Der Heilige Geist im Gottesdient und in der Gebetsstunde

Das, was wir für die Zusammenkünfte zur Erbauung fanden, gilt auch, wenn die Gläubigen zusammenkommen, um den Herrn zu preisen, Ihm Lob, Dank und Anbetung zu bringen, und für die Gebetsstunde; ja es gilt für diese Zusammenkünfte in noch stärkerem Maß, weil ihr Charakter ein besonderer ist. In dem Dienst zur Auferbaung nehmen diejenigen, die die Gabe eines Hirten oder Lehrers empfangen haben, einen besonderen Platz ein, denn der Heilige Geist wird meist die durch den Herrn gegebenen Gaben benutzen. Diese sind in ihrem Dienst die Werkzeuge, durch welche Gott zu den Versammelten spricht. Deshalb wird in 1. Petrus 4,11 gesagt: „Wenn jemand redet, so rede er als Aussprüche Gottes“. Das heißt nicht nur, dass das, was er sagt, mit dem Wort Gottes in Übereinstimmung sein muss. Es geht viel weiter, es heißt: das, was er sagt, müssen Aussprüche Gottes sein, also Gott muss direkt durch ihn sprechen.

In der Anbetungs– und in der Gebetsstunde ist das anders. Da redet Gott nicht zu uns, sondern wir (die Versammelten) sprechen zu Gott. Dort kommen wir, um unsere Opfer des Lobes und des Dankes darzubringen oder um Gott unsere Bedürfnisse und Sorgen mitzuteilen, aber nicht, um von Ihm etwas zu empfangen –obwohl es natürlich unmöglich ist, zu Gott zu kommen, ohne dass man einen Segen für das Herz empfängt. Hieraus ist zu ersehen, dass zwischen den Zusammenkünften ein grundsätzlicher Unterschied besteht. Jeder Bruder, der dann aufsteht, um zu sprechen, wenn die Gläubigen zu Lob, Dank und Anbetung zusammengekommen sind, muss sich dessen wohl bewusst sein.

Durch sein Sprechen wird der Charakter der Zusammenkunft verändert. Dann bringt nicht mehr die Versammlung Gott ihre Opfer des Lobes und Dankes dar, sondern sie lauscht, was Gott durch seinen Diener zur Erbauung geben will. Dabei ist es ganz gleich, worüber der Bruder spricht, also auch, wenn er z.B. über das Leiden des Herrn sprechen sollte.

Nun können wir nicht sagen, im Gottesdienst (Anbetung) dürfe nicht gesprochen werden. Der Heilige Geist hat völlige Freiheit, zu leiten, wie Er will. Und wenn die Christen als Leib des Christus versammelt sind und die Glieder durch den Geist jedes an seinem Platz sind, dann ist die Gelegenheit da zur Ausübung der Gaben, die zur Auferbauung dienen. Eine Versammlung, die zum Gottesdienst versammelt ist, ist also die gegebene Gelegenheit zur Ausübung aller Gaben, die zur Auferbauung des Leibes dienen, obwohl dies keinesfalls der Zweck ihres Zusammenseins ist. Der Gottesdienst ist ebenso vollkommen, ja, sogar vollkommener, wenn keine einzige Gabe ausgeübt wird. Die Weise, in der die Gaben gewöhnlich ausgeübt werden, hat zur Folge, dass, wie schon gesagt, der Charakter der Anbetungsstunde verändert wird und sie diesen Charakter verliert. Das ist stets ein Verlust. Denn obwohl es sein kann, dass der Geist Gottes es auch in dieser Zusammenkunft nötig findet, die Glieder des Leibes zu belehren oder zu ermahnen, so bleibt es doch stets wahr, dass es ein besserer Zustand ist, Gott anbeten zu können, ohne dass es nötig ist, ermahnt zu werden. Man ist in diesem Fall einfältiger und völliger in der Nähe Gottes und genießt durch die Gnade Ihn selbst.

Im Gottesdienst und in der Gebetstunde selbst haben die Gaben keinen Platz. Da versammelt sich die Versammlung als priesterliche Familie, und jeder kann Gott nahen, der Neubekehrte wie der Vater in Christus. Alle sind zu Priestern gemacht durch das Blut des Christus, und alle sind würdig, die Opfer des Lobes und des Dankes darzubringen. Aber allerhand Dinge können sie dazu unfähig machen (3. Mo 21 und 22). Daraus, dass praktisch dies einen Priester charakterisiert, dass er durch ständigen Aufenthalt in der Nähe Gottes weiß, wie er in Gott wohlgefälliger Weise Ihm nahen kann und welche Opfer Gott angenehm sind, wird deutlich, dass dies mit der Gabe eines Hirten oder Lehrers oder mit der Fähigkeit, sich fließend in gewählten Worten auszudrücken, nichts zu tun hat. Es ist sehr gut möglich, dass diese Gaben vorhanden sind und leider doch keine innige tägliche Gemeinschaft mit Gott da ist. Es ist also sicher nicht genug, wenn die Brüder auf einen Bruder mit großen Gaben warten oder wenn dieser selbst auf Grund seiner Gabe auch in der Anbetungsstunden eine führende Rolle spielen will. Die Gefahr hierzu ist groß.

Aber durch Obiges wird die Leitung des Heiligen Geistes im Gottesdienst noch wichtiger, weil Er hier gewöhnlich einen viel größeren Kreis von Brüdern gebrauchen wird als in den anderen Zusammenkünften. Und wer außer dem Heiligen Geist kann Leitung geben in der Anbetung? Zwar kommt die Anbetung aus dem geistlichen Zustand der Anwesenden hervor. Aber die Kraft, die alleinige lebendige Quelle alles dessen, was in der Anbetung wahrhaftig ist, ist der Heilige Geist. Souverän in seinem Wirken, handelt Er aber in Übereinstimmung mit der geistlichen Fähigkeit eines jeden und bedient sich ihrer, um den Gefühlen Ausdruck zu geben, die der Versammlung vor Gott geziemen, und erhebt sie so zu sich. Was in der Anbetungsstunde geschieht, muss, obschon es in Übereinstimmung mit dem geistlichen Zustand der Versammlung sein wird, sie doch erheben und in die Nähe Gottes bringen. Dies tut der Heilige Geist. Denn obwohl Er im Menschen wirkt, tut Er es doch nach der Kraft und Gnade Gottes.

Welcher Bruder kann ermessen, was der geistliche Zustand der Versammlung ist, so dass er ihren Gefühlen Ausdruck geben und wirklich der Mund der Versammlung sein kann? Denn jeder, der eine Danksagung ausspricht, ein Lied vorschlägt oder einen Abschnitt aus der Schrift liest, soll darin nicht nur seinen eigenen Gefühlen, sondern denen der Versammlung Ausdruck geben, obwohl es natürlich wahr ist, dass er dazu allein nach dem Maß seines geistlichen Zustandes fähig ist. Nur dadurch, dass der Heilige Geist in geistlichen Brüdern wirkt, um den geistlichen Gefühlen der Versammlung Ausdruck zu geben, wird Gott in der Versammlung Anbetung dargebracht.

Hier sehen wir wiederum, wie wichtig es ist, auf die Leitung des Heiligen Geistes Acht zu geben. Die Wahrheit, dass der Heilige Geist Freiheit haben muss, zu wirken, wie Er will, wird von keinem Christen geleugnet werden. Aber es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Kennen einer Wahrheit und ihrer Verwirklichung in der Praxis. Um diese Wahrheit verwirklichen zu können, müssen wir von der Wirklichkeit der persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes – Er ist Gott, der Heilige Geist – in unseren Zusammenkünften durchdrungen sein. Mangelt es hieran nicht sehr oft, und ist dies nicht die Ursache, dass in unseren Zusammenkünften soviel Schwachheit ist und das Fleisch so oft wirken kann?

Nun kommt bei jungen Gläubigen und bei denen, die in der Praxis des Zusammenkommens das „Sich unter die Leitung des Heiligem Geistes stellen“ nicht kennen, die Frage auf: Wie kann ich diese Leitung erkennen und wie weiß ich, ob es nicht mein eigener Wille ist, der mich antreibt, ein Lied vorzuschlagen usw.? Es gibt in Verbindung mit der praktischen Leitung des Heiligen Geistes tatsächlich Dinge, die nur in der Praxis gelernt werden können. Die Erfahrung lässt uns Bedürfnisse erkennen, denen allein durch göttliche Belehrung entsprochen werden kann.

Wer wird sich anmaßen, zu bestimmen, auf welche Weise der Geist in den Herzen wirkt und ihnen die Gewissheit gibt, was sein Wille ist? Was in Johannes 3 im Blick auf die neue Geburt gesagt wird: „Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht“, kann gewiss auch von dem Wirken des Heiligen Geistes in den Herzen der Gläubigen gesagt werden. Aber auf der anderen Seite gibt das Wort Gottes in dieser Beziehung doch auch wertvolle Anweisungen.

Zunächst haben wir die Grundsätze von 1. Korinther 14. „Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder von euch einen Psalm, hat eine Lehre, hat eine Sprache ...; alles geschehe zur Erbauung.“ ... auf dass alle lernen und alle getröstet werden.“ „Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens.“ Alles, was getan wird, muss also erbauen. Und es muss Ordnung vorhanden sein, was u. a. nach den Versen 26–33 sich darin zeigen soll, dass nicht zwei zugleich etwas tun, sondern dass sie aufeinander warten. Ferner wird gesagt, dass die Leitung des Heiligen Geistes nicht dem Wirken teuflischer Geister gleicht, die ihre Opfer zwingen, zu handeln, wie sie wollen. „Die Geister der Propheten sind den Propheten untertan“; der Heilige Geist gibt seine Gedanken zu erkennen und schenkt die Fähigkeit, dementsprechend zu handeln; die betreffende Person kann danach handeln, sie kann es aber auch lassen.

Ferner sagt 2. Timotheus 1,7: „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“. Wir sollen also nicht unbesonnen, sondern ruhig handeln, wissend, was wir tun. Aber dann sollen wir auch nicht furchtsam sein, sondern Vertrauen haben, dass, wenn wir wirklich in Abhängigkeit warten, Er auch deutlich in unserem Herzen wirken wird. Und wenn Er es tut, sollen wir dies annehmen und nicht ängstlich fragen: Ist das wohl das Rechte?

Sollte Gott von seinen Kindern erwarten, dass sie sich durch den Heiligen Geist leiten lassen, und ihnen dann nicht die Leitung schenken, wenn sie in Abhängigkeit darauf warten? Wenn wir Gottes Liebe kennen und auch in unserem Herzen Liebe wohnt, kann es solch ein Misstrauen nicht geben. Lasst uns Ihm vertrauen! Der Heilige Geist wirkt nicht durch blinde Triebe oder durch vage, unklare Eindrücke. Er erfüllt den geistlichen Verstand mit den Gedanken Gottes, wie diese in dem geschriebenen Wort Gottes entfaltet sind, während Er die Gefühle und Zuneigungen des neuen Menschen wachruft.

Er bewirkt in unseren Herzen – anknüpfend an das, was Er schon vorher durch andere wirkte – Gefühle des Dankes, des Lobes und der Anbetung, die wir als der Mund der Versammlung aussprechen dürfen. In Verbindung mit dem Gedankengang, den Er in diese Zusammenkunft gebracht hat, lenkt Er unsere Gedanken auf ein Lied oder einen Abschnitt aus dem Wort Gottes, damit wir dieses Lied vorschlagen oder diesen Abschnitt vorlesen. Aber hieraus folgt bereits, dass Er uns nur frei benutzen kann, wenn wir das Wort Gottes und die Lieder kennen. Weiter folgt hieraus, dass wir stets einen Prüfstein haben in der Frage, ob das, woran wir denken, wohl mit dem Hauptgedanken, den Er in dieser Zusammenkunft wirkt, in Übereinstimmung ist. Und sehr wichtig ist es, dass wir uns fragen, wann es Zeit ist, das zu tun, was der Heilige Geist in unseren Herzen wirkt: nicht zu früh und nicht zu spät, damit es nicht vorkommt, dass zwei Brüder etwas zugleich tun, obwohl sie doch vielleicht beide durch den Heiligen Geist benutzt werden.

Wenn wir uns alle so unter die Leitung des Heiligen Geistes stellen würden, sowohl Brüder als auch Schwestern, welch herrliche Zusammenkünfte würden wir haben! Welch ein ehrerbietiges, ruhiges Warten würde da sein auf das, was E r wirken will! Welch ein Zusammenhang würde sein in allem, was geschieht! Welch eine Anbetung würde aus den Herzen aller Anwesenden emporsteigen! Wie würde Gottes Name verherrlicht und wie würden unsere Herzen gesegnet werden!

So sind wir nun am Ende unserer Ausführungen über den Heiligen Geist angekommen. Müssen wir als Ergebnis von allem Besprochenen nicht sagen, dass das Wohnen des Heiligen Geistes auf Erden, in dem Herzen jedes Gläubigen und in der Versammlung als Ganzes, eine der wichtigsten Wahrheiten dieser Zeit, wenn nicht die wichtigste, ist? Gebe Gott, dass dies tief in die Herzen des Schreibenden und der Leser geprägt sein möge, so dass wir in unserem Leben mehr davon verwirklichen!

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