Der Sachwalter

Wir kommen jetzt zum Kernpunkt der Lehre vom Heiligen Geist, wie wir sie in Johannes 14–16 finden.

In den ersten Versen von Johannes 14 sagt der Herr Jesus, Er gehe zum Himmel zurück, um für die Seinen eine Stätte zu bereiten, und danach werde Er wiederkommen, um sie dorthin zu bringen. In den folgenden Versen spricht Er dann über die Zeit seiner Abwesenheit. Und in Vers 15–19 sagt Er: „Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote; und ich werde den Vater bitten, und Er wird euch einen anderen Sachwalter geben, dass Er bei euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie Ihn nicht sieht noch Ihn kennt. Ihr aber kennt ihn, denn Er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich werde euch nicht als Waisen lassen, Ich komme zu euch. Noch ein Kleines, und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber sehet mich: weil ich lebe, werdet auch ihr leben“.

In Vers 26 sehen wir, dass der Sachwalter der Heilige Geist ist. Aber der Herr spricht von Ihm in ganz anderer Weise als an allen Stellen, die wir bisher behandelt haben. Der Herr spricht nicht von dem Leben wie in den Kapiteln 3 und 20 oder von der Kraft, die in diesem Leben wirkt wie in Kapitel 4 und ebensowenig von Strömen lebendigen Wassers, die aus dem Gläubigen fließen sollen (Joh 7). Er spricht hier von einer Person, die mit Ihm zu vergleichen ist, weil sie das gleiche Wesen hat. Nur eine Person kann gesandt werden, kann bei und in uns bleiben, kann uns lehren und erinnern an das, was der Herr Jesus gesagt hat (V. 26), kann Zeugnis geben (15, 26), kann überführen (16, 8) und leiten, hören, reden, verkündigen, nehmen (16, 13–15). Wenn wir diese Abschnitte lesen, wird uns das sehr deutlich.

Diese Person wird durch den Vater gesandt (V. 26) und durch den Herrn Jesus mit sich selbst gleichgestellt. Das griechische Wort parakletos, welches hier durch „Sachwalter“ übersetzt ist, kommt im Neuen Testament nur fünfmal vor: viermal in den obengenannten Abschnitten, wo der Herr Jesus den Heiligen Geist so nennt, und einmal in 1. Johannes 2,1, wo der Herr Jesus so genannt wird. Die Bedeutung des Wortes parakletos wird nicht vollkommen durch Sachwalter, Fürsprecher oder Tröster wiedergegeben. Es bezeichnet jemanden, der für einen anderen auftritt und alle seine Interessen wahrnimmt.

Das hat der Herr Jesus für seine Jünger getan, als Er bei ihnen war (Lk 22,35–37; Joh 10,11). Nun geht Er von ihnen, und Er bittet sie, durch das Halten seiner Gebote ihre Liebe zu beweisen. Er werde seine Liebe zeigen, indem Er den Vater bitte, an seiner Statt einen anderen Sachwalter zu senden, der nicht nur für eine Zeit bei ihnen bleiben solle, wie Er nur drei Jahre bei ihnen gewesen sei. Dieser Sachwalter werde bis in Ewigkeit bei ihnen bleiben, ja, in Ihm werde der Herr selbst zu ihnen kommen (Joh 14,18). Und in Johannes 16,7 sagt der Herr sogar, es sei den Jüngern nützlich, dass Er weggehe, denn nur dann komme der andere Sachwalter. Aus allem geht hervor, dass es eine göttliche Person ist, die auf die Erde kommen soll, wenn der Sohn zum Himmel zurückkehrt. In Apostelgeschichte 5,3–4 wird dann auch ausdrücklich gesagt, dass der Heilige Geist Gott ist.

Gab es in den Tagen der Jünger eine wichtigere Tatsache als die, dass Gott der Sohn auf Erden war? Gibt es, nachdem der Herr Jesus zum Himmel zurückgekehrt ist, eine wichtigere Tatsache als die, dass Gott der Heilige Geist auf Erden wohnt? Gewiss, Er ist nicht Fleisch geworden wie der Sohn, aber Er wohnt ebenso wahrhaftig auf Erden. In der Tat, die Gegenwart des Sachwalters ist die große Tatsache der Zeit des Christentums. Und gibt es irgendetwas, dem weniger Rechnung getragen wird?

Im Alten Testament wirkte der Geist auf Erden, und die Gläubigen jener Zeit waren durch den Geist wiedergeboren. Aber nie wohnte der Geist auf Erden. Niemals hat Gott vor dem Erlösungswerk Christi bei Menschen gewohnt. Gott wohnte weder bei Adam noch bei Henoch noch bei Noah und auch nicht bei Abraham. Erst nachdem das Blut des Passahlammes geflossen war und die Israeliten durch das Rote Meer von Ägypten getrennt waren, konnte Gott inmitten des Volkes wohnen, wenn auch hinter dem Vorhang verborgen, da die wahre Erlösung noch nicht stattgefunden hatte (2. Mo 29,42–46). Und so auch jetzt. Erst nachdem das Werk der Erlösung zustande gekommen ist, kann der Heilige Geist bei uns wohnen – und zwar nicht nur für eine Zeit, so wie der Herr Jesus für eine Zeit bei den Jüngern war; Er wird in Ewigkeit bei uns bleiben.

Und wo wohnt Er? „Er wird in euch sein“ (Joh 14,17). „Wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euer selbst seid?“ (1. Kor. 6, 19). Diese göttliche Person kommt, um uns – unseren eigenen Leib – zu seiner Wohnstätte, zu seinem Tempel zu machen.

Aber wohnt die Sünde denn nicht in uns? Wie kann der Heilige Geist in solch einem Leib wohnen? Dies ist tatsächlich das Argument verschiedener Formen des Perfektionismus – „Christus und Belial können nicht in ein und demselben Tempel wohnen“. Und es ist wahr, unser Leib kann nicht der Tempel des Geistes Gottes und der des Belial sein.

Am großen Versöhnungstag sehen wir, wie Gott in der Mitte eines sündigen Volkes wohnen kann. „Und er tue Sühnung für das Heiligtum wegen der Unreinigkeiten der Kinder Israel und wegen ihrer Übertretungen, nach allen ihren Sünden; und ebenso soll er sie für das Zelt der Zusammenkunft tun, das bei ihnen weilt, inmitten ihrer Unreinigkeiten“ (3. Mo 16,16). Gott wohnt nicht mehr in mit Händen gemachten Gebäuden, sondern in Menschen. Und die Innewohnung des Heiligen Geistes ist das Zeugnis von der Vollkommenheit des Opfers Christi (Heb 10,14–15).

Aber der Geist wohnt nicht nur in jedem Gläubigen, „Er bleibt bei euch“. Er wohnt auch inmitten der Gläubigen. „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in (oder: unter) euch wohnt?“ (1. Kor. 3, 16). „In welchem auch ihr mitaufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,22). „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden“ (1. Kor 12,13). Wie sehr wird diese Wahrheit in der Christenheit praktisch verleugnet, auch in den orthodoxen Gruppen!

Die Welt kann den Heiligen Geist nicht empfangen, denn sie sieht Ihn nicht und kennt Ihn nicht (Joh 14,17). Gott der Sohn ist Fleisch geworden, um den Vater zu offenbaren, aber die Welt hat „gesehen und gehasst sowohl mich als auch meinen Vater“ (Joh 15,24). Nun verlässt der Sohn die Welt, und Gott der Geist kommt auf die Erde hernieder, aber Er wird nicht Fleisch wie der Sohn. Die Welt hat sich als der bittere Feind Gottes erwiesen, der sogar das letzte und größte Zeugnis Gottes verworfen hat (Mt 21,33–41). Nun gibt es für sie kein Angebot der Gnade mehr. Und sie, die nicht glauben wollte, kann den Tröster nicht sehen und kennt Ihn nicht. Aber wir kennen Ihn (Joh 14,17) – zuallererst durch das Wort des Herrn Jesus, das wir im Glauben annehmen, aber auch durch die Folgen der Gegenwart des Heiligen Geistes. Sollte eine göttliche Person in uns wohnen und in uns die Kraft sein zur Gemeinschaft mit Gott und zum Genießen alles dessen, was Gott uns gibt, ohne dass wir diese Person kennen? Römer 8,16 sagt es uns: „Der Geist selbst zeugt mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind“.

„Ich werde euch nicht als Waisen lassen, ich komme zu euch“, sagt der Herr Jesus (Joh 14,18). In dem Geist kommt Er zu den Seinen auf die Erde, und das ist ihr Trost. Und obwohl sie durch Gnade an Ihn als den Sohn Gottes geglaubt haben, werden sie Ihn nun doch auf eine viel wirklichere Weise sehen, als sie es jemals mit ihren natürlichen Augen getan haben; ihre Kenntnis wird viel tiefer sein. Der Heilige Geist ist gekommen, um das Haus Gottes auf Erden zu bauen, darin zu wohnen und die Gläubigen einzeln zu seinem lebendigen Tempel zu machen. Er ist gekommen, um uns zum Leib des Christus zu formen und so die Gläubigen eins zu machen mit Christus, dem Haupt in der Herrlichkeit (Eph 1,22).

Aber es geht hier noch weiter! „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben. An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass Ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch“ (Joh 14,19–20). Der Gläubige ist persönlich mit Christus vereinigt; Gemeinschaft in Natur und Leben wird hier gefunden. Der Heilige Geist ist die Kraft und das Band dieser Vereinigung. Nicht allein kenne ich Christus in der Herrlichkeit als den Gegenstand meines Herzens, sondern der Heilige Geist tut mir kund, dass ich mit Ihm vereinigt bin.

Das hat es im Alten Testament nie gegeben. Aber auch im 1000-jährigen Reich wird dies nicht gefunden werden. Wohl spricht Joel 3,1–2 von einer Ausgießung des Heiligen Geistes. Aber nirgends finden wir, dass der Heilige Geist auf Erden in den Gläubigen wohnen wird. Er wird niemanden zur Anbetung Gottes in das Allerheiligste leiten; der Vorhang ist dann nicht mehr zerrissen (Hes 41,23). In Hesekiel finden wir wohl Priester, die Priesterdienst ausüben, aber niemals im Allerheiligsten. Und der hölzerne Altar, der im Allerheiligsten stehen wird, wird in Hesekiel nicht benutzt. Ich glaube, es wird für die Priester ein Hinweis sein, dass ein anderes priesterliches Volk da ist, das in Gottes unmittelbarer Gegenwart dient, so wie auch in 3. Mose 16 die priesterliche Familie Aarons eine von dem Volk abgesonderte Stellung einnahm.

Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist stehen in diesem gesegneten Werk nicht getrennt. Der Heilige Geist kommt, um die Gemeinschaft zustande zu bringen, aber es ist der Vater, der Ihn in seiner Liebe sendet. Und Er sendet Ihn in dem Namen des Sohnes (Joh 14,26), auf dass der Sohn verherrlicht werde (Joh 16,14).

In seinem Leben auf Erden offenbarte der Herr Jesus den Vater in all seinen Wegen der Gnade und Liebe (Joh 1,18). Seine Worte waren die Worte des Vaters, der Ihn gesandt hatte (Joh 7,16–18; 14, 24). Der Heilige Geist würde die Jünger an diese Worte erinnern (Joh 14,26). Aber Er sollte auch zeugen von dem verherrlichten Jesus (Joh. 15,26; 16,13). So wie der Herr Jesus während seines Lebens auf Erden zugleich im Schoß des Vaters im Himmel war und dadurch den Vater kundmachen und die himmlischen Dinge, die Er gesehen hatte, mitteilen konnte (Joh 1,18; 3,11–13), so redet der Heilige Geist auf Erden zu den Gläubigen, was Er im Himmel von dem verherrlichten Jesus hört und sieht (Joh 16,13). Er, der selbst Gott ist, gepriesen in Ewigkeit, und eins mit dem Vater und dem Sohn, hat eine Stellung der Abhängigkeit eingenommen. Er lässt sich senden durch den Vater (Joh 14,26) und den Sohn (Joh 15,26), und Er spricht nicht aus (von) sich selbst, d. h. nicht unabhängig von dem Vater und dem Sohn.

Er erinnert die Jünger an die Worte, die der Herr Jesus gesprochen hat (Joh 14,26), so dass sie von dem Herrn zeugen können (Joh 15,27). Das finden wir in den Evangelien. Aber Er selbst gibt eine himmlische Ergänzung durch sein Zeugnis von der himmlischen Stellung des Herrn Jesus (das nur Er geben kann), auf dass auch sie davon wüssten und ihre Herzen sich darin erfreuten. Das finden wir in der Apostelgeschichte und den Briefen. Und das Kommende (Zukünftige) schließlich würde Er ihnen verkündigen (Joh 16,13), was wir dann auch in den Briefen und in der Offenbarung sehen.

Aber obwohl der Heilige Geist die gesegnete Quelle unserer Gefühle ist, kann Er nicht ihr Gegenstand sein, wie der Herr Jesus es ist. Als Gott lieben wir Ihn und preisen wir Ihn, aber Er ist nicht für uns Mensch geworden und gestorben, und wir können nicht mit Ihm vereinigt werden. Wir können von Ihm nicht wie von unserem Heiland sagen: „Denn sowohl Der, welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher Ursache willen Er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen“ (Heb 2,11). Der Heilige Geist hat sich zu uns nicht in das gleiche Verhältnis gestellt wie der Herr Jesus, der Sohn Gottes, der aber auch Mensch geworden ist und ewig bleiben wird und der in unserer Mitte war als ein Dienender.

Aber während dieser Jesus in der Herrlichkeit unser Fürsprecher bei dem Vater ist, haben wir auf Erden den „anderen Fürsprecher“, Gott den Heiligen Geist, der in uns und bei uns sein wird bis in Ewigkeit.

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