Botschafter des Heils in Christo 1885

Die Hoffnung des Christen

Der natürliche Mensch hat keine Hoffnung. Das, was er Hoffnung nennt, ist keine wahre Hoffnung. Die Gegenstände derselben sind so eitel, nichtig und vergänglich wie jene selbst. In Bezug auf die unvergänglichen, ewig bleibenden Dinge hat er keine Hoffnung, weder für sich, noch für die Seinen. Gefällt es Gott, eins der Seinen wegzunehmen, so steht er tiefbekümmert, trostlos an dem offenen Grab. Er hat nichts, was ihn angesichts des Todes, angesichts der Vergänglichkeit alles Irdischen, trösten und aufrichten könnte. Wandern seine Gedanken über das Grab hinaus, so sieht er nichts als eine finstere, endlose Ewigkeit vor sich, eine Ewigkeit ohne einen Strahl von Licht und Hoffnung.

Nicht so der Gläubige. Er hat eine lebendige Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi, eine Hoffnung, die ihn belebt, stärkt, tröstet und erquickt, die ihn selbst angesichts des Todes nicht betrübt sein lässt, wie die übrigen, ja, eine Hoffnung, die ihn nie beschämen kann. Der Herr, an welchen er glaubt, hat über Tod und Grab, über Hölle und Teufel triumphiert und ist, als der auferstandene, verherrlichte Mensch, aufgefahren in die Höhe und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät Gottes. Dort sieht Ihn der Gläubige mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt, auf den Augenblick wartend, da Gott alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße legen wird. Und er weiß, dass Christus für ihn dort eingegangen ist, um eine Stätte für ihn im Vaterhaus zu bereiten. Auf Ihn, den Auferstandenen und Verherrlichten, gründet sich seine Hoffnung. Darum wird sie eine lebendige Hoffnung genannt, Christus Jesus selbst und alles, was sein ist, alles, was der Vater Ihm gegeben hat, ist der Gegenstand dieser Hoffnung. Sie umfasst die Person des Herrn und die ganze Herrlichkeit des Himmels, eine Ewigkeit von Frieden, Freude und Glückseligkeit.

Ist es der Wille Gottes, dass der Gläubige durch den Tod geht, so entschläft er (Wie tröstlich ist es, dass der Geist Gottes die Toten in Christus hier und an anderen Stellen nicht Gestorbene, sondern Entschlafene nennt!). Und während sein Leib auf den herrlichen Augenblick der Auferstehung wartet, ist er selbst glücklich bei Jesu. So ist Sterben nur Gewinn für ihn. Er scheidet aus einer Welt der Sünde, verlässt einen Leib der Schwachheit, um in vollkommener Ruhe bei Jesu zu sein. Der Tod hat keine Schrecken mehr für ihn. Sein Stachel ist ihm genommen. Zu sterben und bei Jesu zu sein, ist weit besser, als noch in dieser Wüste zu wandeln, obwohl auch dies der Mühe wert ist, solange es dem Herrn gefällt, uns hienieden zu lassen. Denn solange wir hienieden sind, können wir ein Zeugnis für Ihn sein und Ihm dienen.

Doch obschon auf diese Weise der Tod seinen Charakter für den Gläubigen völlig verändert hat, so ist derselbe doch nicht der Gegenstand seiner Hoffnung. Er hofft im Gegenteil, nicht durch den Tod zu gehen. Der Gegenstand seiner Hoffnung ist, wie schon oben bemerkt, Christus selbst. Ihn zu sehen, wie Er ist, Ihn zu schauen in all seiner persönlichen Schönheit, inmitten der Herrlichkeit, die der Vater Ihm gegeben hat, das ist es, worauf er hofft, wonach er verlangt und sich sehnt. Wird sich diese Hoffnung erfüllen? Sicher und gewiss. „Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf ... herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein.“ – Der Herr wird kommen. So wie Er einmal offenbart worden ist, um vieler Sünden zu tragen, so wird Er zum Zweiten Mal ohne Sünde erscheinen denen, die Ihn erwarten zur Seligkeit.

Und wann wird Er kommen? Bald! Die Nacht ist weit vorgerückt, der Anbruch des Tages kommt immer näher heran. „Noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen“ (Heb 10,37). „Ich komme bald; halte fest, was du hast damit niemand deine Krone nehme“ (Off 3,11). Ja, geliebte Brüder, „der Herr ist nahe“ (Phil 4,5). „So ermuntert nun einander mit diesen Worten!“ Lasst uns nicht schlafen, wie die übrigen, die von der Finsternis und von der Nacht sind! Wir sind Söhne des Lichts und Sohn des Tages. So lasst uns denn wachen und nüchtern sein, lasst uns beständig ausschauen nach dem „glänzenden Morgenstern“ und mit Sehnsucht rufen: „Komm, Herr Jesu!“ Lasst uns Acht haben, dass wir diese köstliche Hoffnung nicht nur kennen, sondern, wie der Apostel Johannes sagt, wirklich haben in unseren Herzen, dass sie in uns lebendig sei und mit jedem Tag lebendiger werde! Bald werden wir Ihn sehen und Ihm gleich sein; und: „Wer diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleich wie Er rein ist“ (1. Joh 3,3).

Der Herr tut Großes in diesen letzten Tagen. Er sammelt in Eile sein Volk. Wollen wir träge werden und die letzten Tage vor seiner Ankunft in Gleichgültigkeit und Weltförmigkeit zubringen? Gott bewahre uns in Gnaden davor! „Halte fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme!“ so lautet der ernste Mahnruf des Herrn an uns. Möchte er sich tief in unser aller Herzen eingraben, damit Er uns, wenn Er kommt, allesamt wachend finden möge! „Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn Er kommt, wachend finden wird. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tische legen lassen und hinzutreten und sie bedienen. Und wenn Er in der zweiten Wache kommt und in der dritten Wache kommt und findet sie also – glückselig sind jene Knechte!“ (Lk 12,37–38)

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