Fragen zu biblischen Themen

Ehescheidung und Brotbrechen

Fragen zu biblischen Themen

Frage: In Römer 7, Vers 3, heißt es: „Also wird sie denn, während der Mann lebt, eine Ehebrecherin genannt, wenn sie eines anderen Mannes wird; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei von dem Gesetz, so dass sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen Mannes wird.“ Diese Stelle wird von einigen so gedeutet, dass es für eine Schwester im Herrn, die von ihrem Mann geschieden wurde, grundsätzlich unmöglich ist, am Brotbrechen teilzunehmen, solange ihr erster Mann noch lebt. Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn die Schwester sich scheiden ließ, als sie noch ungläubig war (Fall 1)? Wie, wenn sie von dem Mann verstoßen wurde (Fall 2)? Und wie, wenn sie die Ehescheidung als eine Lösung ihrer Eheprobleme gewählt hatte, als sie bereits gläubig, aber in einem bösen Zustand war und deswegen auch ausgeschlossen wurde (Fall 3)? Wenn die betreffende Person alles bereut und verurteilt hat, hat dann 1. Johannes 1, Vers 9, nicht volle Gültigkeit? Oder muss man in solchen Fällen auf die Beurteilung seitens der Welt Rücksicht nehmen, die auch Zeuge von solchen Vorfällen ist, und solch eine Person als für das Zeugnis unpassend erklären? Meine Fragen erstrecken sich natürlich genauso auf einen geschiedenen Bruder.

Antwort: Die Verse 2 und 3 in Römer 7 haben in keiner Weise mit dem Brotbrechen oder damit zu tun, wer daran teilnehmen darf. Vielmehr benutzt der Apostel Paulus das „Gesetz des Mannes“, eben den in den beiden Versen geschilderten Sachverhalt in Bezug auf die Ehe, um anhand dieses Beispiels zu erläutern, dass der wahre Christ durch den Tod des Herrn Jesus von dem mosaischen Gesetz und dessen Forderungen an ihn freigemacht worden ist und er nun einen anderen „Ehemann“ hat – Christus. Dass diese Verse die Unlösbarkeit der Ehe und die Ungöttlichkeit ihrer Scheidung indirekt bestätigen, steht jedoch außer Frage.

Was die Frage der Teilnahme am Tisch des Herrn angeht, nimmt die Versammlung den Menschen auf der Stufe an, auf der er vor Gott steht – als bußfertigen, bekehrten, erretteten Sünder. Aufgrund des Opfers Christi vergab Gott ihm die ganze Sündenlast im Blick auf die Ewigkeit (1. Joh 1, 9), und auf demselben Boden der Gnade vergibt ihm die Versammlung im Blick auf den ihr anvertrauten Bereich der Gemeinschaft hier auf der Erde (Mt 18, 18; Joh 20, 23), das heißt, sie lässt ihn zur Teilnahme am Tisch des Herrn zu.

Die Versammlung hat keineswegs die Aufgabe, das ganze Leben des Menschen vor seiner Bekehrung zu durchforschen. Es ist sowieso nur Sünde. So war es bei uns, ehe wir uns zu Gott bekehrten; so ist es bei jedem, der zum Glauben kommt. Wir vergessen das manchmal. Die Versammlung hat vielmehr zu fragen, ob Buße zu Gott und Glauben an den Herrn Jesus vorhanden ist. Wenn ja, dann hat Gott dem Menschen vergeben, und dann darf auch die Versammlung vergeben. Der Apostel nennt in 1. Korinther 6, Verse 9 und 10, Hurer, Götzendiener, Ehebrecher, Weichlinge, Knabenschänder, Diebe, Habsüchtige, Trunkenbolde, Schmäher, Räuber und fügt in Vers 11 hinzu: „Und solches sind einige von euch gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerecht“.

Die Tatsache also, dass jemand vor seiner Bekehrung ein Ehebrecher oder ein Trunkenbold war, ist an sich durchaus kein Hinderungsgrund zur Teilnahme am Brotbrechen. Lasst uns immer nur fragen, was wir denn vor unserer Bekehrung waren. „Und solches sind einige von euch gewesen – aber ihr seid abgewaschen.“ Wunderbare Gnade Gottes! Es gibt überhaupt kein Böses, so schrecklich und ernst und verdammungswürdig es auch ist, das einen Gläubigen auf die Dauer von der Gemeinschaft am Tisch des Herrn fernhalten kann, wenn er es nur fühlt, darüber vor Gott Buße tut und es vor Gott und Menschen bekennt. Das ist die wunderbare Gnade, die wiederherstellende Gnade Gottes. Auf dieser Grundlage der Gnade steht die Versammlung, und auf dieser Grundlage handelt sie auch und vergibt ihrerseits. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Fragenbeantwortung unter der Überschrift ›Sündenvergebung durch die Versammlung‹ in ›Ermunterung und Ermahnung‹, Jhrg. 1988, Seite 83 bis 85, hinweisen.1

Fall 1 bis 3 mögen ein verschiedenes Maß an Schuld auf sich geladen haben, ja, es kann sogar sein, dass im zweiten Fall gar keine Schuld auf Seiten der Schwester liegt. Aber unter dem Blickwinkel der Zulassung zum Brotbrechen, um den es in dieser Frage allein geht, sind die drei genannten Fälle auf dieselbe Weise zu behandeln: Liegt schuldhaftes Verhalten vor und hat die Person ihre Schuld und Sünde vor Gott und Menschen verurteilt und steht nun, so weit es an ihr liegt, vom Bösen ab, so ist die Versammlung gehalten, ihr zu vergeben, wie bitter auch immer für den Betroffenen die Folgen der Sünde sein und wie tief sie auch empfunden werden mögen. Der erste Mann, die erste Frau mag noch leben, aber einem bußfertigen Gläubigen kann deswegen die Teilnahme am Brotbrechen nicht verwehrt werden, schon gar nicht beispielsweise einer Schwester, welcher der Mann davongelaufen ist, weil sie sich bekehrt hat (1. Kor 7, 15).

Die Beurteilung durch die Welt ist durchaus ein ernst zu nehmender Faktor. Nur, kommt ein Sünder zu Gott, wird sie sein neues Leben sehen. Und hat die Versammlung im dritten Fall, dem Fall eines gläubigen Ehebrechers, göttlich gehandelt und die Person in Zucht hinausgetan, wird die Welt auch davon Kenntnis nehmen, wenn sie es will. Die Wiederherstellung eines Gläubigen jedoch unterliegt nicht der Beurteilung durch die Welt. Das zu beurteilen ist allein Sache der Versammlung Gottes, und die Meinung der Welt darf keinerlei Einfluss darauf nehmen. Die Welt versteht uns nicht. Das müssen wir immer im Auge haben. Hier können wir daher das Wort aus 1. Johannes 3 anfügen: „Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat“ (Vers 1).

Die Frage allerdings, ob ein Geschiedener, dessen Ehepartner noch lebt, in dem einen oder anderen Fall wieder heiraten kann, wurde hier nicht behandelt. Sie wurde weder gestellt noch beantwortet.

Fußnoten

  • 1 Siehe unter ›Sündenvergebung durch die Versammlung‹ in diesem Buch.
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