Fragen zu biblischen Themen

Seinen Bruder hassen

Fragen zu biblischen Themen

Frage: Wie ist die Stelle zu verstehen: „Wer da sagt, dass er in dem Licht sei, und hasst seinen Bruder, ist in der Finsternis bis jetzt. … Wer aber seinen Bruder hasst, ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht, weil die Finsternis seine Augen verblendet hat“ (1. Joh 2, 9 und 11)? Handelt es sich um einen Bruder in Christus oder um einen leiblichen Bruder? Kann ein Bruder in Christus einen anderen Bruder in Christus hassen?

Antwort: Die Anfangsworte: „Wer da sagt“ sind für das Verständnis dieser Stelle Ausschlag gebend. Gott prüft das Bekenntnis. Schon zu jener Zeit, als der greise Apostel Johannes diese Worte niederschreiben musste, gab es unter den Kindern Gottes solche, die nur ein christliches Bekenntnis hatten; sie hatten wohl den Namen, dass sie lebten, waren aber tot (vgl. Off 3, 1). Damit die wahren Kinder Gottes solche erkennten, gibt Johannes in dem zweiten Kapitel zwei herausragende Kennzeichen des neuen, göttlichen Lebens an: Gehorsam (Vers 3ff) und Bruderliebe (Verse 9–11). Ein wahrer Bekenner wird grundsätzlich Gehorsam und Liebe offenbaren. Er wird das gewiss auch nur unvollkommen tun, was seinen praktischen Wandel angeht; grundsätzlich aber sind sie bei ihm vorhanden; denn er ist aus Gott geboren, und Gott ist Licht und Liebe. Der unechte Bekenner, in dessen Seele kein echtes Werk Gottes geschehen ist, mag sich eines hohen Bekenntnisses, ja sogar „neuer Wahrheiten“, „neuen Lichtes“ rühmen; er mag sich auf christlichem Gebiet eifrig betätigen. Eines aber wird er nie zeigen: wirklichen Gehorsam dem Willen Gottes gegenüber und wahre Liebe zu den Brüdern.

Weiter ist zum Verständnis dieser Stelle zu beachten, dass Gott den Menschen immer auf dem Boden stehen lässt und ihm immer auf dem Boden begegnet, auf dem zu stehen er vorgibt. Bekennt daher jemand, ein ›Bruder‹ zu sein, nun, dann zeige er, dass er den, dessen Bruder er zu sein bekennt, liebt. Fehlt diese Liebe, das heißt, hasst er ihn, dann ist auch sein Anspruch, „in dem Licht zu sein“, unecht: Er „ist in der Finsternis bis jetzt“.

Die Ausdrucksform „in der Finsternis bis jetzt“ zeigt, dass er trotz seines Anspruchs, in dem Licht zu sein, noch nie woanders war als in der Finsternis. Er ist ein bloßer Bekenner, ein natürlicher Mensch, der den Geist nicht hat. Er „ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht, weil die Finsternis seine Augen verblendet hat“. Das ist nicht die Beschreibung eines wiedergeborenen Kindes Gottes.

Von denen, die durch das Blut Jesu Christi von aller Sünde gereinigt sind, sagt vielmehr derselbe Schreiber, dass sie „in dem Licht wandeln, wie er in dem Licht ist“ (Kap. 1, 7). Wohl wandeln sie nicht immer gemäß dem Licht, aber sie wandeln in dem Licht. Dass auch wahre Kinder Gottes zu bösen Gefühlen und Taten fähig sind, weil sie noch das Fleisch in sich haben, ist allzu wahr und erwiesen. Aber wie ein Schaf, das in Morast versunken ist, sich alsbald daraus zu befreien sucht, so kann der Gläubige nicht im Bösen leben. Es ist nicht sein Wesen.

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