Botschafter des Heils in Christo 1879

Die Allgenugsamkeit Christi - Teil 3/3

4. Nachdem wir in den vorigen Abschnitten die großen Grundwahrheiten, welche mit dem Werk Christi in Verbindung stehen sein Versöhnungswerk und seine Sachwalterschaft betrachtet haben, lasst uns jetzt, unter der gnädigen Leitung des Heiligen Geistes, untersuchen, was die Schriften uns über den zweiten Teil unserer Betrachtung, über Christus, als den einzigen Gegenstand für das Herz, lehren.

Es ist eine herrliche, gesegnete Sache, sagen zu können: „Ich habe einen Gegenstand gefunden, der mein Herz vollkommen befriedigt ich habe Jesus gefunden.“ Das ist es, was in Wahrheit über die Welt erhebt. Es macht uns völlig unabhängig von den Hilfsquellen, zu welchen ein unbekehrtes Herz immer seine Zuflucht nimmt. Es verleiht einen sicheren Frieden. Es teilt dem Geist eine Sanftmut und eine Ruhe mit, welche die Welt nicht verstehen kann. Der arme Weltmensch hält in der Tat das Leben eines wahren Christen für eine törichte, unbegreifliche Sache. Er wundert sich darüber, wie es jemand aushalten kann ohne das, was er Unterhaltung, Erholung und Vergnügen nennt, ohne Theater, ohne Bälle und Konzerte, ohne gesellige Vereinigungen, Klubs usw. In der Tat, wollte man die unbekehrten Menschen aller dieser Dinge berauben, so würde ihnen das Leben höchst öde und langweilig sein, ja, manche würden zur Verzweiflung getrieben werden. Aber der Christ bedarf solcher Dinge nicht, er will sie nicht. Sie würden eine Last für ihn sein und ihn ermüden. Ich spreche natürlich von einem wahren Christen, von einem, der nicht nur dem Namen nach, sondern in Wirklichkeit ein Christ ist. Ach! Ach! Viele Tausende bekennen, Christen zu sein und legen selbst hohen Wert auf ihr Bekenntnis, und doch nehmen sie Teil an all dem eitlen und nichtigen Treiben der Menschen dieser Welt. Am Sonntag kann man sie in der Kirche erblicken, um Teil zu nehmen an dem Abendmahl des Herrn und am Montag zum Theater oder zu Konzerten eilen sehen. Heute beeifern sie sich, an dem einen oder anderen christlichen Werke sich zu beteiligen, während sie morgen vielleicht in einem Ballsaal oder an einem anderen Vergnügungsorte anzutreffen sind.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass solche Personen nichts wissen von Christus als einem Gegenstand für das Herz. Ein Mensch, in dessen Herzen göttliches Leben ist, kann kein Gefallen an dem bösen Treiben einer gottlosen Welt finden. Der wahre und ernste Christ wendet sich unwillkürlich von solchen Dingen ab. Er tut dies nicht nur, weil sie positiv schlecht und böse sind, sondern weil er keinen Geschmack daran findet, weil er etwas unendlich Höheres gefunden hat, etwas, das alle die Wünsche der neuen Natur vollkommen befriedigt. Der Christ ist ein himmlischer Mensch und der göttlichen Natur teilhaftig. Er ist der Welt und der Sünde gestorben und lebt Gott. Er steht mit der Welt in gar keiner Verbindung. Er gehört dem Himmel an. Er ist ebenso wenig von der Welt, wie Christus, sein Herr. Könnte Christus Teil nehmen an den Vergnügungen, Lustbarkeiten und Narrheiten der Welt? Der bloße Gedanke wäre eine Lästerung. Sollte nun der Christ dort gefunden werden, wo sein Herr nicht sein kann? Kann er an Dingen Gefallen finden, oder sogar Teil nehmen, von denen er weiß, dass sie Christus zuwider sind? Kann er gehen und Gemeinschaft machen mit einer Welt, welche den Einen hasst, dem er alles verdankt?

Vielleicht möchte es einigen meiner Leser scheinen, dass ich mich auf einen zu erhabenen Boden stelle. Doch ich frage sie: Auf welchen Boden sollen wir uns stellen? Wenn wir Christen sind, doch sicher auf einen christlichen Boden. Wo aber lernen wir, was dieser Boden in Wirklichkeit ist? Unstreitig in den Schriften des Neuen Testaments. Und was lernen wir dort? Geben sie dem Christen irgendein Recht, sich in der einen oder anderen Form mit den Vergnügungen und dem sonstigen eitlen Treiben des gegenwärtigen bösen Zeitlaufs zu vermengen? Lasst uns lauschen auf die ernsten Worte unseres Herrn in Johannes 17. Lasst uns von seinen Lippen die Wahrheit in Betreff unseres Teils, unserer Stellung und unseres Pfades in dieser Welt vernehmen. Er wendet sich an den Vater mit den Worten: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, gleich wie ich nicht von der Welt bin. Ich bitte nicht, dass du sie von der Welt wegnimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen. Sie sind nicht von der Welt, gleich wie ich nicht von der Welt bin. Heilige sie durch die Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit. Gleichwie du mich in die Welt gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt“ (V 14–18).

Zweimal erklärt unser Herr in dieser kurzen Stelle, dass wir nicht von der Welt sind, gleich wie Er es nicht ist. Was hat unser hochgelobter Herr mit der Welt zu tun? Nichts. Die Welt hat Ihn völlig verworfen und ausgestoßen. Sie nagelte Ihn an das Kreuz, zwischen zwei Missetätern. Auf ihr lastet das Gewicht von diesem allen noch ebenso völlig und unvermindert, als wenn die Kreuzigung erst gestern im Mittelpunkt ihrer Zivilisation und unter allgemeiner Zustimmung stattgefunden hätte. Zwischen Christus und der Welt gibt es kein einziges moralisches Band. Ja, die Welt ist mit seinem Mord besteckt und wird sich vor Gott wegen dieses Verbrechens zu verantworten haben.

Wie ernst ist dieses! Welch eine feierliche Betrachtung für den Christen! Wir gehen durch eine Welt, die unseren Herrn und Meister gekreuzigt hat, und Er erklärt, dass wir nicht von dieser Welt sind, gleich wie Er es nicht ist. Hieraus folgt, dass wir in demselben Maße untreu sind gegen Christus, wie wir Gemeinschaft mit dieser Welt machen.

Vielleicht mag gefragt werden: „Was sollen wir denn tun? Sollen wir aus der Welt gehen?“ Keineswegs. Unser Herr sagt ausdrücklich: „Ich bitte nicht, dass du sie von der Welt wegnimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen.“ Der Christ in der Welt ist, um ein Bild zu gebrauchen, gleich einem Taucher. Er befindet sich inmitten eines Elementes, das ihn vernichten würde, wenn er nicht vor der Gewalt desselben geschützt und durch eine ununterbrochene Gemeinschaft mit den Dingen droben verbunden wäre.

Und was soll der Christ tun in der Welt? Wozu ist er gesandt? Wir finden auf diese Fragen eine Antwort in den Worten: „Gleichwie du mich in die Welt gesandt Haft, habe auch ich sie in die Welt gesandt“, und weiterhin: „Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich auch euch“ (Joh 20,21). Das ist die Mission des Christen. Er ist nicht berufen, sich in den Mauern eines Mönchs– oder Nonnenklosters einzuschließen. Das Christentum besteht nicht darin, dass man Brüder– und Schwesternschaften bildet. Wir sind berufen, uns in den verschiedenen Verhältnissen des Lebens auf und nieder zu bewegen und in dem uns von Gott angewiesenen Wirkungskreis zu seiner Verherrlichung tätig zu sein. Es handelt sich nicht darum, was wir tun, sondern wie wir es tun. Alles hängt von dem Gegenstand ab, der unsere Herzen beherrscht. Wenn Christus dieser Gegenstand ist und Er allein das Herz leitet und ausfüllt, so wird alles in Ordnung sein. Ist Er es aber nicht, so ist alles in Unordnung. Zwei Personen setzen sich vielleicht an demselben Tische nieder, um zu essen; der Eine isst nur, um seinen Hunger zu stillen, der Andere aber isst zur Ehre Gottes (1. Kor 10,31) – er isst, um seinen Leib, als das Gefäß Gottes, den Tempel des Heiligen Geistes und das Werkzeug für den Dienst Christi, in dem für diese Arbeit erforderlichen Zustand zu erhalten.

So ist es in allem. Es ist unser gesegnetes Vorrecht, den Herrn allezeit vor uns zu stellen. Er ist unser Muster. Wie Er in diese Welt gesandt war, so sind auch wir es. Zu welchem Zweck kam Er hernieder? Er kam, um den Willen Gottes zu tun und seinen Namen zu verherrlichen. Dies macht alles einfach. Christus ist die Richtschnur und der Prüfstein für alles. Es ist nicht mehr eine bloße Frage zwischen Recht und Unrecht, den menschlichen Regeln gemäß; es handelt sich darum, was Christi würdig ist. Würde Er dieses oder jenes tun? Würde Er hierhin oder dorthin gehen? Das sollte immer die aufrichtige Frage eines jeden Christen sein. „Er hat uns ein Beispiel gelassen, auf dass wir seinen Fußstapfen nachfolgen sollen“ (1. Pet 2,21); und wir sollten ganz gewiss nicht dort gefunden werden, wo seine gesegneten Fußstapfen nicht zu entdecken sind. Wenn wir hierhin und dorthin wandeln, um uns Freude und Vergnügen zu machen, so treten wir nicht in seine Fußstapfen, und wir können nicht erwarten, seine gesegnete Gegenwart zu genießen.

Hierin liegt das wirkliche Geheimnis der ganzen Sache, mein gläubiger Leser. Die große Frage ist: Ist Christus mein einziger Gegenstand? Wofür lebe ich? Kann ich sagen: „Das Leben ist für mich Christus?“ Nichts Geringeres als dieses ist eines Christen würdig. Es ist eine höchst traurige Sache, wenn man damit zufrieden ist, errettet zu sein, und dann mit der Welt vorangeht und nur zu seinem Vergnügen und zur Befriedigung seiner Wünsche lebt – wenn man die Errettung als die Frucht der Arbeit und des Leidens Christi annimmt und dann in einer gewissen Entfernung von Ihm seine Tage verbringt. Was würden wir von einem Sohn denken, der nur die guten Dinge, welche die Hand seines Vaters ihm bereitet, annähme, aber niemals seine Gesellschaft suchte – ja, diejenige von Fremden der seinigen vorzöge? Unsere gerechte Verachtung würde ihn treffen. Doch um wie viel verachtenswert er ist der Christ, welcher alles, Errettung, Vergebung und ewiges Leben, dem Werk Christi verdankt und dennoch sich damit begnügt, in einer kühlen Entfernung von seiner gesegneten Person zu bleiben, indem ihm weder die Förderung seines Werkes, noch die Verherrlichung seines Namens am Herzen liegt. Und ach, wie viele Christen, wahre Christen gibt es in unseren Tagen, deren Zustand ein solch trauriger ist. Sie sind in einer Hinsicht von der Welt getrennt, aber diese Trennung ist eher negativer als positiver Natur. Sie trennen sich mehr, weil sie die völlige Verderbtheit der Welt und ihre Unfähigkeit erkennen, ihre Herzen zu befriedigen, als deshalb, weil sie ihren alleinigen Gegenstand in Christus gefunden haben. Sie haben vielleicht ihren Geschmack für die Dinge der Welt verloren, aber sie haben nicht ihren Platz und ihr Teil in dem Sohn Gottes gefunden, dort, wo Er jetzt ist, zur rechten Hand Gottes. Weder können die Dinge dieser Welt ihre Herzen befriedigen, noch können sie sich der ihnen gehörenden himmlischen Stellung und Hoffnung und ihres himmlischen Gegenstandes erfreuen; ihr Zustand ist ein durchaus unbestimmter und schwankender. Sie entbehren sowohl einer völligen Gewissheit, als auch der Ruhe und Festigkeit; sie sind unglücklich und zerrissen in ihrem Innern. Steht es so mit dir, lieber Leser? Möchte es nicht der Fall sein! Möchtest du zu der Zahl derer gehören, welche sagen können, dass sie die Dinge kennen, die ihnen Gott aus freier Gabe geschenkt hat – welche wissen, dass sie vom Tod zum Leben hinübergegangen sind, dass sie ewiges Leben haben – welche sich des kostbaren Zeugnisses des Geistes erfreuen und ihre Vereinigung mit einem auferstandenen und verherrlichten Haupt in den Himmeln, mit dem sie durch den in ihnen wohnenden Heiligen Geist verbunden sind, verwirklichen – welche ihren einzigen Gegenstand in der Person jenes gesegneten Menschen gefunden haben, dessen Werk die göttliche und ewige Grundlage ihrer Errettung und ihres Friedens ist, und die ernstlich nach jenem herrlichen Augenblick begehren, wenn Jesus kommen wird, um sie zu sich zu nehmen, damit sie da sind, wo Er ist, um nie mehr diesen Platz zu verlassen!

Das ist Christentum. Nichts anderes verdient diesen Namen. Es steht im schreiendsten Widerspruch mit der falschen Religiosität der Jetztzeit, welche weder ein reiner Judaismus auf der einen Seite, noch ein reines Christentum auf der Anderen ist, sondern eine schlechte, aus beiden Elementen zusammengesetzte Mischung zeigt, die der unbekehrte Mensch annehmen und der er nachkommen kann, weil sie die Lüste des Fleisches zulässt und ihm erlaubt, alle die Vergnügungen und Torheiten der Welt mitzumachen. Dem Erzfeind Christi und der Seelen ist es geglückt, ein trauriges Religionssystem aufzurichten, das, halb jüdisch, halb christlich, in der kunstvollsten Weise die Welt und das Fleisch mit einander vereinigt, indem es zugleich einen gewissen Teil der Heiligen Schrift so gebraucht, dass ihre moralische Kraft zerstört und ihre richtige Anwendung verhindert wird. In die Netze dieses Systems sind unzählige Seelen hoffnungslos verwickelt. Die Unbekehrten werden zu dem Gedanken verleitet, dass sie wirklich ganz gute Christen und auf dem richtigen Wege zum Himmel sind, während die Kinder Gottes ihres Platzes und ihrer Vorrechte beraubt und durch den finsteren und niederdrückenden Einfluss der religiösen Atmosphäre, die sie umgibt und fast erstickt, zu Boden geschlagen werden. Es ist unmöglich, die traurigen Folgen dieser Vermischung des Volkes Gottes mit der Welt in einem gemeinschaftlichen Religionssystem richtig auszumalen. Die Wirkung dieser Vermengung auf die erstem ist, ihre Augen zu blenden, so dass sie die wahren, moralischen Herrlichkeiten des Christentums, wie sie in den Schriften des Neuen Testaments uns dargestellt werden, nicht zu erkennen vermögen; und diese Verblendung ist so groß, dass, wenn jemand diese Herrlichkeiten vor ihren Augen zu entfalten sucht, er als ein Schwärmer oder ein gefährlicher Sektierer betrachtet wird. Bei den letzteren, den Unbekehrten, jedoch bewirkt sie eine völlige Selbsttäuschung in Bezug auf ihren Zustand, ihren Charakter und ihr Schicksal. Beide Klassen wiederholen dieselben Formeln, unterschreiben dieselben Glaubensbekenntnisse, sagen dieselben Gebete her, sind Glieder ein und derselben Gemeinschaft, nehmen Teil an denselben Sakramenten, kurz, sie sind in kirchlicher und religiöser Beziehung eins.

Vielleicht wird man nun auf alles dieses erwidern, dass unser Herr in seiner Rede in Matthäus 13 ausdrücklich lehre, man solle den Weizen und das Unkraut zusammenwachsen lassen. Ganz recht; aber ich frage: Wo sollen sie wachsen? In der Kirche? Nein, sondern „auf dem Acker.“ Der Herr selbst aber sagt uns, dass „der Acker die Welt sei.“ Vermengt man diese Dinge mit einander, so verfälscht man die ganze christliche Stellung und räumt alle göttliche Disziplin in der Versammlung hinweg. Man bringt dadurch die Belehrung unseres Herrn in Matthäus 13 in Widerspruch mit derjenigen des Heiligen Geistes in 1. Korinther 5.

Doch ich will diesen Gegenstand hier nicht weiterverfolgen; er ist viel zu wichtig und zu ausgedehnt, um in dem vorliegenden Artikel genügend behandelt werden zu können. Gehen wir vielmehr über zu dem letzten Abschnitt unserer Betrachtung, zu dem Wort Gottes als dem allein wahren und allgenügsamen Führer auf unserem Pfad.

Wenn das Werk Christi für das Gewissen und seine gesegnete Person für das Herz genügt, so genügt auch sicher sein Wort für unseren Pfad. Wir dürfen völlig überzeugt sein, dass wir in der Heiligen Schrift einen Schatz besitzen, der jederzeit für alle unsere Bedürfnisse genügt. Sie begegnet nicht allein den Erfordernissen unseres persönlichen Pfades, sondern sie entspricht auch den mannigfaltigen Bedürfnissen der Kirche Gottes, selbst in den unbedeutendsten Einzelheiten ihrer Geschichte in dieser Welt. Ich weiß sehr wohl, dass ich mich durch diese Behauptung vielem Spott und Widerspruch von verschiedenen Seiten aussetzen werde. Einerseits werden mir die Anhänger der Tradition entgegentreten und andererseits die Streiter für die Unabhängigkeit des menschlichen Verstandes und Willens. Für mich jedoch sind die Traditionen von Menschen, seien es nun Väter, Brüder oder Doktoren, wenn sie als eine Autorität hingestellt werden, dem seinen Staube auf der Waage gleich; und was den menschlichen Verstand anbetrifft, so kann ich ihn nur vergleichen mit einer Fledermaus im Sonnenschein, die, geblendet durch den hellen Glanz des Lichtes, blindlings gegen jeden Gegenstand anfliegt, der ihr in den Weg tritt.

Es ist die höchste Freude für das Herz des Christen, sich von den widerstreitenden Traditionen und Lehrsätzen der Menschen in das klare, ungetrübte Licht der Heiligen Schrift zurückzuziehen, oder, wenn er durch die schamlosen Vernünfteleien des Ungläubigen, des Rationalisten oder des Zweifelsüchtigen angegriffen wird, sein ganzes moralisches Sein vor der Autorität und der Kraft der Heiligen Schrift niederzubeugen. Er erkennt dankbar in dem Wort Gottes das einzig vollkommene Muster für alles an, sei es nun Lehre, sei es Ermahnung oder Unterweisung. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk völlig geschickt“ (2. Tim 3,16–17).

Was haben wir mehr nötig? Nichts. Wenn die Schrift ein Kind „weise zur Errettung“ und einen Menschen „vollkommen und zu allem guten Werk geschickt“ machen kann, wozu bedürfen wir dann noch menschlicher Traditionen oder menschlicher Vernünfteleien? Hat Gott ein Buch für uns geschrieben, so hat Er sich gnädig herabgelassen, uns eine Offenbarung seiner Gedanken in Bezug auf alles das zu geben, was wir wissen, denken, fühlen und glauben sollen. Sollen wir uns nun zu einem armen, sterblichen Geschöpf wenden, um Hilfe von ihm zu erlangen? Fern sei uns ein solcher Gedanke! Wir könnten uns ebenso gut mit der Bitte an unseren Nächsten wenden, dem vollbrachten Werke Christi noch etwas hinzuzufügen, um es für unser Gewissen genügend zu machen, oder wir könnten ihn ersuchen, etwas in der Person Christi Fehlendes zu ergänzen, um Ihn auf diese Weise zu einem genügenden Gegenstand für das Herz zu machen; ja, wie könnten alles dieses ebenso gut tun, als uns zu menschlichen Traditionen und zu dem menschlichen Verstand wenden, um durch sie eine Lücke in der göttlichen Offenbarung auszufüllen.

Gott sei Lob und Dank, dass wir es nicht nötig haben! Er hat uns in seinem eignen geliebten Sohn alles gegeben, was wir für das Gewissen, das Herz und den Pfad bedürfen – alles, was wir für die Zeit mit ihren wechselnden Szenen und für die Ewigkeit mit ihren endlosen Zeitaltern nötig haben. Wir können sagen: „Du, o Christus, bist alles, was wir bedürfen; mehr als alles finden wir in dir.“ Es gibt und kann keinen Mangel geben in dein Christus Gottes. Sein Versöhnungswerk und seine Sachwalterschaft müssen allen Ansprüchen eines noch so tief erregten Gewissens genügen. Die moralischen Herrlichkeiten, die mächtige Anziehungskraft seiner Person müssen die sehnlichsten Wünsche und Verlangen des Herzens befriedigen. Und seine unvergleichliche Offenbarung – jenes unschätzbare Buch enthält in seinen Blättern alles, was wir jemals, von dem Ausgangspunkt bis zu dem Ziel unserer christlichen Laufbahn, bedürfen können.

Sind diese Dinge nicht so, mein gläubiger Leser? Stimmst du ihnen nicht aus dem Innersten deines Herzens bei? Wenn es so ist, so möchte ich dich fragen: Ruhst du auf dem Werk Christi? Hast du deine Wonne an seiner Person? Unterwirfst du dich in allen Dingen der Autorität seines Wortes? Gott wolle geben, dass es sich so mit dir und mit allen, die seinen Namen nennen, verhalte! Möchte „der Allgenügsamkeit Christi“ ein völligeres, klareres und entschiedeneres Zeugnis gegeben werden, bis „jener Tag“ erscheint, da „wir Ihn sehen werden, wie Er ist!“

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel