergeliebt zu werden. Da nun aber ihre Liebe nur durch das Bewusstsein seiner Liebe erweckt und genährt werden kann, so wollte Er durch das von Ihm gestiftete Gedächtnismahl ihnen einerseits eine beständige Erinnerung an den durch seinen Tod für sie gelieferten höchsten Beweis seiner Liebe hinterlassen, und andererseits ihnen Gelegenheit geben, durch die Verkündigung seines Todes ihrer Liebe zu Ihm und ihrem dankbaren Andenken an Ihn einen für sein Herz kostbaren Ausdruck zu geben. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“,

Er rechnet fest auf die Liebe der seinigen und darf gewiss auch erwarten, dass der Wunsch seines Herzens, seine teuer Erkauften mit glücklichen, dankbaren Herzen um seinen Tisch versammelt zu sehen, durch sie erfüllt werde. Gleichgültigkeit gegen seinen Tisch würde demnach nur der Beweis von Gleichgültigkeit gegen Ihn selbst sein. Dagegen wird es jedem, der den Herrn wirklich liebt, am Herzen liegen, die Feier des Abendmahls in einer richtigen und würdigen Weise zu begehen, wie wir die Anleitung dazu in seinem Wort finden. Untersuchen wir deshalb das Wort etwas näher über diesen Gegenstand.

Bei der Einsetzung, die wir in Matthäus 26,26–28, Markus 14,22–24, Lukas 22,19–20 und 1. Korinther 11,23–25 beschrieben finden, hat der Herr keine weiteren Vorschriften gegeben, als: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Doch hat Er, nachdem Er das Werk der Erlösung vollbracht und seinen Platz zur Rechten Gottes eingenommen hat, den Heiligen Geist gesandt, um die Seinen in allem zu leiten und zu unterweisen, seinen eignen Gedanken und dem Verhältnis gemäß, in welches Er sie zu sich selbst und dem Vater gebracht hat. Diese Leitung und Unterweisung wird also gewiss auch nicht fehlen in Bezug auf das Abendmahl des Herrn.

Die erste Wirkung des vom Himmel gekommenen Heiligen Geistes finden wir beschrieben in Apostelgeschichte 2. Der Herr hatte gesagt (Mt 16,18), dass Er auf den Felsen der durch Simon Petrus bekannten Wahrheit: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, „Seine Versammlung bauen“ wolle, welche die Pforten des Hades nicht überwältigen würden. Er selbst überlieferte sich für sie den Pforten des Hades; doch vermochten diese Ihn nicht zu überwältigen, indem Er daraus hervorging und über sie triumphierte in der Kraft eines unauflöslichen Lebens, als der Sohn des „lebendigen“ Gottes. Nach seiner Auferstehung stellte Er die Seinen auf den Boden seines siegreich vollbrachten Werkes und führte sie ein in seine eigene Stellung zu seinem Gott und Vater. Er sandte Maria Magdalena zu seinen Jüngern mit den Worten: „Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, und zu meinem Gott und zu eurem Gott“ (Joh 20,17). Dann teilte Er ihnen den Geist des Lebens mit, machte sie seines Auferstehungslebens, des ewigen Lebens, teilhaftig, so dass auch über sie der Tod keine Macht mehr hat. Am Pfingstfest zu Jerusalem wurden sie „mit der Kraft aus der Höhe angetan“; sie empfingen den Heiligen Geist, der in ihnen und durch sie ein lebendiges Zeugnis von dem zur Rechten Gottes erhöhten Christus ablegte. Dieses Zeugnis durch den Mund des Petrus hatte die Wirkung, dass an jenem Tag bei dreitausend Seelen zum Herrn bekehrt wurden. Dadurch war der Anfang gemacht zu der Erfüllung der Verheißung des Herrn hinsichtlich des Bauens seiner Versammlung. Diese Versammlung war jetzt in ihren Erstlingen vorhanden. Durch die Kraft des Heiligen Geistes war sie ins Leben gerufen, und Er war in noch ungehemmter Kraft in ihr wirksam, um sie zu leiten.

In Apostelgeschichte 2,42–47 sehen wir, worin diese Leitung des Geistes inmitten der in der ersten Frische stehenden Versammlung sich offenbarte. Wir lesen dort: „Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten. Es kam aber jede Seele Furcht an, und es geschahen viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle die Gläubigen aber waren zusammen und hatten alles gemein; und sie verkauften die Güter, und die Habe verteilten sie an alle, je nachdem irgendeiner Bedürfnis hatte. Und indem sie täglich einmütig im Tempel verharrten und zu Haus das Brot brachen, nahmen sie Speise mit Frohlocken und Einfalt des Herzens, lobten Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volk.“ Unter den durch die mächtige Wirkung des Heiligen Geistes hervorgebrachten Früchten, die uns in obigem Abschnitt mitgeteilt werden, sind besonders zwei für den Zweck der gegenwärtigen Betrachtung von Wichtigkeit, nämlich die Gemeinschaft und das Brechen des Brotes. In dem ersteren sehen wir die Verwirklichung der Bitte des Herrn in Johannes 17,11: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien, gleich wie wir“, und: „Aber nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben, auf dass sie alle eins seien, gleich wie du, Vater, in mir, und ich in dir, auf dass auch sie in uns eins seien, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“ (V 20–21). In dem Zweiten erblicken wir die Erfüllung des Wunsches des Herrn: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Der Heilige Geist kann in den Herzen der Gläubigen nichts anderes hervorbringen, als was mit den Gedanken ihres himmlischen Herrn in Übereinstimmung ist. Deshalb wird Er stets und überall, wo Er ungehindert in den Gläubigen wirken kann, das Gefühl der Einheit unter einander wachrufen, sowie das Bedürfnis der Liebe hervorbringen, ihres abwesenden Herrn in der Verkündigung seines Todes zu gedenken. Er wird sie leiten, beides zu verwirklichen, darin „zu verharren.“

Wo aber der Heilige Geist betrübt und dadurch seine Wirksamkeit gehindert wird, da schwindet einerseits das Bewusstsein der Einheit, und andererseits tritt Gleichgültigkeit gegen den Tisch des Herrn hervor. Und wie sehr gibt das Bild, das uns jetzt in der Gesamtheit der Gläubigen, welche die Versammlung Gottes auf Erden bilden, vor Augen tritt, davon Zeugnis, dass der Heilige Geist in ihrer Mitte betrübt und seine Wirksamkeit gehemmt worden ist. Welch eine Zerrissenheit statt Einheit, welch eine Nachlässigkeit statt eines treuen Verharrens im Brechen des Brotes nach der Anweisung des Herrn!

In jener ersten Versammlung in Jerusalem war das Gefühl der Einheit so mächtig, dass die ganze Menge der Gläubigen ein Herz und eine Seele war, und sogar ihre irdische Habe als Gemeingut betrachtet wurde (Apg 4,32–35). Und so sehr „verharrten sie im Brechen des Brotes“, dass sie es, wie es scheint, mit jeder Abend Mahlzeit verbanden. Es war eben die Offenbarung der völligen Herrschaft des Heiligen Geistes über die menschliche Natur, deren gewöhnliche Kundgebungen Selbstsucht und Eigenliebe, hier der Ausübung der Liebe zum Herrn und zu den seinen Platz gemacht hatten. 1

Doch wie bald gelang es dem Widersacher des Herrn, dieses herrliche Bauwerk Gottes, seine zweite Schöpfung, in ihrer sichtbaren Darstellung zu verderben, wie er auch die erste Schöpfung verdorben hatte. Freilich ist es unmöglich, dass das Fundament der Versammlung erschüttert und ihr Gebäude, als Behausung Gottes im Geist betrachtet (Eph 2,20–22), gestürzt werden könnte, denn das Fundament ist Christus, der Baumeister Gott, das Material lebendige Steine, zusammengefügt durch den Heiligen Geist. Von diesem Gesichtspunkt aus, d. h. mit den Augen Gottes betrachtet, ist die Versammlung, die den Leib Christi bildet, unantastbar und unverderblich. Aber was unsere Augen in unseren Tagen sehen von der Versammlung auf der Erde, das sieht eher einem Trümmerhaufen ähnlich, als dem in göttlicher Reinheit und Schönheit dastehenden Bauwerke jener ersten Versammlung in Jerusalem. Und wer trägt die Schuld an diesem Verfall? Die Gesamtheit der Gläubigen und jeder Einzelne von ihnen hat sich darüber zu richten, dass der in ihrer Mitte und in ihren Herzen heute wie damals wirkende Heilige Geist betrübt, und dass seine Wirksamkeit durch ihre Untreue so sehr gehemmt ist, dass von der Einheit der Gläubigen nichts mehr zu sehen, der Tisch des Herrn fast überall durch ihre Vermischung mit der Welt entweiht und durch ihre Zersplitterung zum Parteitisch geworden ist. Die Treuesten unter ihnen werden sich am meisten darüber demütigen, in dem Bewusstsein ihrer Zusammengehörigkeit mit allen übrigen Gläubigen; denn „wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit.“

Wenn in jener völlig unter der Herrschaft des Heiligen Geistes stehenden Versammlung zu Jerusalem täglich in den Privathäusern das Brot gebrochen wurde, so war dies der gottgemäße, durch den Geist gewirkte Ausdruck ihres Zustandes. Es geschah in dem lebendigen Gefühl der Einheit untereinander, und unter dem mächtigen Drange der Liebe zum Herrn, so oft wie möglich „dies zu tun zu seinem Gedächtnis.“ Heute würde eine Nachahmung dieser Art des Brotbrechens bei dem Zustand der Versammlung Gottes auf der Erde, wo das Gefühl der Einheit fast ganz mangelt, die Gefahr in sich schließen, dieses Gefühl noch mehr zu zerstören, als es bereits geschehen ist. Ebenso würde eine Nachahmung der damals unter der Herrschaft und Verwaltung des Heiligen Geistes stehenden Gütergemeinschaft heute zu den gröbsten Missbräuchen führen, weil die Macht des Heiligen Geistes, die allein die Selbstsucht der menschlichen Natur unterdrücken kann, jetzt durch die Untreue der Christen geschwächt, ja vielfach fast wirkungslos gemacht ist.

Die ersten Anfänge dieses Verfalls traten, wie gesagt, schon bald in der ersten Versammlung zu Jerusalem hervor. Nachdem „Satan das Herz von Hananias und Saphira erfüllt hatte“, um den Heiligen Geist zu belügen (Apg 5,3), und der Widersacher auf diese Weise Eingang gefunden in das Heiligtum der durch den Heiligen Geist geleiteten Versammlung, sehen wir schon in Kapitel 6, dass das mein und dein wieder seine traurige Rolle spielte. An die Stelle des herrlichen Zustandes, wo die Gläubigen ein Herz und eine Seele waren und alles gemein hatten, trat ein Murren über Zurücksetzung der Einen gegen die Anderen. Und wenn auch die Macht des Heiligen Geistes noch vorhanden war, um das Böse sofort zu unterdrücken, gottgemäße Anordnungen zu treffen und das Zeugnis der Wahrheit so mächtig zu machen, dass die Zahl der Jünger sich sehr vermehrte, so sehen wir doch das Fleisch bei den Gläubigen nicht mehr so völlig unter der Herrschaft des Geistes, wie im Anfang. Die unbedingte Gemeinschaft der Güter hörte auf.

Damit in Verbindung stand auch ohne Zweifel eine Änderung in Bezug auf die Feier des Abendmahls. Denn wir ersehen aus Apostelgeschichte 20,7, dass das tägliche Brotbrechen aufgehört hatte, indem die Gläubigen sich am ersten Tag der Woche versammelten, um Brot zu brechen. Doch wenn auch eine Schwächung der Wirksamkeit des Heiligen Geistes hierin zu erblicken ist, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass auch das zusammenkommen am ersten Wochentag zum Brotbrechen eine Frucht seiner Leitung war.

Der Heilige Geist verlässt die Versammlung der Gläubigen nicht (Joh 14,16–17), selbst wenn der Zustand derselben seine unbeschränkte Wirksamkeit nicht zulässt. Er leitet sie dann ihrem Zustand entsprechend. So leitete Er, als seine Wirksamkeit in der ersten Versammlung durch nichts gehindert war, die Gläubigen, in dem Gefühl ihrer Einheit, alle ihre Habe als gemeinschaftliches Besitztum zu betrachten, so dass „keiner dürftig unter ihnen war.“ Nachdem der geschwächte Zustand, den wir in Apostelgeschichte 6,1 finden, hervorgetreten war, traf Er Anordnungen, die diesem Zustand entsprachen, und später, als der geistliche Zustand noch weiter zurückgegangen war, gab Er durch die Apostel Anweisungen für die Reichen und die Armen. Diese Anweisungen sind noch jetzt, in dem schwachen Zustand, in welchem die Versammlung sich befindet, für uns maßgebend als göttliche Ordnungen, festgestellt durch die Autorität der Apostel unter der Leitung des Heiligen Geistes. Nach dem Heimgang der Apostel wirkt der Heilige Geist zwar immer noch in der Versammlung, aber seine Wirksamkeit steht stets in engster Verbindung mit dem geschriebenen Worte, weil dieses durch Ihn eingegeben worden ist; nach der Apostelzeit ist das Wort als einzige Autorität übriggeblieben. Wenn deshalb jetzt etwas als Leitung des Geistes ausgegeben werden sollte, was nicht mit dem geschriebenen Worte in völliger Übereinstimmung ist, so haben wir es zu verwerfen.

Wenn wir nun hinsichtlich des Abendmahls in Apostelgeschichte 20,7 sehen, dass an die Stelle des täglichen Brotbrechens in den einzelnen Häusern die gemeinschaftliche Feier desselben durch die ganze Versammlung am ersten Wochentage getreten war, und der Apostel Paulus daran teilnahm, so müssen wir daraus schließen, dass diese Art der Feier dem Sinn und der Unterweisung des Heiligen Geistes entsprach, der auch den Apostel anleitete, dieselbe durch seine Teilnahme mit apostolischer Autorität zu bekleiden. Und da wir in der Schrift keine Abänderung dieser Einrichtung durch die Apostel finden, so dürfen wir annehmen, dass es der Sinn des Geistes ist, dass die Gläubigen aller Zeiten dadurch angeleitet werden sollen, sich am ersten Wochentage zu dem Zweck zu versammeln, den Tod des Herrn zu verkündigen. 2

Kein Tag ist auch wie dieser so geeignet, die Gläubigen um ihren unsichtbaren Herrn zu vereinigen, um mit Dank und Anbetung an seinem Tisch seiner zu gedenken. Der erste Wochentag ist „der Tag des Herrn“ (Off 1,10). Es ist der Tag seiner Ehre, den der Vater Ihm gegeben, indem Er Ihn durch seine „Herrlichkeit“ am ersten Wochentag aus den Toten auferweckt hat (Röm 6,4). Wer den Herrn liebt, dem wird es am Herzen liegen, Ihn zu ehren, und dem wird es deshalb auch ein erhebendes Gefühl sein, seinen Tag Ihm zu Ehren auf eine würdige Weise zu feiern, denselben nicht für sich selbst, d. h. zu irdischen Arbeiten oder Vergnügungen, zu benutzen, sondern ihn dem dankbaren Andenken dessen zu weihen, der für ihn gestorben und auferstanden ist.

Unter der alten Ordnung der Dinge war der siebente Tag der „Sabbat Jehovas“, der nach gesetzlichen Vorschriften Ihm zu heiligen war. Bei dem ersten Wochentag handelt es sich nicht um eine Verordnung des Gesetzes. Dieses hatte durch den Herrn seine vollkommene Erfüllung und mit seinem Tod für die Sünder, die unter demselben standen, sein Ende gefunden (Röm 10,4). Das Gesetz forderte von dem Menschen vollkommenen Gehorsam und für den Übertreter den Tod. Beide Forderungen sind in Christus erfüllt worden; deshalb kann das Gesetz an den mit Christus gestorbenen und auferstandenen Gläubigen keine Anforderungen mehr stellen. Für diesen handelt es sich bei der Feier des ersten Wochentages nur um das Gesetz der Liebe zu seinem Herrn, um Ihn zu ehren.

Mit dem Auferstehungstag des Herrn begann eine ganz neue Ordnung der Dinge; es war der Anfang einer neuen Schöpfung. Die alte, durch die Sünde verdorbene Schöpfung konnte nicht anders als mit dem über den Menschen ausgesprochenen Tod endigen. Der in Gnade an die Stelle des Menschen getretene Sohn Gottes erduldete diesen Tod und führte damit das Ende der alten Schöpfung herbei für alle, die durch den Glauben zur Gleichheit seines Todes mitgepflanzt worden sind (Röm 6,5). Die Geschichte des ersten Menschen nahm ihren Anfang im Garten Eden und fand ihr Ende in dem Garten auf Golgatha, in welchem das Grab des Erlösers war. „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod“ (Röm 6,23). Mit dem Auferstehungsmorgen begann die Geschichte des „zweiten Menschen“, des „letzten Adam“ (1. Kor 15,45–49). „Wenn jemand in Christus ist – eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, stehe, alles ist neu geworden“ (2. Kor 5,17). Als der Grund der ersten Schöpfung gelegt wurde, „da jubelten die Morgensterne miteinander, und alle Söhne Gottes (die Engel) jauchzten“ (Hiob 33,7). In wie viel höherem Sinn können jetzt die Gläubigen, die in Christus, dem Auferstandenen sind, sie, die Söhne Gottes, aus Gott geboren, „mit einander jubeln und jauchzen“ und als Menschen der neuen Schöpfung dem ihre Huldigung darbringen, der durch seinen Tod und seine Auferstehung sie in dieses herrliche neue Verhältnis eingeführt hat! Wenn dies ihre glückliche Beschäftigung einzeln und im täglichen Leben ist, so werden sie es als ihr besonderes Vorrecht betrachten, an dem Ehrentag ihres Herrn, dem ersten Wochentage, sich zu gemeinschaftlichem Lob mit allen denen zu vereinigen, die mit ihnen durch den Glauben an den Früchten des vollbrachten Werkes ihres Heilands teilhaben.

Wir sehen denn auch gleich im Anfang der neuen Ordnung, dass die Liebe zu ihrem Herrn die Jünger am ersten Wochentag zusammenführte, obwohl sie noch kein Verständnis von seinem vollbrachten Werk hatten. Der Herr erscheint auch persönlich in ihrer Mitte und offenbart sich ihnen als der aus den Toten Auferstandene, indem Er ihnen den Frieden verkündigt, den Er durch seinen Kreuzestod gemacht hatte (Joh 20,19–20). Dann hören wir von den darauffolgenden sechs Wochentagen nichts. Aber acht Tage später, also wieder am ersten Wochentag, sehen wir die Jünger aufs Neue versammelt, und der Herr tritt wieder in ihre Mitte mit seinem Friedensgruß (Joh 20,26). Der Herr bestätigt dadurch augenscheinlich ihr zusammenkommen am ersten Wochentage, und die Gläubigen aller Zeiten, bis zu seiner Wiederkunft, können darin einen Fingerzeig erblicken, dass es ganz in Übereinstimmung mit seinen Gedanken ist, wenn sie sich an diesem Tag um Ihn versammeln, in der glücklichen Gewissheit, Ihn persönlich in ihrer Mitte zu haben, gemäß seiner Verheißung in Matthäus 18,20: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“ Dass die durch den Heiligen Geist geleiteten Apostel die Gläubigen ihrer Tage in diesem Sinn belehrt haben, geht aus Apostelgeschichte 20,7 und 1. Korinther 16,2 hervor; ans letzterer Stelle außerdem noch, dass sie an jedem ersten Wochentage sich versammelten, also nicht in größeren Zwischenräumen. Wir können also bemerken, dass der Vater, der Sohn und der Heilige Geist diesen Tag vor den Anderen ausgezeichnet haben, indem an demselben der Vater „durch seine Herrlichkeit“ Seinen Sohn auferweckte (Röm 6,4), der Sohn die durch seine Auferstehung hervorgebrachte neue Ordnung der Dinge verkündigte und in der Mitte seiner Jünger erschien (Joh 20,17), und der Heilige Geist endlich durch die Apostel die Gläubigen anleitete, sich zu versammeln und das Brot zu brechen. Wenn wir deshalb in Übereinstimmung mit dem dreieinigen Gott handeln wollen, so werden auch wir den ersten Wochentag als einen dem Herrn geweihten Tag betrachten und ihn als solchen verbringen.

Unter der alten Ordnung der Dinge folgte der Ruhetag auf sechs Arbeitstage, entsprechend dem Wesen des Gesetzes, welches das Leben verhieß als eine Folge vollkommener Erfüllung desselben: „Tue dies, und du wirst leben“ (Lk 10,28). Die Ruhe sollte auf die Arbeit folgen. Die Gnade hat, nachdem es erwiesen, dass auf dieser Grundlage alles verloren war, eine neue Ordnung eingeführt, indem sie das ewige Leben in Christus als freie Gabe dem schenkt, „der nicht wirkt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt“ (Röm 4,5; 6,23); auf dass die, welche in Christus das Leben empfangen haben, „nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt ist“ (2. Kor 5,15). Das Leben ist also nicht die Folge, sondern die Grundlage unserer Tätigkeit. Demgemäß folgt jetzt die Arbeit auf die in dem vollbrachten Werke Christi erlangte Ruhe – die sechs Arbeitstage auf den Ruhetag, den ersten der Woche. Es ist deshalb wohl anzunehmen, dass der Charakter unserer Tätigkeit in der Woche dem Wert entsprechen wird, welchen wir der Feier des ersten Wochentages beilegen, oder, mit anderen Worten, dass die Art, wie wir den Tag des Herrn feiern, Einfluss auf die ganze Woche ausüben wird. Die Werke des Glaubens, die allein werthaben, können nur herauswachsen aus der Ruhe, die unsere Seelen genießen in dem vollbrachten Erlösungswerk und in der innigen Gemeinschaft mit unserem verherrlichten Heiland (Fortsetzung folgt).

Fußnoten

  • 1 Beiläufig müssen wir hier bemerken, dass diese Versammlung nur aus gläubig gewordenen Juden bestand, die auch vorerst in Verbindung mit dem Tempel und dem Gottesdienst der Väter blieben. Das später offenbarte Geheimnis von der Einheit des Leibes Christi, dessen Glieder aus Juden– und Heidenchristen bestehen, die durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft sind, war ihnen noch unbekannt.
  • 2 Abweichungen von dieser Regel sind bedenklich, weil kein Anhaltspunkt dafür in der Schrift ist. Wir sollten aber ängstlich sein, besonders auf diesem Gebiet, einen Schritt zu tun, der nicht durch das volle Licht des göttlichen Wortes beleuchtet ist.
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