Botschafter des Heils in Christo 1872

Die frohe Botschaft - Teil 3/3

Wir möchten nun allen, welche auf diesem Boden stehen oder zu stehen vorgeben, die wichtige Frage ans Herz legen: „Was wird mit den Sünden derer geschehen, welche unbußfertig und ungläubig sterben?“ Wie stark man auch betonen mag, dass Gott zu gütig sei, einen Sünder zur Hölle senden zu können, so ist es sicher noch bestimmter hervorzuheben, dass Gott zu heilig ist, als dass Er die Sünde in den Himmel einführen könnte. „Du bist zu rein von Augen, um Böses zu sehen“ (Hab 1,13). Gott und das Böse können nie bei einander wohnen. Das ist klar. Was muss nun geschehen? Wenn Gott die Sünde nicht im Himmel dulden kann, was hat denn der Sünder zu erwarten, der in seinen Sünden stirbt? Er muss unbedingt verloren gehen. Und was will das sagen? Versteht man darunter eine Vernichtung, die völlige Vertilgung und Auslöschung der gänzlichen Existenz des Leibes und der Seele? Keineswegs. Ich zweifle nicht, dass viele dieses wünschen. Die Worte: „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot;“ passen für Taufende der Söhne und Töchter des Vergnügens, welche nur an den gegenwärtigen Augenblick denken und die Sünde als einen Leckerbissen betrachten, nach welchem ihr Gaumen lechzt. Sicher gibt es Millionen auf dem Erdboden, welche bereit wären, ihr ewiges Glück für wenige Stunden strafbaren Vergnügens zu vertauschen; und der listige Feind strengt sich an, um das Menschengeschlecht zu überreden, dass es weder solch einen Platz gebe wie die Hölle, noch solch ein Ding, wie der See, der mit Feuer und Schwefel brennt; und um für diese schreckliche Verlockung festen Fuß zu behalten, gründet er sie auf die scheinbare und Ehrfurcht gebietende Idee der Güte Gottes.

O mein Leser, traue nicht dem Lügner von Anfang! Gott ist heilig. Er kann die Sünde nicht in seiner Gegenwart dulden. Wenn du in deinen Sünden stirbst, so bist du verloren; und dieses Wörtchen „verloren“, fasst nach den klaren Zeugnissen der heiligen Schrift, ewiges Elend, ewige Qual in der Hölle in sich. Bedenke, was unser Herr Jesus Christus in seiner ernsten Schilderung des Gerichts über die Nationen sagt: „Dann wird Er auch sagen zu denen zu seiner Linken: Geht hin von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!“ (Mt 25,41) Und wenn du lauschest auf diese schrecklich feierlichen Ausdrücke, dann erinnere dich, dass das Wörtchen „ewig“ 70 mal im Neuen Testament angeführt ist. Denn es ist dort die Rede von „ewigem Feuer“ – von „ewigem Leben“ – von „ewiger Strafe“ – von „ewiger Verdammnis“ – von „ewigen Wohnungen“ – von „dem ewigen Gott“ – von „dem ewigen Gewicht von Herrlichkeit“ – von „ewiger Zerstörung“ – von „ewigem Trost“ – von „ewiger Herrlichkeit“ – von „ewiger Errettung“ – von „ewigem Gericht“ – von „ewigem Erbteil“ – von „ewigem Königreich“ – von „ewigem Feuer“.

Wir fragen jetzt jeden aufrichtigen, urteilsfähigen Leser, aus welchem Grund man das Wort „ewig“, wenn auf Gott angewandt, als immer fortdauernd betrachten kann, während man dasselbe, wenn auf das höllische Feuer und die Strafe der Gottlosen angewandt, als vorübergehend deutet? Wenn unter dem Wort „ewig“ in dem einen Fall eine ununterbrochene Fortdauer zu verstehen ist, warum nicht in dem anderen? Ist es recht, unter gewissen Umständen demselben eine entgegengesetzte Deutung zu geben? Ein solches Verfahren ist im höchsten Gerade verwerflich und eine Schmach, die man dem Wort Gottes antut. Nein, mein Leser, du kannst nicht das Wörtchen „ewig“ auf einen Fall anwenden, ohne es auch in seiner vollen Bedeutung Zugleich auf alle siebzig Fälle, worin es vorkommt, anzuwenden. Es ist ein gefährliches Ding, mit dem Wort Gottes zu spielen. Es ist weit besser, sich unter die heilige Autorität desselben zu beugen. Ich möchte es um keinen Preis wagen, dieses auf die unsterbliche Seele des Menschen angewandte Wort „verloren“ in seiner vollen Bedeutung und Kraft zu schwächen. Es schließt ohne allen Zweifel die schreckliche, namenlos schreckliche Wirklichkeit einer fortdauernden Qual in den Flammen der Hölle in sich. Das ist es, was die Schrift unter dem Wort „verloren“ versteht. Der Anbeter weltlicher Vergnügungen, oder der Freund des Geldes mag, um dieses zu vergessen, im Glas oder durch geschäftlichen Verkehr mit anderen jeden Gedanken daran zu ersticken suchen. Der gefühlvolle Schwärmer mag schwatzen über das göttliche Wohlwollen; der Zweifler mag mit großen Worten die Möglichkeit eines ewigen Feuers in Frage stellen; aber wir wünschen von ganzem Herzen, dass diese Zeilen in dem Herzen jedes Lesers die feste und unerschütterliche Überzeugung wecken möchte, dass die Bestrafung aller derer, die in ihren Sünden sterben, ebenso eine ewige in der Hölle, wie die Segnung derer, die im Glauben an Christus sterben, eine ewige im Himmel ist. Wenn es nicht also wäre, so würde der Heilige Geist ganz gewiss in Hinsicht des ersten Punktes andere Worte gebraucht haben, als in Hinsicht des letzteren Punktes. Dieses steht außer allem Zweifel.

Doch gibt es noch einen anderen Einwand, der wider die Lehre von der ewigen Verdammnis erhoben wird. Es ist oft gesagt worden: „Wie können wir voraussetzen, dass Gott eine ewige Vergeltung als Strafe für so wenige Jahre der Sünde auferlegen sollte?“ Wir erwidern: Man greift die Sache an dem verkehrten Ende an, wenn man in dieser Weise streitet. Es handelt sich hier nicht um eine von menschlichem Standpunkt aus betrachtete Zeitfrage, sondern um die von Gott gemessene Größe der Sünde. Und wie kann diese Frage erörtert werden? Nur im Blick auf das Kreuz. Wenn man missen will, was die Sünde in den Augen Gottes ist, so muss man hinschauen auf das, was es Ihn gekostet hat, um sie hinweg zu nehmen. Nur das unendliche Opfer Christi ist der einzige Maßstab, um die Größe der Sünde messen zu können. Die Menschen mögen ihre wenigen Jahre mit der Ewigkeit Gottes vergleichen; sie mögen die kurze Spanne ihres Lebens neben die Ewigkeit stellen, die sich jenseits des Grabes bis ins Unendliche ausdehnt; sie mögen die wenigen Jahre der Sünde in die eine, und eine Ewigkeit der Qual und des Wehes in die andere Waagschale legen; aber dieses alles wird kein Beweis gegen die Wahrheit sein. Die Frage ist und bleibt: War eine solch unendliche Versöhnung nötig, um die Sünde wegzunehmen? War dieses der Fall, dann muss auch die Bestrafung der Sünde eine ewige sein. Wenn nur ein solches Opfer von den Folgen der Sünde zu befreien vermochte, dann müssen sicher diese Folgen ewig sein.

Mit einem Wort, wir müssen die Sünde aus einem göttlichen Gesichtspunkte beschauen, und sie mit seinem Maß messen; denn sonst erlangen wir nicht die Fähigkeit, um beurteilen zu können, was sie verdient. Es ist der höchste Grad der Torheit, wenn der Mensch den Versuch macht, die der Sünde schuldige Vergeltung nach seinem Ermessen zu bestimmen. Gott allein ist dazu fähig. Und überdies, was war es, wodurch fast sechstausend Jahre hindurch all das Elend und der Jammer, Krankheit und Traurigkeit, Tod und Verwüstung erzeugt worden ist? War es nicht eine einzige Handlung des Ungehorsams – das Essen einer geringen Frucht? Kann ein Mensch sich dieses Rätsel lösen? Kann die menschliche Vernunft es sich erklären, dass eine einzelne Tat ein solch überschwängliches Maß von Elend erzeugen konnte? Gewiss nicht. Und wenn sie dieses nicht vermag, wie kann sie es denn versuchen, das Strafmaß der Sünde bestimmen zu wollen? Wehe allen, die sich in diesem wichtigen Punkte ihrer Leitung anvertrauen?

Ach, mein Leser! Du musst einsehen, dass Gott allein die Sünde und deren gerechte Vergeltung abschätzen und uns darüber Aufschluss geben kann. Ja, wahrlich, Er hat die Sünde gemessen an dem Kreuz seines Sohnes, und dort hat Er auch in der unzweideutigsten Weise ins Licht gestellt, was sie verdient. Hast du die Bedeutung des Wehgeschreis verstanden: „Mein Gott, mein Gott! warum Haft du mich verlassen?“ Wenn Gott seinen eingeborenen Sohn verließ, als er zur Sünde gemacht war, sollte dann die Sünde nicht eine endlose, ewige Strafe verdienen? Diese Folgerung kann nicht umgestoßen werden. Die Unendlichkeit der Versöhnung beweist unwiderlegbar die Lehre der ewigen Verdammnis. Dieses fleckenlose und kostbare Opfer ist ein für alle Mal das Fundament unseres ewigen Lebens und unserer Befreiung vom ewigen Tod. Es erlöst uns vom ewigen Zorn und führt uns in die ewige Herrlichkeit, es errettet uns von der endlosen Qual der Hölle und verschafft uns die endlose Segnung des Himmels. Von welcher Seite wir daher auch das Kreuz betrachten mögen, wir sehen stets, dass die Ewigkeit ihren Stempel darauf gedrückt hat. Beschauen wir es von den finsteren Tiefen der Hölle, oder von den sonnigen Höhen des Himmels aus, stets sehen wir die unendliche, ewige, göttliche Wirklichkeit. Ja, das Kreuz allein ist die einzig richtige Messschnur sowohl der Segnung des Himmels, als auch des Elends der Hölle. Die, welche ihr Vertrauen auf Ihn setzen, welcher am Kreuz starb, empfangen ewiges Leben und ewige Glückseligkeit, während alle, die Ihn verwerfen, in eine nimmer endende Verdammnis hinabsinken.

Es ist indessen keineswegs unsere Absicht, diese wichtige Frage theologisch zu behandeln, oder alle diese Beweise hervor zu suchen, deren man sich zur Verteidigung der Lehre von der ewigen Verdammnis bedient; aber es gibt eine andere Erwägung, welche uns geeignet scheint, den Leser zu einer bestimmten Entscheidung zu leiten, und das ist die Unsterblichkeit der Seele. „Und Gott hauchte in die Nase des Menschen den Odem des Lebens; und der Mensch ward zu einer lebendigen Seele“ (1. Mo 2,7). Der Sündenfall des Menschen berührt in keinerlei Weise die Unsterblichkeit seiner Seele. Wenn aber die Seele unsterblich ist, so ist ihre Vernichtung unmöglich. – Die Seele muss für immer leben. Schrecklicher Gedanke! Für immer! Für immer! Für immer! Das ganze moralische Dasein versinkt unter der entsetzlichen Größe dieses Gedankens. Er übertrifft jede Vorstellung und macht jede geistige Berechnung zunichte. Die menschliche Rechenkunst kann sich nur mit dem, was ein Ende hat, beschäftigen. Sie hat keine Ziffern, durch welche sie eine nimmer endende Ewigkeit darstellen kann. Aber der Schreiber, wie der Leser dieser Zeilen, beide werden eine Ewigkeit hindurch leben, sei es in der glänzenden und gesegneten Welt droben, oder an jenem finsteren Platze, wo der Rauch der Qual aufsteigen wird von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Möge der Geist Gottes unsere Herzen mehr und mehr erfüllen mit dem ernsten Gedanken an die Ewigkeit, sowie an die Seelen, welche zur Hölle hinabfahren. Wir ermangeln in der beklagenswertesten Weise des Gefühls in Betreff dieses so wichtigen Punktes. Wir befinden uns täglich in Verbindung mit den Menschen; wir kaufen und verkaufen und kommen in vielfacher Weise in Berührung mit solchen, welche für immer leben, und dennoch benutzen wir so selten die Gelegenheiten, um ihnen die Schrecklichkeit der Ewigkeit, sowie den jammervollen Zustand aller, welche ohne persönlichen Anteil an dem Blut Christi sind, ans Herz zu legen. – O, möchten wir mehr wandeln in dem Licht der Ewigkeit, dann würden wir auch andere mit größerem Eifer warnen, dass sie dem zukünftigen Zorn entfliehen möchten. 5.: Es bleibt uns nun noch übrig, den letzten Ausspruch der uns vorliegenden Schriftstelle etwas näher ins Auge zu fassen. Wir finden hier das bestimmte, unausbleibliche Resultat des einfachen Glaubens an den Sohn Gottes, nämlich die Tatsache, dass ein jeder, der an Jesus Christus glaubt, ein Besitzer des ewigen Lebens ist. Nicht nur sind – wie gesegnet diese Wahrheit auch ist – seine Sünden für ewig ausgelöscht; und nicht nur ist er für immer von den Folgen der Sünde befreit, sondern er hat ein neues Leben, und dieses Leben ist in dem Sohn Gottes. Er ist ganz und gar auf einen neuen Boden gestellt. Er wird nicht mehr in dem Zustand des alten Adams, sondern in dem des auferstandenen Christus betrachtet.

Es gibt leider in den Herzen vieler Christen eine höchst unvollkommene Erkenntnis von dem, was wir durch den Glauben an Christus erlangt haben. Manche scheinen das Erlösungswerk Christi nur als ein Heilmittel für die Sünden in unserer alten Natur, oder als eine Abtragung der in unserem früheren Zustand gemachten Schuld zu betrachten; und sicher ist dieses eine gesegnete und kostbare Wahrheit. Aber dieses Werk schließt viel mehr in sich. Nicht nur sind durch, dasselbe die Sünden getilgt, sondern es ist auch der alte Mensch durch das Kreuz Christi als gestorben bei Seite gesetzt, so dass der Gläubige aufgefordert ist, sich für „tot zu halten“. Nicht nur sind die in unserem alten Zustand gemachten Schulden gelöscht, sondern der alte Zustand wird von Gott als beseitigt betrachtet und muss auch von dem Gläubigen also angesehen werden.

Diese große Wahrheit ist in 2. Korinther 5 schriftgemäß entwickelt; denn hier lesen wir: „So denn, wenn jemand in Christus ist – eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe. Alles ist neu geworden“ (V 17). Der Apostel sagt nicht: „Wenn jemand in Christus ist, so sind seine Sünden vergeben, seine Schulden getilgt.“ Alles dieses ist göttlich wahr. Aber das Resultat geht viel weiter. Der Mensch in Christus ist ganz und gar eine neue Schöpfung. Die alte Natur fand keine Vergebung, sondern ist, und zwar mit allem, was damit zusammenhängt, so völlig bei Seite gesetzt worden, dass auch nicht eine Spur von dem alten Zustand zurückgeblieben ist. „Das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden.“

das ist unendlich tröstlich für das Herz. Unmöglich kann eine Seele in die volle Freiheit des Evangeliums eintreten, solange sie nicht in irgendeinem Grad die Wahrheit der „neuen Schöpfung“ begriffen hat. Man mag in Christus die Vergebung erblicken, mit einer unbestimmten Hoffnung, durch Ihn in den Himmel zu kommen, und mit einem gewissen Maße von Vertrauen auf die Güte und Barmherzigkeit Gottes, und dennoch mangelt es vielleicht an der richtigen Erkenntnis in Betreff des „ewigen Lebens“, sowie an dem glücklichen Bewusstsein, eine „neue Schöpfung“ zu sein, und an dem wahren Verständnis der großen Tatsache, dass die Natur des alten Adams gänzlich bei Seite gesetzt und der Gläubige von seinem früheren Zustand völlig befreit ist.

Es ist sogar möglich, dass manche unserer Leser über die Bedeutung der Ausdrücke, wie: „die alte Natur Adams“ – „der alte Zustand“ – „das Fleisch“ – „der alte Mensch“ – in Ungewissheit sind. Und in der Tat werden diese Ausdrücke dem Ohr solcher Leser, an welche wir hauptsächlich diese Zeilen richten, höchst seltsam klingen; und dennoch sind es Ausdrücke, deren sich das Wort Gottes bedient. So lesen wir z. B. in Römer 6,6: „Indem wir dieses wissen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt ist, auf dass der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen.“ Was versteht nun der Apostel unter dem „alten Menschen“? Augenscheinlich versteht er darunter die alte Natur Adams – jene Natur, die wir von unseren ersten Eltern erbten. Und was versteht er unter dem „Leib der Sünde“? Jedenfalls den ganzen Zustand, in welchen wir uns als nicht wiedergeborene, unerneuerte Menschen befanden. Die alte Adamsnatur wird uns nun als gekreuzigt dargestellt, und der ganze Zustand der Sünde durch den Tod Christi als Zerstört betrachtet. Daher hat jede Seele, die an den Herrn Jesus Christus glaubt, das Vorrecht zu wissen, dass ihre alte Natur, ihr sündiges, schuldiges „Ich“ von Gott Vollständig als tot und beseitigt betrachtet wird. Der „alte Mensch“ hat in den Augen Gottes keine Existenz mehr; er ist gestorben und begraben.

Ja, es kann nicht stark genug betont werden, dass nicht nur unsere Sünden vergeben sind, sondern dass auch der Zustand, in welchem wir diese Sünden begingen, für immer beseitigt ist. Es ist nicht die Art und Weise Gottes, unsere Sünden zu vergeben und uns Zugleich in der sündigen Natur zu lassen, in welcher wir die Sünden begangen haben. Nein, Er hat in seiner wunderbaren Gnade und nach seinem unermesslichen Ratschluss die alte Adamsnatur mit allem, was damit zusammenhängt, für den Gläubigen auf ewig gerichtet und vertilgt, so dass sie fernerhin in keiner Weise mehr anerkannt wird. „Wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde.“ Die Stimme der heiligen Schrift bezeichnet uns als gekreuzigt, als gestorben, als begraben und als mit Christus auferweckt. Gott selbst fordert uns in seinem Wort auf, uns für tot zu halten? Es ist dieses nicht eine Sache des Gefühls, sondern eine Sache des Glaubens. Wenn ich mich von meinem Gesichtspunkt aus betrachte, oder mich nach meinen Gefühlen beurteile, so werde ich diese Wahrheit nimmer verstehen können. Und warum? Weil ich nach meinem Gefühl eine ebenso sündige Kreatur bin, wie früher. Ich fühle, dass die Sünde in mir ist, dass in meinem Fleisch nichts Gutes wohnt; dass meine alte Natur in keinerlei Weise verändert oder veredelt ist, dass sie wie früher noch immer dieselben Neigungen hat, und dass sie sich, wenn nicht durch die Kraft des Heiligen Geistes unterdrückt und niedergehalten, stets in ihrem wahren Charakter zeigen würde.

Und dieses ist gerade der Punkt, über welchen so viele aufrichtige Seelen in Unklarheit, und darum beunruhigt sind. Sie blicken auf sich selbst und beurteilen alles nach dem, was sie sehen und fühlen, anstatt in der Wahrheit Gottes zu ruhen und sich für das zu halten, was sie nach dem Ausspruch Gottes sind. Sie finden es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, das, was sie in sich fühlen, mit dem, was sie im Wort Gottes lesen, in Einklang zu bringen. Aber wir müssen uns erinnern, dass der Glaube Gott in seinem Wort ergreift und mit Ihm in allen Punkten übereinstimmt. Der Glaube nimmt das an, was Er gesagt, und zwar weil Er es gesagt hat. Wenn daher Gott mir sagt, dass mein alter Mensch gekreuzigt ist, meine alte Natur vor seinen Augen beseitigt ist, so dass Er mich nicht mehr sieht in dem alten Zustand Adams, sondern in dem auferstandenen Christus, so habe ich, gleich einem kleinen Kind, zu glauben, was Er mir sagt und nach diesem Glauben Tag für Tag zu wandeln. Wenn ich in mir selbst den Beweis der Wahrheit dessen suche, was Gott gesagt, so ist das keineswegs der Glaube. „Abraham sah nicht an seinen eigenen, erstorbenen Leib, weil er fast hundert Jahre alt war, und nicht den erstorbenen Mutterleib der Sara, und zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern ward gestärkt im Glauben, Gott die Ehre gebend“ (Röm 4,19–20).

Dieses ist der erhabene Grundsatz, auf welchen das ganze christliche System sich stützt. „Abraham glaubte Gott.“ Das ist der wahre Glaube; wir besitzen denselben, wenn wir die Gedanken Gottes anstatt unserer eigenen annehmen. Wenn wir dieses dem vor uns liegenden Gegenstand anpassen, so ist die Sache sehr einfach. „Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das ewige Leben.“ Hier ist – man bemerke es wohl – nicht von jemandem die Rede, der etwas in Betreff Jesu glaubt, sondern von jemandem, der an Ihn glaubt. Es ist eine Frage des einfachen Glaubens an die Person Christi; und ein jeder, welcher diesen Glauben hat, ist der Besitzer des ewigen Lebens. Dieses ist das direkte und bestimmte Zeugnis unseres Herrn in dem Evangelium, ein Zeugnis, welches öfter wiederholt wird. Und nicht nur besitzt der Gläubige in dieser Weise das ewige Leben, sondern ist auch in den Stand gesetzt, in dem Licht, welches die Briefe auf diese große Frage werfen, zu sehen, dass sein altes Leben, welches der Apostel als „das Fleisch“ oder als „den alten Menschen“ bezeichnet, von Gott als gestorben und begraben betrachtet wird. Dieses mag schwer zu begreifen sein; aber möge der Leser sich erinnern, dass er nicht das, was er begreift, sondern das, was im Wort Gottes geschrieben steht, zu glauben hat. Wir lesen nicht: „Abraham begriff Gott“, sondern: „er glaubte Gott“. Wenn das Herz glaubt, wird das Verständnis erleuchtet. Suche ich dieses Verständnis vorher, dann begehre ich dasselbe als eine Stütze, anstatt mich in kindlichem Glauben dem Wort Gottes zu unterwerfen.

Mein teurer Leser! erwäge dieses in deinem Herzen. Du magst es nicht begreifen können, wie deine sündige Natur, deren Vorhandensein du beständig fühlst, als tot und beseitigt zu betrachten sei; aber dennoch erklärt das ewige Wort Gottes, dass, wenn dem Herz an Jesus glaubt, dieses alles in Betreff deiner wahr ist; denn dann hast du das ewige Leben, bist von allem gerechtfertigt, und bist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen; alles ist neu geworden; und alles ist von Gott. Mit einem Wort: du bist „in Christus“; und „wie er ist, bist auch du in dieser Welt“ (1. Joh 4,17).

Und ist dieses nicht weit mehr als Vergebung deiner Sünden, als Tilgung deiner Schuld, oder als Rettung deiner Seele von der Hölle? Ganz gewiss. Nun sage mir, auf welche Autorität du dich stützest, indem du an die Vergebung deiner Sünden glaubst? Ist es, weil du sie fühlst, oder verwirklichst, oder begreifst? New, sondern weil geschrieben steht: „Diesem geben alle die Propheten Zeugnis, dass ein jeglicher, der an Ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfangen wird durch seinen Namen;“ (Apg 10,43) und wiederum: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt von allen Sünden“ (1. Joh 1,7). Und siehe, auf eben dieselbe Autorität hin kannst du glauben, dass dein alter Mensch gekreuzigt ist, dass du nicht mehr im Fleisch, nicht in der alten Schöpfung, nicht in dem Zustand des alten Adams bist, sondern im Gegenteil, dass du von Gott wirklich in dem auferstandenen und verherrlichten Christus geschaut wirst, und dass Er dich wie Christus anblickt.

Leider ist es wahr, dass das Fleisch in dir ist und dass du dich tatsächlich in dieser alten Welt befindest, welche unter dem Gericht steht. Aber höre, was der Herr bezüglich deiner zum Vater sagt: „Sie sind nicht von der Welt, wie ich nicht von der Welt bin;“ und wiederum: „Wie du mich gesandt hast in die Welt, so habe ich sie in die Welt gesandt.“ Wirst du dich nun unter das Wort Gottes beugen; wirst du nicht urteilen nach dem, was du in dir siehst, oder fühlst, oder über dich denkst, sondern einfach glauben, was Gott sagt, so wirst du auch eintreten in den gesegneten Frieden und in die heilige Freiheit, hervorfließend aus der Tatsache, dass du dich nicht im Fleisch, sondern im Geist, nicht in der alten, sondern in der neuen Schöpfung, nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade befindest. Du hast den alten Platz, den du als ein Kind der Natur und als ein Glied des ersten Adams bewohntest, verlassen und hast, als ein Kind Gottes und als ein Glied des Leibes Christi eine durchaus neue Wohnstätte bezogen.

Wir finden bezüglich dieser Wahrheit in der Sintflut und der Arche ein treffendes Vorbild (Siehe 1. Mo 6–8). „Und Gott sah die Erde, und siehe, sie war verdorben; denn alles Fleisch hatte seinen Weg verdorben auf Erden. Und Gott sprach zu Noch: Das Ende alles Fleisches ist vor mich gekommen; denn die Erde ist voll Gewalttat durch sie, und stehe, ich will sie verderben mit der Erde.“ – Zier war also vorbildlich das Ende der alten Schöpfung. Alles wurde den Fluten des Gerichts preisgegeben. Was war daher nötig? „Mache dir eine Arche von Goferholz.“ Hier wird uns eine neue Sache vorgestellt. Die Arche, friedlich schwimmend über die finsteren Wasserschlünde, war ein Vorbild Christi, in welchem der Gläubige sich befindet. Die alte Welt fand samt den Menschen in den Wogen des Gerichts ihr Grab. Der einzig überbleibende Gegenstand war die Arche – jenes sicher und im Triumph über die Wellen dahingleitende Rettungsboot. Also ist es jetzt in Wahrheit und Wirklichkeit. Vor dem Auge Gottes steht ein auferstandener, siegreicher und verherrlichter Christus und sein mit Ihm verbundenes Volk. Das Ende alles Fleisches ist vor Gott gekommen. Das ist das feierlich ausgesprochene göttliche Urteil. Und was folgt dann? Ein auferstandener Christus. Nichts anders. Gott schaut alle in Ihm an, wie Er Ihn selbst anschaut. Alle außer Ihm sind unter dem Gericht. Alles dreht sich um die eine Frage: „Bin ich in oder außer Christus?“

Ja, mein Leser! Bist du in Christus? Glaubst du an seinen Namen? Hast du Ihm das Vertrauen deines Herzens geschenkt? Nun, dann hast du auch „das ewige Leben“, bist eine „neue Schöpfung“, und das „Alte ist vergangen“. Das alles durchdringende Auge Gottes sieht an dir keine Spur mehr von dem Alten. „Alles ist neu geworden, und alles von Gott.“ Magst du auch, wie du einwendest, dieses alles nicht fühlen, so sollte es dir dennoch genug sein, dass Gott gesagt hat: „Das Alte ist vergangen“; ja, es ist dein glückseliges Vorrecht, zu glauben, was Er sagt und dich für das zu „halten“, wofür Er dich hält. Er sieht dich nicht im Fleisch, sondern in Christus. Es ist außer Christus absolut nichts vor dem Auge Gottes; und selbst der schwächste Gläubige wird eben sowohl als ein Teil Christi betrachtet, wie deine Hand ein Teil deines Körpers ist. Getrennt von Christus hast du keine Existenz, kein Leben, keine Gerechtigkeit, keine Heiligkeit, keine Weisheit, keine Macht. Von ihm getrennt bist du nichts und kannst du nichts tun. In Ihm hast du alles und vermagst du alles; du bist ganz und gar eins mit Christus. Welch ein tiefes Geheimnis! welch eine kostbare Wahrheit! Es handelt sich hier nicht um eine Vervollkommnung oder um ein Fortschreiten, sondern um den festgestellten Standpunkt selbst des schwächsten Gliedes der Kirche Gottes. Freilich gibt es verschiedene Gerade in Betreff der Erkenntnis, der Erfahrung und der Widmung; aber es gibt nur ein Leben, einen Standpunkt, eine Stellung vor Gott, und zwar in Christus Jesus. Es existiert kein höheres oder niedrigeres christliches Leben. Christus ist das Leben des Gläubigen; und es kann von keinem höheren oder niederen Christus die Rede sein. „Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das ewige Leben.“

Dies ist eine erhabene Wahrheit; und wir flehen ernstlich zu Gott, dass sein Geist das Herz des Lesers für dieselbe öffnen möge. Wir sind überzeugt, dass ein klareres Verständnis derselben Taufende von düsteren Wolken zerstreuen, Tausende von Fragen beantworten und Tausende von Schwierigkeiten auflösen würde. Wenn Christus mein Leben ist – wenn ich in Ihm und eins mit Ihm bin, dann habe ich nicht nur Teil an seiner Annahme bei Gott, sondern auch an seiner Verwerfung durch die gegenwärtige Welt. Diese beiden Dinge gehen zusammen. Sie bilden die zwei Seiten der einen großen Frage. Wenn ich in Christus und wie Christus vor Gott bin, so ist dieses auch meine Stellung vor der Welt; und ich werde nicht einerseits das Resultat dieser Vereinigung vor Gott annehmen, und andererseits dieses Resultat angesichts der Welt ausschlagen. Wenn wir das eine haben, muss auch das andere selbstredend unser Teil sein.

Alles dieses ist in Johannes 17 vollständig entwickelt. Dort lesen wir einerseits: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben, habe ich ihnen gegeben, auf dass sie eins seien, gleich wie wir eins sind. Ich in ihnen und du in mir, auf dass sie in eins vollendet seien, und auf dass die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, gleich wie du mich geliebt“ (V 22–23). Andrerseits aber lesen wir: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben; und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, gleich wie ich nicht von der Welt bin“ (V 14). Wir sehen also, dass alle, welche an Jesus glauben, sowohl droben seine Annahme, als auch hienieden seine Verwerfung teilen. Diese beiden Dinge sind unzertrennlich. Das Haupt und die Glieder haben gemeinschaftlichen Anteil an der Annahme im Himmel und gemeinschaftlichen Anteil an der Verwerfung auf Erden. O, möchte doch das Volk des Herrn mehr in diese Wahrheit eintreten und sie verwirklichen! Möchten wir doch alle mehr Gemeinschaft machen mit dem im Himmel angenommenen und auf Erden verworfenen Christus!

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