Die Versammlung und Israel
Vorbilder im Alten Testament

Abigail

Die Versammlung und Israel

„Und es war ein Mann in Maon, der sein Anwesen in Karmel hatte; und der Mann war sehr vermögend und hatte dreitausend Schafe und tausend Ziegen; und er war während der Schur seiner Schafe in Karmel. Und der Name des Mannes war Nabal, und der Name seiner Frau Abigail. Und die Frau war von guter Einsicht und schön von Gestalt; der Mann aber war hart und boshaft in seinen Handlungen, und er war ein Kalebiter“ (1. Sam 25,2-3).

Abigail veranschaulicht einen Aspekt der Versammlung, den wir weder bei Eva oder Rebekka noch bei Asnat finden, wohl andeutungsweise bei Zippora, aber nicht in derselben Deutlichkeit und Schönheit: Abigail war die Frau, die durch die Umstände und den äußeren Schein hindurchsah und in David den Gesalbten des Herrn erkannte. Sie hatte ein Auge für die Herrlichkeit Davids, während diese noch zukünftig war und im direkten Umfeld Abigails verkannt wurde.

Wer war Abigail?

Schauen wir uns kurz die bemerkenswerten Umstände an, die zu der Begegnung zwischen David und Abigail führten.

In 1. Samuel 25 wird Abigail vorgestellt (Verse 2–4):

  • Abigail war die Frau Nabals.
  • Sie wohnten in Karmel (gemeint ist das Karmel in Judäa).
  • Abigail war „von guter Einsicht und schön von Gestalt“.
  • Ihr Mann war ein Nachkomme Kalebs. Er war sehr reich. Seine Herden (mit nicht weniger als 3.000 Schafen und 1.000 Ziegen) müssen es ihm erlaubt haben, in Überfluss zu leben, aber er war „hart und boshaft in seinen Handlungen“.

David in der Wüste Paran

David war zu diesem Zeitpunkt auf der Flucht vor Saul, der ihn gnadenlos verfolgte. Er suchte mit seinen (etwa 600) Männern in der Wüste Paran Schutz, nicht sehr weit von Nabals Anwesen entfernt. Als Nabals Knechte sich in der Nähe Davids aufhielten, hatte sich David – obwohl er sich in einer sehr entbehrungsreichen Situation befand – nicht an ihrem Besitz bereichert, sondern sie sogar beschützt (Vers 16). Allein deshalb war Nabal David zu großem Dank verpflichtet. Doch als David seine Knaben mit einer Bitte um Unterstützung zu ihm sandte, gab Nabal eine Antwort, die seinen Charakter offenbarte. Egoistischer und verächtlicher hätte man kaum antworten können:

„Wer ist David, und wer der Sohn Isais? Heutzutage gibt es viele Knechte, die davonlaufen, jeder von seinem Herrn. Und ich sollte mein Brot und mein Wasser nehmen und mein Geschlachtetes, das ich für meine Scherer geschlachtet habe, und es Männern geben, von denen ich nicht weiß, woher sie sind?“ (Verse 10.11).

Nabal schien keine Ahnung zu haben, wer David war (obwohl doch in ganz Israel von ihm gesungen wurde – selbst die Philister wussten davon, siehe 1. Sam 18,7.8; 21,12; 29,5). Nabal stellte David mit davongelaufenen Knechten gleich. Der Grund seiner Blindheit lag in seinem grenzenlosen Egoismus. Er sprach nur von sich und dachte nur an sich selbst: Sollte „ich“…; „mein Brot“, „mein Wasser“, „mein Geschlachtetes“ und „meine“ Scherer.

Als Davids Knechte mit dieser Antwort zurückkehrten, entschloss David sich wutentbrannt (und leider, ohne erst ruhig zu werden und zu beten), an Nabal und allen in seinem Haus Rache zu üben.

Die Reaktion Abigails

Gerade vor dem Hintergrund der Verachtung, die Nabal für den Gesalbten des Herrn gezeigt hatte, ist Abigails Haltung äußerst bemerkenswert. Als sie hörte, was geschehen war, handelte sie schnell und fest entschlossen. Anstatt sich – wie man es vielleicht erwartet hätte – mit ihrem Mann zu solidarisieren, bereitete sie in Windeseile ein großzügiges Sortiment an Nahrungsmitteln zu (zubereitete Schafe, Wein, Brote, geröstete Körner und sogar 200 Feigenkuchen) und setzte sich mit dem ganzen auf Esel verladenen „Buffet“ in Bewegung.

Der Blick des Glaubens

Als sie David begegnete, handelte sie auf eine Art und Weise, die zeigt, dass sie vollkommen anders empfand als Nabal (Verse 23–31):

  • Abigail fiel vor David auf ihr Gesicht und beugte sich zur Erde nieder. Dadurch erwies sie dem Gesalbten Gottes Ehrerbietung.
  • Sie bekannte ihre Schuld (obwohl sie nicht am Verhalten Nabals beteiligt gewesen war und eine ganz andere Haltung hatte als er): „Auf mir, mein Herr, sei die Schuld!“
  • Sie erkannte David als ihren Herrn an (im Gegensatz zu Nabal, der von einem entlaufenen Knecht sprach): Sie nannte ihn „Mein Herr“.
  • Sie distanzierte sich von Nabal und allen Feinden Davids: Sie nannte ihn „diesen Mann Belials“ und fügte hinzu: „Denn wie sein Name, so ist er: Nabal ist sein Name, und Torheit ist bei ihm“.
  • Sie wusste, dass David die Kriege des Herrn kämpfte.
  • Abigail legte sogar das Bekenntnis ab, dass nichts Böses bei David gefunden wurde „seitdem du lebst“.1 Woher konnte sie das so genau wissen? Sie muss unter der Leitung des Geistes Gottes aus den Taten Davids, die ihr bekannt waren, die richtigen Rückschlüsse auf Davids Charakter gezogen haben.
  • Sie war überzeugt, dass David einmal der „Fürst Israels“ sein würde. Diese Äußerung beruhte nicht auf einer politischen Einschätzung, sondern sie wusste zu sagen, dass der Herr dies bewirken würde.

Abigail erkannte in dem verworfenen und verachteten David den Mann nach Gottes Herzen und den kommenden Fürsten. Der äußere Schein konnte sie nicht täuschen. Sie sah durch den Nebel hindurch und ihr Auge des Glaubens erblickte in David den rechtmäßigen Herrscher.

Genau das ist das Vorrecht der Versammlung heute. Sie sieht Christus schon jetzt mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt (Heb 2,9) und sie weiß, dass Er einmal auf der Erde regieren wird. Sie hebt sich ab von ihrer Umgebung. Ihr Herz schlägt für den Mann, der in ihrem Umfeld gehasst und verachtet wird.

Nachdem Gott zehn Tage später eingriff und Nabal tötete, war der Weg frei für eine Verbindung mit David. Der immer noch von Saul Verfolgte sandte Boten zu Abigail mit der Nachricht: „David hat uns zu dir gesandt, um dich zu seiner Frau zu nehmen“ (Vers 40). Wenn Abigail das Sichtbare vor Augen gehabt hätte, dann hätte sie nur ablehnen können. Aber sie zögerte keinen Augenblick: „Sie machte sich schnell auf und bestieg einen Esel, sie und ihre fünf Mägde, die ihrem Fuß folgten; und sie zog den Boten Davids nach, und sie wurde seine Frau“ (Vers 42).

Die Versammlung besteht in der Zeit, in der es darum geht, etwas vor Augen zu haben, das man nicht sehen kann: „Indem wir nicht das anschauen, was man sieht, sondern das, was man nicht sieht; denn das, was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, ewig“ (2. Kor 4,18). Gerade im Gegensatz zu dem in Thomas vorgestellten zukünftigen jüdischen Überrest gehört der Versammlung der besondere Segen, nicht zu sehen und doch zu glauben (Joh 20,29). Auf diese Weise „sieht“ sie die Vorzüge Christi und „die Herrlichkeit danach“ (vgl. 1. Pet 1,11).

Ein abschließender Vergleich

Wir haben uns bisher mit fünf Frauen beschäftigt, die alle in einer Beziehung zu einem Mann stehen und die auf diese Weise ein Vorbild auf die Versammlung und ihre Beziehung zu Christus abgeben. Dennoch handelt es sich keinesfalls um bloße Wiederholung. Jedes Bild bringt andere Facetten ans Licht.

Die folgende Tabelle fasst die Kernpunkte zusammen.

 

Christus gesehen als

Die Versammlung gesehen als

Adam und Eva

Sohn des Menschen, über die ganze Schöpfung gesetzt

an seiner Seite, sie teilt die Herrschaft mit Ihm

Isaak und Rebekka

der Sohn des Vaters, der Erbe aller Dinge

die „Herausgerufene“

Joseph und Asnat

der Retter der Welt, von Gott erhöht, aber noch nicht von seinen Brüdern erkannt

verbunden mit dem verherrlichten Christus

Mose und Zippora

Christus verbindet sich mit der Versammlung, während Er noch von seinem Volk gehasst wird.

Er ist der wahre Befreier und König (5. Mo 33,5).

schon mit Ihm verbunden, während Er noch von seinem Volk abgelehnt wird.

An den Gerichten, die Christus ausführt, ist sie nicht beteiligt.

David und Abigail

Christus hat seine Herrschaft als König noch nicht angetreten. Er wird noch verachtet. Gerade in dieser Zeit verbindet Er sich mit der Versammlung.

Abigail erkennt in dem abgelehnten David den zukünftigen Fürsten Israels.

Sie teilt seine Verwerfung.

Fußnoten

  • 1 Diese Äußerung Abigails traf natürlich nicht im absoluten Sinn auf David zu. Sie wusste, dass er Rache geschworen hatte. Letztlich können wir diese Äußerung nur dann verstehen, wenn wir hier in David ein Bild von Christus sehen.
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