Die Versammlung und Israel
Vorbilder im Alten Testament

Zwei Brote mit Sauerteig

Die Versammlung und Israel

„Und ihr sollt euch zählen vom nächsten Tag nach dem Sabbat, von dem Tag an, da ihr die Webe-Garbe gebracht habt: Es sollen sieben volle Wochen sein. Bis zum nächsten Tag nach dem siebten Sabbat sollt ihr fünfzig Tage zählen; und ihr sollt dem HERRN ein neues Speisopfer darbringen. Aus euren Wohnungen sollt ihr Webe-Brote bringen, zwei von zwei Zehnteln Feinmehl sollen es sein, gesäuert sollen sie gebacken werden, als Erstlinge dem HERRN. Und ihr sollt zu dem Brot darbringen sieben einjährige Lämmer ohne Fehl und einen jungen Stier und zwei Widder (sie sollen ein Brandopfer dem HERRN sein) und ihr Speisopfer und ihre Trankopfer: ein Feueropfer lieblichen Geruchs dem HERRN. Und ihr sollt einen Ziegenbock zum Sündopfer opfern und zwei einjährige Lämmer zum Friedensopfer. Und der Priester soll sie weben samt dem Brot der Erstlinge als Webopfer vor dem HERRN, samt den zwei Lämmern: Sie sollen dem HERRN heilig sein für den Priester. Und ihr sollt an ebendiesem Tag einen Ruf ergehen lassen – eine heilige Versammlung soll euch sein; keinerlei Dienstarbeit sollt ihr tun: eine ewige Satzung in allen euren Wohnsitzen bei euren Geschlechtern.

Und wenn ihr die Ernte eures Landes erntet, sollst du den Rand deines Feldes nicht vollständig abernten und sollst keine Nachlese deiner Ernte halten; für den Armen und für den Fremden sollst du sie lassen. Ich bin der HERR, euer Gott“ (3. Mo 23,15-22).

Die Anweisungen zum „Fest der Wochen“ enthalten eine bemerkenswerte Aufforderung: Es sollten zwei Brote dargebracht werden, und zwar Brote, in denen Sauerteig verbacken worden war. Bei den Speisopfern, die das sündlose Leben Christi darstellten (3. Mo 2), war es dagegen strengstens verboten, Sauerteig zu benutzen. Hier hingegen war es sogar explizit die Vorschrift.

Diese merkwürdige Anweisung hatte einen tieferen Sinn. Um diesem auf die Spur zu kommen, muss man bedenken, dass das Fest der Wochen dem „Pfingstfest“ entspricht. Es steht also in direktem Zusammenhang mit der Geburtsstunde der – aus allen gläubigen Christen bestehenden – Versammlung vor etwa 2000 Jahren.

Exkurs: das Fest der Wochen

Gott hatte dem Volk Israel einen Kalender gegeben, der bestimmte Feste vorschrieb, die im Volk Israel gefeiert werden sollten (3. Mo 23). Mit diesem Kalender verfolgte Gott eine tiefere Absicht. Es ging Ihm um weit mehr als eine gewisse Routine und bestimmte Festzeiten und Riten für sein Volk Israel. Der jüdische Festkalender vermittelte eine versteckte Botschaft. Erst im Licht des Neuen Testaments stellt sich heraus, dass der jüdische Festkalender in verschlüsselter Form Gottes Heilsplan enthält: Er zeigt den Weg, den Gott gehen würde, um den Menschen und insbesondere Israel, in seine eigene Ruhe einzuführen, angefangen vom Kreuz bis hin zum Segen im 1000-jährigen Friedensreich.

Die Sequenz der Feste enthielt:

  • ein wöchentliches Fest (den Sabbat)
  • sieben jährliche Feste (angefangen vom Passah bis hin zum Laubhüttenfest)

Der Sabbat (3. Mo 23,3) steht für das Ziel, das Gott mit dem Menschen erreichen möchte: ihn an Gottes Ruhe teilnehmen zu lassen (man bedenke, dass Gott nur ruhen kann, wenn alles sehr gut ist, vgl. 1. Mose 2,2) – es muss also eine wunderbare Sache sein, an dieser Ruhe Anteil zu haben (vgl. Heb 4,9).

Aber wie kann dieses Ziel erreicht werden, obwohl der Mensch in Sünde gefallen ist und in jedem Test versagt hat? Die sieben jährlichen Feste geben die Antwort. Sie zeigen den Weg, den Gott geht, um dieses Ziel zu erreichen:

  1. Das Passah – Alles beginnt mit dem Passah. Gott hatte sogar den Kalender geändert, damit das Passah im ersten Monat stattfand. Es spricht vom Kreuzestod Christi (3. Mo 23,5; 1. Kor 5,7). Das ist der neue Anfang.
  2. Das Fest der ungesäuerten Brote dauerte sieben Tage. Es folgte unmittelbar auf das Passah und ist untrennbar damit verbunden (vgl. Lk 22,1). Es erinnert uns daran, dass Gläubige ein Leben ohne Böses führen dürfen und sollen (3. Mo 23,6-8; 1. Kor 5,8).
  3. Das Fest der Erstlingsgarbe folgte ebenfalls kurz nach dem Passah. Es wurde am Tag nach dem Sabbat gefeiert, der auf das Passah folgte, also am ersten Tag einer neuen Woche. Es spricht von der Auferstehung Christi (3. Mo 23,9-14; 1. Kor 15,23).

Gott wartete also, nachdem Er Mose den Festkalender gegeben hatte, etwa 1500 Jahre lang. In diesen Jahrhunderten wurde kein einziges der sieben Feste tatsächlich erfüllt. Als Christus kam, änderte sich das schlagartig. Er starb als das Passahlamm, legte die Grundlage für ein Leben in Reinheit, und Er wurde aus den Toten auferweckt.

Die Deutung dieser Feste bzw. ihrer Erfüllung ist nicht etwa eine Ermessensfrage. Bei jedem der ersten drei Feste haben wir eine Bibelstelle aus dem Neuen Testament angegeben, die die Bedeutung des jeweiligen Festes eindeutig bestimmt. Dasselbe gilt für das vierte Fest, das Fest der Wochen (3. Mo 23,15-21). Es sollte sieben Wochen später stattfinden, genauer gesagt, 50 Tage nach dem Fest der Erstlinge. Daher rührt der Ausdruck „Pfingsten“ (gr. pentēkostē, d.h. der fünfzigste (Tag)) in Apostelgeschichte 2: „Und als der Tag der Pfingsten erfüllt wurde, waren sie alle an einem Ort beisammen“ (Apg 2,1).

Dieser Vers ist der Schlüssel für unser Thema. Das vierte Fest, das Fest der Wochen, ist ebenfalls bereits erfüllt worden, und zwar am Pfingsttag und damit an dem Tag, an dem die Gläubigen durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft wurden (1. Kor 12,13).

Die ersten vier der jährlichen Feste wurden also innerhalb eines Zeitraums von etwa zwei Monaten gefeiert. Danach kam eine lange Pause 1 bis zum siebten Monat, in dem – in zügiger Abfolge – die letzten drei Feste stattfanden. Sie zeigen uns den Teil von Gottes Heilsplan, der noch zukünftig ist:

  • Fest des Posaunenhalls (3. Mo 23,23-25): die Sammlung Israels
  • der große Sühnungstag (3. Mo 23,26-32): die Buße und „Bekehrung“ Israels
  • das Laubhüttenfest (3. Mo 23,33-43): das 1000-jährige Reich

Hier geht es also um Gottes Plan mit seinem irdischen Volk Israel. Der siebte Monat, in dem die letzten drei Feste stattfanden, war früher, bevor Gott den Kalender geändert hatte, der erste Monat des Jahres gewesen. Er steht also für die „alte Ordnung“. Mit dem Tod Christi (Passah) war eine neue Ordnung eingeführt worden, aber Gott hat seinen alten Plan für Israel nicht vergessen, sondern wird ihn ebenfalls erfüllen.

Eine doppelte Grundlage

Wie in dem „Exkurs“ gezeigt, haben wir eine doppelte Grundlage dafür, das Fest der Wochen auf die Versammlung anzuwenden:

  1. es fand seine Erfüllung am Geburtstag der Versammlung
  2. es fällt in die Zeit zwischen der Auferstehung Christi (Fest der Erstlingsgarbe) und der Wiederherstellung Israels (die letzten drei Feste)

Im Licht des Neuen Testamentes stellen wir fest, dass auch die einzelnen Anweisungen zum Fest der Wochen viele weitere Hinweise auf die Versammlung enthalten.

Der Zeitpunkt: sieben Wochen nach dem Fest der Erstlinge

„Und ihr sollt euch zählen vom nächsten Tag nach dem Sabbat, von dem Tag an, da ihr die Webe-Garbe gebracht habt: Es sollen sieben volle Wochen sein“ (3. Mo 23,15).

Am Anfang dieses Abschnitts sucht man vergeblich nach den Worten „… und der Herr redete zu Mose“. Diese Formel wird in den Versen 9 und 23 benutzt, also jeweils als Einleitung für das Fest der Erstlingsgarbe und das Fest des Posaunenhalls, aber eben nicht für das Fest der Wochen. Stattdessen heißt es hier einfach: „Und ihr sollt…“. Auf diese Weise wird das Fest der Wochen mit dem vorhergehenden, dem Fest der Erstlingsgarbe verbunden. Beide Feste werden auf diese Weise „eingerahmt“. Wenn wir die Bedeutung dieser beiden Feste bedenken, wird schnell klar, warum: Tatsächlich sprechen beide von zentralen christlichen Wahrheiten, die nicht voneinander zu trennen sind: von der Auferstehung Christi und vom Kommen des Heiligen Geistes.

Die enge Verbindung zwischen diesen beiden Festen kommt in diesem Abschnitt immer wieder zum Tragen. Sie wird auch dadurch betont, dass der Zeitpunkt des Festes der Wochen nicht absolut, sondern relativ war: Es war kein feststehendes Datum, sondern der Zeitpunkt richtete sich nach dem Fest der Erstlinge. Ebenso ist die Versammlung mit dem auferstandenen Herrn als Haupt verbunden – und Er ist der Erstgeborene aus den Toten (Kol 1,18), im Gegensatz zu Adam, dem Volk Israel oder anderen Gläubigen des Alten Testaments.

Zwischen beiden Festen lag ein Zeitraum von sieben Wochen. Die Zahl Sieben spricht von göttlicher Fülle und Vollständigkeit (sieben Tage bilden eine volle Woche, sieben Lampen gehörten zum Leuchter, vgl. 2. Mose 25,31.37, sieben Tage sollte Ungesäuertes gegessen werden, vgl. Vers 6, etc.). Hier taucht die Zahl Sieben sogar zweimal auf, denn der Sabbat war der siebte Tag: „Der siebte Sabbat“ (Vers 16) war also der 49. Tag (7x7). Dieser Zeitraum kommt nur bei diesem Fest vor. Das alles weist darauf hin, dass die Zeit der Versammlung die Zeit einer besonderen Segensfülle ist. Sicher hat Gott auch Adam im Paradies sowie Menschen in verschiedenen Epochen gesegnet, aber nie in dem Maß, wie Er es mit der Versammlung getan hat.

Eine neue Woche und ein neues Speisopfer

„Bis zum nächsten Tag nach dem siebten Sabbat sollt ihr fünfzig Tage zählen; und ihr sollt dem HERRN ein neues Speisopfer darbringen“ (3. Mo 23,16).

Der besondere Tag der Woche für die Juden war der Sabbat. Aber der besondere Tag für das dritte und auch für das vierte Fest (Erstlingsgarbe und Fest der Wochen) war der Tag nach dem Sabbat. Der Grund dafür wird erst im Licht des Neuen Testaments klar. Der Tag nach dem Sabbat ist der erste Tag der Woche, der Auferstehungstag (Joh 20,1.19).

Außerdem musste es ein „neues“ Speisopfer sein. Es war aus zwei Gründen neu:

  1. Es war eine neue Ernte. Beim Fest der Erstlingsgarbe wurden die ersten Früchte der Gerstenernte dargebracht. Sieben Wochen später war der Zeitpunkt, an dem die ersten Früchte der Weizenernte eingesammelt wurden. Um zu dieser Einsicht zu gelangen, brauchen wir noch nicht einmal außerbiblisches Wissen über die Zeitpunkte der verschiedenen Ernten bemühen, sondern Gottes Wort sagt es ausdrücklich: Es waren „die Erstlinge der Weizenernte“ (2. Mo 34,22).
    Nach 2. Mose 9,31 war die Gerste zur Zeit des Passahs „in der Ähre“, d.h. erntereif. Die Gerstenernte spricht daher von der Auferstehung des Herrn Jesus. Die neue Ernte ist die Weizenernte (die etwa sieben Wochen später reif ist). Sie spricht von denen, die mit Christus verbunden sind, weil Er in den Tod gegangen ist (Joh 12,24).
  2. Außerdem war es ein neues Speisopfer, weil Sauerteig verwendet wurde (mehr dazu bei der Besprechung von Vers 17).

Die Versammlung war auch neu. Sie begann nicht mit Abraham oder Adam, sondern nachdem der Herr Jesus am Kreuz gestorben war. Auf dieser Grundlage konnte etwas völlig Neues geschaffen werden: Juden und Heiden wurden zu „einem neuen Menschen“ geformt (Eph 2,15). Vorher, in der gesamten Zeit des Alten Testaments, gab es weder die Versammlung noch eine direkte oder prophetische Ankündigung der Versammlung (Eph 3,5).

Zwei Brote, gesäuert gebacken

„Aus euren Wohnungen sollt ihr Webe-Brote bringen, zwei von zwei Zehnteln Feinmehl sollen es sein, gesäuert sollen sie gebacken werden, als Erstlinge dem HERRN“ (3. Mo 23,17).

Dieser Vers führt uns zum Kern unseres Abschnitts und Themas, den zwei Broten.

Die Brote enthielten Feinmehl und Sauerteig. Beide Zutaten haben eine klar bestimmte Symbolik in Gottes Wort, aber ihre jeweilige Bedeutung könnte kaum weiter voneinander entfernt sein:

  • Feinmehl spricht von Christus, seiner Reinheit und moralischen Vollkommenheit. Kein Maß an Druck verändert die Beschaffenheit von Feinmehl – und unter keinem Maß an Druck hat Christus je seinen Charakter als vollkommener Mensch verloren. Zu jeder Zeit und in jeder Situation gefiel Er Gott.
  • Sauerteig bewirkt durch seine Milchsäurebakterien einen fortschreitenden Gärungsprozess, der treffend veranschaulicht, dass Böses sich ausbreitet. Sauerteig spricht daher sowohl im Alten als auch im Neuen Testament immer 2 von Bösem.

Man könnte sich zu Recht fragen, wie jemand, der die Symbolik dieser beiden Zutaten kennt, auf die Idee kommen könnte, sie zusammenzubringen, um dem Herrn ein Opfer darzubringen. Doch genau das verlangt Gott hier.

Der Grund wird schnell klar, wenn man bedenkt, dass es um Pfingsten und damit um die Versammlung geht. Sie besteht aus gläubigen Menschen und wir wissen, dass Gläubige zwei Naturen besitzen:

  • Sie haben bei der neuen Geburt eine neue Natur empfangen (Joh 3,5), die sie befähigt, Merkmale von Christus in ihrem Leben zu zeigen: Feinmehl.
  • Sie besitzen noch immer die alte Natur, das sündige Fleisch, die in ihnen wohnende Sünde (Röm 7,17).

Allerdings dürfen Gläubige nicht zulassen, dass das Fleisch in ihnen aktiv wird; sie dürfen nicht fleischlich denken oder handeln. Diese Tatsache wird hier sehr anschaulich vorgestellt, und zwar durch die Anweisung, dass das Brot gesäuert „gebacken“ werden sollte. Der durch den Sauerteig bewirkte Gärungsprozess endet, wenn der Teig der Hitze des Feuers ausgesetzt wird.

Das Weben

Die beiden Brote werden als „Webe-Brote“ bezeichnet. Das „Weben“ einer Opfergabe (sogenannte „Web-Opfer“) begegnet uns des Öfteren im Alten Testament. Der Ausdruck „weben“ bedeutet, dass das Opfer hin- und herbewegt wurde (das Wort wird auch für das „Schwingen“ eines Meißels benutzt). Auf diese Weise konnte es von allen gesehen werden.

Das Beeindruckende in diesem Fall ist die Parallele zu Vers 11. Dort wurde die Erstlingsgarbe gewoben „zum Wohlgefallen“ – und das können wir gut verstehen, denn Christus, der Auferstandene, war das Wohlgefallen und die Freude Gottes. Aber nun sollen die beiden gesäuerten Brote „gewoben“ werden. Das erinnert uns daran, dass wir „angenehm gemacht“ sind. Wir sind „in Christus“, sogar „in dem Geliebten“ (Eph 1,6).

Wieder zeigt sich also die Verbindung mit dem Auferstandenen. Er ist der Himmlische, wir die Himmlischen (1. Kor 15,48). Wir sind mit Ihm in die Auferstehungswelt versetzt, in den Bereich der neuen Schöpfung. Dort geht es um neue Beziehungen (vgl. Joh 20,17; 2. Kor 5,17). Gott hat Ihn „auferweckt“ und erhöht und Ihn als solchen „als Haupt der Versammlung gegeben“ (Eph 1,20-22).

Erstlinge

Den Gedanken der Erstlinge oder Erstlingsfrüchte verstehen wir schnell, wenn wir an einen Obstbaum denken. Die ersten Früchte des Baumes geben einen Vorgeschmack auf die Ernte, die folgen wird.

Der Ausdruck „Erstlinge“ zeigt eine weitere Parallele zwischen dem Fest der Wochen und dem vorhergehenden Fest, dem der Erstlingsgarbe:

  • Christus ist der Erste, der aus den Toten auferweckt wurde, um nie wieder in den Tod zu gehen. Andere werden Ihm darin folgen, sie werden eine große Ernte bilden, die denselben Charakter trägt: auferweckt aus den Toten, um nie wieder zu sterben (1. Kor 15,23).
  • Die Versammlung trägt ebenfalls den Charakter einer Erstlingsfrucht. Sie ist die erste Gruppe von Menschen, die nach dem Kreuz gerettet wurde. Viele andere werden nach der christlichen Epoche folgen und ebenfalls gerettet werden (siehe z. B. Mt 24,14). Insofern sind wir als Christen „eine gewisse Erstlingsfrucht“ (Jak 1,18).

Allerdings gibt es einen interessanten Unterschied, den wir beachten sollten: Das Wort „Erstling“ in Vers 10 (hebr. reschith) bedeutet „Anfang, erster in Platz, Zeit, Ordnung oder Rang“ und daher auch „Haupt“ oder „Hauptsache“. Dieser Ausdruck für Erstling wird benutzt, um Christus vorzuschatten, der über allem steht. Das in den Versen 17 und 20 verwendete Wort (hebr. bikkur) dagegen bezeichnet den „ersten Fruchtertrag der Ernte“ oder die „frühe Frucht“. Es geht also in erster Linie um die zeitliche Dimension.

Dieser Unterschied macht uns glücklich. Die Versammlung stellt den ersten Teil der Ernte dar, das Erste in der Zeit. Aber Christus ist der Erste in Rang und Zeit.

Warum zwei?

Schließlich lernen wir, dass zwei Brote präsentiert werden mussten. Manche haben bei der Zahl Zwei daran gedacht, dass die Versammlung aus Menschen gebildet worden ist, von denen einige aus den Juden und andere aus den Nationen kommen. Die Tatsache ist zwar wahr, aber zwei separate Brote würden das Gegenteil darstellen von dem, was in der Versammlung Wirklichkeit geworden ist: „Da ist ein Leib“ (Eph 4,4).

Schon früh in der Geschichte der Versammlung bekommen wir Anschauungsunterricht bezüglich dieser Frage. Es war eine gefährliche Situation entstanden: Falsche Lehrer waren von Jerusalem nach Antiochien gekommen (Apg 15). Die Brüder in Antiochien nahmen diese falsche Lehre (die Christen unter Gesetz zu stellen) nicht an. Dadurch bestand die akute Gefahr, unabhängig voneinander zu handeln und die Lehre in Antiochien abzuweisen, sie aber in Jerusalem zu tolerieren. Dadurch wäre der Eindruck entstanden, es gäbe eine jüdische Versammlung mit Sitz in Jerusalem und eine „heidnische“ Versammlung in Antiochien. Glücklicherweise wurde diese Gefahr erkannt. Paulus und seine Begleiter machten sich auf die weite Reise nach Jerusalem, die Sache wurde ausgiebig besprochen und man kam – dem Herrn sei Dank – zu einem guten und einmütigen Ergebnis.

Es ist zwar wahr, dass die Versammlung aus Menschen jüdischer und heidnischer Herkunft besteht, aber innerhalb der Versammlung gibt es eine solche Unterscheidung nicht mehr (Eph 2,14.15; vgl. Gal 3,28; Kol 3,11).

Aus diesen Gründen tendiere ich dazu, mit der Zahl Zwei eher die folgenden beiden Gedanken zu verbinden:

  • Die Zahl Zwei spricht von einem hinreichenden Zeugnis. Man denke an die zwei oder drei erforderlichen Zeugen (5. Mo 17,6; 2. Kor 13,1) und an die zwei Zeugen in Offenbarung 11. Die Versammlung ist berufen, hier auf der Erde ein Zeugnis für Christus zu sein. Wie gut und wie schlecht sie im Lauf der christlichen Epoche dieser Berufung nachgekommen ist, wird in Offenbarung 2 und 3 gezeigt. Dort wird die Versammlung in den verschiedenen Epochen der Kirchengeschichte durch Leuchter dargestellt – mit allen Höhen und Tiefen. Das Bild des Leuchters erinnert an die Aufgabe, Licht zu verbreiten bzw. ein Zeugnis zu sein. Bis heute ist die Versammlung (wenn auch praktisch sehr unvollkommen) ein Leuchter.
  • Das Vorbild der zwei Brote bleibt hinter der Wirklichkeit der Versammlung zurück. Die Versammlung ist ein Brot, ein Leib. Deshalb wird sie durch ein Brot dargestellt (1. Kor 10,17). Juden und Heiden, Sklaven und Freie etc. sind alle zu einem Leib vereint. Die Einheit der Versammlung als Leib Christi ist eine Wahrheit, die in den Vorbildern des Alten Testaments noch nicht klar vorgeschattet wird.3 Allerdings wird interessanterweise in Vers 18 ein Ausdruck benutzt, der mit dieser Wahrheit kompatibel ist, denn dort ist von „dem Brot“ die Rede.

Wenn man diese beiden Punkte betrachtet, ergibt sich ein schönes Bild: „Das Brot“ (die Versammlung) hat die Aufgabe, ein wirksames Zeugnis zu sein.

Ein Brandopfer

„Und ihr sollt zu dem Brot darbringen sieben einjährige Lämmer ohne Fehl und einen jungen Stier und zwei Widder (sie sollen ein Brandopfer dem HERRN sein) und ihr Speisopfer und ihre Trankopfer: ein Feueropfer lieblichen Geruchs dem HERRN“ (3. Mo 23,18).

Anlässlich des Festes der Wochen sollte ein Brandopfer dargebracht werden, das aus nicht weniger als zehn Opfertieren bestand. In Vers 18 werden folgende genannt 4:

  • 7 Lämmer
  • 1 Stier
  • 2 Widder

Es handelte sich also bei diesem Brandopfer um ein sehr umfangreiches und wertvolles Opfer. Dennoch heißt es, dass es „zu dem Brot“ dargebracht werden sollte. Das Brot steht an zentraler Stelle, weil es unmittelbar mit der Bedeutung des Festes in Verbindung steht.

Die Tiere, die als Brandopfer dargebracht wurden, sprechen von den vortrefflichen Charakterzügen Christi (die Lämmer von Unschuld und Reinheit, der Stier von Stärke, Wert und Dienst und der Widder von Hingabe).

Dazu wurde „ihr Speisopfer“ und „ihr Trankopfer“ dargebracht. Diese Formulierung zeigt, dass es sich hier um begleitende Opfer handelte. Sie gehörten zum Brandopfer. Die Hingabe des Herrn in seinem Tod am Kreuz (Brandopfer) ist untrennbar mit seinem sündlosen Leben (Speisopfer) verbunden und auch mit der Freude Gottes (Trankopfer) über das vollbrachte Werk.

Es fällt auf, dass dieselben Arten von Opfern auch am Fest der Erstlingsgarbe dargebracht wurden (Verse 12.13). Auch durch diesen Umstand werden die beiden Feste verbunden. Die Versammlung steht in Verbindung mit Christus, dem Auferstandenen, und mit seinem Opfer.

Hinzu kommt, dass der „liebliche Geruch“ nur hier und in Vers 13 erwähnt wird, also nur bei diesen beiden Opfern. Es gibt jedoch auch einen deutlichen Unterschied, der aus dem folgenden Vers hervorgeht.

Ein Sündopfer

„Und ihr sollt einen Ziegenbock zum Sündopfer opfern und zwei einjährige Lämmer zum Friedensopfer“ (3. Mo 23,19).

Im Kontrast zum Fest der Erstlinge (Verse 12.13) mussten beim Fest der Wochen ein Sündopfer und ein Friedensopfer dargebracht werden. Der Herr musste kein Opfer für seine eigenen Sünden bringen. Er beging nie eine Sünde und hatte keine sündige Natur. Wir wissen, dass Er „nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohenpriester, zuerst für die eigenen Sünden Schlachtopfer darzubringen“. Für uns dagegen ist ein Sündopfer nötig. So heißt es weiter in demselben Vers: „… dann für die des Volkes; denn dies hat er ein für alle Mal getan, als er sich selbst geopfert hat“ (Heb 7,27).

Dieser Unterschied ist eine Konsequenz aus einem anderen Unterschied, den wir schon bemerkt haben: Beim Speisopfer, das von Christus spricht, fehlt der Sauerteig, aber im Speisopfer, das von der Versammlung spricht, war er vorhanden. Christus ist der Reine und Sündlose.

Ein Friedensopfer

Das Friedensopfer erinnert uns daran, dass es Gemeinschaft gibt zwischen Gott und denen, die zur Versammlung gehören. Im Bild des Friedensopfers können Gott und der Mensch dasselbe Fleisch essen und dieselbe Nahrung genießen (3. Mo 7,19), nämlich die Person und das Opfer des Sohnes Gottes, die unendlich kostbar für Gott sind und die auch uns kostbar geworden sind (vgl. 1. Pet 2,7).

Ein Webopfer

„Und der Priester soll sie weben samt dem Brot der Erstlinge als Webopfer vor dem HERRN, samt den zwei Lämmern: Sie sollen dem HERRN heilig sein für den Priester“ (3. Mo 23,20).

Die beiden Lämmer, die hier „gewoben“ wurden, waren die des Friedensopfers. Gemeinsam mit dem Brot werden sie auf diese Weise gezeigt und vorgestellt. Es ergibt sich ein wunderschönes Bild: Die zwei Brote sprechen von der Versammlung, die beiden Lämmer von Christus als dem Friedensopfer. Die Botschaft ist klar: Die Versammlung besteht aus Menschen, die in Gemeinschaft mit Gott gebracht worden sind.

In diesem Vers wird unvermittelt „der Priester“ genannt. Damit stoßen wir auf eine weitere Besonderheit, die dieses Fest mit dem vorhergehenden verbindet. Auch dort (und nur dort in 3. Mose 23) wird der Priester erwähnt (Verse 10.11). Liegt darin nicht ein Hinweis, dass das Priestertum einerseits in Verbindung mit Christus steht und andererseits eng mit den Gedanken Gottes über die Versammlung verbunden ist?

Der Priester sollte „weben“, d. h. die Schönheit des Opfers zugänglich machen und zeigen. Aber er sollte und durfte sich auch von diesen Opfern ernähren.

Keine Dienstarbeit

„Und ihr sollt an ebendiesem Tag einen Ruf ergehen lassen – eine heilige Versammlung soll euch sein; keinerlei Dienstarbeit sollt ihr tun: eine ewige Satzung in allen euren Wohnsitzen bei euren Geschlechtern“ (3. Mo 23,21).

Am Tag des Festes der Wochen sollte eine „heilige Versammlung“ ausgerufen werden. Es war eines der drei Feste, für die jeder Mann im Volk Israel sich nach Jerusalem begeben sollte, an den Ort, den Gott gewählt hatte, um dort „seinen Namen wohnen zu lassen“ (vgl. 5. Mo 16,11). Bis heute ist es Gottes Gedanke, dass Gläubige sich versammeln, dass sie „als Versammlung“ zusammenkommen (Mt 18,20; 1. Kor 11,18; vgl. 14,23). Auf diese Weise wird vor Menschen etwas von der Versammlung Gottes sichtbar.

Am Fest der Wochen sollte keine Dienstarbeit verrichtet werden. Der Mensch konnte nichts beitragen zu diesem großen Werk Gottes, der Bildung der Versammlung. Wir sind sein Werk (Eph 2,10). Es ist genau das Gegenteil des gesetzlichen Prinzips, das verlangt, dass der Mensch etwas tut.

Die „ewige Satzung“ erinnert daran, dass die Versammlung ewig bestehen wird. Sie wird nicht vom Tod überwältigt werden (vgl. Mt 16,18) und der Geist Gottes, der sie gebildet hat, wird „in Ewigkeit“ bei uns sein (Joh 14,16).

Schließlich werden die „Wohnsitze“ erwähnt, also die Häuser der Israeliten. Obwohl das Fest der Wochen offiziell in Jerusalem begangen wurde, war es nicht von der Privatsphäre zu trennen. Gott möchte, dass die Wahrheit von Christus und der Versammlung in unseren Häusern geschätzt und geliebt wird.

Der Arme und der Fremde

„Und wenn ihr die Ernte eures Landes erntet, sollst du den Rand deines Feldes nicht vollständig abernten und sollst keine Nachlese deiner Ernte halten; für den Armen und für den Fremden sollst du sie lassen. Ich bin der HERR, euer Gott“ (3. Mo 23,22).

Nachdem die Webebrote dem Herrn dargebracht worden waren, würde die Ernte folgen. Es würde immer noch Weizen geben, der nicht Teil der Webebrote wäre. Der Rand des Feldes sollte nicht vollständig geerntet, sondern für Arme und für Fremde übriggelassen werden. Diese beiden Gruppen würden zu einem Zeitpunkt gesegnet werden, an dem die Webebrote von der Bildfläche verschwunden sein würden. Was bedeutet das?

Sicherlich geht Gottes Gedanke in diesem Vers weit über soziale Fragen (Unterstützung für Arme) hinaus, obwohl diese natürlich auch darin enthalten sind. Wenn die Ernte kommt, werden die Webebrote verschwunden sein (die Versammlung wird entrückt sein). Dann wird es Segen für die Juden geben, die den Überrest Israels bilden werden. Sie sind die „Elenden der Herde“ (Sach 11,7.11) – hier vorgestellt durch die „Armen“. Sie werden das Evangelium des Reiches verbreiten (Mt 24,14). Dadurch werden viele unter den Heiden gerettet werden – hier vertreten durch die „Fremden“. Der Höhepunkt des Segens wird in der Versammlung erreicht, aber nach der Entrückung wird weiterhin Segen fließen.

Ich bin der HERR, euer Gott

Der Schlusssatz „Ich bin der HERR, euer Gott“ findet sich in diesem Kapitel nur hier und in Vers 43, also am Ende des 4. und am Ende des 7. Festes. Dadurch wird unterstrichen, dass die ersten vier Feste zusammengehören. Sie haben mit dem Kommen Christi in Gnade zu tun. Die letzten drei bilden die zweite Gruppe von Festen. Diese haben mit Israel und der Erscheinung Christi zu tun.

Gott nennt hier zwei seiner Namen. Er wollte eine Beziehung zu seinem Volk haben – davon spricht der Name HERR (Jahwe) und Er hat die Macht, seinen Plan auszuführen (Er ist Elohim). Das „Ich bin“ unterstreicht, dass Er sich nicht verändert und dass sein Plan Bestand hat.

Schließlich heißt es „euer“ Gott. Der Israelit sollte wissen, dass der ganze Segen, der in den Festen des Herrn vorgestellt wird, auf der Beziehung zu diesem Gott beruht und seinen Gedanken entspringt: Ich bin der HERR, „euer“ Gott.

Fazit

Die Anweisungen zum Fest der Wochen veranschaulichen eine ganze Reihe von Merkmalen der Versammlung, für die Christus sich selbst gegeben hat und zu der wir gehören dürfen:

  • Vollständigkeit des Segens (sieben Wochen, 3. Mo 23,15)
  • Verbindung mit Christus als dem Auferstandenen (Tag nach dem Sabbat, 3. Mo 23,16)
  • Neuheit (ein neues Speisopfer, 3. Mo 23,16)
  • neue und alte Natur (Feinmehl und Sauerteig – gebacken, 3. Mo 23,17)
  • Erstlingscharakter (3. Mo 23,17)
  • Zeugnis (zwei Brote, 3. Mo 23,17)
  • Annahme in Christus, vorgebildet im Brandopfer (3. Mo 23,18)
  • Notwendigkeit eines Sündopfers (3. Mo 23,19)
  • Gemeinschaft mit Gott, Friedensopfer (3. Mo 23,19)
  • Gottes Werk, der Mensch kann nichts beitragen, keine Dienstarbeit (3. Mo 23,21)
  • auch nach der Zeit der Versammlung wird es Segen geben (für Israel und für die Nationen), aber nicht in derselben Fülle (3. Mo 23,22).

Fußnoten

  • 1 Es ist interessant, dass dieser Zeitraum von variabler Dauer war, denn das Fest der Wochen war ein bewegliches Fest (es fand nicht immer an demselben Datum statt), das Fest des Posaunenhalls dagegen fand immer am ersten Tag des siebten Monats statt. Dadurch wird treffend illustriert, dass die Länge der Gnadenzeit, in der wir leben, nicht bestimmbar ist.
  • 2 Ein Blick auf die jeweiligen Bibelstellen wird das schnell bestätigen, angefangen vom Ausfegen des Sauerteigs beim Passah bis hin zum Sauerteig der Pharisäer, der Sadduzäer, des Herodes, etc. Das Gleichnis vom Reich der Himmel in Matthäus 13 ist keine Ausnahme. Hier sagt der Herr voraus, dass das Böse sich in seiner Abwesenheit im Reich, also im Bereich des christlichen Bekenntnisses, ausbreiten würde (Mt 13,33).
  • 3 In ähnlicher Weise wird in den 12 Schaubroten (2. Mo 25,30; 3. Mo 24,5-9; 4. Mo 4,7) die Gesamtheit des Volkes Gottes vorgeschattet, nicht aber seine Einheit.
  • 4 In 4. Mo 28 dagegen liegt die Betonung etwas anders, dort sind es zwei Stiere und ein Widder (Vers 27).
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