Der Prophet Daniel und die Zeiten der Nationen
Daniel 7
In diesem Kapitel gehen wir auf den zweiten Teil des Buches ein. Der erste Teil enthält die Gesichte, die die Monarchen empfingen, zusammen mit ihren Handlungen, und den Handlungen anderer im Zusammenhang mit Daniel und seinen Gefährten. Daniel tritt als Bote Gottes in Erscheinung, in Seinem Sinn, um die Träume und Gesichte, die Nebukadnezar empfangen hatte, zuverlässig auszulegen. All dies haben wir betrachtet, und nun haben wir in diesem zweiten Teil, die Gesichte mit ihren Auslegungen, die Daniel selbst gegeben wurden. Es sind Mitteilungen, „die nicht nur allgemeine Grundsätze enthalten, sondern Einzelheiten, die das Volk Gottes und die Nationen, die sie unterdrückten, betreffen – historische Einzelheiten, auch wenn sie im Voraus prophetisch gegeben wurden. Ein Unterschied zwischen diesen und dem gewöhnlichen prophetischen Mitteilungen ist augenblicklich zu sehen. Bei Daniel ist es nicht so, wie bei den Propheten im Allgemeinen, dass das Wort des Herrn über ihn kam, oder dass er vom Heiligen Geist bewegt sprach. Er sah „einen Traum und Gesichte seines Hauptes auf seinem Lager“ oder wie in
Das erste davon ist in diesem Kapitel aufgezeichnet und fand „im ersten Jahr Belsazars, des Königs von Babel“ (Vers 1) statt. Wir nennen es das erste Gesicht, obwohl beginnend mit den Versen 2, 7, und 13 tatsächlich drei Gesichte gegeben werden. Dazu folgt auf Daniels Nachfrage hin ihre Auslegung, die in den Versen 17–27 gefunden wird. Der Gegenstand des Kapitels scheint das vierte Reich der Nationen zu sein: Sein Gericht und seine Verdrängung durch das Königreich des Sohnes des Menschen. Die ersten drei Reiche werden vorgestellt, wenn auch nur kurz, und so umfasst das Kapitel dasselbe wie die Gesichte Nebukadnezars in
Der Gegenstand dieses ersten Gesichts waren vier große Tiere: „Daniel hob an und sprach: Ich schaute in meinem Gesicht in der Nacht: Und siehe, die vier Winde des Himmels brachen los auf das große Meer. Und vier große Tiere stiegen aus dem Meer herauf, eins verschieden vom anderen.“ (Verse 2, 3). Das Meer, eine Wassermasse, steht, wie oft in der Schrift (siehe
Die vier Tiere kamen aus dem Meer, also aus den Unmengen der Völker in einem Zustand der Unruhe, wenn nicht sogar chaotischer Verwirrung, herauf. Es wird jedoch nicht angenommen, dass ihr Aufstieg aus dem Meer zeitgleich war, denn wenn sie, wie kaum jemand anzweifelt, für dieselben vier Reiche, die Nebukadnezars Bild verkörpert, stehen, treten sie nacheinander in Erscheinung; worauf Daniel tatsächlich in Vers 6 hinweist (als er sagt, „Nach diesem schaute ich, und siehe, ein anderes“ usw.), so auch in Vers 7. Es ist nicht mehr als eine Feststellung in Vers 3, die aufzeigt, dass all diese Reiche sichtbar wurden und ihre Herrschaft auf dieselbe Weise erlangten. Sie kamen in einer Zeit der auflehnenden Unruhe als Weltreiche zustande und wurden jeweils auf den Trümmern anderer Königreiche errichtet. Alle werden gleichermaßen als Tiere verbildlicht, worin sie sich von der Symbolik des Bildes Nebukadnezars unterscheiden. In dem Bild wurde der Gedanke des allmählichen Verfalls der herrschenden Macht in den Händen der Nationen verkörpert: Von Nebukadnezar (dem es unmittelbar von Gott selbst anvertraut wurde), als dem Kopf aus Gold, bis zum Eisen und Ton in den Beinen und Füßen. Obwohl sie sich im Wesen voneinander unterscheiden, und möglicherweise auch im Grad ihrer Vorzüglichkeit werden hier alle gleichermaßen als Tiere gesehen, um ihre sittlichen Eigenschaften aufzuzeigen: Das Ausschließen Gottes, Selbstsucht, eigennützige Begierden, irdische Ziele und irdische Beweggründe und Zwecke, Grausamkeit und Raubgier beschreiben all diese heidnischen Königreiche. Welch eine Offenbarung, dass alle Regierungen auf der Erde, von der Zerstörung Jerusalems an bis zum Königreich Christi, sittlich als „Tiere“ dargestellt werden!
Das erste Tier, welches Babylon darstellt, „war gleich einem Löwen und hatte Adlerflügel; ich schaute, bis seine Flügel ausgerissen wurden und es von der Erde aufgehoben und wie ein Mensch auf seine Füße gestellt und ihm ein Menschenherz gegeben wurde.“ (Vers 4) Diese beiden Symbole – der Löwe und der Adler – standen bereits vorher für Babylon (
Das zweite Tier „glich einem Bären; und es richtete sich auf einer Seite auf, und es hatte drei Rippen in seinem Maul zwischen seinen Zähnen; und man sprach zu ihm so: Steh auf, friss viel Fleisch!“ (Vers 5) So deutlich wie Babylon vom ersten Tier dargestellt wird, wird Persien – oder vielmehr das Medo-Persische Königreich – durch das zweite dargestellt, denn uns wird in
Darauf folgt Griechenland – das griechische Königreich, wie es durch die Eroberungen Alexanders entstanden war. Und doch nicht nur wie es von ihm behauptet wurde, denn „das Tier hatte vier Köpfe“; genau wie nur der Kopf aus Gold Nebukadnezar und seine Herrschaft versinnbildlichte, sind demzufolge die Nachfolger Alexanders in diesen vier Köpfen zu erkennen, da das Herrschaftsgebiet von Alexander nach dessen Tod letztendlich in vier Königreiche aufgeteilt wurde, beherrscht von vier seiner Generälen.1 Die zwei herausragenden Merkmale, die durch den Leoparden mit den vier Vogelflügeln auf seinem Rücken verbildlicht werden, sind Geschicklichkeit und Geschwindigkeit in der Ausführung – Merkmale, die auf eine bemerkenswerte Art, Alexander in seinen Kriegen und Eroberungen kennzeichneten. Seine Schnelligkeit und Unbesonnenheit wurden vermutlich niemals übertroffen, und es sollte berücksichtigt werden, dass diese Eigenschaften des griechischen Königs ungefähr zweihundert Jahre vor seiner Geburt beschrieben wurden. Wie Cyrus wurde er für seine Taten ausgerüstet, obwohl er nicht den Einen kannte, der ihn erschaffen hatte.
Das vierte Tier erscheint in einem eigenständigen Gesicht, was wie angeführt den Grund hat, dass der Geist Gottes in diesem Kapitel ein besonderes Augenmerk auf das vierte Königreich gerichtet hat. Darum werden die drei Tiere einleitend nur kurz angedeutet und, wie auch beim vierten Tier, wird die gesamte Zeitspanne der Zeiten der Nationen erfasst.
Daniel war aus demselben Grund besonders von dem vierten Tier gefesselt, wie es die auffallenden Worte zeigen, zu dessen Gebrauch er veranlasst wurde. Er sagt: „Nach diesem schaute ich in Gesichten der Nacht: Und siehe, ein viertes Tier, schrecklich und furchtbar und sehr stark, und es hatte große, eiserne Zähne; es fraß und zermalmte, und das Übriggebliebene zertrat es mit seinen Füßen; und es war verschieden von allen Tieren, die vor ihm gewesen waren, und es hatte zehn Hörner. Während ich auf die Hörner Acht gab, siehe, da stieg ein anderes, kleines Horn zwischen ihnen empor, und drei von den ersten Hörnern wurden vor ihm ausgerissen; und siehe, an diesem Horn waren Augen wie Menschenaugen und ein Mund, der große Dinge redete.“ (Verse 7–8). Alle Ausleger sind sich einig, dass hier das Römische Reich dargestellt wird, unabhängig von ihren Unstimmigkeiten über den Zeitraum, in dem Teile der Schilderung Anwendung finden. Tatsächlich gibt es keine andere mögliche Auslegung, da mühelos festgestellt werden kann, dass der letzte Nachfolger des Reiches Alexanders Rom war. Wie auch immer ist es jetzt nicht nötig mehr als ein oder zwei Besonderheiten aus Daniels Gesicht von diesem Reich zu betrachten, da wir am Ende des Kapitels eine zuverlässige Auslegung vorfinden.
Die herausragende Eigenschaft ist Stärke – unwiderstehliche Macht – die Schrecken in den Herzen derer verbreitet, die seine erbarmungslosen, unbarmherzigen Grausamkeiten mitansahen. Wie ein anderer schrieb, „Stärke und eine Raubgier, die weder Schonung noch Achtung für irgendetwas kennt, sich alles entweder aneignet oder es gewissenlos mit Füßen zertritt, das ist es, was moralisch das vierte Tier kennzeichnet.“2 Man beachte auch, dass es sich von allen Tieren vor ihm unterschied. Die Erklärung hierfür kann möglicherweise im Buch der Offenbarung gefunden werden, wo wir von demselben Tier lesen, dass es „war gleich einem Leoparden, und seine Füße wie die eines Bären, und sein Maul war wie das Maul eines Löwen. Und der Drache gab ihm seine Macht und seinen Thron und große Gewalt.“ (
Es ist auch wichtig zu beachten, dass Daniel das vierte Reich in diesem Gesicht als Ganzes sieht. Das heißt, dass er es von seinem Aufstieg bis zu seinem Ende sieht. Weitere Ausführungen dazu werden noch am Schluss des Kapitels folgen. Es mag lediglich noch hinzugefügt werden, dass der Beweis hierfür in der Erwähnung der zehn Hörner und dem Erscheinen des kleinen Horns mit bemerkenswerter Macht und Eigenschaften von Intelligenz und Rhetorik liegt, und auch an der Tatsache, dass auf die Zerstörung dieses vierten Tieres die Errichtung des Königreichs des Sohnes des Menschen folgt.
So fährt Daniel mit seinem Bericht von dem fort, was er in seinen nächtlichen Gesichten gesehen hatte: „Ich schaute, bis Throne aufgestellt wurden und ein Alter an Tagen sich setzte: Sein Gewand war weiß wie Schnee und das Haar seines Hauptes wie reine Wolle, sein Thron Feuerflammen, dessen Räder ein loderndes Feuer. Ein Strom von Feuer floss und ging von ihm aus; tausendmal Tausende dienten ihm, und zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht setzte sich und Bücher wurden geöffnet.“ (Verse 9–10). Es ist unbestritten, dass der Alte an Tagen, der ewige Gott ist und es ist sowohl aus Vers 22, als auch aus
Der Anlass des Gerichts, wie es dem Propheten offenbart wurde, erscheint im nächsten Vers: „Dann schaute ich wegen der Stimme der großen Worte, die das Horn redete: Ich schaute, bis das Tier getötet und sein Leib zerstört und dem Brand des Feuers übergeben wurde.“ (Vers 11). Der Anlass war also die „großen Worte, die das Horn redete“. In
Dann folgt der allgemeine Bericht, der die übrigen Tiere betrifft. Ihnen wurde ihre Herrschaft weggenommen, aber „Verlängerung des Lebens wurde ihnen gegeben bis auf Zeit und Stunde.“ (Vers 12). Es darf nicht angenommen werden, dass dies in unmittelbarem Ablauf dem Vorangegangenen folgte. Alle vier Tiere waren Daniel gezeigt worden, und nun, nachdem das letzte gerichtet worden war, geht das Gesicht zu dem zurück, was nicht in dieser Versammlung des Gerichts geschah, sondern vorher, bei Gottes richterlichem Verfahren mit den ersten drei Tieren in seiner führenden Regierung. Die Herrschaft und die Lebensdauer wurden dem letzten Tier zur selben Zeit „weggenommen“. Nicht aber Babylon, Persien und Griechenland. Babylon bestand noch lange nach seiner Unterwerfung durch die Meder und Perser fort. Persien, seiner einstigen Pracht beraubt, besteht noch heute und Griechenland wurde in den letzten Jahren wieder zu einem Königreich.3 So wurde die Lebensdauer dieser Reiche für eine Zeit und Stunde verlängert, doch nachdem das römische Reich nach seiner Wiederbelebung, zum Erstaunen aller die es sehen, endgültig gerichtet wird, wird es samt seinem Kopf für immer verschwinden.
Auf das Gericht des vierten Tieres folgt das Gesicht über das Königreich, das nie vergehen wird: „Ich schaute in Gesichten der Nacht: Und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn; und er kam zu dem Alten an Tagen und wurde vor ihn gebracht. Und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum gegeben, und alle Völker, Völkerschaften und Sprachen dienten ihm; seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen wird, und sein Königtum ein solches, das nie zerstört werden wird.“ (Verse 13–14).
Der Alte an Tagen, ist wie bereits erwähnt der Sohn des Menschen; in diesem Gesicht sind sie jedoch voneinander zu unterscheiden. Dies ist in den Psalmen oft zu finden. Der Messias ist der Herr, und doch spricht der Herr in
Manche Merkmale dieses herrlichen Königreichs werden in der Auslegung des Gesichts zu erkennen sein, doch bevor wir darauf eingehen, sollte die Wirkung der Dinge, die er gesehen hatte, auf Daniel, bemerkt werden. Er sagt, „Mir, Daniel, wurde mein Geist in mir tief ergriffen, und die Gesichte meines Hauptes ängstigten mich.“ (Vers 15) Es ist bemerkenswert, dass er, obwohl er durch göttliche Unterweisung dazu befähigt war Nebukadnezars Träume und Gesichte zu erklären, seine eigenen nicht verstehen konnte. Kein Mensch kennt die Gedanken Gottes als nur der Geist Gottes (
Warum aber, war der Prophet „bekümmert“ und „erschreckt“? Als gottesfürchtiger Jude, erwartete er den kommenden Messias mit seiner Herrschaft des Friedens, Wohlstands und Segens, doch nun hatte der Geist Gottes jedoch die Sicht auf die Zukunft vor seiner Seele aufgetan und so rätselhaft ihm vieles davon auch sicher vorkam, musste er erkennen, dass noch ein langer Weg des Kummers von seinem Volk beschritten werden sollte, bevor die langersehnte Erfüllung erreicht werden würde. So war er bekümmert, und wünschte von „einem der Dastehenden Gewissheit“. Wer die, die dastanden waren, wird nicht aufgedeckt, aber dem Charakter des Buches entsprechend waren es wahrscheinlich Engel. Der Angesprochene reagierte sofort auf Daniels Bitte, „und er sagte mir, dass er mir die Deutung der Sache kundtun wolle.“ (Vers 16)
Es sollte bemerkt werden, dass es tatsächlich zwei Auslegungen als Antwort auf die Fragen Daniels in Bezug auf das vierte Tier gibt (eine allgemeine in den Versen 17 und 18, und, zusätzlich, eine genauere in den Versen 23–27). Diese müssen beide betrachtet werden.
In der allgemeinen Auslegung sagt der Engel, „Diese großen Tiere, es sind vier: Vier Könige werden von der Erde aufstehen. Aber die Heiligen der höchsten [Örter] werden das Reich empfangen und werden das Reich besitzen bis in Ewigkeit, ja, bis in die Ewigkeit der Ewigkeiten“ (Vers 17 und 18). Diese Erklärung konnte weitgehend erahnt werden, aber es gibt zwei oder drei beachtenswerte Punkte. Die vier Könige werden als Verkörperung ihrer Königreiche gesehen, nämlich Babylon, Persien, Griechenland und Rom; und so werden, wie zuvor erwähnt, ihre Herrschaft oder Nachfolger bis zur Beendigung ihrer jeweiligen Reiche mit eingeschlossen. Laut Vers 3 steigen diese Könige, die Tiere, aus dem Meer herauf; hier jedoch, wird beschrieben, wie sie sich von der Erde erheben. Im ersten Abschnitt werden sie nach dem Ereignis ihres Erscheinens betrachtet, wie sie die Regierungsmacht übernehmen und aus den wogenden Wellen der Menschen heraus ihre Throne besteigen. In diesem Vers werden sie eher in ihrem Ursprung betrachtet, („von der Erde her“), und stehen im Gegensatz zu Dem, der aus dem Himmel kommt, um Seine königliche Macht zu ergreifen. Diese vier überspannen also den gesamten Zeitraum von der Zeit des Propheten an bis zum Kommen Christi in Herrlichkeit, denn Babylon bestand noch. In dieser Beschreibung wird noch hinzugefügt, „Aber die Heiligen des höchsten (Örter) werden das Reich empfangen“ usw.. Nach ihnen wird es keinen mehr geben, denn sie werden es bis in Ewigkeit besitzen.
Wer sind dann, diese „Heiligen der höchsten Örter“? Der Ausdruck „höchsten“ wird in den Versen 22, 25, 27, sowie in Vers 18 verwendet. Es sollte jedoch beachtet werden, dass dieser Ausdruck er in der Mehrzahl steht (Vers 25 ist dabei eine Ausnahme. Dort wird er für Gott selbst verwendet, als der Name, mit dem er in der Zukunft benannt werden wird.) Folglich ist die genaue Übersetzung, die Heiligen der „höchsten Örter“. Es wird selten in Frage gestellt, dass der Ausdruck „himmlische Örter“ in
Daniel fuhr nun damit fort, sich genauer nach dem vierten Tier zu erkundigen und es kann beobachtet werden, dass er zwar wiederholt was er in den Versen 7 und 8 gesehen hat, jedoch zwei Dinge hinzufügt, die zuvor nicht erwähnt wurden. In den Versen 21 und 22 sagt er, „Ich sah, wie dieses Horn Krieg gegen die Heiligen führte und sie besiegte, bis der Alte an Tagen kam und das Gericht den Heiligen der höchsten [Örter] gegeben wurde und die Zeit kam, dass die Heiligen das Reich in Besitz nahmen“ Die Erklärung für diese Ergänzung ist zu erkennen, wenn man die genaue Deutung, die Daniel gegeben wurde, bedenkt. Die Aufmerksamkeit wird jedoch auf sie (die Heiligen) gelenkt wie eine Veranschaulichung der Tatsache, dass es in der Schrift keine unnötigen Wiederholungen gibt. Der Zusammenhang, oder Sinn dessen, ist ein anderer, oder, wie hier, wird das Interesse durch eine weitere Offenbarung gesteigert, so dass keine Schriftstelle, die wie eine andere erscheint, jemals nur leicht übersprungen werden sollte. Das Vorhandensein einer augenscheinlichen Wiederholung sollte zu einer umso genaueren Untersuchung führen, um die so vermittelte neue Beleuchtung zu erkennen.
Wir gehen nun zur Erläuterung des Engels des Gesichts über das vierte Tier über. Nachdem bereits in den Versen 7 und 8 darauf hingewiesen wurde, dass das vierte Tier das Römische Reich dargestellt, ist es nur noch nötig auf die besonderen Merkmale, die hier erklärt werden, einzugehen. Zunächst wird gesagt, dass dieses Königreich „von allen Königreichen verschieden sein wird; und es wird die ganze Erde verzehren und sie zertreten und sie zermalmen.“ (Vers 23) Diejenigen, die mit der Geschichte vertraut sind, werden bestätigen, dass keine genauere Beschreibung des Römischen Reichs, seinem Auftreten, seiner Entwicklung und seiner Herrschaft, vermittelt werden könnte. Es unterschied sich von all seinen Vorgängern in der Art seiner Regierung, indem es höchsten Absolutismus mit demokratischen Formen verband, und so das Eisen mit dem Ton im Bild Nebukadnezars kombinierte. Durch seine unaufhaltbaren Armeen erreichte es beinahe die Weltherrschaft, verschlang die ganze Erde, und unterwarf und zerbrach Völker auf allen Seiten. Diese Aussagen betreffen seinen Aufstieg und Höhepunkt – besonders zu den Zeiten der Konsuln und der Cäsaren.
Als nächstes wird uns gesagt, was die Zehn Hörner bedeuten: „Aus jenem Königreich werden zehn Könige aufstehen.“ (Vers 24) Dies ist wirklich der entscheidende Punkt der Auslegung, denn es erhebt sich die Frage, ob diese zehn Könige in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen, da sich Vers 23 zweifellos auf die Vergangenheit bezieht. Es gibt jene, die die sogenannte historische Auslegung gänzlich verfechten, und behaupten, dass die Prophetie somit erfüllte wurde.5 Die völlige Ablehnung dieser Theorie liegt in der Tatsache, dass dieses vierte Königreich, nachdem es gerichtet wurde, direkt vom Königreich des Sohnes des Menschen beerbt und verdrängt wird (Verse 13, 14, 26, 27; vergleiche auch
Stimmt man dieser Sichtweise zu, ist es deutlich und verständlich, dass das Römische Reich in dieser göttlichen Botschaft, die Daniel empfing, als Ganzes gesehen wird, von der Zeit an, als es gegründet wurde, bis zu seiner Auferstehung (wie sie in
Diese zehn Könige sind also zukünftig, und sie weisen auf die auffällige Form des letzten Abschnitts des vierten Königreiches hin, in der es zehn Königreiche in Westeuropa geben wird, die unter der Führung einer Großmacht vereint sein werden. Diese Tatsache zeigt sich in den zehn Zehen des Bildes, das Nebukadnezar sah, und wird deutlich in der Offenbarung genannt (
Es wird nicht nur diese zehn Könige geben, auch „ein anderer wird nach ihnen aufstehen, und dieser wird verschieden sein von den vorigen und wird drei Könige erniedrigen. Und er wird Worte reden gegen den Höchsten und die Heiligen der höchsten [Örter] 7 vernichten; und er wird darauf sinnen, Zeiten und Gesetz zu ändern, und sie werden eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit in seine Hand gegeben werden „ (Verse 24,25) Dies ist das kleine Horn aus den Versen 8, 20 und 21; es ist jedoch vollkommen anders, als das kleine Horn in
Einige Merkmale des kleinen Horns in unserem Kapitel sollten beachtet werden, um es zu identifizieren. Zuerst einmal erhebt er sich nach den zehn Königen, und er unterscheidet sich von ihnen, auch wenn nicht gesagt wird, worin er sich von ihnen unterscheidet. Als zweites wird von ihm gesagt, „er wird drei Könige erniedrigen“, das heißt, drei der zehn, die anwesend sind, wenn er sich erhebt. Aus der nächsten Stelle ist ersichtlich, dass er die Macht des ganzen Reiches übernimmt, denn es ist „seine Herrschaft“, die ihm weggenommen wird wenn das Gericht stattfindet. Zuletzt werden ihm in Vers 25 dieselben Dinge zugeschrieben, die dem ersten Tier in
Als nächstes wird uns sein moralisches Wesen mit den Worten, „Und er wird Worte reden gegen den Höchsten“ dargelegt (Vers 25). Nicht nur sein fleischlicher Verstand ist in Feindschaft mit Gott, wie das bei jedem gefallenen Menschen der Fall ist, sondern er wagt es auch in seiner uferlosen Gottlosigkeit, eine Stellung des offenen Ungehorsams einzunehmen (vergleiche
Der nächste Absatz von Vers 25 lässt deutlich erkennen, wer diese Heiligen sind. Dieses kleine Horn „wird darauf sinnen, Zeiten und Gesetz zu ändern, und sie werden eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit in seine Hand gegeben werden“ Zu diesem Zeitpunkt, wird der jüdische Tempel wieder aufgebaut sein, wenn auch im Unglauben; im Zusammenhang damit, werden die Verordnungen des Gesetzes und die zahlreichen Feste wieder eingeführt worden sein. Diese „Festzeiten und Gesetze“ sind es, die dieser König versuchen wird, zu ändern, genauer gesagt wird er versuchen sie abzuschaffen, denn ihr bloßes Vorhandensein, unabhängig vom Zustand der Menschen, die sie befolgen, wird ein Zeugnis für die Existenz Gottes darstellen, und dies wird für den, der das Begehren hat, den Platz Gottes selbst einzunehmen, unvertretbar sein. Und ihre Vernichtung wird ihm gelingen, denn sie (nicht die Heiligen, sondern die Festzeiten und Gesetze) werden in seine Hand gegeben werden.
Antiochus Epiphanes, wie er in der Geschichte genannt wird, und von dem wir in
Nach Ablauf dieser vorgesehenen Zeit, wird „das Gericht... sich setzen; und man wird seine Herrschaft wegnehmen, um sie zu vernichten und zu zerstören bis zum Ende“ (Vers 26) Da dem Propheten diese Gerichts-Sitzung bereits vollständig offenbart wurde, wird sie in der Deutung nur beiläufig erwähnt. Es ist ein Gericht, das der, der alt an Tagen ist in all Seiner dazugehörenden Erhabenheit, von seinem feurigen Thron aus ausführen wird, und dabei von den Myriaden seiner Engel begleitet werden wird (Verse 9,10). Wir erfahren zudem, dass die Heiligen, die mit Christus erscheinen, die Heiligen des Himmels, zu dem Zeitpunkt, an dem Gott die Taten und Worte dieses dreisten Feindes öffentlich und förmlich richten wird, bei diesem Gericht zu Ihm gehören (Vers 22, vergleiche
Die Ausführung des Urteils wird folgendermaßen beschrieben: „und man wird seine Herrschaft wegnehmen, um sie zu vernichten und zu zerstören bis zum Ende.“ (Vers 26) Wenn wir dieser Beschreibung das hinzufügen, was wir in Vers 11 finden, können wir sehen, dass das Gericht über seine Person stattfand, obwohl dort, streng genommen, nur vom „Leib“ des Tieres gesprochen wird. Die „großen Worte, die das Horn redete“, werden allerdings als das zum Gericht führende Ereignis erwähnt. Wenn wir uns nun für einen Augenblick
Nachdem das kleine Horn gerichtet wurde, ihm seine Herrschaft weggenommen und es endgültig vernichtet und zerstört wurde, folgt: „Und das Reich und die Herrschaft und die Größe der Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen der höchsten [Örter] gegeben werden. Sein Reich ist ein ewiges Reich, und alle Herrschaften werden ihm dienen und gehorchen.“ (Vers 27) Dies ist das Königreich des Sohnes des Menschen, welches nach dem Gericht und der Beseitigung des letzten der vier Weltreiche auf der Erde errichtet wird. In den Versen 13 und 14 haben wir seine Einsetzung. Als Sohn des Menschen, empfängt er das Königreich vom Alten an Tagen. Schon sehen wir Jesus, der wegen seines Todesleidens ein wenig niedriger als die Engel wurde, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. In dem Bild vor uns, werden alle Dinge in seine Hände gegeben, um ihm unterworfen zu werden, denn er wird herrschen, bis alle Feinde unter Seine Füße gelegt wurden. In Vers 27 jedoch, ist es das „Volk der Heiligen der höchsten Örter“ das hervorgehoben wird, und von dem gesagt wird, dass ihnen das Königreich gegeben wird. Doch dies geschieht nicht getrennt von Christus, denn am Ende desselben Verses steht, „sein“ (d.h. Christi) „Reich ist ein ewiges Reich, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen.“ Es ist sein Reich, doch in seiner Gnade gefällt es ihn, das „Volk der Heiligen der höchsten Örter“ mit einzubeziehen. Wer sind diese? Wie in Vers 18 bereits angeführt wurde, wird von den „Heiligen der höchsten Örter“ gesagt, dass sie das Königreich empfangen werden. In Vers 22 nehmen „die Heiligen“ es in Besitz, während es hier das „Volk der Heiligen der höchsten Örter“ ist. Es gibt einen Grund für diese Ausdrucksweise. Hiermit sind die Juden gemeint, und sie werden als solche bezeichnet, die während des 1.000-jährigen Königreichs mit den Heiligen der höchsten Örter verbunden, wenn nicht gar von ihnen abhängig, sind. Letztere regieren mit Christus, während Christus durch erstere die Völker bezwingen und Seine Herrschaft über die Erde geltend machen wird, denn „den Stab deiner Macht wird der Herr aus Zion senden; herrsche inmitten deiner Feinde!“ (
Es gibt in diesem Kapitel drei Gruppen, die näher beschrieben werden. „Die Heiligen der höchsten Örter“ in Vers 22, die die Heiligen des Himmels zu sein scheinen. In Vers 18 verweist derselbe Ausdruck besonders auf die Heiligen auf der Erde während der Herrschaft des kleinen Horns, jedoch ohne die Heiligen des Himmels auszuschließen, die zu Gott aufschauen, und ihn als den Gott des Himmels, und als die einzige Quelle der Macht anerkennen, sei es im Himmel oder auf Erden. Aus diesem Grunde, werden sie zum Himmel gehörend betrachtet, und, wie wir in
Der Schluss dieses Gesichts und seiner Auslegung ist nun erreicht, doch der Prophet fügt noch folgendes hinzu, „Mich, Daniel, ängstigten meine Gedanken sehr, und meine Gesichtsfarbe veränderte sich an mir; und ich bewahrte die Sache in meinem Herzen.“ (Vers 28) Auch wenn es eine unaussprechliche Ehre ist, der Verwahrer göttlicher Gedanken zu sein, muss das Gefäß leiden, und dies umso mehr, da die Zeit ihrer Mitteilung noch nicht gekommen war. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Daniel inmitten all des Glanzes und all der Pracht des Babylonischen Reichs, dessen Herrschaft sich bis ans Ende der Erde erstreckte, und dessen Beständigkeit unumstritten war. Aber die Schriftrolle der Zukunft hatte sich vor seinem staunendem Blick aufgerollt, und er sah in einem langen Ausblick, der sich weit in die kommenden Jahrzehnte hinein streckte, eine Abfolge von Kriegen, Konflikten, Gewaltherrschaften und Unterdrückungen bevor der, der in Jerusalem von seinem Thron zurückgetreten war, eingreifen würde, die Herrschaft über die Erde in Bezug auf jeden Aspekt jüdischer Hoffnung seinem geliebten Volk zuteil lassen werden würde um es im Segen, unter der friedvollen und ruhmreichen Herrschaft des Messias, wiederherzustellen. Daniel hatte tatsächlich die Gesichte Gottes gesehen, doch sie hatten Tod in seine eigene Seele gebracht, wodurch er geistlich dazu geeignet wurde, der Empfänger dieser göttlichen Offenbarung zu sein (vergleiche
Fußnoten
- 1 Nur zwei von ihnen spielten noch eine Rolle. Die Seleukiden besaßen Syrien, die Ptolemäer Ägypten. Die anderen beiden Königreiche, Griechenland und Thrakien, wurden schon bald von den Römern erobert. Die ersten beiden, Syrien und Ägypten, bestanden weiter fort, bis ungefähr 50 vor Christus.
- 2 Betrachtung über den Propheten Daniel (Synopsis) von J. N. Darby, Kapitel 7 (https://www.bibelkommentare.de/index.php€page=comment&comment_id=233&structure_id=397&part_id=1667)
- 3 Es sollte angemerkt werden, dass Daniel nur die Throne selbst sah, wohingegen Johannes die darauf sitzen sah, die Christus aus dem Himmel folgten.
- 4 Anm. des Übersetzers: Der Autor lebte von 1831 bis 1914. In dieser Zeit war Griechenland ein Königreich und gewann durch Abtretungen, u.a. von England, Territorien hinzu.
- 5 So sollte es ausgeführt werden - nicht die „Menschen“, sondern die „Völker“.
- 6 Um einen stellvertretenden Verfechter dieser Lehre zu zitieren, sagt Mr. Elliott, man finde die zehn Könige in den „Angelsachsen, Franken, Alemannen, Burgundern, Westgoten, Sueven, Vandalen, Herulen, Lombarden, Ostgoten, Zehn an der Zahl“; daraufhin bemüht er sich, die Verbindung zwischen diesen frühzeitlichen barbarischen Königreichen mit den Bischöfen Roms als kirchliches und geistliches Haupt herzustellen; einvernehmlich mit dem endzeitlichen Symbol der zehn Hörner, die vom achten Kopf des Tieres aufsprießen. (Horae Apocalypticae, Band 3, Seiten 124-134, 4. Auflage)
- 7 siehe The Visions of John in Patmos (auf deutsch: Die Gesichte von Johannes auf Patmos) für weitere Erläuterungen zu diesem Thema.
- 8 Der Leser wird diese Grenzen in jedem Bibelatlas mühelos nachverfolgen können, oder in den meisten Bibeln, die Karten enthalten, und wird so die Bedeutung der Bezeichnung „Westeuropa“ erkennen. Deutschland, Skandinavien, und der europäische Teil Russlands waren noch nie innerhalb der Gebiete dieses Reichs.
- 9 Wenn das kleine Horn in diesem Kapitel den Kopf des auferstandenen Römischen Reiches der letzten Tage andeutet, sollte nicht vergessen werden, dass der Antichrist zur selben Zeit zugegen sein, und zum Römischen Oberhaupt eine Verbindung haben wird, „die ganze Macht des ersten Tieres“ ausüben wird, und er „veranlasst die Erde und die auf ihr wohnen, dass sie das erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde“, und dazu, „ihm“ ein Bild zu machen um es anzubeten (Off 13). So wird er in jeder Hinsicht moralisch mit dem westlichen Tier gleichgesetzt werden, und wird infolgedessen, als sein Prophet, dessen schlimmes Ende mit ihm teilen (Off 19, 20).