Botschafter des Heils in Christo 1879

Die Bündnisse im Alten Testament

Ein Bund ist unter den Menschen eine Übereinkunft zwischen zwei Parteien, von welchen sich eine jede zu gewissen Bedingungen verpflichtet. So wird in Josua 9 ein Bund zwischen Völkern geschlossen, und in 1. Mose 26,26–33, und 31,44–54 zwischen Privatpersonen und Freunden. Solche Bündnisse beruhen immer, mehr oder weniger, auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit. Bei den Bündnissen Gottes mit den Menschen verhält es sich jedoch anders. Gott hält dann seine Souveränität aufrecht. Gewöhnlich ist es eine Verordnung, zu welcher sich Gott, mit oder ohne Bedingung, durch Offenbarung verpflichtet. Solcher Bündnisse gab es mehrere.

Es wird oft die bedingte Stellung Adams im Paradies ein „Bund der Werke“ genannt. Eine einzige Schriftstelle, auf welche auch Paulus in Römer 5,14 anspielt, scheint Zwar diese Bezeichnung zu begründen: „Sie haben den Bund übertreten wie Adam“ (Hos 6,7); jedoch wird in 1. Mose 2 diese Tatsache nicht mit jenem Ausdruck bezeichnet. In 1. Mose 9, also nach der Sintflut, ist zum ersten Male von einem Bund die Rede. Die aus Hosea angeführten Worte bedeuten einfach, dass die Israeliten den Bund, den sie von Gott empfangen, d. h. ausdrückliche Befehle, übertreten und hierin nach der Gleichheit der Übertretung Adams gesündigt hatten. Adam konnte durch die freiwillige Güte Gottes alle Segnungen Edens genießen, jedoch unter der Verpflichtung, dieselben durch seinen Gehorsam zu bewahren, indem er sich hüten sollte, von der Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen. Dies kennzeichnete seine Stellung im Paradies, und darin bestand auch seine Verantwortlichkeit.

Der erste Bund Gottes, den die Schrift erwähnt, ist also derjenige, den Er, in Bezug auf die Schöpfung, nach der Sintflut machte. Ein zweifacher Fluch ruhte ans der Erde. Verflucht in Adam, brachte der Erdboden dem Menschen nur in Folge seiner mühsamen Arbeit eine Frucht hervor; verflucht in Kain, versagte er demselben seine Kraft (1. Mo 4,12). Im ersten Fall wurde der Erdboden um des Menschen Willen verflucht, im zweiten der Mensch von dem Erdboden. So unter ein zweifaches Urteil gestellt, schritt der Mensch, anstatt zu Gott umzukehren, umso mehr in der Gottlosigkeit voran, und Gott tat diesem Übel Einhalt durch Gericht. Es kam die Sintflut, und die damalige Welt ging unter. Noah allem wurde mit den Seinen verschont, und durch ihn fing Gott dann eine neue Welt an. Nachdem er die Arche verlassen hatte, opferte er Brandopfer, und Jehova roch den lieblichen Geruch und vertraute dann dem Noah durch unbedingte Verheißung seinen Bund mit der Schöpfung an, durch welchen Er sich verpflichtete, hinfort nicht mehr alles Lebendige zu schlagen, wie Er es getan hatte, sondern solange die Erde bestände, nicht aufhören zu lassen, Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Eins müssen wir hier bemerken. Durch die Sintflut zeigte Gott, dass Segnungen und Gerichte von da an von seiner Regierung ausgehen sollten. Satan aber bemächtigte sich dieser Anordnung und nahm in dem Geist des Menschen den Platz Gottes ein als Spender der Segnungen und Strafen, so dass jene, durch ihn betrogen, ihm dienten, als sei er Gott und Herr (1. Kor 8,5–6; 10,20). Dies ist der Ursprung des Götzendienstes. Dann erwählte Gott ans der Familie des Götzendieners Terach den Abraham, berief ihn aus seines Vaters Haus, um in das Land zu gehen, das Er ihm zeigen würde, und gab ihm seinen Bund. Dieser Bund wurde dem Abraham wiederholt bestätigt, und zwar jedes Mal mit dem bezeichnenden Charakter der unbedingten Verheißung (Siehe 1. Mo 12; 15;17; 22). Im 12. Kapitel wird der Bund mit Abraham in zwei Hauptteilen dargestellt, deren Unterscheidung sehr wichtig ist. 1. „Ich will dich zu einer großen Nation machen und dich segnen, und deinen Samen großmachen, und du sollst ein Segen sein.“ „Deinem Samen will ich dieses Land geben“ (V 2 und 7). – 2. „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde“ (V 3). Hier haben wir Zweierlei Segnungen: die Eine in Bezug auf den fleischlichen Samen, die Juden, die Andere in Bezug auf den geistlichen Samen, die Gläubigen – Kinder Abrahams durch denselben Glauben, den er hatte (Röm 4,11) – ein Grundsatz, der die Nationen zulässt.

Im 15. Kapitel handelt es sich bloß um die irdischen Segnungen des im 12. Kapitel erwähnten allgemeinen Bundes. Hier begegnen wir zum ersten Mal der Glaubensgerechtigkeit (V 6); in Verbindung damit finden wir den eigentlichen Bund, den Erben samt seinem Samen nach dem Fleisch, welcher Miterbe ist, und das Erbe selbst. In Bezug auf den Bund selbst gefiel es dem Herrn, denselben dem Abraham zuzusichern, indem Er zwischen den Stücken des in zwei Hälften geteilten Opfers hindurchfuhr und sich auf diese Weise zu dem unter den Menschen angenommenen Gebrauch, ihre gegenseitigen Verpflichtungen zu bestätigen, herabließ.

Wie man ans Jeremia 34,18 ersieht, wurde in einem solchen Fall ein Opfer geschlachtet und in zwei Stücke zerhauen; dann gingen die den Vertrag schließenden Parteien zwischen den beiden einander gegenüber gestellten Hälften des Opfers hindurch und erklärten dadurch, bis zum Tod ihre gegenseitigen Verpflichtungen halten zu wollen. Jeremias wirft den Juden vor, dass sie den auf diese Weise mit Jehova geschlossenen Bund, bezüglich der Entlassung ihrer hebräischen Sklaven, nicht gehalten hätten.

Hier aber, da der Bund Gottes durch Verheißung ist, verpflichtet sich Abraham gar nicht; Gott allein macht sich verbindlich. Deshalb geht auch Gott allein zwischen den Stücken hindurch (1. Mo 15,12.17).

Im 17. Kapitel offenbart sich Gott dem Abraham und macht ihm seinen besonderen Namen kund, auf den sich seine Beziehungen zu ihm von nun an gründen sollten, nämlich: „Gott, der Allmächtige“ (vgl. 2. Mo 6,8). Dieser Offenbarung gemäß soll Abraham vor Ihm wandeln und vollkommen sein; er soll durch seinen Wandel, durch sein gläubiges Vertrauen auf Gottes mächtigen Schutz, bezeugen, dass Gott der Allmächtige ist. In einer Zeit, wo sich die Abgötterei auf Erden mehrte, war diese besondere und bestimmte Bezeichnung des Namens Gottes für den Zeugen dieses allein wahren Gottes von großer Wichtigkeit. Die irdischen Segnungen des fleischlichen Samens bilden den besonderen Gegenstand dieses Kapitels, wie dies bei dem fünfzehnten der Fall ist. Indem Gott seinen Bund wiederholt, gibt Er dem Abraham das Zeichen der Beschneidung, – ein Bild der Kreuzigung des Fleisches (Röm 2,29).

Endlich finden wir im 22. Kapitel die beiden Bestandteile, die wir schon im 12. Kapitel bemerkten. „Dein Same soll besitzen das Tor seiner Feinde“ (V 17). „In deinem Samen sollen gesegnet werden alle Nationen der Erde“ (V 18). Jedoch ist es wichtig, zu beachten, dass der Bund, der schon im 12. Kapitel einen bestimmten Ausdruck fand, hier bestätigt wird, nachdem Abraham den Isaak im Gleichnis der Auferstehung wieder empfangen hat. Bei jener Gelegenheit schwur Gott, wie der Heilige Geist uns belehrt, da Er bei keinem Größeren zu schwören hatte, bei sich selbst, um seine Verheißungen, eigentlich nicht dem Abraham, sondern Christus zu bestätigen (Gal 3,17), und zwar – jenem Vorbild gemäß – dem auferstandenen Christus, wie die Schrift es anderswo erklärt (Apg 13,34).

Der Bund, den Gott dem Abraham gab, wurde dem Isaak und Jakob wiederholt, und zwar ersterem unter seinen beiden Charakteren der irdischen Segnungen für den Samen nach dem Fleisch, sowie der Segnungen in Christus für den geistlichen Samen (1. Mo 26,3–4). Dem Jakob wurde er zwei Mal wiederholt; zuerst unter den beiden erwähnten Formen in Bethel (1. Mo 28,13–14), und später nochmals an demselben Orte, nachdem er von Laban zurückgekehrt war; diesmal jedoch nur bezüglich der irdischen Segnungen.

Wir gelangen jetzt zu dem Bund, der am Berg Sinai geschlossen wurde. Dieser beruhte auf Grundsätzen, die ihn von allen anderen Bündnissen unterschieden. Gott und das Volk Israel begegneten sich in demselben auf dem Grund der Gegenseitigkeit. Israel, das seine Schwachheit nicht kannte, verpflichtete sich seinerseits, die vorgeschlagenen Bedingungen zu erfüllen, und erkühnte sich zu sagen: „Alles, was Jehova geredet hat, wollen wir tun“ (2. Mo 19). Aber kaum waren einige Tage vergangen, so war der Bund auch schon gebrochen. Die erste Bedingung, zu welcher sich das Volk verpflichtet hatte, übertrat es, machte sich einen ändern Gott und betete das goldene Kalb an. Sie waren von Ägypten ausgezogen, um in der Wüste Jehova ein Fest zu feiern, und siehe, sie feierten es einem fremden Gott!

Da nun der Bund an Bedingungen geknüpft war, so wurden die Beziehungen zwischen Gott und dem Volk zerstört. Das Volk hatte das Bewusstsein von Gott schnell verloren. Sie hatten gesagt: „Dieser Mose, der Mann, der uns heraufgeführt hat aus dem Land Ägypten, wir wissen nicht, was ihm geschehen ist“, und so hatte Gott auch aufgehört, seinerseits zu sagen: „Mein Volk.“ Er sprach zu Mose: „Gehe, steige hinab, denn dein Volk handelt verderblich“ (2. Mo 32,1.7–8). Moses aber tat Fürbitte für das Volk und erinnerte Gott an die unbedingten Verheißungen, die Er dem Abraham gegeben hatte. Ebenso erinnert der Mittler, bezüglich der Sünde, immer an die Gnade.

Nun führt Gott einen anderen, auf seine Souveränität gegründeten Bund ein, vermöge dessen Er begnadigt, wen Er will (2. Mo 34,8–11). Da aber derselbe auf freier Gnade beruht, so verhandelt Er nicht mehr mit dem Volk. Er wendet sich zu dem Mittler (Kap 33,13–19) Das Volk befindet sich jetzt in einer besonderen Stellung. Ans Gnade war es aus Ägypten heraufgeführt und bis Juni Berge Sinai gebracht worden. Auf dem Weg dahin fielen sie (ohne dass sie dafür gezüchtigt wurden) in dieselben Sünden, die ihnen nachher so schmerzliche Züchtigungen einbrachten, weil sie von Sinai an unter dem Gesetz standen. Durch den Bund der Vermittlung, welcher nach dem Fall am Sinai dem Mose gegeben wurde, befand sich Israel wieder unter Gnade. Durch diese konnte das Volk vor Gott bestehen; jedoch war es nicht eine völlige Gnade, wie vor dem Gesetz, indem der Bund am Sinai durch dieselbe nicht beseitigt wurde. Das Gesetz blieb in den Wegen der Regierung Gottes mit seinem Volk bestehen. Übrigens wollte Gott durch das Gesetz einen Zweck erreichen, der darin bestand, die völlige Verderbtheit des Menschen ans Licht zu stellen. Um dieses Zweckes willen, dessen Erreichung schon die Ereignisse des ersten Tages sicherten, konnte Gott das Gesetz in den Händen des Volkes lassen, da seine Gnade wieder unumschränkt herrschte zur Aufrechthaltung des Bandes zwischen Ihm und seinem Volk. Ferner wurde noch ein Bund zwischen Gott und Israel errichtet und zwar im Land Moab, vor dem Übergang über den Jordan. Derselbe war ebenfalls an Bedingungen geknüpft, und hatte nicht Segnungen zum Gegenstand, die sie zu erlangen, sondern durch Gehorsam zu bewahren hatten. Durch Gnade wollte Gott sein Volk in das Land der Verheißung einführen, – durch Treue sollte es dasselbe in Frieden bewohnen. Dieser Fall hat einige Ähnlichkeit mit der Stellung Adams in Eden.

Wir haben aber bisher, in Bezug auf Israel, drei Bündnisse betrachtet, die wir in folgender Weise zusammenfassen können:

Der Bund am Sinai – ein Bund mit Bedingungen, nach welchem die Segnungen dem Gehorsam gewährt werden.

Der Bund der Vermittlung nach dem Fall am Sinai, gegründet auf die freie Souveränität Gottes in Gnade.

Der Bund in Moab, wo die Fortdauer der aus Gnade geschenkten Segnungen von der Treue des Volkes abhängig ist.

Wir lesen deshalb in Römer 9: „Die Bündnisse.“ Mit den Nationen hat Gott niemals einen Bund gemacht, nur mit seinem Volk. Wenn die Nationen an den Segnungen des neuen Bundes Teil haben, so ist es nur mittelbar, als der wilde Ölbaum, der in den guten eingepfropft worden ist. Jedoch heißt es Sacharja 11,10, dass Gott den Bund, den Er mit allen Völkern gemacht, gebrochen habe, d. h. den Bund, der durch die Ankunft des Schilo, welchem sich die Völker anschließen sollten (1. Mo 49,10), errichtet worden wäre. Derselbe war jedoch dadurch unmöglich gemacht, dass Juden und Nationen den verwarfen, der sie vereinigen sollte (Apg 4,27).

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