Botschafter des Heils in Christo 1867

Der sterbende Räuber - Teil 2/2

Indes ist es höchst bewundernswürdig, die Art und Weise zu sehen, in welcher dieser sterbende – Räuber durch göttliche Unterweisung weitergeführt wird. Er eilt, indem er große – Fundamentalwahrheiten der Offenbarung ergreift, mit staunenswerter Schnelligkeit von Stufe zu Stufe fort. Er nimmt als ein mit Recht verurteilter Sünder seinen wahren Platz ein. „Wir empfangen, was unsere Taten wert sind“, sagt er. Anstatt mit seinem Gefährten spöttisch zu sagen: „Wenn du der Christus bist, so rette dich selbst und uns“, erkennt er unter dem Einfluss der Furcht Gottes an, dass er mit Recht verurteilt ist, legt Zeugnis gegen den anderen Missetäter ab und tadelt dessen Lästerungen, in welche er selbst noch vor kurzem mit eingestimmt hat. Dann wendet er sich zu Jesu, indem er seine fleckenlose Menschheit – diese große Fundamentalwahrheit des Christentums – durch die Worte bezeugt: „Dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan.“ Hier bildet er einen entschiedenen Gegensatz zu den Hohepriestern, den Ältesten, den Schriftgelehrten, sowie dem Volk Israel und der Welt im Allgemeinen. Alle waren übereingekommen. Ihn als einen Übeltäter zu überliefern; aber dieser sterbende Räuber bezeugte von Ihm, dass Er nichts Ungeziemendes getan habe; und obgleich man einwenden könnte, sein Zeugnis erstrecke sich nur bis zu der Erklärung, dass Jesus um keines. Verbrechens willen zum Tod verurteilt sei, so hebt dieses doch die große Tatsache nicht auf, dass der Dieb in Betreff Jesu die Welt Lügen straft. Die Welt hatte Ihn verurteilt und ausgestoßen; sie hatte Ihn ans Kreuz genagelt und mithin die schändlichste Todesart über Ihn verhängt; aber inmitten der dunklen Schatten dieses hässlichen Kreuzes drang über die Lippen eines überführten und bußfertigen Missetäters das klare und rückhaltlose Zeugnis: „Dieser hat nichts Ungeziemendes getan.“

Welch ein kostbares und herrliches Zeugnis! Wie wird – es das Herz des sterbenden Heilands erquickt haben, inmitten all der Vorwürfe und der Lästerungen, inmitten der Empörung und es Hasses der Menschen und der Teufel ein solches Zeugnis von den Lippen dieses armen Diebes zu hören! Alle seine Jünger hatten Ihn verlassen. Sie flohen von Ihm in der finsteren, bösen Stunde. Wie sehr gleicht dieses dem Menschen! Die ganze Welt– die Juden, die Heiden, die weltlichen und geistlichen Mächte – die Kriegsheere der Zölle – alle standen in Schlachtordnung wider den Sohn Gottes; aber inmitten dieser unbeschreiblichen und undenkbaren Schreckensszene brach sich eine einsame Stimme in klaren, offenen Tönen Bahn und legte das Zeugnis ab: „Dieser hat nichts Ungeziemendes getan.“

Es ist mitunter gesagt worden, dass dieser sterbende Räuber keine Gelegenheit gehabt habe, gute Werke tun zu können. Wenn darunter verstanden wird, dass er keine Liebeshandlungen ausübte, keine Almosen gab, keine Früchte tätigen Wohlwollens hervorbrachte, so ist diese Bemerkung an ihrem Platz; und wenn solche Dinge zur Errettung durchaus notwendig waren, dann war sicher der Räuber unrettbar verloren. Seine Hände waren an das Kreuz genagelt und konnten mithin nicht zu Handlungen der Liebe in Tätigkeit gesetzt werden. Seine Füße befanden sich in derselben Lage und konnten daher den Pfad des dienenden Wohltuns nicht betreten. Dieses alles ist klar genug. Solange er sich seiner Hände hatte bedienen können, hatte er sie zu bösen Taten gebraucht, und solange er seine Füße hatte bewegen können, waren sie auf der Landstraße der Sünde vorwärtsgeschritten. Jetzt, wo die einen wie die anderen ans Kreuz genagelt waren, war es mit seinen Taten und Gängen zu Ende. Er hatte seine Hände und seine Füße für den Teufel gebraucht; aber es bot sich ihm jetzt keine Gelegenheit mehr dar, sie für Gott zu gebrauchen. War daher die Errettung in irgendeiner Weise an Werke geknüpft, so befand sich der arme Räuber sicher in einem hoffnungslosen Zustand.

Überdies wusste der Räuber nichts von dem Vorrecht christlicher Anordnungen. Insoweit uns die göttliche Erzählung darüber Aufschluss gibt, war er weder getauft, noch hatte er am Abendmahl Teil genommen. Auch das ist wichtig. Wir schätzen diese beiden kostbaren Einsetzungen an ihrem wahren Platze sehr hoch. Sowohl sie, wie auch die guten Werke haben in unseren Augen einen hohen Wert. Gott hat einen Pfad guter Werke bereitet, auf welchem sein Volk beständig wandeln soll; und wenn daher jemand ein Christ zu sein bekennt und nicht auf dem göttlich bezeichneten und bereiteten Pfade guter Werke wandelt, so ist sicher sein Bekenntnis hohl und wertlos. Ein bloßes Lippenbekenntnis aber ist nutzlos vor Gott und Menschen; denn wo göttliches Leben in der Seele ist, da wird sich dieses Leben auch in Früchten der Gerechtigkeit erweisen, welche sind durch Jesus Christus, zur Herrlichkeit und zum Preis Gottes.

Ebenso belehrt uns die heilige Schrift hinsichtlich der christlichen Anordnungen über deren wahren Platz, über ihre Natur, ihren Charakter und ihren Zweck. Sie belehrt uns, dass die Taufe, diese einweihende Anordnung des Christentums, in der nachdrücklichsten und bestimmtesten Weise unseren Tod darstellt gegenüber der Sünde und allem, worin wir von Natur oder als Kinder des ersten Adams uns befanden. Sie belehrt uns, dass die Anordnung des Abendmahls den Tod des Herrn, das Brechen seines Leibes und das Vergießen seines Blutes darstellt. Wer könnte eine Zeile niederschreiben, um Anordnungen dieser Art anzutasten oder ihren Wert verringern zu wollen? Gewiss niemand wird sich dessen schuldig machen, wer irgendwie Christus liebt und sich unter die unumschränkte Autorität seines Wortes beugt. Es wird daher wohl keiner unserer Leser der Vermutung Raum geben, als ob wir den Wert der guten Werke und der Anordnungen unterschätzen, wenn wir behaupten, dass der Räuber am Kreuz weder die einen aufzuweisen, noch an den anderen Teil genommen hatte. Aber welch eine Kraft liegt in dieser Tatsache! Es ist von großer Bedeutung, dass die Seele eines versöhnten Menschen sich bei dem Herrn in dem glänzenden Paradies droben befindet, welcher weder getauft ist noch an des Herrn Abendmahl Teil genommen, noch irgendein gutes Werk aufzuweisen hat. Man könnte sagen, dass dieses, wenn er am Leben geblieben, anders geworden wäre. Wir zweifeln nicht daran; aber jetzt konnte er sich nicht auf diese Dinge berufen; und das sollten sich alle merken, welche ihr Vertrauen setzen auf Anordnungen und gute Werke. Es wird immer wahr bleiben: „Er errettete uns, nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit“ (Tit 3,5). Die Taufe hat ihren Platz und ihren Wert; aber wenn jemand zu uns sagen würde: „Wenn ihr nicht getauft seid, so könnt ihr auch nicht gerettet sein;“ so würden wir ihn auf den Räuber am Kreuz hinweisen und sagen: „Dort ist jemand ins Paradies gegangen, ohne durch das Wasser der Taufe gegangen zu sein.“ Und ebenso verhält es sich mit des Herrn Abendmahl, wie auch mit den guten Werken. Der Räuber wurde gerettet ohne dieses alles. Er wurde gerettet durch Gnade, durch Blut, durch Glauben. Dieses kann den Seelen nicht tief genug in unseren Tagen eingeprägt werden, wo die Religiosität sich so tätig zeigt, und wo man ein so großes Vertrauen in die kirchlichen Anordnungen setzt. Die Geschichte des sterbenden Räubers ist von der höchsten Wichtigkeit. Sie bildet gleichsam einen mächtigen Damm, um die Flut der gesetzlichen Religiosität zu hemmen, welche Millionen durch ihre Strömung mit fortreißt, um sie hinab zu stürzen in den See, der mit Feuer und Schwefel brennt. Der Räuber wurde gerettet ohne kirchliche Anordnungen und wir schließen daraus, dass sie zur Rettung nicht notwendig sind; sie haben ihren Wert auf der Erde; aber sie bringen niemanden in den Himmel.

Doch gehen wir noch etwas näher ein in die Geschichte des sterbenden Räubers! Verrichtete er trotz all diesem nicht dennoch gute Werke? Ja, in der Tat. Er verrichtete eines der größten Werke, die je ein geretteter Sünder verrichten kann. Und welches gute Werk? Er legte Zeugnis für die Wahrheit ab. Freilich waren seine Hände und seine Füße ans Kreuz genagelt und darum machtlos; aber sein Auge, sein Herz und seine Zunge waren frei. Sein Auge war frei, um auf den Sohn Gottes schauen, sein Herz war frei, um an dessen gesegnete Person glauben, und seine Zunge war frei, um seinen Namen in einer feindseligen Welt bekennen zu können. Der Glaube an den Sohn Gottes und das Bekenntnis seines Namens macht die Summe des Christentums aus. Als der Herr Jesus in den Tagen seines Fleisches durch etliche gefragt wurde: „Was sollen wir tun, auf dass wir die Werke Gottes wirken?“ so gab Er zur Antwort: „Dies ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den Er gesandt hat“ (Joh 6,28–29). Und der Apostel erklärt, „dass, wenn du mit deinem Mund den Herrn Jesus bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, dass Gott Ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirft. Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, und mit dem Mund wird bekannt zum Heil“ (Röm 10,9–10).

Dieses alles tat der sterbende Räuber; und hätte er vom Kreuz herabsteigen dürfen und das Alter Methusalahs erreichen können, so würde er nichts, was vor Gott herrlicher und kostbarer gewesen wäre, zu vollbringen vermocht haben, als das, was er während der kurzen Dauer seines christlichen Lebens vollbracht hatte – eines Lebens, welches am Kreuz begonnen, fortgesetzt und, was diese Welt betrifft, beendet, aber in jener glorreichen Welt wieder zurück genommen wurde, wo der Tod nimmer eintreten kann. Er hatte für die Wahrheit Zeugnis abgelegt. Dieses ist der große Zweck des christlichen Lebens. Es mag jemand getauft worden sein und zu hundert Malen das Brot und den Wein des heiligen Abendmahls empfangen– haben; es mag jemand Tausende für so genannte Liebeszwecke ausgeben, er mag in Betreff der Moralität und Religiosität sich unter seines Gleichen des höchsten Rufes erfreuen, und der eifrigste Beförderer und Ausführer menschenfreundlicher Pläne sein; es mag jemand alles dieses sein und haben und sich dennoch, indem er nimmer den Herrn Jesus mit dem Mund bekannt und nimmer von Herzen geglaubt hat, dass Gott Ihn von den Toten auferweckte, auf dem Weg der Verdammnis befinden. Es ist dieses beachtenswert besonders in unseren Tagen, in denen man so vielen Lärm macht über kirchliche Anordnungen, Gebräuche, Zeremonien, wo man einen so großen Wert legt auf die Formen und Ämter der Religion und so viel Vertrauen auf menschliche Autorität setzt. Wo – möchten wir fragen – finden wir in all diesem das edle Bekenntnis des sterbenden Räubers? Er bekannte „Jesus den Herrn“. Das ist es, worauf das Auge Gottes gerichtet ist. Das ist es, was für Ihn einen Wert hat. Er fordert von uns, dass wir die Herrschaft seines Sohnes anerkennen. Zu allen, welche auf kirchliche Anordnungen und gute Werks ihr Vertrauen setzen, wendet sich der göttliche Ausspruch: „Wenn ich hungrig wäre, so würde ich es dir nicht sagen.“ Er fordert von unserer Seite ein Bekenntnis in Betreff seines Sohnes; und dieses Bekenntnis des Mundes muss aus dem Glauben des Herzens hervorfließen. Wenn Jesus als der Herr anerkannt ist, dann nimmt jedes Ding seinen rechten Platz ein. Es mag große Schwachheit und große Unwissenheit vorhanden sein; aber wenn das Gewissen sich unter Ihn, als den Herrn beugt, dann tritt alles in sein richtiges Geleise. Ich mag so schwach sein, dass ich nur „Gemüse“ zu essen fähig bin (Röm 14,2), und so unwissend, dass ich „einen Tag vor dem anderen“ halte (Röm 14,5); oder andererseits mag ich so stark sein in dem Gefühl meiner Freiheit, dass ich fähig bin „Fleisch“ zu essen, und so aufgeklärt, dass ich „jeden Tag gleich“ halte; aber der große moralische Perpendikel ist das Bekenntnis der Herrschaft Jesu. Dieses Bekenntnis legte der Räuber ab. Er sagte zu Jesu: „Herr“. Er erkannte nicht nur seine fleckenlose. Seine vollkommene Menschheit an, sondern bekannte Ihn auch als den Herrn. Es ist äußerst interessant, den Weg zu betrachten, auf welchem diese kostbare Seele weiter geführt wurde. Nachdem er die Sünde getadelt und den Sünder in der Person seines Unglücksgefährten gewarnt, nachdem er die Wahrheit in Betreff seiner selbst und seines Betragens, als gänzlich im Widerspruch mit der fleckenlosen Person, welche neben ihm am Kreuz hing, anerkannt hatte, wandte er sich an Jesus; und seine ganze Seele schien von diesem unvergleichlichen Gegenstand erfüllt zu sein. Er scheint gleichsam mit bewundernswürdiger Schnelligkeit alle die Stufen des „großen Geheimnisses der Gottseligkeit“ zu durchschreiten, deren Grundlage die Offenbarung Gottes auf Erden, und deren Gipfel die Verherrlichung des Menschen im Himmel ist; denn wir lesen in 1. Timotheus 3,16: „Und unaussprechlich groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Gott ist offenbart worden im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit.“ Welch ein kostbares Geheimnis! O möchten wir doch mehr in dessen Tiefe eindringen!

Allerdings vermögen wir nicht zu ergründen, in wie weit der sterbende Räuber diese ganze kostbare Wahrheit zu begreifen vermochte; aber eins war gewiss: er war unterwiesen worden, in Jesus den „im Fleisch offenbarten Gott“ zu erkennen. Und ebenso war er fähig gemacht, durch die finsteren Wolken, welche sich um das schreckliche Kreuz zusammengezogen hatten, hindurch zu schauen und die glänzenden Strahlen der zukünftigen Herrlichkeit zu erblicken. Und er sprach zu Jesu: „Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reich kommst!“ Das ist die bewundernswürdige Frucht der Unterweisung Gottes. Noch wenige Augenblicke vorher hatte er den Hochgelobten geschmäht, und jetzt beugt er sich im Geist vor Ihm, nennt Ihn „Herr“, sieht in Ihm den Gott Menschen, spricht mit Zuversicht von einem kommenden Königreich und wirft sich in die Arme jener allmächtigen Gnade, welche in den Worten hervorleuchtet: „Ruft mich an am Tag der Bedrängnis; ich will dich retten, und du wirst mich verherrlichen“ (Ps 50,15). „Gedenke meiner, Herr!“ das ist der Weg der Rettung. In dem Augenblick, wo irgendein armer, schuldiger und bußfertiger Sünder mit dem an das Holz genagelten Menschen verbunden wird, ist die Errettung eine ewig vollendete Tatsache. Es tut nichts zur Sache, wer oder was er ist. Seine Sünden mögen sein wie Karmesin oder Scharlach, sie mögen sein so schwarz wie die Nacht; aber von dem Augenblick an, wo er mit dem Gott–Heiland in Verbindung tritt, ist er errettet in der Macht einer ewigen Errettung. Seine Sünden und Vergehungen sind völlig ausgelöscht, und er ist in der ganzen Kraft und Würdigkeit des Namens Jesu zu Gott gebracht.

Also verhielt es sich mit dem sterbenden Räuber. Er fand augenblicklich eine völlige, freie und ewige Errettung. Der Herr Jesus ging weit über alle seine Gedanken und alle seine Wünsche. Der Räuber sagte: „Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reich kommst.“ Der Herr Jesus aber sagt ihm, dass Er weit mehr für ihn tun wolle. „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ In diesen Worten haben wir die drei großen in dem Evangelium offenbarten Züge der Erlösung, nämlich eine gegenwärtige, eine persönliche und eine vollkommene Erlösung. „Heute“ – „wirst du“ – „mit mir sein.“ Wir wollen bei diesen Punkten nicht verweilen; sie sind den meisten unserer Leser bekannt. Jedoch möchten wir noch gerne einige kurze Bemerkungen über die Verfahrungsweise unseres Herrn in dieser Szene hervorheben.

Es ist höchst bemerkenswert, dass wir hier kein tadelndes Wort, keine Erinnerung an das Vergangene, keine Anspielung auf die alten Gewohnheiten oder auf die neueren Schmähungen und Lästerungen des Räubers vernehmen. Nein, nichts der Art. Es wäre auch nicht dem gnadenreichen Dienst unseres Herrn Jesus Christus angemessen gewesen. Er rettete alle, welche zu Ihm kamen oder Ihn anblickten, weil Er kam nach dem Willen des Vaters, und weil alle, welche zu Ihm kamen, durch den Vater gezogen waren. Wir wollen in die wichtige Frage von allem, was dieses Ziehen des Vaters in sich schließt, nicht näher eingehen, sondern wünschen nur dem Leser ans Herz zu legen, dass es eine freie, unumschränkte Gnade war, mit welcher der Herr den sterbenden Räuber empfing.

Und so ist es in jedem Fall. „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nimmer gedenken.“ Wir mögen uns derselben erinnern, wir mögen uns mit Zerknirschtem Herzen und durch ihre Erinnerung in den Staub gebeugt, von ihnen abwenden; aber von dem Augenblick an, wo wir zu Jesu kommen, ist alles ausgelöscht. Alles vergeben, alles vergessen. Das ist seine Gnade – das ist die göttliche Vollkommenheit seines Werkes – das ist die Art und Weise seines Handelns. Der arme, sich selbst verurteilende Räuber ist ohne Anstand aufgenommen worden. Er warf sich in einfältigem Vertrauen auf Jesus; und unmittelbar folgte die Antwort: „Heute“. Es ist, als hätte der Herr zu ihm gesagt: „Du hast Acht nötig, auf das Reich zu warten, sondern du sollst die Freude genießen, bei nur zu sein, ehe noch die Herrlichkeiten des Reiches auf diese Erde herniederkommen. Noch an diesem nämlichen Tage werde ich dich bei mir haben in dem glänzenden Paradies, wohin ich zu gehen im Begriff bin.“ – das war in der Tat Gnade und Rettung durch Gnade. Der sterbende Heiland und der sterbende Räuber waren durch eine wunderbare Gnadenkette mit einander verbunden; an demselben Tage waren sie beisammen im Paradies. Das Wort: „Mit mir“ brachte alles in Ordnung. Da gab es keinen Aufschub. Alles war geschehen. Kirchliche Anordnungen waren nicht mehr Nötig. Was hätte auch noch dem Versöhnungswerk Christi, beigefügt werden können? Der Herr Jesus war für den Räuber am Kreuz, und darum war der Räuber mit Jesu im Paradies. Was kann einfacher sein? Der Räuber hatte keinen Rechtsgrund, keinen Anspruch, keinen Titel. Während er seine Freiheit besaß, lebte er in Sünden, und selbst als er ans Kreuz genagelt war, lästerte und schmähte er den Sohn Gottes. Aber der Pfeil war in seine Seele gedrungen – seine Augen waren geöffnet worden, um die herrliche Person Jesu, den Gott–Menschen, zu schauen und zu unterscheiden die Herrlichkeiten des Reiches und die Nebel der Schande und der Herabwürdigung – er erkannte in dem einen, den die Welt ausgeworfen und gekreuzigt hatte, einen fleckenlosen Menschen, seinen Herrn und den Besitzer des kommenden Reiches. Er sah, er glaubte, er zeugte; und als schließlich die römischen Kriegsknechte kamen, um ihre entsetzlichen Pflichten zu erfüllen, da hätte dieser glückliche, gerettete Mann sagen können: „Ach! diese Menschen sind gekommen, um mich geradeswegs zu Jesu meinem Herrn und Heiland zu senden. Ich bin bereit. Mein Herr ist vorausgegangen und ich habe Ihm nur zu folgen. Abzuscheiden, Um bei Christus zu sein, ist weit besser.“

Gewiss möchten wir noch länger bei dieser herrlichen Szene verweilen; allein wir müssen schließen und richten nur noch die eine Frage an den Leser: „Bist du gerettet?“ Das ist eine klare, bestimmte Frage. Gib eine klare und bestimmte Antwort darauf Kannst du nicht mit einem vollen „Ja“ darauf antworten, dann bitte ich dich mit allem Nachdruck, diese ernste Sache nicht länger zu verschieben, sondern wirf dich jetzt, gerade jetzt, gleich dem sterbenden Räuber, zu den Füßen Jesu, – und eine völlige, ewige Errettung wird sogleich dein Teil sein. –Wenn du hingegen durch die Gnade sagen kannst: „Ja, Gott sei Dank, ich bin gerettet und erfreue mich dessen“, – dann erinnere dich, dass wir berufen sind, Jesus nicht nur als unseren Erretter, sondern auch als unseren Herrn anzuerkennen. Mögen wir nie diese beiden Dinge trennen! Hat Er uns erlöst, so ist Er auch unser Herr und Meister. Seine Ansprüche an uns – an alles, was wir sind und haben – sind gestützt auf den soliden Boden der Erlösung. Das Fundament unserer Erlösung in Ihm und durch Ihn, sowie das Fundament seiner absoluten Autorität über uns ist dieselbe Sache, nämlich sein Tod. Er gab sich für uns. Welch ein Preis! Welch ein Rechtsgrund für unsere gänzliche Unterwerfung unter seine heilige Autorität!

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