Fragen zu biblischen Themen

Zorn

Fragen zu biblischen Themen

Frage: In 1. Timotheus 2 wird geboten: „… indem sie heilige Hände aufheben, ohne Zorn …“ (Vers 8), in Epheser 4 aber: „Zürnt, und sündigt nicht“ (Vers 26). Gibt es eine Verbindung zwischen beiden Stellen, etwa in dem Sinn, dass Zorn im Gebet jedenfalls nicht gefunden werden sollte?

Antwort: Eine inhaltliche Verbindung zwischen den beiden Zitaten scheint nicht zu bestehen: Der Zorn in der einen Stelle trägt einen völlig anderen Charakter als in der anderen. Nur so ist es zu erklären, dass wir hier vor Zorn gewarnt und dort dazu aufgefordert werden.

In 1. Timotheus 2 ist von dem öffentlichen Gebet die Rede, und Gebet soll „ohne Zorn“ geschehen. Das will sagen, es muss, soll es Erhörung finden, frei sein von aller Gereiztheit und allem Ärger über Mitgeschwister oder Mitmenschen. Ist man in einer gereizten Verfassung und ärgert sich über andere, kann man nicht der Mund der Versammelten zu Gott sein. Denn solch eine Stimmung zeigt an, dass es nicht nur an dem Geist der Gnade mangelt, sondern auch an der Bereitschaft, die Vergehungen anderer zu vergeben. Ist man nämlich zur Vergebung bereit, ärgert man sich nicht.

Auf diesem Geist der Vergebung besteht der Herr für das öffentliche Gebet: „Und wenn ihr dasteht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemand habt, damit auch euer Vater, der in den Himmeln ist, euch eure Vergehungen vergebe“ (Mk 11, 25). Als der Herr Jesus Seine Jünger das so genannte ›Vaterunser‹ lehrte, fügte Er ebenfalls unmittelbar die Ermahnung hinzu, die Vergehungen der Menschen zu vergeben (Mt 6, 9–15).

Vor etwas ganz anderem warnt Gott dagegen in Epheser 4: vor der Gefahr, trotz gerechten Zürnens zu sündigen. Es gibt einen gerechten oder heiligen Zorn, aber der kann eben sehr rasch in Sünde abgleiten. Deswegen die Ermahnung: „Zürnt, und sündigt nicht.“ Hier handelt es sich also um den Unwillen über das Böse, nicht über den, der es verübt. Verärgerung, Gereiztheit und Groll beziehen sich immer auf Personen, die vermeintlichen oder wirklichen Anlass dazu geben. Das Verabscheuen des Bösen, wozu Gott auffordert (Röm 12, 9), hat es jedoch mit der Sache als solcher zu tun, nicht mit Personen.

Dass es so etwas wie einen gerechten Zorn gibt, macht auch das Beispiel des Herrn Jesus selbst deutlich: „Und er blickte auf sie ringsum mit Zorn, betrübt über die Verstocktheit ihres Herzens“ (Mk 3, 5). Beachten wir: „Zorn“ – „betrübt“! Wenn es der Zorn des neuen Menschen über das Böse ist, wird er stets von der Betrübnis über das Böse begleitet sein. Als Samuel wegen Saul „entbrannte“, benutzt die Heilige Schrift einen Ausdruck, der sowohl Betrübnis als auch Zorn bedeutet (1. Sam 15, 11; Fußnote), und er „schrie zu dem Herrn die ganze Nacht“. Das zeigt, dass diese Art von Zorn, gepaart nämlich mit gottgemäßer Betrübnis, durchaus mit dem Gebet vereinbar ist.

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