Die Versammlung und Israel
Vorbilder im Alten Testament
Asnat

Asnat – die ägyptische Braut
Der biblische Lebenslauf Asnats ist äußerst knapp gehalten: Sie war die Tochter Potipheras, des Priesters von On, wurde dann die Frau Josephs und Mutter von zwei Kindern, Ephraim und Manasse.
Nur dreimal kommt ihr Name in der Bibel vor:
„Und der Pharao gab Joseph den Namen Zaphnat-Pahneach und gab ihm Asnat, die Tochter Potipheras, des Priesters von On, zur Frau. Und Joseph zog aus in das Land Ägypten“ (1. Mo 41,45).
„Und Joseph wurden zwei Söhne geboren, ehe das Jahr der Hungersnot kam, die Asnat ihm gebar, die Tochter Potipheras, des Priesters von On“ (1. Mo 41,50).
„Und Joseph wurden im Land Ägypten Manasse und Ephraim geboren, die Asnat ihm gebar, die Tochter Potipheras, des Priesters von On“ (1. Mo 46,20).
Dennoch spielt Asnat eine wichtige Rolle. Ihre Biografie illustriert wichtige Aspekte der Beziehung zwischen Christus und der Versammlung, und zwar so, dass die bisher behandelten Vorbilder (Eva und Rebekka) ergänzt werden.
Nach der Erhöhung Josephs
Schon der Zeitpunkt, zu dem Asnat auf der Bildfläche erscheint, ist aus mehreren Gründen höchst interessant. Bevor ihr Name erwähnt wird, lesen wir, dass Joseph aus dem Gefängnis gerufen wird, um den Traum des Pharaos zu deuten. Überwältigt von Josephs Deutung sagt der Machthaber: „Werden wir einen finden wie diesen, einen Mann, in dem der Geist Gottes ist?“ (1. Mo 41,38). Er beschließt, Joseph den höchsten Platz neben sich zu geben (1. Mo 41,39.40).
Beachten wir auch die Worte, die der Pharao an Joseph richtet: „Siehe, ich habe dich über das ganze Land Ägypten gesetzt“ (1. Mo 41,41). Finden sie nicht ein wunderbares Echo in den Worten des Apostels Paulus, der sagt, dass Gott in einem Akt größter Macht Christus aus den Toten auferweckt und Ihn zu seiner Rechten in der Höhe gesetzt hat? Dabei geht es um eine Erhöhung „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen“. Ja, Gott „hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben“ (Eph 1,20-22).
Denken wir einen Moment darüber nach, wie Joseph auf dem zweiten Prachtwagen fuhr und man vor ihm herrief: „Werft euch nieder!“ (1. Mo 41,43). Das ist das passende Motto, das richtige Gebot für alle, die in der Zeit nach dem Leiden Christi leben. Das ist die Zeit, in der die Versammlung Ihm gegeben wurde. Noch weigern sich viele, Ihn anzuerkennen. Aber letztlich werden sie alle ihre Knie vor Ihm beugen müssen (Phil 2,9.10).
Der Zeitpunkt, an dem Asnat Joseph zur Frau gegeben wurde, ist vielsagend:
- Es war nach der Zeit seines Leidens.
- Es war nach seiner Erhöhung.
Ebenso wurde die Versammlung gebildet, nachdem Christus gelitten hatte und nachdem Er erhöht worden war.
Vor der Umkehr der Brüder
Der Zeitpunkt, zu dem Asnat die Frau Josephs wurde, ist noch in einer dritten Hinsicht von Belang: Es geschah, während die Brüder Josephs noch nichts von seiner Erhöhung wussten. Für sie war er immer noch lediglich ein Sklave, der an die Heiden verkauft worden war. Sie stehen (als Söhne Jakobs) für das Volk Israel. Das von Gott gewählte Timing veranschaulicht treffend, dass der Herr seine Braut empfing, während Er noch von seinem irdischen Volk abgelehnt wurde:
- Es ist gerade in der Zeit, in der „Israel zum Teil Verhärtung widerfahren ist“ (Röm 11,25).
- Beim Lesen des Alten Bundes liegt die „Decke“ noch auf ihren Augen (2. Kor 3,14).
- Die Versammlung dagegen ist bereits geistlich mit Christus verbunden (Eph 1,22.23).
- Sie besteht aus allen gläubigen Christen – und diese kennen schon jetzt seine Herrlichkeit. Ja, sie dürfen Ihn – mit aufgedecktem Angesicht – anschauen (2. Kor 3,18).
- Für Israel ist der Zeitpunkt noch zukünftig, an dem die „Decke“ weggenommen werden wird: „wenn es aber zum Herrn umkehren wird“ (2. Kor 3,16). Das entspricht dem ergreifenden Augenblick, in dem Joseph sich seinen Brüdern mit den Worten „Ich bin Joseph, euer Bruder“ zu erkennen gibt (1. Mo 45,4 ff.).
Leiden für Joseph – nicht für Asnat
Josephs Weg nach Ägypten, war für ihn ein Leidensweg. Dasselbe gilt für seine Zeit in Ägypten, wo er schließlich seine Frau bekam. Aber für Asnat bedeutete die Verbindung mit Joseph nur Freude und Herrlichkeit.
Ebenso hat die Versammlung keinen Anteil an den Leiden, die zu ihrer Verbindung mit Christus führten. Sie hat zwar Teil an seiner Verwerfung, aber die Leiden am Kreuz, durch die Er sich seine Braut erworben hat, waren allein seine Leiden. Er hat sich für sie hingegeben (Eph 5,25) und Er hat alles verkauft, um sie zu besitzen (Mt 13,46).
Ein neuer Name
Die Änderung von Josephs Namen deutet darauf hin, dass er in dieser Phase seines Lebens einen besonderen und unverwechselbaren Charakter angenommen hat: „Und der Pharao gab Joseph den Namen Zaphnat-Pahneach“ (1. Mo 41,45).
Für diesen Namen gibt es zwei Deutungen, die sehr unterschiedlich sind. Und doch ist jede von ihnen äußerst zutreffend, sowohl auf Joseph als auch – in einem tieferen Sinn – auf Christus.
Die eine Deutung lautet: „Offenbarer der Geheimnisse“.
- Dabei mag der Pharao daran gedacht haben, dass seine Träume erfolgreich von Joseph gedeutet worden waren – zu großem Segen.
- In einem noch viel tieferen Sinn ist Christus der Offenbarer der Geheimnisse. Er offenbart nicht nur Dinge im Leben der Menschen (wie die Frau in Samaria es erlebt hatte, siehe Joh 4,29), sondern Er hat Dinge ans Licht gebracht, die vor seinem Kommen noch niemand kannte. Er hat Gott kundgemacht (Joh 1,18), Er hat den Namen des Vaters offenbart (Joh 17,6), Er hat uns die Aussprüche des Vaters gegeben (Joh 17,8) und seine Liebe gezeigt (Joh 17,23). Das christliche Zeitalter ist die Zeit, in der das Geheimnis des Christus (der Verbindung von Christus und der Versammlung) gelüftet wurde (Eph 3,4.5; 5,32; Röm 16,25; Kol 1,26.27). Auch das Geheimnis seines Willens hat Gott uns in der christlichen Zeit mitgeteilt: Es ist sein Ziel, einmal alle Dinge unter ein Haupt, Christus, zusammenzubringen (Eph 1,9.10).
Die andere Deutung des Namens Zaphnat-Pahneach lautet: „Retter der Welt“:
- Joseph wurde durch seine Weisheit und seinen Plan der Erhalter Ägyptens und darüber hinaus eines großen Teiles der damals bekannten Welt.
- Gleichzeitig ist es der Titel, unter dem der Herr Jesus der Welt heute im Evangelium vorgestellt wird. Er ist nicht mehr nur derjenige, der kam, um „sein Volk“ (Israel) von ihren Sünden zu erretten (Mt 1,21), sondern der Retter für die ganze Welt 1 (1. Joh 4,14; Joh 4,42). Dabei ist interessant, dass Christus gerade in Johannes 4 als Heiland oder Erretter der Welt bezeichnet wird (Joh 4,39-42): Es ist eins der wenigen Kapitel im Neuen Testament, in denen Joseph erwähnt wird (Vers 5).
Während der Zeit der Versammlung (d. h. von Pfingsten bis zur Entrückung) ist der Herr nicht nur als „HERR“ oder „Allmächtiger“ bekannt, sondern als Retter der Welt und Offenbarer der Geheimnisse.
Asnat – eine Heidin
„Und der Pharao gab … ihm Asnat, die Tochter Potipheras, des Priesters von On, zur Frau“ (1. Mo 41,45). Asnat war eine Heidin, aber nicht nur dies: Sie wird als „die Tochter Potipheras, des Priesters von On“ vorgestellt. Die Endung des Namens Potiphera („Ra“) bezeichnete den ägyptischen Sonnengott und „On“ wird bis heute mit Heiliopolis („Sonnenstadt“), einem Bezirk in Nord-West Kairo, identifiziert.2 Asnat kam also aus dem Zentrum des heidnischen Götterkults.
Die Herkunft Asnats steht in direktem Gegensatz zu Rebekka. Als es darum ging, eine Frau für Isaak zu finden, hatte Abraham fest darauf bestanden, dass sie aus seiner Verwandtschaft stammte. Sie musste bereit sein, Chaldäa zu verlassen und nach Kanaan zu kommen. Während Rebekka die Tatsache veranschaulicht, dass die Versammlung aus ihrer Umgebung „herausgerufen“ (gr. ekklesia) wurde, weist Asnat auf eine andere Seite der Wahrheit hin. Asnat hat als Nichtjüdin keinen Anteil an den Verheißungen Israels. Sie ist ein Bild von der Versammlung als der Braut, die (zum großen Teil) aus den heidnischen Völkern stammt (vgl. Apg 15,14).
Asnat – eine Gabe
Der Pharao „gab“ Joseph Asnat zur Frau. Oft spricht die Bibel davon, dass ein Mann sich eine Frau nimmt (siehe z. B. 2. Mo 6,20.23.25; Rt 4,13), aber Asnat wurde Joseph gegeben.
Auch dieses Detail lässt sich auf die Versammlung anwenden. Es ist wahr, dass der Herr vieles auf sich nahm und litt, um seine Braut zu erwerben. Aber es ist auch wahr, dass die Versammlung aus Menschen besteht, die Ihm vom Vater gegeben wurden. So betete der Herr:
„Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,24).
Es ist schön, die Versammlung so zu sehen: Sie besteht aus Menschen, die dem Herrn von Gott, seinem Vater, geschenkt – „aus der Welt gegeben“ – worden sind (Joh 17,6).
Die Zeit des Überflusses
Wir haben bereits festgestellt, dass Asnat Joseph nach seinem Leiden und infolge seiner Erhöhung gegeben wurde, und zwar, während er für seine Brüder noch ein Fremder war. Wir finden dann ein (viertes) hochinteressantes Detail in Bezug auf den Zeitpunkt:
„Und das Land trug in den sieben Jahren des Überflusses händevoll“ (1. Mo 41,47).
Die Zeit der Versammlung entspricht den „Jahren des Überflusses“, in denen Menschen gesegnet werden, wie niemand zuvor gesegnet worden ist (Eph 1,3).
Um nur einmal drei Punkte zu nennen: Außerhalb dieser Zeit hat kein Gläubiger jemals das Recht zu behaupten, er sei
- auserwählt vor Grundlegung der Welt oder
- angenommen in dem Geliebten oder
- in einer lebendigen Verbindung zu Christus im Himmel.
Es wäre wohl niemand auf den Gedanken gekommen, dass so etwas überhaupt möglich ist. Es sind Dinge, die „in keines Menschen Herz aufgekommen“ sind (1. Kor 2,9). Es stellt sich die Frage, ob wir diese Reichtümer schätzen. Leben wir, als wären wir Bettler oder genießen wir die „Zeit des Überflusses“?
Die zwei Söhne Asnats
In dieser Zeit des Überflusses bekam Asnat zwei Söhne. Es wird ausdrücklich gesagt, dass dies geschah, bevor „das Jahr der Hungersnot“ kam (1. Mo 41,50). Hier haben wir einen weiteren – fünften – Aspekt, in der der Zeitpunkt von Interesse ist: Die Zeit, in der die Versammlung für Christus Frucht bringt, liegt vor der Zeit der Drangsal (Mt 24,21; Off 3,10).
Die Namen der beiden Söhne (1. Mo 41,51.52) sagen etwas darüber aus, was die Versammlung für den Herrn Jesus bedeutet.
Manasse
Manasse bedeutet „vergessen machen“ – sicher ein Hinweis darauf, dass Joseph jetzt das Leid der vergangenen Jahre und besonders die Feindschaft seiner Brüder hinter sich lassen und in einem gewissen Sinn vergessen konnte. Manasse war ihm eine Hilfe dabei. Dieser Zusammenhang veranschaulicht, dass der Herr von Israel, also von seinen „Brüdern“, abgelehnt wurde (vgl. Joh 1,11). Seitdem ist seine Beziehung zu Israel „auf Eis gelegt“ und wird erst nach der Entrückung wiederhergestellt, wenn „die Vollzahl der Nationen eingegangen“ ist (Röm 11,25). Das muss sehr schmerzlich für Ihn gewesen sein. Aber in dieser Zeit, in der sein irdisches Volk Ihn noch verwirft, besitzt Er schon die Beziehung zu „Asnat“, die zur Frucht seiner Leiden gehört.
Ephraim
Ephraim bedeutet „doppelte Fruchtbarkeit“ – ein Hinweis darauf, dass der Erstgeborene nach dem Gesetz einen doppelten Anteil erbte (vgl. 5. Mo 21,16.17). Tatsächlich ging das Erstgeburtsrecht Rubens auf Joseph bzw. auf dessen beiden Söhne über (1. Chr 5,1). In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass die Versammlung im Hebräerbrief als „Versammlung der Erstgeborenen“ bezeichnet (Heb 12,23) und auf diese Weise mit dem zweifachen Teil in Verbindung gebracht wird. Daher dürfen wir den Namen Ephraim mit dem Wohlstand, der „doppelten Fruchtbarkeit“ der Versammlung verbinden.
Insgesamt zeigen die beiden Söhne Asnats uns etwas davon, was die Versammlung für Christus bedeutet:
- Trost in der Zeit seiner Verwerfung
- Fruchtbarkeit
- Vorrangstellung (Christus ist der Erstgeborene und die Versammlung ist die Versammlung der Erstgeborenen).
Das Land
Durch die Hungerjahre veranlasst, kommen die Brüder Josephs nach Ägypten und werden schließlich dazu gebracht, ihre Sünde zu bekennen. So ziehen sie zusammen mit ihrem Vater nach Ägypten und erhalten den besten Teil des Landes. Wörtlich heißt es: Joseph „siedelte seinen Vater und seine Brüder an und gab ihnen ein Besitztum im Land Ägypten, im besten Teil des Landes“ (1. Mo 47,11).
Von Asnat ist hier nicht die Rede. Warum nicht?
Während Josephs Brüder (und sein Vater) ein Bild von Israel sind, das unter der Herrschaft des wahren Joseph reichen irdischen Segen erhält, hat Asnat keinen Anteil daran. Sie genießt ein besseres Los: Sie gehört zu Joseph, dem Haupt über alle Dinge.
So wird es während des 1000-jährigen Reiches sein. Israel wird den zugesagten Segen auf der Erde genießen, in dem Land, das Abraham verheißen worden war. Die Rolle der Versammlung wird dann eine ganz andere sein. Sie wird die heilige Stadt sein, die aus dem Himmel herabkommt (Off 21,10) und offensichtlich nicht zur Erde gehört. Sie wird nicht von der Sonne, sondern von der Herrlichkeit Gottes erleuchtet (Off 21,23). Sie bildet das himmlische Zentrum des Reiches und „die Nationen werden durch ihr Licht wandeln“ (Off 21,24).
Sie wird nicht das irdische Volk unter der Herrschaft des Königs sein, sondern die himmlische Braut, die „Frau des Lammes“, an der Seite des wahren Joseph, der sie an seiner Erhöhung teilhaben lässt.
Fazit
Die kurze Biografie Asnats stellt wichtige Aspekte der Beziehung zwischen Christus und der Versammlung vor:
- Asnat kam – im Gegensatz zu Rebekka – nicht aus der Familie Abrahams, sondern aus den Heiden. Die Versammlung besteht überwiegend aus solchen, die aus den Heiden kommen.
- Die Versammlung ist mit Christus verbunden, während dieser schon erhöht, aber noch von seinen Brüdern unerkannt und abgelehnt ist.
- Um mit der Versammlung verbunden zu sein, musste Christus leiden. Die Versammlung hatte an diesen Leiden keinen Anteil. Die Verbindung zu Christus bringt ihr unbeschreibliches Glück.
- Christus trägt gerade in der Zeit der Versammlung den Charakter des „Zaphnath-Paneach“, d. h. des Retters der Welt und des Offenbarers der Geheimnisse Gottes.
- Die Zeit der Versammlung ist eine Zeit großen geistlichen Überflusses.
- Die Brüder Josephs bekamen Land zugeteilt. Bei Asnat wird das nicht erwähnt. Sie steht für die himmlische Braut des erhöhten Christus.
Wir sollten unsere hohe Berufung und unser hohes Privileg nicht gegen ein niedrigeres eintauschen (z.B., indem wir versuchen, die Gesellschaft zu verbessern, die Welt zu verschönern oder eine Zukunft auf der Erde zu suchen – vgl. Heb 13,14). Stattdessen dürfen wir mit dem und für den wahren Joseph leben und unsere enge Verbindung mit Ihm genießen. Wir gehören zu Ihm, dem Offenbarer der Geheimnisse, dem Retter der Welt!
Fußnoten