Alles in Christus
Botschafter des Heils in Christo 1859

Alles in Christus (3)

Petrus ruft den Gläubigen zu: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ (1. Pet 2,9). Ein solches Volk zu besitzen, war die Absicht Gottes. Wo aber war es zu finden? Nirgends auf dieser Erde, bis Gott es sich selbst in Christus Jesus bereitet hatte. Früher hatte Er zwar Israel zu seinem Volk erwählt, doch unter der Bedingung, dass es Ihm gehorcht und in seinen Wegen wandelt. Israel versprach dies, weil es in seiner Blindheit weder sich noch die Heiligkeit Gottes kannte, und nur zu bald zeigte sich sein Ungehorsam und sein Abfall. Gott erwies diesem Volk zwar so augenscheinliche Beweise seiner besonderen Gunst – Er leitete es mit Langmut und Liebe in seinen wunderbaren Wegen, Er überhäufte es mit Segnungen aller Art – aber nach allen Proben offenbarte es sich stets als ein halsstarriges Volk, unbeschnitten an Herzen und Ohren. Dies Volk entsprach also nicht der wahren Absicht Gottes, noch befriedigte es seine Liebe und seine Freude, weil es ein Volk war, das allezeit den Irrweg liebte und seiner Stimme nicht gehorchte, noch in seinen Wegen wandelte. Deshalb musste Er endlich sagen: „Ihr seid nicht mein Volk!“1. Er wollte ein heiliges Volk besitzen, ein Volk, was Ihm in Wahrheit diente und „eifrig sei in guten Werken“ (Tit 2,14), aber Israel diente der Sünde und war eifrig in bösen Werken. Der ganze Wandel unter dem Gesetz war eine Frucht zum Tod. Sie waren fleischlich, „unter die Sünde verkauft“ (Röm 7,14).

Jetzt aber hat sich Gott ein Volk erwählt, dessen Annahme und Sicherheit nicht auf dem eigenen Gehorsam, sondern einzig und allein auf das Blut des Herrn Jesus gegründet ist. Nach dem Bund vom Sinai wurden jene sein Volk, wenn sie Ihm dienten. Diese aber dienen Ihm, weil sie sein Volk sind – geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken (Eph 2,10). Jene hatten die Gesetze auf steinernen Tafeln, diesen aber sind sie ins Herz gegeben und auf ihre Sinne geschrieben. Wenn nun aber auch dieses Volk noch bekennen müsste: „Ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft“ (Röm 7,14), oder: „Nicht das Gute, das ich will, übe ich aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“, worin bestände denn in Betreff des Wandels hienieden der Unterschied zwischen diesem und jenem Volk?2 Etwa darin, dass jene nicht wussten, dass sie Gott nicht dienen konnten und dass diese es wissen? In der Tat, ein geringer Unterschied! Wie wenig wäre dann die Absicht Gottes erreicht, der ein Volk besitzen wollte, das Ihm wirklich diene und eifrig sei in guten Werken! Hätte aber nicht auch das Blut des Herrn Jesus in diesem Teil seinen Zweck verfehlt? Wäre nicht dessen wahre Kraft und Tragweite in Frage gestellt? Und würde nicht auch letztendlich das Zeugnis des Heiligen Geistes, welcher von diesem Blut bezeugt, dass es unser Gewissen von den toten Werken reinigt und uns so befähigt, dem lebendigen Gott zu dienen, zur Lüge gemacht?

Lasst uns denn, meine Brüder, nicht bei unseren Meinungen stehen bleiben, nicht unsere Erfahrungen oder die der anderen Christen an die Stelle des Wortes Gottes setzen. Wir vereiteln sonst, wie wir gesehen haben, die Absicht Gottes, schwächen die Kraft des Blutes Christi, verunehren das Zeugnis des Heiligen Geistes und berauben uns selbst des gesegneten Vorrechts, Gott zu dienen und seinen Namen zu verherrlichen. Lasst uns doch nie der törichten Einbildung Raum geben, dass dieser Dienst und diese Verherrlichung durch den Wunsch, das Gute zu wollen, erfüllt seien. Es ist nichts widersinniger als eine solche Behauptung, nichts, wodurch die Gläubigen das Wort Gottes mehr verunehren und dessen Kraft für sich selbst zunichtemachen können, als durch solche Gedanken.

Wenn man aber auch die so allgemein gewordene Redensart: „Ich wollte oder möchte Gott gern dienen usw.“ bei vielen Seelen etwas näher untersuchte, würde man leider finden, dass es oft nichts weiter als eine Redensart ist, womit sie ihr Gewissen zu beschwichtigen und den Ermahnungen des Heiligen Geistes auszuweichen suchen. Und man sollte es kaum glauben, dass es viele Christen gibt, die es für einen Mangel an Selbsterkenntnis und an Erfahrung halten, von einem würdigen Wandel, von einer lauteren Gesinnung und vom Halten der Gebote Gottes und Christi zu reden. Sie sehen darin nur ein Umgehen mit Gesetzeswerken, eine Forderung an das Fleisch, dessen Ohnmacht sie zu oft erprobt haben. Sie erkennen aber nicht den Charakter des Lebens, das jede befreite Seele in dem auferstandenen Christus besitzt, noch verstehen sie die Kraft des innewohnenden Geistes. Sie machen aber auf diese Weise auch den Apostel Paulus zu einem Lehrer des Gesetzes. Aber wir sehen doch, wie dieser Apostel die Gläubigen mit so großem Ernst zu überzeugen sucht, dass sie vom Gesetz völlig frei seien, auch wenn er ihnen viele Ermahnungen zu einem würdigen Wandel gibt. Solche Seelen beurteilen aber den Geist durch das Fleisch und betrüben Ihn, und sie beugen das Wort Gottes unter ihre Erfahrungen und schwächen es. Sie schätzen zu wenig die Autorität dieses Wortes, und deswegen geschieht auch ihr Forschen darin meist auf eine leichtfertige und oberflächliche Weise, wodurch ihre Erkenntnis stets mangelhaft bleibt. Der Hauptgegenstand ihrer Unterhaltung und ihrer Erbauung sind die Erfahrungen über die Verderbtheit und die Ohnmacht des Fleisches, und sie gebrauchen trauriger Weise so oft das Wort Gottes, um ihre fleischlichen Erfahrungen durch einige, ohne Einsicht aus dem Zusammenhang gerissene Stellen, zu begründen.

Ich wiederhole es, Gottes Absicht mit uns ist, auf dieser Erde ein Volk zu besitzen, das durch das Blut Jesu von den toten Werken gereinigt und befähigt ist, Ihm willig zu dienen, ein Volk, „eifrig in guten Werken“.3 O möchten diese Worte, diese gesegneten Vorrechte „Gott zu dienen“ und „eifrig zu sein in guten Werken“ stets lebendig vor unserer Seele stehen!

Es gibt nun aber auch viele Gläubige, die in Aufrichtigkeit des Herzens sagen: „Ich wünsche in der Tat, Gott wohlgefällig zu leben, aber ich vermag es nicht. Ich liebe das Gute und wünsche es zu tun, aber es fehlt mir an Kraft. Ich bin viel darüber betrübt und beunruhigt, aber es wird nicht anders. Ich wende mich oft zum Herrn im Gebet, und finde auch Erleichterung und Trost, aber es dauert nicht lange bis ich wieder in denselben Zustand komme und mich immer aufs Neue ohne Kraft fühle.“ Eine solche Sprache ist aufrichtig und der Aufrichtige hat eine Verheißung. Solche Seelen werden es sicher der Mühe wert achten, das Wort Gottes über diesen so ernsten und wichtigen Gegenstand zu untersuchen und deshalb werden sie auch, wie ich hoffe, diese Zeilen nicht ohne Nutzen lesen.

Kehren wir jetzt zu unserer Betrachtung des 7. Kapitels des Römerbriefes zurück.

Zunächst bemerke ich, dass wir in diesem Kapitel oft das Wörtchen „Gesetz“ finden. Aber nicht immer in Verbindung mit ein und derselben Sache, wie wir uns überzeugen werden.

Stehe ich unter einem Gesetz, so stehe ich unter einer Autorität, die mir Verpflichtungen auferlegt, oder Forderungen an mich stellt. Ob ich diese erfülle oder nicht erfülle, ob ich es vermag oder nicht vermag, ob ich will oder nicht will, ob ich es gegen meinen Willen oder freiwillig tue – das Gesetz fordert, und nur durch Erfüllung ist es befriedigt. An solche nun, die überhaupt die wahre Bedeutung eines Gesetzes kennen, wendet sich zunächst der Apostel im vorliegenden Kapitel. „Denn ich rede zu denen, die das Gesetz kennen“ (Röm 7,1). Hier ist also der Ausdruck „Gesetz“ ganz allgemein. „Oder wisst ihr nicht, Brüder […], dass das Gesetz über den Menschen herrscht, solange er lebt?“ (Röm 7,1). Solange ein Gesetz besteht oder in Kraft ist, solange ist auch der ihm Unterworfene an dessen Forderungen gebunden, nur der Tod kann diese Verbindung aufheben. Das beweist der Apostel in Vers 2 und 3 durch das Ehegesetz: „Denn die verheiratete Frau ist durch Gesetz an den Mann gebunden, solange er lebt; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie losgemacht von dem Gesetz des Mannes. Also wird sie denn, während der Mann lebt, eine Ehebrecherin genannt, wenn sie eines anderen Mannes wird; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei von dem Gesetz, sodass sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen Mannes wird“ (Röm 7,2.3).

Im vierten Vers haben wir die Anwendung auf die Gläubigen. Doch bemerke ich, dass wir in dieser Stelle unter dem Wörtchen „Gesetz“ nicht nur die zehn Gebote zu verstehen haben, sondern auch jegliche Anforderung, welche an das Volk Israel gestellt, und wodurch ihr Verhältnis zu Gott bedingt war – ja selbst alles, was die Gerechtigkeit Gottes von einem jeden Menschen als solchem fordert. – Unter diesem Gesetz kann der Mensch nicht anders, als verloren sein. Deshalb ist es auch für alle eine ernste und wichtige Frage: Wie werde ich vom Gesetz frei? Allein das Wort Gottes gibt uns an vielen Stellen eine völlig befriedigende Antwort. Wir können uns nie – das ist wahr – auf einem unrechtmäßigen Weg der Herrschaft des von Gott gegebenen Gesetzes entledigen, denn alle seine Forderungen an den Menschen sind vollkommen gerecht. Gott aber hat in Christus für uns einen rechtmäßigen Weg zur völligen Befreiung vom Gesetz bereitet – einen Weg, der uns ganz und gar und für immer außer dessen Bereich stellt. Und dieser Weg ist – der Tod. „Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus“ (Röm 7,4). Der Tod ist auch hier, wie beim Ehegesetz, das einzige Mittel zur Befreiung, – der Tod durch den Leib des Christus.

Auf die Art und Weise dieses Todes werde ich später zurückkommen. Ich will hier nur die Tatsache berühren.

Der Tod also macht uns frei, ja völlig frei vom Gesetz und seinen gerechten Forderungen, denn nur mit lebenden Personen und nicht mit toten, hat es ein Gesetz zu tun. Der Gläubige aber ist, wie wir hier ganz klar und deutlich lesen, durch den Leib des Christus dem Gesetz gestorben. Als natürlicher, dem Gesetz unterworfener Mensch, ist er in diesem Leib mit getötet und völlig beseitigt und steht jetzt in keiner Weise mehr unter der Herrschaft des Gesetzes.

Ich rede hier nicht von der gesegneten Tatsache, dass das Gesetz in Christus seine volle Befriedigung in Betreff unserer Sünden gefunden hat, sondern davon, dass wir selbst, d. h. alle, welche glauben, nicht mehr unter dem Gesetz sind und so in keinerlei Beziehung mehr zum Gesetz stehen, weder in Betreff seiner gerechten Ansprüche, noch seiner gerechten Urteile. Es ist sozusagen für uns nicht mehr da, oder besser, wir sind für das Gesetz nicht mehr da, weil wir dem Gesetz getötet worden sind durch den Leib des Christus.

Dies ist die einfache und deutliche Lehre des Wortes Gottes über diesen Punkt, und durch den Glauben besitzen wir diese gesegnete Wahrheit und erfreuen uns mit dankbarem Herzen unserer völligen Befreiung vom Gesetz. Nun liegt zwar der Gedanke nahe, dass das Bewusstsein einer solch völligen Befreiung vom Gesetz Gleichgültigkeit gegen die Übertretung desselben hervorrufen könnte. Betrachten wir aber den zweiten Teil dieses Verses, so sehen wir, wie menschlich und unbegründet ein solcher Gedanke ist: „Um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten“ (Röm 7,5). In Verbindung mit dem Gesetz ist es gerade, dass wir nur dem Tod Frucht bringen, aber völlig frei vom Gesetz und in Verbindung mit Christus, dem wahren Mann, bringen wir Gott Frucht. Dies ist für den Gläubigen das gesegnete Resultat einer wirklichen Befreiung.

Bemerkenswert ist auch der Ausdruck in Vers 5: „Denn als wir im Fleisch waren …“ (Röm 7,5). Also nicht mehr „sind“, sondern: „waren“. Ebenso lesen wir in Römer 8,9: „Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist“. Es wird nun kaum nötig sein, zu bemerken, dass hier und in den vielen anderen Stellen unter dem Wörtchen „Fleisch“ nicht das äußere, sichtbare Fleisch (der Körper) gemeint ist, sondern das moralische Fleisch, das natürliche Wesen, die ganze Stellung des natürlichen Menschen vor Gott und unter Gesetz. Der in Christus erneuerte Mensch ist nicht mehr in dieser Stellung vor Gott. Er ist vom Gesetz völlig frei, denn er ist nicht mehr im Fleisch und deshalb nicht unter Gesetz, sondern ist im Geist. Das Fleisch ist zwar noch vorhanden in ihm, aber er steht nicht unter dessen Herrschaft, noch stellt das Fleisch wie früher seine Stellung vor Gott dar. Ebenso ist auch unser Dienst vor Ihm jetzt von ganz anderem Charakter, wie wir in Vers 6 lesen. Als dem Gesetz gestorben, können wir weder im Fleisch noch unter dem Gesetz unseren Dienst haben. Der Tod Christi durch den Leib des Christus hat diese ganze Stellung für immer beseitigt. Wir sind erneuert in Christus und sind im Geist. Dies ist die Wahrheit in Bezug auf alle, die in Christus Jesus sind. Ob schwach oder stark, das ist hier nicht die Frage. Hier handelt es sich durchaus nicht um den Wandel eines Christen, sondern allein um die neue Stellung, die wir, d. h. alle Gläubigen, in dem auferstandenen Christus ohne unser Zutun erlangt und durch den Glauben eingenommen haben. „Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, in dem wir festgehalten wurden, sodass wir in dem Neuen des Geistes dienen und nicht in dem Alten des Buchstabens“ (Röm 7,6).

Wenn es nun unter dem Gesetz unmöglich war, Gott zu dienen, und also nur dem Tod Frucht gebracht wurde, und wenn man sogar vom Gesetz völlig getrennt und frei sein muss, um in Christus wirklich Gott zu dienen und Ihm Frucht zu bringen – wie leicht könnte da der Gedanke Raum gewinnen, dass das Gesetz selbst Sünde und von böser Wirkung sei.

Solchen Gedanken versucht der Apostel nun in den folgenden Versen zu begegnen. Er rechtfertigt das Gesetz von jeder Anklage und stellt dessen wahren Charakter, sowie auch die ganze Hässlichkeit der Sünde völlig ans Licht.

Zuvor bemerke ich, dass hier der Apostel, um seine Belehrung über diesen Punkt einfach und klar darzustellen, sich des Wörtchens „Ich“ bedient. Dennoch ist es gerade dieses Wörtchen, wodurch so viele Seelen in die Irre geleitet und im wahren Verständnis gehindert werden. Sie meinen nämlich, wie schon bemerkt, der Apostel rede hier von sich selbst, von seinem eigenen Zustand. Und diese Meinung haben sie deshalb, weil sie meistens diesen Abschnitt nur oberflächlich lesen und selten in Verbindung mit dem vorhergehenden und nachfolgenden Kapitel betrachten. Und viele halten diese Meinung auch deshalb gerne fest, weil sie darin eine Beruhigung für ihren eigenen Zustand finden. Römer 6 und 8 aber würden nicht nur voller Widersprüche, sondern auch ohne Sinn und Verstand sein, wenn der Apostel in der letzten Hälfte von Römer 7 von sich selbst, von seinem eigenen Zustand vor Gott, redete. Dann ist aber auch zu bemerken, dass in diesem Teil des Kapitels weder von Christus, noch von dem Heiligen Geist die Rede ist, sondern nur vom Gesetz, von der Kraft der Sünde, von der Ohnmacht und Verderbtheit des Fleisches und von den vergeblichen Anstrengungen in dieser Stellung. Christus wird erst in Vers 25 eingeführt, und zwar als der einzige Zufluchts- und Rettungsort des unter dem Gesetz der Sünde und des Todes Gefangenen, als die allein völlig genügende Antwort auf die Frage: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?“ (Röm 7,24). Musste aber wirklich der Apostel selbst noch so fragen? Lag er noch gefangen unter dem Gesetz der Sünde und brachte durch seinen ganzen Wandel nur dem Tod Frucht? Stand seine Errettung und Befreiung durch Christus noch in Frage, oder erkannte er sie nicht? Und hatte der Heilige Geist nicht Wohnung in seinem Herzen gemacht? Die richtige Antwort auf alle diese Fragen wird sicher niemandem schwer fallen.

Lasst uns jetzt diesen Abschnitt selbst ein wenig näher untersuchen. Wir werden finden, dass hier nicht von dem Zustand des Apostels oder von dem eines befreiten Christen, sondern gerade von einem entgegengesetzten Zustand die Rede ist.

Zunächst ist der Apostel, wie schon bemerkt, bemüht, das Gesetz gegen jede Beschuldigung zu rechtfertigen und den wahren Charakter der Sünde ans Licht zu stellen (vgl. Röm 7,7–13). Er bezeugt in Vers 7, dass durch das Gesetz Erkenntnis der Sünde kommt: „Die Sünde hätte ich nicht erkannt als nur durch Gesetz. Denn auch von der Begierde hätte ich nichts gewusst, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte: „‘Du sollst nicht begehren‘“.“ Also die Sünde und die Lust werden durch das Gesetz in ihrem wahren Wesen offenbart und erkannt. Die Sünde ist der im Fleisch wohnende und wirkende böse Grundsatz, eine dem Gesetz Gottes entgegen strebende, feindliche Macht. Sie wirkt gerade das, was das Gesetz verbietet, und weil dasselbe es verbietet. Die Lust aber ist die im Fleisch aufsteigende Neigung oder Begierde. Wenn das Gesetz sagt: „Du sollst nicht begehren“, so gibt es uns dadurch zu erkennen, dass diese Begierden und Neigungen des Fleisches böse sind. Was tut nun die Sünde? Sie wirkt gerade diese Lust in mir, und sogar deshalb, weil das Gesetz sie verbietet. Dies offenbart den wahren Charakter der Sünde, ihre große Hässlichkeit und Feindschaft gegen alles Gute. „Die Sünde aber, durch das Gebot Anlass nehmend, bewirkte jede Begierde in mir“ (Röm 7,8). Gesetz und Gebot sind im Grunde dasselbe, obgleich ersteres das ganze Gesetz und letzteres mehr ein einzelnes Gebot aus demselben bezeichnet.

Man könnte nun fragen: Wird denn nicht gerade durch das Gesetz die Sünde erweckt und hervorgerufen? Gewiss nicht. Diese war schon vorhanden, ehe das Gesetz kam: „Denn bis zu dem Gesetz war Sünde in der Welt“ (Röm 5,13). „Denn ohne Gesetz ist die Sünde tot“ (Röm 7,8). Das Gesetz schafft nicht die Sünde, sondern stellt nur ihren wahren Charakter ans Licht. Sie ist immer vorhanden, aber wo kein Gesetz ist, da ist ihre wahre Natur verborgen. Sobald aber das Gebot kommt, dann lebt sie auf, und zeigt sich in ihrem wahren Charakter, als Feindschaft wider das Gesetz Gottes. „Ich aber lebte einst ohne Gesetz; als aber das Gebot kam, lebte die Sünde auf“ (Röm 7,9). Wann lebte der Apostel ohne Gesetz? Das ist hier nicht die Frage. Der Apostel redet hier weder von sich, noch von irgendeinem anderen Menschen. Er gebraucht diese Redeweise, um zu zeigen, dass es das Gebot ist, wodurch die Sünde zum Aufleben gebracht und also deren wahrer Charakter in ihrem Gegensatz zum Gesetz ans Licht gestellt wird. Wir sehen ja schon bei einem Kind, dass gerade dann, wenn ihm irgendeine Sache, die es bis dahin ohne böse Absicht und ohne besondere Neigung getan hat, verboten wird, die Begierde stark hervortritt, diese zu tun. Durch das Gebot lebt die Sünde, die sich bisher in dieser Sache als tot erwies, in dem Kind auf und reizt es, gegen dieses Gebot zu handeln. Ebenso ist es bei den Erwachsenen.

Den folgenden Ausdruck: „Ich aber starb“, konnte der Apostel sicher auf sich anwenden, wie auch jeder befreite Christ es kann, aber darum handelt es sich hier nicht. Der Apostel will hier, wie gesagt, nur einfach das wahre Wesen der Sünde und deren traurige Wirkungen ans Licht stellen. Ist jemand ohne Gesetz, so ist die Sünde zwar da, aber sie ist tot. Sobald aber das Gebot eintritt, so lebt die Sünde auf. Und was ist die Folge? Sie verursacht den Tod. „ich aber starb. Und das Gebot, das zum Leben gegeben war, dieses erwies sich mir zum Tod“ (Röm 7,10). Das Gesetz sagt: „Tue dies, und du wirst leben“, die Sünde aber bringt das Urteil des Todes über mich und zwar durch das Gesetz. Das Gesetz verheißt dem ihm Unterworfenen das Leben, aber es muss ihn verurteilen. Und warum das? Die Sünde, welche durch das Gebot auflebt, hat ihn getäuscht. Sie hat gerade das in ihm gewirkt, was das Gesetz verbietet und hat ihn zum Übertreter gemacht. Und das Gesetz, weil es gerecht und heilig ist, kann jetzt nicht anders als ihn verurteilen. „Denn die Sünde, durch das Gebot Anlass nehmend, betrog mich und tötete mich durch dasselbe“ (Röm 7,11). Das Gebot hat also nicht den Tod herbeigeführt, sondern die Sünde. Das Gesetz hat zwar der Sünde wegen dies Urteil des Todes ausgesprochen, aber es kann nicht anders, weil „das Gesetz heilig und das Gebot heilig und gerecht und gut“ ist (Röm 7,12). „Gereichte nun das Gute mir zum Tod? Das sei ferne! Sondern die Sünde, damit sie als Sünde erschiene, indem sie mir durch das Gute den Tod bewirkte, damit die Sünde überaus sündig würde durch das Gebot“ (Röm 7,13). Was für eine traurige Sache ist es doch mit der Sünde! Wie überaus schlecht und verdorben steht sie da! Sie ist gerade durch das heilige Gesetz veranlasst worden, mich unter dessen gerechtes Urteil zu bringen und hat also gerade durch das Gute mir den Tod bewirkt. Dies offenbart völlig ihren wahren Charakter.

Es liegt nun die Frage nahe: Warum tun wir denn das Böse und nicht das Gute? Die folgenden Verse geben uns eine deutliche Antwort darüber. Schon in den wenigen Worten in Vers 14: „Ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft“, haben wir den Schlüssel zu dem traurigen Zustand einer Seele, welche die in den folgenden Versen 15–24 ausgedrückten Erfahrungen bei sich bestätigt findet. Sie muss bekennen: Ich bin fleischlich und das Gesetz geistlich; ich bin ein Sklave der Sünde und das Gesetz fordert mich auf, ein Sklave der Gerechtigkeit zu sein. Welche Gegensätze! Ist auch das Gewissen erneuert und erkennt das Gute an, stimmt es auch dem Gesetz bei, dass es gut sei (vgl. Röm 7,16), was nützt mir diese Anerkennung und das Bewusstsein des Guten, wenn ich das Gegenteil tue? Ist auch der Wille erneuert, und völlig bereit, das Gute zu tun, was kann es helfen, wenn das Wirken dessen, was recht ist, nicht gefunden wird (vgl. Röm 7,18)? Ich weiß, dass das Gesetz nur fordert, was gut ist, und weiß auch, dass es recht ist, dieses von mir zu fordern, noch wünsche ich, dass diese Forderungen beschränkt werden möchten, aber ich habe keine Kraft, diesen zu entsprechen. Wohl ist es wahr, dass, wenn ich das Gute anerkenne und bereit bin, es zu tun, nicht mehr ich das Böse vollbringe, sondern die in mir wohnende Sünde (vgl. Röm 7,17). Doch welch ein Trost liegt für mich darin? Ich erkenne die Hässlichkeit der Sünde, und bin doch ihr Sklave. Ich erkenne das Gute und übe es doch nicht aus. Ich hasse das Böse und tue es dennoch. Stehe ich mit einem erneuerten Gewissen und Willen unter der Herrschaft und Macht der Sünde, so bin ich unglücklicher als je. Alle noch so ernsten Anstrengungen sind vergeblich und vermehren nur meinen trostlosen Zustand. Sie stellen nur immer noch greller ans Licht, wie hässlich die Sünde ist, und wie völlig ich unter derselben verkauft bin und sie überzeugen mich immer mehr, dass in meinem Fleisch nichts Gutes wohnt (vgl. Röm 7,18) und das ist alles. Stets muss ich bekennen: „Denn nicht das Gute, das ich will, übe ich aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“ (Röm 7,19), aber da ist keine Kraft, keine Erfüllung des Guten und deshalb auch kein wahrer Friede des Herzens.

In den Versen 21–23 ist in mehrfacher Beziehung vom Gesetz die Rede, wodurch der Zustand einer unbefreiten Seele noch klarer ans Licht gestellt wird. In Vers 22 haben wir das „Gesetz Gottes“. Der innere Mensch, das erneuerte Gewissen und der erneuerte Wille, hat sein Wohlgefallen an diesem Gesetz und dieses Wohlgefallen wird in Vers 23 das „Gesetz meines Sinnes“ genannt. Weiter heißt es in diesem Vers: „Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern“. Dieses Gesetz ist schon in Vers 21 erwähnt: „Also finde ich das Gesetz für mich, der ich das Rechte ausüben will, dass das Böse bei mir vorhanden ist“. Dieses Gesetz in meinen Gliedern ist dem „Gesetz meines Sinnes“ entgegen und streitet gegen dasselbe. Das bei mir wohnende Böse steht in völligem Gegensatz zu dem Wohlgefallen des inneren Menschen. Doch gibt es, wie wir in Vers 23 sehen, noch ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, nämlich „das Gesetz der Sünde“, der in meinem Fleisch wirkende feindselige Grundsatz. Unter dessen Herrschaft bringt mich das in mir wohnende Böse, welches gegen das Gesetz meines Sinnes streitet. So bin ich denn in diesem Zustand ganz und gar ein Gefangener der Sünde. Erkenne ich auch das Gute an, so kann ich es doch nicht ausüben, hasse ich auch das Böse, so muss ich es dennoch tun. Ich bin völlig der Sünde unterworfen. Ich bin ihr Sklave und bin unter sie verkauft, sodass sie mit mir machen kann, was sie will, und ich sehe auch nirgends einen Ausweg. Welch ein trauriger Zustand! Kann da wohl eine andere Frage aus dem Herzen emporsteigen, als die in Vers 24: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?“ (Röm 7,24).

Doch frage ich jetzt noch einmal: War dies der Zustand des Paulus, oder kann es der eines befreiten Christen sein? Und ist dies das gesegnete Resultat des Werkes Christi? Sind wir trotz dieses Werkes immer noch Gefangene und Sklaven der Sünde, um dem Tod Frucht zu bringen? Hat die Innewohnung des Heiligen Geistes auf unseren Wandel keine andere Wirkung als diese traurige Erfahrung des Verderbens und der Ohnmacht des Fleisches? Ach, wie betrübend wäre es! Und wir finden doch in der letzten Hälfte dieses Kapitels nichts anders, als Gefangenschaft, Ohnmacht und Frucht des Todes. Der Mensch ist erneuert nach seinem Gewissen und nach seinem Willen „inneren Menschen“ genannt, aber da ist keine Befreiung, keine Kraft und keine Gott wohlgefällige Frucht. Doch vor allem beachtenswert ist die schon gemachte Bemerkung, dass in diesem Teil des Kapitels weder von Christus, dem Grund unserer wahren Befreiung, noch von dem Heiligen Geist, der Quelle unserer Kraft, die Rede ist, weshalb hier auch unmöglich von dem Zustand einer Seele, in welcher der Heilige Geist wohnt und welche die wahre Befreiung in dem Werk Christi kennt, die Rede sein kann.

Wir haben also in der einfachen Belehrung dieses Kapitels Dreierlei gefunden:

· Die Befreiung vom Gesetz durch den Tod (Verse 1–6),

· Die Erkenntnis der Sünde durch das Gesetz (Verse 7–13),

· Die Erneuerung des Gewissens und des Willens, aber noch im Fleisch und unter der Macht der Sünde (V. 13–23).

Ich hoffe aber auch, dass jeder Gläubige, wenn er dieser Betrachtung ohne Vorurteil gefolgt ist, überzeugt sein wird, dass der Apostel durch das Wörtchen „ich“ nicht seinen damaligen Zustand ausdrücken wollte, sondern dass er nur diese Form gebraucht, oder wenn man will, sich selbst in einen solchen Zustand versetzt hat, um diese Belehrung einfach und klar vorzustellen.

Es ist nun schon gesagt, dass viele Seelen, entweder aus wirklichem Mangel an Befreiung, oder aus Unkenntnis darüber sich mehr oder weniger in diesem Zustand befinden. Sind sie auch nicht dem Buchstaben nach unter dem Gesetz – denn Israel war das Gesetz gegeben – so sind sie es doch dem Grundsatz nach, und die Wirkung ist dieselbe. Sie werden die in diesem Kapitel ausgesprochenen Resultate und Erfahrungen immer mehr oder weniger bei sich selbst bestätigt finden und glauben auch deshalb, wie schon bemerkt, umso lieber, dass hier der Apostel von sich selber redet, weil sie darin eine gewisse Beruhigung über ihren eigenen Zustand finden. Gott aber in seiner reichen Gnade und Liebe hat uns in Christus Jesus etwas Besseres bereitet als ein Gefangensein unter der Sünde, als die Erfahrungen unserer Ohnmacht und ein, wenn auch noch gezwungenes, Wandeln in bösen Werken. Er hat uns in Ihm Befreiung und Kraft gegeben und uns zu jedem guten Werk tüchtig gemacht.

Man könnte nun fragen: Sind denn die in diesem Kapitel ausgesprochenen Erfahrungen nicht von Nutzen? Ich erwidere: Sie sind nicht nur von Nutzen, sondern sogar notwendig, um auf eine Gerechtigkeit durch Werke und auf eine Heiligkeit im Fleisch völlig zu verzichten und um in Wahrheit das wahre Wesen der Sünde und das Verderben und die Ohnmacht des Fleisches zu erkennen, damit wir unser Vertrauen völlig auf die Gnade in Christus Jesus und auf sein Werk allein setzen. Es ist viel schwerer, völlig überzeugt zu sein, dass man keine Kraft hat, Gutes zu tun, als zu erkennen, dass man gesündigt hat. Die Erfahrungen unter dem Gesetz sind das Mittel, um eine Seele von ihrer gänzlichen Ohnmacht zu überzeugen. Gott hat aber kein Wohlgefallen, sie in diesem traurigen Zustand zu lassen. Sobald sie diesen anerkennt, sobald sie hilflos in sich selbst dasteht und überzeugt ist, dass sie die Gerechtigkeit Gottes niemals erreichen kann, und deshalb ausrufen muss: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?“ (Röm 7,24), so offenbart ihr auch Gott die vollkommene Befreiung in Christus Jesus. Und dann erkennt sie ihre Stellung in dem auferstandenen Christus, ihrem wahrhaftigen Mann, um Gott Frucht zu bringen, und ihr Herz ist mit Lob und Dank erfüllt. Sie wird in Wahrheit ausrufen: „Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!“ (Röm 7,25). Sie findet nicht nur ihre Stellung in Christus, sondern auch ihre Freiheit und ihre Kraft.

Man könnte nun aber denken, das Fleisch sei nicht mehr vorhanden, oder seine Natur sei verändert. Deshalb fügt der Heilige Geist den Schluss des 25. Verses hinzu: „Also nun diene ich selbst mit dem Sinn dem Gesetz Gottes, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde“ (Röm 7,25). Das Fleisch ist also noch unverändert da, aber unsere Stellung vor Gott ist nicht mehr im Fleisch, und damit auch nicht mehr unter der Herrschaft der Sünde und dem Urteil des Gesetzes, sondern unsere Stellung ist in dem auferstandenen Christus und ist im Geist.

Ehe wir nun aber zu diesem Teil unserer Betrachtung, worüber in Römer 6 und 8 so einfache und köstliche Belehrungen finden, übergehen, wollen wir zunächst einen Augenblick bei gewissen Erfahrungen stehen bleiben, weil so viele Seelen dabei verweilen und nicht selten dadurch einen gesegneten Wandel für sich selbst verhindern.

Sind die Erfahrungen dem Geist gemäß, so sind sie köstlich und gesegnet, sind sie aber dem Fleisch gemäß, so haben wir keine Ursache, uns darüber zu freuen. Dieser wichtige Unterschied wird aber selten gemacht, und viele, ja sehr viele Gläubige rühmen und erfreuen sich solcher Erfahrungen, worüber sie in Wahrheit nur tief betrübt sein sollten. Manche reden auch mehr und lieber von ihren Erfahrungen als vom Wort Gottes, und sie kennen auch jene weit besser als dieses. Sehr oft beurteilen sie das Wort Gottes nach ihren Erfahrungen und nicht ihre Erfahrungen nach dem Wort Gottes. Und auf diese Weise stellen sie nicht nur ihre Erfahrungen dem Wort Gottes gleich – was schon traurig genug wäre – sondern sogar über dieses. Sie sagen viel eher: „Ich erfahre es so“, als: „Es steht geschrieben“. Die traurige Folge davon aber ist, dass sie ihr Vertrauen mehr auf das setzen, was sie fühlen und sehen, als auf das, was nur durch den Glauben erkannt und erfasst werden kann, denn die Erfahrungen haben es mit dem Gefühl und dem Sichtbarem zu tun, das Wort Gottes aber mit dem Glauben. Und die weitere Folge hiervon ist, dass der Friede mit Gott, die Sicherheit unserer Stellung in seiner Gegenwart und die Gewissheit der Kindschaft in so vielen Herzen sehr schwach und getrübt und meist sehr schwankend sind. Die Erfahrungen und Gefühle sind dem Wechsel unterworfen und darum ist auch alles unsicher, was darauf gebaut wird. Das Wort Gottes aber ist beständig und fest, und wir sind stets sicher und gewiss, wenn wir im Glauben darauf ruhen.

Die Ungewissheit und Niedergeschlagenheit, die Dürre und Mattigkeit in so vielen Seelen, der Mangel an Friede und Freude, an Lob und Dank, der unaufrichtige und fleischliche Wandel – kurz alles das hat in unseren Tagen meist seinen Grund in der Überschätzung der christlichen Erfahrungen und in der Geringschätzung und in der mangelhaften Erkenntnis des Wortes Gottes. Ach! Wir begreifen noch viel zu wenig, wie groß und mannigfach der Schaden für so viele Seelen ist, der allein aus dieser Quelle fließt.

Es geschieht sogar oft, dass man gewisse Erfahrungen gerade deshalb für ein Kennzeichen des wahren Zustandes eines Christen hält, weil diese auch von anderen Gläubigen gemacht werden. Und wie töricht ist das doch! Wird ein kränklicher und schwächlicher Mensch sich dadurch überreden lassen, dass er gesund und stark sei, weil noch viele andere sich genauso fühlen wie er? Woher aber kommt es, dass viele Christen dies tun und den Zustand anderer zum Maßstab ihres eigenen machen und sich damit beruhigen? Es geschieht, wie eben gesagt, fast nur aus Überschätzung der christlichen Erfahrungen und aus Geringschätzung – vielleicht unbewusst – der Autorität des Wortes Gottes. Sein Wort aber allein ist „gewiss und aller Annahme wert“ (1. Tim 1,15; 4,9). Die Erfahrungen unter den Gläubigen sind aber eben so verschieden wie ihre Gesinnungen. Vergleichen wir z. B. nur die Erfahrungen des Abraham mit denen des Jakob, so werden wir schon den größten Unterschied wahrnehmen. Beide waren Gläubige und beiden gehörte dieselbe Verheißung, doch Abraham vertraute auf Gott und wandelte mit Ihm, Jakob aber vertraute auf die Umstände, auf das sichtbare, und wandelte viele Jahre in der Welt, wo er keinen Altar besaß. Er erkannte erst nach einer langen Reihe trauriger Erfahrungen, was Abraham schon im Anfang erkannte – dass Gott treu und wahrhaftig ist. Wie einfach und gesegnet sind daher die Erfahrungen des Abraham und wie mannigfach und traurig die des Jakob. Ebenso werden auch wir bei den Erfahrungen der jetzigen Gläubigen einen großen Unterschied wahrnehmen. Doch nur wenige gehen in den Fußstapfen des Abraham und viele in denen des Jakob. Es fehlt sogar nicht an solchen, welche sich der Erfahrungen Jakobs rühmen und sie für jeden Christen nützlich und notwendig halten. Sie sind freilich nützlich und notwendig, aber nur für ein fleischlich und weltlich gesinntes Herz, für ein Herz, was in den Umständen lebt und sich auf das Sichtbare verlässt wie Jakob, aber sie sind nicht nötig für das einfältige und nüchterne Herz, was im Glauben mit Gott lebt wie Abraham. Ich werde immer Erfahrungen machen: entweder Erfahrungen in meiner Untreue von dem Verderben und der Ohnmacht des Fleisches, von der Unbeständigkeit alles Sichtbaren und von der züchtigenden Hand Gottes, oder Erfahrungen von der unwandelbaren Treue, Liebe und Macht Gottes – aber welch ein Unterschied!

Manche Gläubige berufen sich auch auf die traurigen Erfahrungen der Kinder Israel in der Wüste, und messen danach die ihrigen. Doch was für ein Trost und was für eine Beruhigung liegt für uns darin, wenn wir jenen gleichen? Haben wir auch das Verlangen wie jene, die traurigen Früchte der Untreue zu ernten? Wenn wir verstanden haben, wie Gott über die Wanderungen dieses Volks in der Wüste urteilt, oder wenn wir auch nur mit Aufmerksamkeit die ernsten Worte des Apostels in 1. Korinther 10 gelesen haben, so werden wir uns sicher nicht an den Erfahrungen jenes Volkes trösten oder beruhigen können. Viele Seelen, die oft so schnell und leichtfertig die von Gott an jenes Volk gerichteten Worte: „Ein Volk irrenden Herzens sind sie“ auf sich anwenden, würden sicher erschrecken, wenn sie in Wahrheit auch den Nachsatz beherzigten: „so dass ich in meinem Zorn schwor: Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“ (Ps 95,10.11). Diesen Nachsatz vergaß der Apostel nicht, als er die gläubigen Hebräer warnte, nicht in den Fußstapfen jenes Volkes, dessen Herz beständig den Irrweg liebte, zu leben.

Vorhin habe ich bemerkt, dass die in Römer 7 ausgesprochenen Erfahrungen nützlich und notwendig seien, dass sie aber einer wahren Befreiung vorausgehen müssten. Aber ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, dass diese Erfahrungen von dem Verderben und der Ohnmacht des Fleisches bei einem jeden am Anfang nach seiner Bekehrung in ihrer ganzen Tiefe gemacht sein müssen, oder selbst gemacht werden. Vielmehr glaube ich, dass wir alle, mehr oder weniger, auf unserer ganzen Reise durch diese Wüste praktisch noch daran zu lernen haben. Viele Gläubige aber bleiben fast ausschließlich bei diesen Erfahrungen über das Verderben und die Ohnmacht des Fleisches stehen, und das ist sicher zu beklagen. Sie haben zwar oft erfahren und sprechen es mit völliger Überzeugung aus, dass das Fleisch verdorben und ohnmächtig sei, und dennoch machen sie immer neue Versuche und neue Anstrengungen, um das, was sie als gut und vor Gott wohlgefällig erkennen, auf demselben Weg zu vollbringen. Sie lernen aber dabei nichts anders, als dass sie immer wieder aufs Neue erfahren, wie nutzlos alle ihre Bemühungen sind. Auf diese Weise bringen manche Gläubige ihre ganze Lebenszeit zu. Ihr Herz ist meist beschwert und niedergedrückt, es ist voll Sorge und Unruhe, voll Mutlosigkeit und Furcht. Sie verkündigen wohl der Welt ein Glück und eine Seligkeit in Christus Jesus, aber sie selbst genießen oft sehr wenig davon. Wären wir am Ende der meisten Tage Zeuge ihrer Gebete, so würden wir viele Klagen und Beschuldigungen über sich selbst, aber selten ein freudiges Loben und Danken vernehmen. Wie oft müssen sie seufzen: dieser Tag ist verloren, denn ich lebte mir und nicht dem Herrn. Und wie oft bezeugen die gegenseitigen Klagen der Christen über sich selbst, wie trostlos ihr Zustand ist.

Es ist sicher eine köstliche und unschätzbare Gnade, dass unsere Annahme bei Gott und die Sicherheit unseres Heils, nicht von unserem Wandel, sondern allein von dem Werk Christi abhängig ist, aber wir verlieren doch sehr viel, wenn wir nicht befreit sind, oder doch die Befreiung in Christus Jesus nicht kennen. Wir verlieren mehr oder weniger das gesegnete Vorrecht, in seiner Gemeinschaft zu leben, durch einen vor Ihm wohlgefälligen Dienst seinen Namen zu verherrlichen und mit einem glücklichen Herzen Ihn zu loben und zu preisen. Gewiss wird manche ernste Seele selbst diesen Verlust oft beklagen, aber sie weiß nicht, wie es anders werden soll. Sie hat vielleicht schon lange auf Besserung gewartet, aber es ist noch immer keine gekommen und nicht selten hört man in diesem Zustand das Bekenntnis: „Es fehlt mir am rechten Ernst und Eifer für den Herrn. Ich habe wenig wahre Liebe zu Ihm und wenig willige Hingebung. Und nicht einmal fühle ich tiefen Schmerz oder große Unruhe darüber.“ Ja, diese und ähnliche Klagen hört man in unseren Tagen nicht selten unter den Gläubigen und man merkt nur zu bald, dass entweder die wahre Befreiung wirklich fehlt, oder dass sie nicht verstanden wird. Es offenbaren sich, wenn auch in anderer Form, stets die gleichen Grundsätze, die wir in der letzten Hälfte von Römer 7 finden: Anerkennung des Guten, Willigkeit, dieses zu tun, aber keine Kraft, um es tun zu können. Es ist ein Kampf im Fleisch mit dem Fleisch, ein Kampf gegen die Sünde, ohne die Kraft des Lebens in Christus zu kennen, und deshalb sind alle die Anstrengungen nutzlos, und offenbaren nichts anderes, als die Ohnmacht des Fleisches und die Kraft der Sünde. Und was würde es helfen, wenn selbst der entschiedenste Ernst und der größte Eifer vorhanden wären? Was würde es nützen, wenn ich sogar eine so brennende Liebe in mir fühlte, dass ich mit dem Petrus bekennen könnte: „Herr, ich bin bereit, mit dir in den Tod zu gehen“? Würde ich Ihn nicht bald auf eine ebenso traurige Weise verleugnen, wie er, wenn ich in dieselbe Versuchung käme? Ebenso nutzlos ist aber auch alles Seufzen und Klagen über meinen trostlosen Zustand und meinen Mangel an Kraft. Ja, alles ist vergeblich, bis ich verstanden habe, dass außer mir in dem auferstandenen Christus eine Fülle vorhanden ist, welche ich durch Glauben in Ihm besitze. Mancher wendet jetzt wohl ein: Ich weiß, dass genug Kraft in Christus ist, aber ich muss doch auch Glauben haben, um davon Gebrauch machen zu können, und den finde ich nicht in mir. Ich erwidere: Ein solcher weiß nicht, was Glauben heißt, denn gerade die Überzeugung, dass in Christus Kraft genug für mich vorhanden ist, ist Glauben und nichts anderes. Und sobald ich dieser Überzeugung gemäß handle, werde ich in allem überwinden.

Für viele Gläubige, die über Mangel an Liebe klagen, ist diese Liebe mehr oder weniger ein Gesetz. Sie erkennen die vollkommene Liebe Jesu, der am Kreuz sein Leben für uns gelassen hat, und sie sehen in dieser Liebe einen Beweggrund, Ihn völlig wieder zu lieben, aber sie finden, dass in Ihrem Innern so wenig Liebe vorhanden ist. Sie sollen Christus von ganzem Herzen lieben – eine Forderung, die völlig gerecht ist, aber sie lieben Ihn nicht so. Die Sünde hindert sie daran. Und also stehen sie, wenn auch unter einer anderen Form und bekleidet mit dem Namen Christi, unter dem gleichen Gesetz, welches sagt: „Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen“ (5. Mo 6,5). Solche Gläubige denken auch viel mehr an den Mangel ihrer Liebe zu Jesu, als an seine vollkommene Liebe für uns. Ja, sie sind oft so sehr mit diesem Mangel beschäftigt, dass sie die Fülle seiner Liebe kaum noch sehen, wenn sie gleich viel davon reden. Wie sehr aber würde ihr Herz erfreut und erquickt werden, wenn sie sich einmal bei ihren Mängeln völlig bei Seite ließen, und allein den Reichtum seiner Liebe beschauten und erst verstehen lernten, denn die Erkenntnis seiner Liebe macht die Liebe, welche durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen ist, lebendig und wirksam. Alle eigenen Anstrengungen aber, Ihn völliger zu lieben, sind vergeblich und machen die Seele zuletzt nur matt und mutlos. Und ist es bis dahin gekommen, dann nehmen viele Gläubige gewöhnlich ihre Zuflucht zu den Erfahrungen anderer Christen, und suchen darin ihre Beruhigung. Sie sehen, dass so viele, die doch für wahre Christen gelten und oft schon eine Reihe von Jahren auf diesem Weg sind, sich mit ihnen in demselben Zustand befinden. Ebenso trösten sie sich, wie schon bemerkt, an den Erfahrungen vieler Gläubigen des Alten Testaments, ohne einmal zu berücksichtigen, wie groß ihre Vorzüge vor jenen sind, nachdem das Werk Christi vollbracht und der Heilige Geist hernieder gekommen ist. Sie rühmen sich jetzt sogar der Erfahrungen, die sie noch kurz vorher vor Gott richteten. Sie halten ihre gerechten Klagen über ihre vielen Mängel für einen Beweis des wahren Zustandes eines Christen, und halten für Geist, was sie sonst für eine traurige Wirkung des Fleisches hielten. Und also bringen sie das anklagende Gewissen durch allerlei Mittel zum Schweigen, sie werden gleichgültig gegen die Sünde und betrüben den Geist Gottes.

Für andere Gläubige aber, die sich nicht auf diese Weise beruhigen können, wird der glückliche und gesegnete Wandel eines Christen zu einer drückenden Pflicht oder gar zu einer unerträglichen Bürde, worunter sie seufzend und klagend dahingehen. Sie verstehen nicht, dass dieser Wandel das köstliche und gesegnete Vorrecht eines Gläubigen ist, und ebenso wenig verstehen sie, dass die einzelnen Ermahnungen an die Gläubigen gerade die gesegnete Stellung ausdrücken, worin diese zu Gott, dem Vater, und zu Christus Jesus stehen. Ach, wie vieles verliert doch eine Seele auf dieser Erde, welche die wahre Befreiung in Christus nicht kennt!

Es fehlt auch nicht an solchen unter den Gläubigen, welche sich bei ihren nutzlosen Anstrengungen damit trösten, dass der Gott wohlgefällige Wandel auf eine unsichtbare Weise von dem inneren Menschen, dem neuen Leben, vollbracht werde. Eine wunderbare Vorstellung vom Wandel eines Christen! Doch wozu nimmt man nicht seine Zuflucht, wenn das Herz in Not und Unruhe ist? Wenn man in irgendetwas nur einen Schein von Beruhigung findet, so greift man danach. Aber ich frage ganz einfach: War der Wandel des Herrn Jesus unsichtbar? Würde Er von den Sündern um seiner Gerechtigkeit willen gehasst worden sein, wenn sein Leben und Wandel unsichtbar geblieben wäre? Oder war es der Wandel des Apostels Paulus? War sein geistlicher Wandel unsichtbarer, als sein fleischlicher im Judentum und unter dem Gesetz? Oder meint der Herr einen unsichtbaren Wandel, wenn er uns ermahnt: „Ebenso lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen“? (Mt 5,16). Und wer wollte von den vielen anderen Ermahnungen der Art behaupten, dass dadurch eine unsichtbare Erfüllung gemeint sei?

Noch andere beruhigen sich damit, dass der Herr Jesus, weil Er alles für uns vollbracht hat, auch diese Ermahnungen zu einem würdigen Wandel an unserer Stelle schon erfüllt habe. Lasst uns doch nicht zu solch sinnlosen Behauptungen unsere Zuflucht nehmen, geliebte Brüder, wodurch wir uns ja nur zu unserem eigenen Schaden betrügen und die Tragweite des Werkes Christi, welches uns, die von Natur völlig Untüchtigen, zu jedem guten Werk tüchtig gemacht hat, verringern. Wie töricht wäre ja dann der Apostel gewesen, dass er sich so viele Mühe gegeben, die Christen zu einem würdigen Wandel zu bewegen. Wie sollten wir auch die Ermahnung des Herrn Jesus selbst verstehen: „Seid meine Nachfolger“? Oder die des Apostels, wenn er uns, wie in Philipper 2 und vielen anderen Stellen, das vollkommene Leben Jesu vor die Augen malt, und uns zuruft: „Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war“ (Phil 2,5)? Oder die Ermahnung: „Seid nun Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder“ (Eph 5,1), oder die in 1. Johannes 2,6: „Wer sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist.“

Viele denken auch, dass sie nach Gottes wohlgefälligem Willen in diesem klagenden Zustand seien, damit sie nicht hochmütig würden. Macht denn die Treue den Knecht hochmütig und der Gehorsam das Kind stolz? Das Vertrauen auf seine eigene Kraft und seine eigenen Anstrengungen ist immer mit Stolz und Hochmut verbunden, nicht aber das Vertrauen auf die Gnade Gottes und die Kraft Jesu Christi. – Andere suchen, jenen gleich, dadurch gerade ihre Niedrigkeit auszudrücken, dass sie sich rühmen, „arme Sünder“ zu sein. – Wer war nun aber der Niedrigste – der arme Sünder, oder Jesus, der Sohn Gottes? „Der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden“ (Phil 2,6.7). Man beschuldigte Ihn aber dennoch des Hochmuts, weil Er Gott seinen Vater nannte.

Wann aber sind wir in Wahrheit niedrig, meine Brüder? Wenn wir nur „arme Sünder“ sein wollen, oder wenn wir mit dankbarem und demütigem Herzen in dem Verhältnis stehen und leben, in welches Gott uns durch Christus in Gnaden gestellt hat? Wir finden aber unter allen gesegneten Namen, welche der Heilige Geist den Gläubigen beilegt, nie den Namen „arme Sünder“. Wenn Er von dieser Stellung vor Gott zu den Christen redet, so redet Er immer von der Vergangenheit. Lasst uns doch unsere Demut nicht in Dingen suchen, die nicht nach der Wahrheit sind.

Und bedenken wir auch ferner, wie viele junge Seelen auf diese Weise oft von älteren Christen in die Irre geleitet und unter der Sünde gefangen gehalten werden, und wie sehr die Kraft und der Segen des Wortes in denen geschwächt wird, die doch so teuer erkauft sind.

O wie gesegnet würde es für die Gläubigen sein, wenn sie einmal alle ihre eigenen Erfahrungen, so wie auch die, welche sie von anderen Christen gehört oder gelesen haben, völlig bei Seite setzten und ihre einzige Zuflucht zu dem Wort Gottes, und zu diesem Wort allein, nähmen! Gewiss, sie würden, wenn sie, geleitet durch den Heiligen Geist, mit Gebet suchten und forschten, bald erfahren, dass in so manchen Stellen, worin unbefreite Gläubige Trost und Beruhigung für sich zu finden meinen, in Wahrheit kein Trost – wohl aber oft das Gegenteil – zu finden sei und würden sich überzeugen, wie man von so vielen Schriftstellen eine falsche Anwendung macht. Und dann würden sie auch bald verstehen lernen, worin die wirkliche Freiheit eines Kindes Gottes besteht und so in Wahrheit beruhigt werden, denn wenn der einfältig Glaubende, durch den Heiligen Geist im Wort geleitet, in Christus und seinem Werk die mannigfachen Vorrechte und Segnungen erkennt, dann sieht er eine Menge Fragen, die ihn bis dahin so oft beunruhigten, auf das Befriedigendste beantwortet, und viele Hindernisse zu einem würdigen Leben ganz und gar beseitigt, und dann wird sein Herz frei und glücklich, und mit Lob und Dank und Anbetung erfüllt sein.

Wir haben nun gesehen, wie viele höchst traurige Zustände es unter den Christen unserer Tage gibt, die teils in einem Mangel an wahrer Befreiung, teils in einer großen Unkenntnis des Gottes und des Werkes Christi, und leider auch oft in Mangel an wahrem Ernst und Treue vor Gott ihren Grund haben.

Lasst uns jetzt unsere Betrachtung über diesen wichtigen Gegenstand nach dem Wort Gottes weiter fortsetzen, damit wir recht verstehen lernen, worin eigentlich die wahre Befreiung eines Christen besteht. Dazu kehren wir dann zu dem 6. Kapitel des Römerbriefes zurück.

(Fortsetzung folgt.)

Fußnoten

  • 1 Ich rede hier natürlich nicht von den einzelnen Treuen unter ihnen, welche im Glauben auf den verheißenen Messias und auf seine Erlösung warteten und deshalb gleichsam die Erstlinge des wahren Volkes waren.
  • 2 Es ist aber zu bemerken, dass Israel als Volk nur in seiner Stellung unter dem Gesetz, auf der Grundlage des eigenen Gehorsams, verworfen ist, nicht aber als sein Volk überhaupt. Auf Grund der den Vätern gegebenen Verheißungen („Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar“ (Röm 11,29), wird Er dieses Volk, nachdem es jetzt für eine Zeit bei Seite gesetzt ist, auf der Grundlage des Blutes Jesu, des Mittlers eines neuen Bundes – auf Grund einer unumschränkten Gnade – wieder aufnehmen und segnen.
  • 3 Es ist wohl zu bemerken, dass hier nur von unserer Stellung als Volk Gottes auf dieser Erde die Rede ist, und weniger von unserem Verhältnis zum Vater als Kind, und noch weniger von unserer besonderen und himmlischen Stellung zu Christus und seiner Versammlung, als sein Leib und als ein Teil von Ihm.
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