Fragen zu biblischen Themen

Erkennen - Wissen

Fragen zu biblischen Themen

In der Heiligen Schrift wird sehr oft von

›erkennen‹ und ›wissen‹

gesprochen – zwei Begriffe und Wörter, die nicht genau dasselbe bedeuten, sondern in ihrer Anwendung im Neuen Testament deutlich voneinander unterschieden werden.

Das erste Wort, ›ginósko‹ = ›erkennen, kennen lernen, wissen‹, bezeichnet eine Kenntnis, in die man von außen her eintritt. Man kann dieses Wissen durch Erfahrung oder Beobachtung, durch Studium oder Mitteilung seitens eines anderen erlangt haben. Ich kann zum Beispiel eine Fremdsprache erlernen. Eines Tages kenne ich sie dann, habe eine Kenntnis auf diesem Gebiet. Oder ich habe durch Erfahrung kennen gelernt, wie unzuverlässig der Mensch ist. Dann weiß ich etwas davon, was der Mensch ist. Oder es hat mir jemand den Sachverhalt einer Angelegenheit genau geschildert. Dann habe ich kennen gelernt, wie sich die Sache wirklich verhält. Das ist ›ginósko‹.

Es ist unmöglich, auch nur annähernd die verschiedenen Vorkommen von ›ginósko‹ im Neuen Testament aufzuzeigen. Doch sollen einige weitere Beispiele den Gebrauch dieses Wortes verdeutlichen, damit wir dann später den Unterschied zu dem anderen Wort besser verstehen lernen.

In Markus 13 sagt der Herr Jesus zu Seinen Jüngern: „Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon weich wird und die Blätter hervortreibt, so erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist“ (Vers 28). Es war eine durch Beobachtung und Erfahrung erworbene menschliche Kenntnis, auf die der Herr hinwies. Auf gleiche Weise sollten sie im geistlichen Sinne erkennen, „dass es nahe an der Tür ist“, wenn sie all die geschilderten Dinge der Endzeit geschehen sehen (Vers 29). Wir finden das Wort auch in Johannes 15, Vers 18: „Wenn die Welt euch hasst, so wisst (oder: erkennt), dass sie mich vor euch gehasst hat.“ Es war ein auf ihrer Seite durch leidvolle Erfahrung erworbenes Wissen, dass die Welt ihren Herrn hasste. Und in 1. Johannes 3 lesen wir: „Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat“ (Vers 1). Die Welt kann nicht von außen her in das eintreten, was das Wesen der Kinder Gottes ausmacht: Sie kann das göttliche Leben in ihnen ebenso wenig erfassen, wie sie das Wesen des Sohnes Gottes selbst zu erfassen vermochte.

Die gottlosen Menschen kennen weder Gott noch erkennen sie Seine Wege (Röm 3, 17; Heb 3, 10). Demgegenüber kennt Gott das Herz der Menschen und weiß um ihre Absichten (Lk 16, 15; 1. Kor 3, 20). Und dass der Herr „die Seinen“ kennt, erfüllt sie gerade in Tagen des Verfalls mit tiefem Trost. Sie selbst sind zur Erkenntnis (gr. gnósis) Gottes und des Herrn Jesus gebracht worden (1. Kor 1, 5; 2. Kor 10, 5; Phil 3, 8; Kol 2, 3) und sollen in dieser Erkenntnis wachsen (2. Pet 3, 18). Welch eine Gnade, dass sie durch den Besitz des göttlichen Lebens und des Heiligen Geistes von Gott selbst dazu befähigt sind!

Ehe wir auf das andere Wort für ›wissen‹ zu sprechen kommen, sei noch bemerkt, dass ›ginósko‹ = ›erkennen‹ und das entsprechende Hauptwort ›gnósis‹ = ›Erkenntnis‹ oft durch die Vorsilbe ›epí‹ verstärkt werden und dann ›völlig erkennen‹ beziehungsweise ›volle Erkenntnis‹ bedeuten. So finden wir zum Beispiel in 1. Korinther 13, Vers 12, beide Ausdrücke miteinander: „Jetzt erkenne ich (ginósko) stückweise, dann aber werde ich erkennen (epiginósko), wie auch ich erkannt worden bin (epiginósko).“ Jetzt treten wir nur Stück für Stück in die Erkenntnis der Dinge Gottes ein – zu wunderbar, zu erhaben sind sie für unseren menschlichen Geist. Sind wir aber erst einmal in die Herrlichkeit eingetreten, werden wir eine umfassende, absolute Erkenntnis erlangen, werden in derselben Weise erkennen, wie Er uns erkannt hat.

Nun zu ›oída‹, dem anderen Wort. Es ist von ›idein‹ = ›sehen‹ abgeleitet und bedeutet wörtlich ›[mit dem geistigen Auge] gesehen haben‹, so dass es die Bedeutung von ›wissen, (er)kennen, verstehen‹ hat. Dieses Wort bezeichnet ein inneres, bewusstes Wissen. Es wird deshalb oft für die Bezeichnung der Art und Weise benutzt, wie Gott die Dinge weiß und kennt. Er tritt nicht nur von außen her in das Wissen ein, wie wir es vorher bei dem Wort ›ginósko‹ fanden, sondern Ihm ist ein Wissen eigen, das Er nicht irgendwie erlangt hat: Er hat es in Sich selbst. Dazu einige Beispiele:

Unser himmlischer Vater weiß, was wir nötig haben (Mt 6, 8.32). Auch konnte allein der Sohn Gottes sagen: „Wir reden, was wir wissen“ (Joh 3, 11). Diese Ausdrucksweise ist umso bedeutsamer, als der Herr Jesus einen Vers vorher von Nikodemus sagt: „Du bist der Lehrer Israels und weißt (ginósko) das nicht?“

Der Herr kannte, wusste (oída) die Gedanken der Menschen (Mt 12, 25), obwohl es auch wahr ist, dass Er ihre Ratschläge erkannte (ginósko) (Vers 15). Er kannte (oída) auch den, der Ihn überliefern (Joh 13, 11), ja, wusste alles, was über Ihn kommen würde (Joh 18, 4) – ohne dass Ihm eine menschliche Zunge davon Mitteilung gemacht hätte. Als der verherrlichte Sohn des Menschen kann Er, den inneren Zustand der örtlichen Versammlungen beurteilend, sagen: „Ich kenne deine Werke“;

„Ich kenne deine Drangsal“; „Ich weiß, wo du wohnst“ (Off 2, 2.9.13.19; 3, 1.8.15). Stets wird dabei das Wort ›oída‹ benutzt. Da die Kinder Gottes die göttliche Natur, das ewige Leben, besitzen und zudem die Salbung des Heiligen Geistes empfangen haben, haben auch sie die Fähigkeit erlangt, göttliche Dinge zu wissen. Deswegen benutzt der Apostel Johannes in seinem ersten Brief sehr häufig den Ausdruck ›wir wissen‹, womit er dem falschen Wissen der so genannten Gnostiker entgegentritt. Eine bedeutsame Stelle findet sich in Kapitel 2, Vers 20: „Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisst (oída) alles.“ Beachten wir, er sagt nicht: „Ihr kennt (ginósko) alles.“ Das wäre alles andere als wahr. Kinder Gottes haben ständig zu lernen, und es gibt in der Heiligen Schrift noch unendlich viele Dinge, die sie kennen zu lernen haben. Und trotzdem wissen sie alles, haben sie durch den Besitz des Heiligen Geistes die Fähigkeit, alles, was an sie herankommt, zu beurteilen, ob es von Gott kommt oder nicht.

Im 29. Vers desselben Kapitels kommen beide Wörter vor: „Wenn ihr wisst (oída), dass er gerecht ist, so erkennt (ginósko), dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus ihm geboren ist.“ Es ist ein bewusstes, inneres Wissen der Kinder Gottes, dass Gott gerecht ist. Und wenn sie jemand die Gerechtigkeit tun sehen, so können sie daran wahrnehmen, dadurch erkennen, dass er aus Gott geboren ist und ebenfalls zu der Familie der Kinder Gottes gehört – zu der Familie derer, die wissen (oída), dass sie „aus dem Tode in das Leben hinübergegangen sind“ (Kap. 3, 14). Glückseliges Bewusstsein!

Den Juden musste der Herr sagen, dass sie Seinen Vater nicht erkannt (ginósko) hatten: Bei ihnen hatte der Prozess des Kennenlernens noch gar nicht begonnen. Doch Er fährt fort:

„Aber ich kenne (oída) ihn“ (Joh 8, 55). Er, der Sohn des Vaters, hatte eine intime, innere Kenntnis von Ihm und musste Ihn nicht kennen lernen.

„Was ich tue, weißt du (oída) jetzt nicht“, sagt der Herr bei der Fußwaschung zu Petrus, „du wirst es aber nachher verstehen (ginósko)“ (Joh 13, 7). Auch hier haben wir beide Wörter in einem Satz. Petrus erfasste nicht die tiefe Bedeutung dessen, was der Herr tat; aber er würde später dahingeführt werden, es zu verstehen.

Dieser Vers ist – ein wenig frei, gewiss – auf die Wege Gottes mit Seinen Kindern hier auf der Erde angewandt worden, und auch in diesem Sinn hat der Unterschied der beiden benutzten Wörter seine Bedeutung. Tatsächlich sind Seine Pfade mit uns „in großen Wassern“ und Seine Fußstapfen nicht bekannt (Ps 77, 20). Sie können von uns im Allgemeinen nicht verstanden werden. Wir haben kein inneres Bewusstsein von dem Wesen dieser Wege. Etwas wissen wir (oída) jedoch schon jetzt – und das ist ein tiefes, inneres Bewusstsein, das wir durch das Wort Gottes haben: „dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken“ (Röm 8, 28). Aber es kommt die Zeit, Geliebte, dass wir durch die Gnade Gottes dahin geführt werden, Seine Wege mit uns zu verstehen (ginósko). In der Herrlichkeit wird Er uns zeigen, und wir werden völlig erkennen (epiginósko; 1. Kor 13, 12), dass Seine Wege recht und in der Tat vollkommen waren. Heute glauben wir es.

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