Einführende Vorträge zum Johannesevangelium

Kapitel 13

Einführende Vorträge zum Johannesevangelium

Kapitel 13 führt in einen besonderen Abschnitt unseres Evangeliums. Ein volles Zeugnis war abgelegt worden, und zwar nicht, weil auf den Menschen Verlass war, sondern um der Herrlichkeit Gottes willen. Doch jetzt bricht Christus seinen Umgang mit dem Menschen ab (obwohl die Zeit des Abendessens gekommen und nicht beendet war) und nimmt einen Platz ein, der seiner Herrlichkeit – sei es die innere, sei es diejenige in Bezug auf die äußeren Dinge, sei es die Ihm übertragene – angemessen ist. Gleichzeitig gibt Er – wie gesegnet! – den Seinen ein Teil  mit Ihm in jener himmlischen Herrlichkeit, anstatt auf der Erde über Israel zu herrschen.

Bevor ich heute Abend schließe, kann ich auf diese Dinge nur kurz aufmerksam machen, um mein Thema in der mir zugemessenen Zeit behandeln zu können. Glücklicherweise ist es nicht nötig, so lange bei diesen Kapiteln zu verweilen, wie man eigentlich müsste, weil sie vielen hier verhältnismäßig vertraut sind. Sie sind den Kindern Gottes im Allgemeinen sehr kostbar.

Zunächst einmal: Unser Herr hatte sein Zeugnis an die Menschen, sowohl die Juden als auch die Welt, beendet. Er wandte sich jetzt an die Seinen in dieser Welt. Sie waren die unerschütterlichen und beständigen Gegenstände seiner Liebe. Er stand im Begriff, diese Welt zu verlassen, um an jenen Ort zu gehen, welcher sowohl seiner inneren Natur entsprach als auch der Herrlichkeit, welche der Vater für Ihn bestimmt hatte. Folglich wollte unser Herr ihnen, bevor Er in den Himmel ging (eine für Ihn als Mensch neue Stellung) seine zunehmende Liebe zu ihnen beweisen. Dabei wusste Er ganz genau, was der Feind durch die Bosheit des einen von ihnen und die Schwachheit eines anderen bewirken würde. Er gab ihnen also ein sichtbares Zeichen von einer Wahrheit, die sie erst später verstehen konnten. Es spricht vom Dienst der Liebe, in dem Er für sie verharren wollte, wenn Er, im Gegensatz zu ihnen, nicht mehr in der Welt sein würde. Dieser Dienst ist genauso wirklich wie jeder andere, den Er für sie getan hatte, als Er in der Welt war, und, wenn möglich, noch bedeutungsvoller als irgendeiner, den sie schon kennen gelernt hatten. Außerdem stand dieser Dienst seiner Gnade in Verbindung mit seiner neuen Stellung im Himmel. Das heißt: Er gab ihnen ein Teil mit sich selbst außerhalb der Welt. Das war nicht mehr jene Güte Gottes, die ihnen in der Welt begegnet war. Er verließ die Welt, um in den Himmel einzugehen – von woher Er kam –, und wollte sie mit sich verbinden und sie dort an seinen Segnungen teilnehmen lassen. Obwohl Er Herr über alles war, stand Er im Begriff, in die Gegenwart Gottes, seines Vaters, zu treten, um sich als ihrer aller Diener bis hinab zum Waschen ihrer Füße, die beim Gang über diese Erde beschmutzt werden, zu offenbaren. Es geht hier also genau genommen nicht um das Leiden für Sünden, sondern um den Dienst der Liebe für Heilige. Er wollte sie für die Gemeinschaft mit Ihm passend machen, bevor sie selbst ihr Teil an jenem himmlischen Schauplatz mit Ihm finden würden, zu dem Er bald gehen sollte. Das ist die Bedeutung, die wir in der Fußwaschung sehen können. Kurz gesagt, handelt es sich um die Anwendung des Wortes Gottes durch den Heiligen Geist, um alles das zu beseitigen, was die Gemeinschaft mit Christus im Himmel stört. Diese Handlung des Geistes auf der Erde entspricht der Tätigkeit Christi, wenn Er sich droben mit den Angelegenheiten der Heiligen eins macht. Der Geist Gottes bewirkt in der Zwischenzeit ein gleiches Werk in den Jüngern hienieden, um sie in der Gemeinschaft mit Christus dort zu bewahren oder wiederherzustellen. Sie sollen ausschließlich bei Ihm bleiben. Inzwischen bewirkt und erhält Er durch den Gebrauch des Wortes seitens des Heiligen Geistes diese praktische Gemeinschaft mit sich selbst im Himmel. Der Herr deutete ihnen dann an, dass seine Tat eine offenkundig verborgene sinnbildliche Bedeutung hat. Andererseits waren in der Fußwaschung natürlich auch die Liebe und Niedriggesinntheit Christi eindeutig zu erkennen. Diese Charakterzüge und noch viel mehr hatte Er schon überreichlich und in jeder seiner Taten geoffenbart. Sie waren es demnach nicht – und konnten es auch nicht sein –, auf die Er hier anspielte. Auch Petrus war damals noch unwissend; er sollte aber später verstehen. Die demütige Liebe seines Lehrers war tatsächlich so offensichtlich, dass der feurige, aber voreilige Jünger daran Anstoß nahm. Jedenfalls sollten wir ohne Einwände oder Zögern voraussetzen, dass ein tieferer Sinn in der einfachen, doch nachdenklich stimmenden Handlung Jesu verborgen lag. Ihre Bedeutung konnte sogar der Erste der Jünger damals nicht ahnen. Doch nicht nur er, sondern jeder sollte jetzt festhalten, dass diese Wahrheit im Christentum verwirklicht wird, d. h. in der Handlungsweise Christi mit den Beschmutzungen der Seinen.

Wir müssen im Gedächtnis behalten, dass diese Waschung nicht mit Blut, sondern mit Wasser geschieht. Sie erfolgt für solche, die schon in seinem Blut von ihren Sünden gewaschen sind, aber nichtsdestoweniger noch mit Wasser gewaschen werden müssen. Es wäre tatsächlich gut, wenn wir uns die Worte unseres Herrn Jesus sorgfältiger ansehen würden. Neben der Waschung mit Blut ist auch die Waschung mit Wasser nötig, und zwar in zweifacher Hinsicht. Die Waschung der Wiedergeburt geschieht nicht durch Blut, obwohl sie untrennbar mit der Erlösung durch Blut in Verbindung steht. Beide Handlungen sind ein für allemal geschehen. Zusätzlich zur Waschung der Wiedergeburt beschäftigt sich jedoch die Gnade ständig mit dem Gläubigen in dieser Welt. Das Wort muss unablässig durch den Heiligen Geist auf die Seele angewandt werden, um alles aufzudecken, was im Widerspruch dazu steht. Das veranlasst den Gläubigen, sich in den Einzelheiten des täglichen Lebens hienieden zu richten.

Beachte den Unterschied zwischen den Forderungen des Gesetzes und der Handlungsweise des Herrn in diesem Fall! Unter dem Gesetz wusch der Priester sich selbst, und zwar Hände und Füße. Hier wäscht Christus ihre Füße. Muss ich noch sagen, wie weit die Gnade die symbolische Handlung unter dem Gesetz überragt?

Danach folgt in Verbindung und im Gegensatz hierzu der Verrat des Judas. Sieh', wie der Herr die Treulosigkeit seines vertrauten Freundes fühlt! Wie ist Er im Geist erschüttert! Es war ein tiefer Schmerz, ein neues Beispiel von dem, womit wir uns schon beschäftigt haben.

Zuletzt spricht unser Heiland am Ende des Kapitels, als der Weggang des Judas zur Ausführung seines Vorhabens noch einmal alles vor seine Blicke stellt, erneut von seinem Tod und der Verherrlichung Gottes durch denselben. Im Wesentlichen geht es hier nicht um die Vergebung oder die Erlösung der Jünger. Doch wer wüsste nicht, dass nirgendwo sonst als nur in diesem Tod ihre Segnungen sichergestellt sind? Gott wurde im Sohn des Menschen in den schwersten Umständen verherrlicht, und zwar viel mehr, als wenn es keine Sünde gegeben hätte. Folglich würde Gott Ihn als Frucht seiner Verherrlichung in seinem Tode „in sich selbst ... alsbald“  verherrlichen. Genau das sollte jetzt geschehen. Wir müssen wieder den Gegensatz zum Judentum beachten. Die Hoffnung der Juden besteht in der Offenbarung der Herrlichkeit Christi auf der Erde in der Zukunft. Johannes zeigt uns hier die unmittelbare Verherrlichung Christi in der Höhe. Sie wartete nicht auf die Zukunft oder besondere irdische Umstände, sondern folgte unmittelbar auf das Kreuz. Doch dort war Christus allein. Niemand konnte Ihm folgen – kein Jünger, noch weniger ein Jude, so wie Petrus einer war. Trotz seiner Selbstsicherheit erwies dieser sich als schwach, wie er zu seinem Schaden erfahren musste. Zuerst musste die Bundeslade in den Jordan gehen. Aber jetzt dürfen wir folgen, wie Petrus es triumphierend später tat.

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