Botschafter des Heils in Christo 1883

Das Gebot des HERRN und die Einwürfe Satans - Teil 1/2

„Und Mose und Aaron gingen hinein und sprachen zu Pharao: So spricht Jehova, der Gott Israels: Lass mein Volk ziehen, dass sie mir ein Fest halten in der Wüste!“ (2. Mo 5,1)

Welch eine Fülle von Wahrheiten liegt in diesem kurzen Gebot des Herrn eingeschlossen! Es ist eine jener vielumfassenden, gedankenreichen Stellen, welche sich hie und da in dem Wort Gottes zerstreut vorfinden, und die vor unseren Augen und Herzen ein weites Feld der kostbarsten Wahrheiten erschließen. Sie macht uns in einfacher, kräftiger Sprache mit dem gesegneten Vorsatz des Gottes Israels bekannt. Sein Volk völlig aus Ägypten, dem Haus der Knechtschaft, zu befreien, damit es Ihm in der Wüste ein Fest feiere. Nichts konnte im Blick auf das Volk sein Herz befriedigen, als dessen völlige Trennung von dem Land des Todes und der Finsternis. Er wollte es nicht nur befreien von den Ziegelöfen und Fronvögten Ägyptens, sondern auch von seinen Tempeln und Altären, von allen den Gewohnheiten und Verbindungen, den Grundsätzen und Sitten seiner Bewohner. Mit einem Wort, es musste ein vollkommen abgesondertes Volk sein, ehe es Ihm in der Wüste ein Fest halten konnte.

Und so wie es einst mit Israel war, so ist es heute mit uns. Auch wir müssen ein in voller und bewusster Weise befreites Volk sein, ehe wir Gott in Wahrheit dienen, Ihn anbeten und mit Ihm wandeln können. Es ist nicht genug, dass wir die Vergebung unserer Sünden und unsere gänzliche Befreiung von Schuld, Zorn, Gericht und Verdammnis kennen, sondern wir müssen auch von dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf und allem, was dazu gehört, befreit sein, ehe wir dem Herrn einsichtsvoll zu dienen vermögen. Die Welt ist für den Christen dasselbe, was Ägypten für Israel war, mit dem Unterschied natürlich, dass unsere Trennung von der Welt nicht örtlich oder physisch, sondern moralisch und geistlich ist. Israel verließ Ägypten dem Leib nach; wir verlassen die Welt dem Geist und dem Grundsatz nach. Israel verließ Ägypten tatsächlich, wir verlassen die Welt im Glauben. Es war für das Volk eine wirkliche, durchgreifende Trennung, und ebenso ist es für uns. „Lass mein Volk ziehen, dass sie mir ein Fest halten in der Wüste.“

1. Gegen eine solch strenge Absonderung macht Satan, wie uns allen wohl bekannt ist, stets viele Einwendungen. Der erste Einwurf, den er damals durch den Mund Pharaos erhob, lautete: „Geht hin und opfert eurem Gott in dem Land“ (2. Mo 8,25). Das waren listige, klug berechnete Worte, ganz dazu angetan, ein Herz zu betören, das nicht in inniger Gemeinschaft mit Gott stand und seine Gedanken kannte. Ist es nicht, hätte mit scheinbar vollem Recht gefragt werden können, sehr entgegenkommend von Seiten des Königs von Ägypten, euch die Duldung eurer besonderen Art von Gottesdienst anzubieten? Ist es nicht ein hoher Beweis von Weitherzigkeit und Wohlwollen, dass er eurer Religion einen Platz in seinem Reich geben will? Gewiss, ihr dürft eure Religion ebenso gut ausüben, wie andere Leute. Da ist Raum für alle. Warum fordert ihr denn Trennung? Warum wollt ihr euch nicht mit euren Nachbarn auf gleichen Boden stellen? Eine solche Engherzigkeit, wie ihr sie offenbart, ist überflüssig und verkehrt.

Solche Worte mochten sehr vernünftig und klug klingen. Aber was bedeuteten sie angesichts der deutlichen und bestimmten Erklärung Jehovas: „Lass mein Volk ziehen!“? Nichts mehr und nichts weniger, als Ungehorsam. Die Worte des Herrn ließen keine falsche Deutung zu; sie konnten nicht missverstanden werden. Es war unmöglich, einem solchen klaren Gebot gegenüber in Ägypten zurückzubleiben. Die überzeugendsten Vernunftgründe zerrinnen wie Nebel in der Gegenwart der gebietenden Stimme Jehovas, des Gottes Israels. Wenn Er sagt: „Lass mein Volk ziehen“, so müssen wir gehen, und wenn alle Macht der Erde und der Hölle, der Menschen und der Teufel wider uns wäre. Alles Überlegen, Streiten oder Disputieren ist nutzlos; wir müssen gehorchen. Die Ägypter mögen ihren eignen Gedanken folgen; aber Jehova denkt für Israel, und die Folge wird lehren, wer von beiden Recht hat.

Der Leser erlaube uns, im Vorbeigehen ein Wort über die „christliche Engherzigkeit“ zu sagen, von der wir heutzutage so viel reden hören. Die eigentliche Frage ist: „Wer hat die Grenzen oder Schranken des christlichen Glaubens festzustellen? Ein Mensch oder Gott, menschliche Meinung oder göttliche Offenbarung?“ Sobald diese Frage gelöst ist, erscheint die ganze Sache nicht mehr schwierig. Viele schrecken zurück vor dem bloßen Worte: „Engherzigkeit.“ Was ist denn eigentlich Engherzigkeit, und was ist Weitherzigkeit? Nun, wir glauben, dass sich wahre Engherzigkeit stets da vorfindet, wo man sich weigert, die ganze Wahrheit Gottes aufzunehmen und sich durch dieselbe leiten zu lassen. Ein Herz, das durch menschliche Meinungen und Vernünfteleien, durch weltliche Grundsätze, durch Eigenliebe und Eigenwillen regiert wird, ein solches Herz erklären wir ohne Zögern für enge. Andererseits nennen wir ein Herz, welches sich der Autorität Christi unterwirft und sich ehrerbietig vor der Stimme der Heiligen Schrift beugt, das sich standhaft weigert, ein Haarbreit über den offenbarten Willen Gottes, das geschriebene Wort, hinauszugehen, ein Herz, das alles ohne Ausnahme verwirft, was sich nicht auf ein: „So spricht der Herr!“ gründet – ein solches Herz nennen wir weit.

Ist dies nicht vollkommen richtig, mein lieber Leser? Ist nicht das Wort Gottes – seine Gedanken und sein Wille – weit umfassender und vollständiger, als das Wort und der Geist des Menschen? Findet sich nicht in den Heiligen Schriften eine unendlich größere Hohe, Tiefe und Breite, als in allen menschlichen Schriften der Welt? Erfordert es nicht eine viel ausgedehntere Weite des Herzens und eine weit innigere Hingebung der Seele, sich durch die Gedanken Gottes leiten zu lassen, als durch unsere eignen Gedanken oder diejenigen unserer Mitmenschen? Auf diese Fragen gibt es wohl nur eine Antwort; und daher lässt sich der ganze Gegenstand in das einfache, aber so vielsagende Wort zusammenfassen: „Wir müssen so enge sein, wie Christus, und so weit, wie Er.“

Ja, hierin liegt die Lösung dieser, wie jeder anderen Schwierigkeit. Wir müssen alles von diesem gesegneten Standpunkt aus betrachten; dann wird unser Blick ungetrübt und unser Urteil ein gesundes sein. Bildet aber der Mensch oder unser eigenes ich unseren Ausgangspunkt, betrachten wir von dort ans alles um uns her, so sind wir außerstande, ein gesundes Urteil zu fällen. Unsere Augen sind kurzsichtig und verblendet, unser Herz und Geist ohne wahres, göttliches Licht. Wir beurteilen und betrachten alles falsch.

Ein einfältiges Auge und ein aufrichtiges Herz wird alles dieses verstehen und ohne Zögern anerkennen. Und in der Tat, wenn das Auge nicht einfältig und das Gewissen dem Wort nicht unterworfen ist, wenn das Herz nicht wahrhaft für Christus schlägt, so ist es verlorene Zeit und Mühe, es von der Wahrheit des Gesagten überzeugen zu wollen. Welchen Nutzen könnte es haben, mit einem Mann zu streiten, der, anstatt dem Wort Gottes zu gehorchen, nur seine Schärfe abzustumpfen sucht? Nicht den geringsten. Es ist eine hoffnungslose Aufgabe, jemanden überführen zu wollen, der nie die moralische Kraft und Bedeutung des Wortes: „Gehorsam“ kennen gelernt hat.

In der Antwort Moses auf den ersten Einwurf Satans gibt es etwas ungemein Schönes. Er sagt: „Es geziemt sich nicht, also zu tun, denn wir würden der Ägypter Gräuel opfern dem Jehova, unserem Gott; siehe, wenn wir der Ägypter Gräuel vor ihren Augen opferten, würden sie uns nicht steinigen? Drei Tagereisen wollen wir ziehen in die Wüste und Jehova, unserem Gott, opfern, so wie Er zu uns reden wird“ (2. Mo 8,26–27). Die Gegenstände ägyptischer Anbetung waren völlig unpassend, um sie Jehova als Opfer darzubringen. Aber nicht nur das; viel wichtiger noch war es, dass Ägypten nicht der rechte Platz war, um dem wahren Gott daselbst einen Altar aufzurichten. Abraham hatte keinen Altar, als er nach Ägypten hinabzog. Er verließ seinen Gottesdienst und das Land seiner Fremdlingschaft, als er sich dem Süden zuwandte; und wenn Abraham dort nicht hatte anbeten können, so vermochte es auch sein Same nicht. Ein Ägypter hätte fragen können: Warum nicht? Aber es ist etwas anderes, eine Frage zu stellen, als die Antwort zu verstehen. Wie hätte ein Ägypter die Gründe verstehen können, welche einen wahren, treuen Israeliten bei seinem Verhalten leiteten? Unmöglich. Wie hätte er in die Bedeutung jener „dreitägigen Reise“ eindringen können? „Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie Ihn nicht erkannt hat“ (1. Joh 3,1). Die Beweggründe, welche den wahren Gläubigen leiten, und die Gegenstände, welche ihn beseelen, liegen weit über dem Gesichtskreis der Welt. Wir können versichert sein, dass ein Christ, je mehr die Welt seine Beweggründe verstehen und wertschätzen kann, umso weniger seinem Herrn treu ist.

Wir reden selbstverständlich von den wahren Beweggründen eines Christen. Ohne Zweifel gibt es in dem Leben eines treuen Christen vieles, das die Welt bewundern und achten kann. Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit, Wahrheitsliebe, selbstlose Freundlichkeit, Sorge für die Armen, Selbstverleugnung – alles das sind Dinge, welche die Welt wohl verstehen und wertschätzen kann. Trotzdem aber wiederholen wir mit allem Nachdruck die Worte des Apostels: „die Welt erkennt uns nicht.“ Wenn wir begehren, mit Gott zu wandeln, wenn wir Ihm ein Fest feiern wollen, wenn es der aufrichtige und ernste Wunsch unseres Herzens ist, einen wirklich himmlischen Wandel zu führen, so müssen wir völlig mit der Welt, sowie mit dem eigenen Ich brechen und unseren Platz außerhalb des Lagers nehmen mit einem von der Welt verworfenen, aber in den Himmel aufgenommenen Christus. Möchten wir dies tun mit wahrem Herzensentschluss zur Verherrlichung seines glorreichen, heiligen Namens!

2. Der zweite Einwurf Satans ist dem Ersten sehr nahe verwandt. Wenn es ihm nicht gelingt, Israel ganz in Ägypten zurückzuhalten, so will er wenigstens versuchen, sie so nahe wie möglich zu halten. „Und Pharao sprach: Ich will euch ziehen lassen, dass ihr Jehova, eurem Gott, opfert in der Wüste, nur entfernt euch nicht so gar weit“ (Kap 8,28).

Der Sache Christi wird weit mehr geschadet durch ein scheinbares, teilweises, halbes Aufgeben der Welt, als durch ein völliges Bleiben in ihr. Ein unentschiedener, wankelmütiger Bekenner schwächt das Zeugnis und verunehrt den Herrn weit mehr, als einer, der sich nie von der Welt getrennt hat. Ferner dürfen wir wohl sagen, dass zwischen dem Aufgeben gewisser weltlicher Dinge und dem Aufgeben der Welt selbst ein sehr großer Unterschied besteht. Es mag jemand gewisse Formen der Weltlichkeit ablegen und dennoch zu gleicher Zeit der Welt in seinem tiefsten Innern einen Platz aufbewahren. Er mag das Theater, den Ballsaal, den Billardtisch und die Musikhalle aufgeben und trotz alledem an der Welt hängen. Ja, wir sind imstande, einige der schlechten Zweige abzuhauen, um nur mit umso größerer Zähigkeit an dem alten Stamme festzuhalten. Dies ist unserer ernstesten Beachtung wert. Das, was Hunderte von bekennenden Christen bedürfen, ist, nach unserer festen Überzeugung, ein völligerer Bruch mit der Welt – ja, mit der Welt in der ganzen, umfassenden Bedeutung des Wortes. Es ist durchaus unmöglich, einen guten Anfang, oder gar geistliche Fortschritte zu machen, solange das Herz mit den heiligen Ansprüchen Christi gleichsam spielt. Wir behaupten mit aller Bestimmtheit, dass in Tausenden von Fällen, wo Seelen über Befürchtungen und Zweifel, über Unruhe und Beschwertheit, über Mangel an Licht, Trost, Friede und Freude klagen, die Ursache darin zu suchen ist, dass sie nie in Wirklichkeit mit der Welt gebrochen haben. Entweder suchen sie dem Herrn ein Fest zu feiern in Ägypten, oder sie bleiben doch so nahe, dass sie leicht wieder zurückgezogen werden können, so nahe, dass sie weder das Eine, noch das Andere, weder kalt, noch warm sind, und dass aller Einfluss, den sie besitzen mögen, wider Christus und für den Feind der Seelen ausschlägt.

Wie können solche Seelen glücklich sein? Wie kann ihr Friede fließen gleich einem Strom? Wie können sie wandeln in dem Licht des Vaterantlitzes Gottes, oder in dem Genuss der Gegenwart des Herrn? Wie können die gesegneten Strahlen jener Sonne, welche in der neuen Schöpfung scheint, sie erreichen inmitten der dumpfen Atmosphäre, die das Land des Todes und der Finsternis einhüllt? Unmöglich! Sie müssen brechen mit der Welt und sich selbst mit ganzem Herzen und aller Entschiedenheit Christus übergeben. Da muss, wenn wir so reden dürfen, ein ganzer Christus für das Herz und ein ganzes Herz für Christus sein. Hierin beruht das große Geheimnis der Fortschritte eines Christen. Wir müssen einen richtigen Anfang machen, bevor wir fortschreiten können, und um richtig zu beginnen, müssen wir alle die Bande, die uns mit der Welt verknüpfen, zerreißen, oder besser gesagt, wir müssen die Tatsache glauben und praktisch verwirklichen, dass Gott sie für uns in dem Tod unseres Herrn Jesus Christus zerrissen hat. Das Kreuz hat uns für immer von dem gegenwärtigen, bösen Zeitlauf getrennt. Es hat uns nicht nur von den ewigen Folgen unserer Sünden befreit, sondern auch von der Macht und Herrschaft der Sünde und von den Grundsätzen und Gewohnheiten einer Welt, die in den Händen des Bösen liegt.

Es ist eins der Meisterstücke Satans, dass er bekennende Christen dahin bringt, sich mit einem Blick auf das Kreuz zu ihrer Errettung zu begnügen, während sie in der Welt zurückbleiben, oder sich doch „nicht so gar weit von ihr entfernen.“ Vor dieser gefährlichen Schlinge können wir den christlichen Leser nicht ernst genug warnen. Eine aufrichtige Hingebung des Herzens an einen verworfenen und verherrlichten Christus und eine innige Gemeinschaft mit Ihm vermögen uns allein vor diesem Fallstrick zu bewahren. Um mit Christus zu wandeln, an Ihm uns erfreuen und von Ihm uns nähren zu können, müssen wir von dieser gottlosen, bösen Welt getrennt sein – getrennt von ihr in unseren Gedanken und Gesinnungen, in den Neigungen unserer Herzen, getrennt, nicht nur von ihrem offenbaren Bösen, von ihrer Torheit und Eitelkeit, sondern auch von ihrer Religion, von all ihrem Tun und Treiben.

Indes möchte man uns hier fragen: „Ist das Christentum denn nichts anders, als ein Ablegen, ein Ausleeren und Aufgeben? Besteht es nur aus Verboten und Verneinungen?“ Wir antworten mit tiefer Freude des Herzens: Nein! tausendmal nein! Das Christentum ist vorherrschend bejahend, durchaus wirklich, göttlich befriedigend. Was gibt es uns für das, was es uns nimmt? Es gibt uns „unermessliche Reichtümer“ für „Dreck und Kot.“ Es gibt uns ein „unverwesliches und unbeflecktes und unverwelkliches Erbteil, welches aufbewahrt wird in den Himmeln“, für einen eitlen, schnell verschwindenden Tand. Es gibt uns Christus, die Wonne des Herzens Gottes, den Gegenstand der Anbetung des Himmels und der Lieder der Engel, das ewige Licht der neuen Schöpfung, statt einiger Augenblicke sündigen Vergnügens und schuldigen Genusses. Es gibt uns endlich eine Ewigkeit der reinsten Freuden und kostbarsten Segnungen im Haus des Vaters, statt einer Ewigkeit schrecklicher Qual in den Flammen der Hölle.

Was sagst du zu diesen Dingen, mein lieber Leser? Ist das nicht ein guter Tausch? Findest du hierin nicht die mächtigsten Beweggründe, um die Welt aufzugeben? Man hört Christen zuweilen die Gründe aufzählen, weshalb sie diese oder jene Form der Weltlichkeit aufgegeben haben; aber wir meinen, alle diese Gründe sollten sich in einem einzigen vereinigen, und dieser sollte so lauten: „Ich habe Christus gefunden, und deshalb habe ich die Welt aufgegeben.“ Niemand findet es schwer, Kohlen für Diamanten, Asche für Perlen, Dreck für Gold hinzugeben. Und ebenso ist es für einen Menschen, der einmal die Kostbarkeit Christi geschmeckt und erfahren hat, nicht mehr schwierig, die Welt aufzugeben. Nein, es würde eine Schwierigkeit für ihn sein, wenn er in ihr zurückbleiben sollte. Wenn Christus das Herz erfüllt, so ist die Welt nicht nur für eine Weile ausgeschlossen, sondern sie wird stets ferngehalten. Wir wenden dem Land Ägypten nicht nur den Rücken, sondern entfernen uns auch weit genug, um nie wieder dahin zurückzukehren. Und zu welchem Zweck tun wir das? Um untätig die Hände in den Schoß zu legen? Um alles verloren zu haben und nichts mehr zu besitzen? Um niedergeschlagen, gedrückt, traurig und melancholisch zu sein? O nein, sondern um „dem Herrn ein Fest zu feiern.“ Wir halten dieses Fest allerdings noch in der Wüste, aber wenn wir Christus bei uns haben, so begehren wir nichts weiter mehr. Wir haben an Ihm genug, und die Wüste wird zum Himmel. Er ist, gepriesen sei sein Name! das Licht unserer Augen, die Freude unserer Herzen, die Speise unserer Seelen; ohne Ihn würde der Himmel kein Himmel für uns sein, aber in seiner herrlichen, herzerquickenden Gemeinschaft verwandelt sich selbst die Wüste in den Vorhof des Himmels. Wir genießen im Voraus etwas von den gesegneten Dingen, die in Ewigkeit unser Teil sein werden.

Doch das ist noch nicht alles. Nicht nur ist das Herz völlig von Christus erfüllt und befriedigt, sondern auch das Gemüt ist vollkommen beruhigt im Blick auf alle die Einzelheiten unseres Weges durch diese Welt – im Blick auf die Schwierigkeiten, die Fragen, welche sich erheben können, die Verwicklungen, denen diejenigen fortwährend begegnen, welche die hohe Segnung nicht kennen, Christus zu ihrem Standpunkt zu machen und alles in unmittelbarer Verbindung mit Ihm zu betrachten. Wenn ich z. B. in irgendeinem Fall berufen bin, für Christus zu handeln, und ich betrachte die Sache, anstatt sie einfach nach ihrer Bedeutung für Ihn und seine Verherrlichung zu beurteilen, nach ihren Folgen für mich, so werde ich ganz gewiss in Finsternis und hoffnungslose Verlegenheit hineingeraten und zu einem verkehrten Schluss kommen. Wenn ich aber einfach auf Ihn blicke und untersuche, wie die Sache zu seiner Verherrlichung ausschlagen kann, so werde ich nicht nur völlig klarsehen, sondern auch mit glücklichem Herzen und mit fester Entschiedenheit den gesegneten Pfad gehen, welcher von den Strahlen des Vaterantlitzes Gottes erleuchtet wird. Ein einfältiges Auge blickt nie auf die Folgen, sondern unmittelbar auf Christus, und dann ist alles klar und einfach; der ganze Leib ist voll von Licht, und der Pfad wird durch eine unerschütterliche Entschiedenheit gekennzeichnet.

Das ist es, was uns in diesen Tagen weltlicher Religiosität, selbstsüchtiger Bestrebungen und des Jagens nach dem Beifall des Menschen so sehr Not tut. Wir bedürfen es, Christus zu unserem alleinigen Standpunkt zu machen, von Ihm aus das eigene Ich, die Welt und die so genannte Kirche zu betrachten, Ihn zum Mittelpunkt zu haben, um welchen sich alles dreht, von Ihm aus alles zu beurteilen, ohne im Geringsten an die Folgen zu denken. Stehen und handeln wir in Übereinstimmung mit seinen Gedanken, so können wir die Folgen Ihm ruhig überlassen. O, möchte es so mit uns sein! Möchten wir der unendlichen und unveränderlichen Gnade Gottes erlauben, in unseren Herzen zu wirken und das vor Ihm Wohlgefällige hervorzubringen! Wir werden dann etwas von der Fülle, Schönheit und Kraft des Wortes verstehen, mit welchem wir diesen Artikel eingeleitet haben: „Lass mein Volk ziehen, dass sie mir ein Fest halten in der Wüste!“ (Schluss folgt)

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