Wann empfängt der Gläubige den Heiligen Geist?

In der Apostelgeschichte finden wir die Erfüllung der Verheißungen. Während der Herr Jesus auf Erden lebte, hatte Gott offenbart, dass Er mit uns sei (,Emmanuel“, Mt 1,23), und der Glaube sieht in dem Tod und der Auferstehung Christi, dass Gott für uns ist (Röm 8,31–32). In Apostelgeschichte 2 aber finden wir Gott in uns. Das war nicht möglich, bevor das kostbare Blut Christi vergossen war. Wo das Blut gesprengt ist, dahin kann der Heilige Geist kommen, und da kann Er wohnen (2. Mo 29,41–46; 3. Mo 14,14–18). Vor dem Kreuz hatte der Heilige Geist nur in einem Menschen, dem Herrn Jesus, gewohnt. Nur in diesem Flekkenlosen, Vollkommenen konnte Er wohnen, ohne dass vorher Blut vergossen worden war. Aber jetzt war das Opfer dargebracht, und das Blut der Versöhnung war geflossen. Der Herr sagte seinen Jüngern, sie würden innerhalb weniger Tage mit dem Heiligen Geist getauft werden (Apg 1,5). Zehn Tage nach der Himmelfahrt finden wir dies dann auch erfüllt.

Apostelgeschichte 2 gibt uns eine ausführliche Beschreibung dieser Tatsache. So wie die Geburt des Herrn Jesus durch sichtbare Zeichen offenbart wurde, so erschienen auch besondere Zeichen, als Gott der Geist herniederkam, um auf Erden zu wohnen. Gott gab von diesem einmaligen Geschehen ein doppeltes äußeres Zeichen. Das Haus ganz allgemein wurde erfüllt, und daneben zeigten sich auf jedem Einzelnen die zerteilten Zungen wie von Feuer, und sie redeten in anderen Sprachen. Diese doppelte Wahrheit: „Er bleibt bei euch und wird in euch sein“ (Joh 14,17) finden wir immer wieder. Er hat alle Gläubigen zu einem Leib getauft (1. Kor. 12, 13), und dieser Leib, die Versammlung, als Haus Gottes gesehen, wird in 1. Korinther 3,16 Gottes Tempel genannt, in dem der Heilige Geist wohnt. Die Stätte, wo die Jünger beteten, bewegte sich (Apg 4), und in Apostelgeschichte 5 wird gesagt, Ananias und Sapphira hätten Gott den Heiligen Geist belogen, als sie der Versammlung die Unwahrheit sagten. Gott war in der Person des Heiligen Geistes herniedergekommen und wohnte in der Versammlung, und das ist auch heute noch so. Auf einer der nächsten Seiten werden wir hierauf näher eingehen. – Aber daneben finden wir das Zeugnis auf jedem Einzelnen: Zerteilte Zungen wie von Feuer. Es waren Zungen – was auf Sprechen hinweist –, aber zerteilte Zungen: Das Zeugnis geht aus zu jedem Volk unter dem Himmel. Die Sprachen bestätigen dies.

Es ist sehr wichtig, zu untersuchen, wann und wie Menschen den Heiligen Geist empfangen können. Die Ansichten der Menschen hierüber gehen weit auseinander, doch sagt die Schrift es uns deutlich: „Nachdem ihr geglaubt habt, [seid ihr] versiegelt worden ... mit dem Heiligen Geist der Verheißung“ (Eph 1,13). Und auch die Beispiele in der Apostelgeschichte sind nicht undeutlich. In Kapitel 2, 38 sagt der Apostel Petrus: „Tut Buße, und ein jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“. Hier wird nicht von dem Glauben gesprochen wie in Apostelgeschichte 16,31 und Epheser 1. War er denn nicht nötig, oder war die Buße nicht nötig? Gewiss, beides ist nötig. Der sündige Mensch muss sich bekehren, und er muss an die Person und das Werk des Herrn Jesus glauben. Aber Gott sieht die Herzen an, und darum spricht Paulus bei dem Kerkermeister von Glauben und Petrus bei den Juden von Buße. Die stolzen, hochmütigen Juden mussten sich von dem Volk, auf das sie stolz waren, absondern und sich öffentlich zu Jesu bekennen, indem sie sich taufen ließen auf diesen verachteten Namen, dessen Träger sie verworfen und gekreuzigt hatten, sie mussten Buße tun und ihre Sünde und Schuld erkennen. So würden sie Vergebung empfangen und des Heiligen Geistes teilhaftig werden. Wir sehen, dass das Letztere von selbst auf die Buße und den Glauben an den Herrn Jesus folgt. Es ist nicht ein Vorrecht Einzelner, sondern gilt für alle.

In Apostelgeschichte 8 finden wir einen ganz anderen Gang der Dinge. Die Samariter hatten das Evangelium angenommen und waren auf den Namen des Herrn Jesus getauft worden. Aber niemand hatte den Heiligen Geist empfangen. Stand dies nicht in absolutem Widerspruch zu Epheser 1? Ich glaube, für diese Abweichung besteht ein wichtiger Grund. Wie bekannt, herrschte zwischen den Juden und den Samaritern große Verbitterung, vor allem auch wegen der Stätte der Anbetung (Joh 4,20). Wenn die gläubigen Samariter unmittelbar nach der Predigt des Philippus den Heiligen Geist empfangen hätten, also auf die gleiche Weise wie die gläubigen Juden, wäre dann die Gefahr zur Eifersucht nicht groß gewesen, auch zwischen den Gläubigen dieser beiden Orte? Wäre dadurch nicht von Anfang an die Einheit bedroht gewesen? Außerdem hatte der Herr dem Petrus die Schlüssel des Reiches der Himmel gegeben. Deshalb empfingen sie den Heiligen Geist erst, nachdem Petrus und Johannes gekommen, für sie gebetet und ihnen als Zeichen der Einheit die Hände aufgelegt hatten.

In Apostelgeschichte 10 finden wir wieder einen anderen Verlauf. Kornelius und die Seinen gehörten zu den Nationen, aber sie hatten ohne Zweifel Buße getan und waren wiedergeboren. Sie hatten das Evangelium gehört (V. 36), aber sie wussten nicht, ob es auch für sie galt. Petrus, durch eine besondere Offenbarung hierüber belehrt, öffnet die Tür für die Nationen (V. 35), und nachdem sie das Wort, „dass jeder, der an Ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch seinen Namen“, gehört und geglaubt hatten, fiel der Heilige Geist auf sie mit den gleichen äußeren Zeichen wie in Jerusalem. Hier ist also nichts voraufgegangen, keine Gebete, kein Händeauflegen und nicht einmal eine Taufe.

Einen vierten Fall finden wir in Apostelgeschichte 19. Dort sehen wir eine Anzahl Gläubige, die mangelhaft unterwiesen waren. Sie hatten das Evangelium von einem kommenden Erlöser gehört, wussten aber nicht, dass das Versöhnungswerk vollbracht und das Blut gesprengt war. Deshalb konnten sie nicht an das vollbrachte Werk Christi glauben und auf Grund dessen den Heiligen Geist empfangen. Sie wussten nicht einmal, dass die alttestamentliche Verheißung, von der auch ihr Lehrer Johannes der Täufer so oft gesprochen hatte, erfüllt war. Aber nachdem Paulus sie unterwiesen und sie die christliche Taufe empfangen hatten, kam der Heilige Geist auf sie. Paulus, der Heidenapostel, legt diesen gläubigen Juden die Hände auf, und sie empfangen den Heiligen Geist, wie einst die Samariter nach dem Händeauflegen durch Petrus und Johannes den Heiligen Geist empfingen. Gott zeigt, dass die Autorität des Heidenapostels nicht weniger groß war als die der Zwölf.

Aus allen diesen Abschnitten geht hervor, dass jeder, der Buße tut und an den Herrn Jesus glaubt, den Heiligen Geist empfängt. Das gilt sowohl für Juden als auch für Nichtjuden. Wohl ist ein Unterschied da, denn die Juden mussten erst mit der christlichen Taufe getauft sein, während wir dies bei Gläubigen aus den Nationen nirgends finden. Aber der allgemeine Grundsatz bleibt bestehen: jeder, der an den Herrn Jesus und an sein vollbrachtes Werk glaubt, empfängt den Heiligen Geist, Und was uns betrifft, die wir keine Juden sind, wir brauchen hierzu kein Händeauflegen und keine apostolische Autorität: „Nachdem ihr geglaubt habt, [seid ihr] versiegelt worden ... mit dem Heiligen Geist der Verheißung“ (Eph 1,13).

Gewiss kann zwischen der Bekehrung bzw. Wiedergeburt einerseits und dem Empfangen des Heiligen Geistes andererseits einige Zeit vergehen, denn es sind ganz verschiedene Dinge. Es kann sein, dass, wie bei Paulus, eine tiefe Übung in der Seele stattfindet, bevor sie in den Genuss der vollen Freiheit kommt. Es ist sogar möglich, dass durch das Nichtverstehen des vollen Evangeliums – sei es, weil man ein unvollständiges Evangelium hört, sei es infolge anderer Ursachen – die bekehrte, wiedergeborene Seele „das Evangelium eures Heils“ nicht völlig glaubt, sondern sich mit sich selbst beschäftigt, indem sie gegen die Sünde und gegen sich selbst arbeitet und kämpft usw. und dadurch den Heiligen Geist nicht empfängt. Aber Gottes Wille ist, dass die bekehrte Seele das volle Evangelium glaubt, wonach sie auch unmittelbar den Heiligen Geist empfängt und in den vollen Genuss all dessen tritt, was uns durch das Werk Christi bereitet ist.

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