Die Versammlung und Israel
Vorbilder im Alten Testament

Esther - die jüdische Braut

Die Versammlung und Israel

Wir wenden uns nun dem Buch Esther zu, um herauszufinden, wer durch diese jüdische Königin vorbildlich dargestellt wird. Esther war mit dem Monarchen verheiratet, der zu dieser Zeit die absolute Herrschaft innehatte.

Es ist wichtig, die eigentliche Auslegung des Buches Esther zu untersuchen und dabei den Unterschied zwischen Israel und der Versammlung gut zu verstehen. Dennoch lassen sich viele Details dieses Buches auf einzelne Christen anwenden, wenn auch nicht auf die ganze Versammlung.

Hintergrund

Das Buch Esther befasst sich mit dem Schicksal der Juden, die nach dem Ende der 70-jährigen Gefangenschaft in Babylon zurückblieben. Das Babylonische Reich hatte dem Medo-Persischen Reich Platz gemacht. König Ahasveros (in der Geschichte bekannt als Xerxes I) herrschte über das riesige persische Reich, das sich von Äthiopien bis Indien erstreckte. Insgesamt umfasste es 127 verschiedene Provinzen.

„Und es geschah in den Tagen des Ahasveros (das ist der Ahasveros, der von Indien bis Äthiopien über 127 Landschaften regierte)“ (Est 1,1).

Esther war Vollwaise. Sie hatte weder Vater noch Mutter. Ihr Onkel (oder Cousin), Mordokai, hatte sie adoptiert.

„Und er erzog Hadassa, das ist Esther, die Tochter seines Onkels; denn sie hatte weder Vater noch Mutter. Und das Mädchen war schön von Gestalt und schön von Aussehen. Und als ihr Vater und ihre Mutter gestorben waren, hatte Mordokai sie als seine Tochter angenommen“ (Est 2,7).

Durch Gottes Vorsehung kommt es dazu, dass Esther nicht nur die Aufmerksamkeit des Königs erlangt, sondern auch seine Gunst und sein Interesse. Schließlich wird sie seine Frau und ersetzt Vasti, die frühere Königin (Est 2,17). Haman, eine ehrgeizige und böse Persönlichkeit, die nach hohen Ehren am persischen Hof strebt, ist so wütend über Mordokais Weigerung, sich vor ihm zu verneigen, dass er plant, nicht nur Mordokai, sondern das gesamte jüdische Volk zu töten. Getrieben von seiner Sucht nach Rache an Mordokai und an dessen Volk, bewegt Haman den König dazu, ein Dekret zu erlassen, das effektiv den Völkermord an den Juden anordnet (Est 3,7-11).

Esther fleht den König an, ihrem Volk Gnade zu erweisen. Sie macht ihn darauf aufmerksam, dass es Haman war, der geplant hatte, sowohl sie als auch alle anderen Juden hinzurichten. König Ahasveros befiehlt, Haman erhängen zu lassen. Mordokai dagegen wird belohnt und zu höchsten Ehren erhoben. Esther fleht den König für ihr Volk an, das immer noch unter dem Urteil des ersten Dekrets steht. Daraufhin erlässt Ahasveros ein zweites Dekret – diesmal, um Esthers Volk zu retten (das zweite Dekret war kein Widerruf des ersten, sondern es erlaubte den Juden, ihre Bedränger zu töten, siehe Esther 8,3-8).

Die Hauptfiguren

Es gibt viele Einzelheiten im Leben Esthers und Mordokais, aus denen wir praktische Impulse für das christliche Glaubensleben entnehmen können. Dazu gehören beispielsweise die folgenden:

  • Esthers Mut
  • Esthers Vertrauen
  • Mordokais Weigerung, sich vor Haman niederzubeugen
  • Gottes Wege der Vorsehung

Aber wir konzentrieren uns auf die (typologische) Bedeutung der Vorbilder und die Auslegung des Buches. Wir beginnen mit einer kurzen Übersicht über die vorbildliche Bedeutung jeder der Hauptfiguren. Danach werden wir uns mit Esther als Hauptfigur befassen.

  • König Ahasveros ist ein mächtiger Monarch, ein absoluter Herrscher und stellt in dieser Eigenschaft Gott dar.1
  • Mordokai wird als ein Jude beschrieben, der vollkommen im Interesse des Königs handelt und schließlich von ihm erhöht wird. Er ist ein schönes Bild von Christus.
  • Haman, der „Böse“ (vgl. Est 7,6), ist der große Gegner Mordokais. Er versucht, sich selbst zu erhöhen und Mordokai sowie dessen gesamtes Volk, die Juden, zu töten. Aber gerade als er zu triumphieren scheint, wird er entlarvt und gerichtet. Haman repräsentiert den Widerstand gegen Christus durch Satan und seine Werkzeuge.
  • Vasti, die ursprüngliche Königin, weigert sich, dem König zu gehorchen. Sie erniedrigt ihn dadurch, dass sie sich weigert, zu seinem großen Mahl (ein Bild der Einladung des Evangeliums) zu erscheinen. Sie ist ein Vorbild von der abgefallenen Christenheit, der falschen Braut, die beiseitegesetzt wird (Off 17 und 18), um den Weg für die wahre Braut auf der Erde (Israel) freizumachen.
  • Esther repräsentiert diese wahre Braut: den zukünftigen jüdischen treuen Überrest (Röm 9,27). Diesen Punkt werden wir im folgenden Abschnitt im Detail untersuchen.

Esther

Die Interpretation, die Esther als ein Vorbild des zukünftigen jüdischen Überrestes 2 sieht, der nach der Entrückung gebildet und Christus annehmen wird, wird durch eine Reihe von Details gestützt.

Esthers Ethnizität

Esthers Abstammung und Nationalität spielen eine zentrale Rolle in der gesamten Erzählung. Mordokai hatte ihr aufgetragen, ihre Nationalität oder „Abstammung“ nicht zu verraten und Esther hatte sich daran gehalten:

„Esther hatte ihr Volk und ihre Abstammung nicht bekannt gegeben; denn Mordokai hatte ihr geboten, dass sie es nicht bekannt geben sollte“ (Est 2,10).

„(Esther gab ihre Abstammung und ihr Volk nicht bekannt, wie Mordokai ihr geboten hatte; und Esther tat, was Mordokai sagte, wie zur Zeit, als sie bei ihm erzogen wurde)“ (Est 2,20).

Die Juden werden als „ihr Volk“ bezeichnet (Est 2,20; 4,8; 7,3). Dieses Detail (das man nicht auf die Versammlung anwenden kann) wirft viel Licht auf die wahre Bedeutung: Das Schicksal des jüdischen Volkes steht im Mittelpunkt des Buches. Die Frage, ob es eine nationale Zukunft besitzt, ist zentral in diesem Buch. Das Schicksal des gesamten Volkes hängt von Esther ab. Nur durch sie wird es vor dem Verschwinden bewahrt. Das trifft sehr gut auf den treuen Überrest zu, durch den dem Volk Israel eine Zukunft gesichert wird (Röm 11,26).

Das hebräische Wort für „Jude“ oder „jüdisch“ kommt im Buch Esther außergewöhnlich häufig vor: es tritt nicht weniger als 52-Mal auf. In allen anderen Büchern des Alten Testaments kommen diese Worte nur 23-Mal vor. Das bestätigt, dass die jüdische Abstammung im Mittelpunkt der Botschaft dieses Buches steht. Esther ist eine Jüdin, Mordokai ist ein Jude und die gesamte Geschichte dreht sich um das Schicksal der Juden.

Mordokais Abstammung

Ebenso wird betont, dass Mordokai ein Jude war.

„Aber dies alles gilt mir nichts, solange ich Mordokai, den Juden, im Tor des Königs sitzen sehe“ (Est 5,13).

Es ist auffällig, wie oft dieser Umstand wiederholt wird (Est 3,6; 6,10; 8,7; 9,29.31; 10,3). Christus war – wie Er selbst sagte – das Heil „aus den Juden“ (Joh 4,22). Er war der Sohn Davids, der Sohn Abrahams (Mt 1,1). Er war, was seine natürliche Abstammung durch Maria betrifft, aus Israel gekommen:

„Deren die Väter sind und aus denen, dem Fleisch nach, der Christus ist, der über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit. Amen“ (Röm 9,5).

Mordokais Handlungen

Mordokai handelt von Anfang an in Güte und Liebe und in Fürsorge für Esther. Er nimmt sie nicht nur in ihrer dringenden Not auf, nachdem sie Vater und Mutter verloren hat, sondern er unterrichtet sie und gibt ihr guten Rat (Est 2,10.20). Sodann beobachtet er alles aufmerksam und mit großem Interesse aus der Ferne. Er ist genauestens informiert und weiß, wie es um Esther steht:

„Und Tag für Tag ging Mordokai vor dem Hof des Frauenhauses umher, um das Wohlergehen Esthers zu erfahren und was mit ihr geschähe“ (Est 2,11).

Als Christus als Mensch auf der Erde lebte, zeigte Er großes Interesse an dem treuen Überrest Israels, den es damals gab (man denke nur an die Jünger und an die Gläubigen in Bethanien). Und so wird es sein, wenn der zukünftige Überrest gebildet werden wird. Christus wird sich als der wahre Mordokai zunächst im Hintergrund halten. Aber Er wird da sein und zu gegebener Zeit handeln.

Mordokai verneigt sich nicht vor Haman, dem Bösen (Est 3,2; 7,6). Auch darin wird er zu einem schönen Vorbild von Christus, der sich weigerte, sich vor Satan niederzubeugen (Lk 4,7.8).

Mordokai vereitelt eine Verschwörung gegen den König. Er greift ein und rettet das Leben des Monarchen, bekommt aber dafür zunächst keine Belohnung (Est 6,1-3). Über eine lange Zeit hinweg scheint seine Tapferkeit vergessen. Aber zur rechten Zeit wird sie vom König in Erinnerung gerufen und Mordokai wird reich belohnt und geehrt (Est 6,4-9).

Wie schön und bezeichnend dies für Christus, sein Werk am Kreuz und seine anschließende Erhöhung ist, brauchen wir kaum zu betonen (vgl. Phil 2,9).

Hamans Hass und dessen Wurzel

Haman hasst die Juden und schmiedet Pläne gegen sie. Nichts Geringeres als ein Genozid (Völkermord) kann seinen Hass beschwichtigen. Die tiefste Ursache dafür ist sein Hass Mordokai gegenüber. Darin ist Haman ein treffendes Bild von Satan: Satan bringt Verderben, er hasst Christus und er hasst das Volk der Juden, weil er Christus hasst.

Dieses Prinzip sehen wir auch in Offenbarung 12, wo der Drache (Satan) die Frau (Israel) verfolgt wegen des männlichen Kindes, das sie geboren hat (Christus). Antisemitismus hat seine Wurzeln letztlich im Hass gegen Christus.

Haman verfolgt auch ein Ziel für sich selbst. Er verlangt Anbetung. Satans Versuch, Christus dazu zu bringen, sich vor ihm niederzubeugen, ist gescheitert. In der Zukunft wird er noch einmal einen konzertierten Versuch starten, sich die Anbetung der Menschen zu sichern. Dazu wird er die beiden „Tiere“, den römischen Diktator und den Antichristen, benutzen, um alle zu zwingen, das Tier zu verehren und so den Drachen (Satan) anzubeten (Off 13,4). Gott sei Dank wird es treue Leute geben, die sich diesem Druck nicht beugen und bereit sein werden, als Märtyrer zu sterben, aber Gott wird sie reich belohnen (Off 13,15-17; 15,2-4).

Vasti, die falsche Königin

Die Königin Vasti war eine Heidin. Sie wurde von Ahasveros abgesetzt und schließlich durch Esther ersetzt. Vasti entspricht (dem leblosen Teil) der Christenheit. Sie ist selbstgefällig geworden und handelt nicht zur Ehre des HERRN, den sie bekennt. Letztendlich wird sie beiseitegesetzt: Genau das kündigt der Herr Jesus im Brief an Laodizea an:

„So, weil du lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Mund“ (Off 3,16).

Ausführlich wird dieses Gericht in Offenbarung 17 und 18 beschrieben, wo die abgefallene Christenheit unter dem Bild von Babylon vorgestellt wird. Erst danach wird Christus erscheinen und seine Herrschaft antreten (Off 19 und 20).

Vasti wird durch Esther ersetzt

Die Tatsache, dass Israel an den Platz des Segens gelangt, nachdem die abgefallene Christenheit diesen Platz verloren hat, kommt auch in dem Beispiel des Ölbaums zum Tragen, von dem Paulus spricht (Röm 11,16-24).

Der Ölbaum steht für den Platz des Segens auf der Erde. Diesen Platz hatte Israel (die natürlichen Zweige des Ölbaums) eingenommen. Aber die große Masse von ihnen hat Christus abgelehnt. Dadurch haben sie diesen Platz des Segens verloren. Die Zweige des wilden Ölbaums, die eingepfropft wurden, stehen für Nationen, die – jedenfalls äußerlich – das Christentum angenommen haben. Sie sollten nicht denken, den Platz des Segens bedingungslos „gepachtet“ zu haben. Paulus warnt vor diesem gefährlichen Irrtum:

„Recht; sie sind ausgebrochen worden durch den Unglauben; du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hochmütig, sondern fürchte dich; denn wenn Gott die natürlichen Zweige nicht verschont hat – dass er auch dich etwa nicht verschonen werde“ (Röm 11,20.21).

Im Weiteren erklärt er, dass Israel wieder an den Platz des Segens kommen wird – und zwar nach der Zeit, in der der Segen zu den Heiden gekommen war:

„Denn ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, damit ihr nicht euch selbst für klug haltet: dass Israel zum Teil Verhärtung widerfahren ist, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen ist; und so wird ganz Israel errettet werden, wie geschrieben steht: „Aus Zion wird der Erretter kommen, er wird die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden“ (Röm 11,25.26).

Vasti verkörpert diesen Hochmut der eingepfropften Zweige. Nach der Absetzung Vastis gelangt Esther, die jüdische Braut, an den Platz des Segens. Das wird durch diejenigen der natürlichen Zweige veranschaulicht, die nicht „im Unglauben bleiben“, sondern „wieder eingepfropft“ werden (Verse 23.24).

Das Schicksal der Juden und die Erhöhung Mordokais

Im Zentrum des „Dramas“ des Buches Esther steht das furchtbare königliche Dekret, das den Völkermord der Juden vorsieht. Aufgrund von Mordokais Verdienst wird ein zweites Dekret erlassen, welches es den Juden erlaubt, an ihren Feinden Rache zu nehmen. Dadurch kommt das erste (der geplante Genozid der Juden) nicht zur Ausführung. Sie werden verschont und gesegnet, und Mordokai wird erhöht (Esther 8).

Dies entspricht genau der Botschaft des prophetischen Wortes. Die jüdische Nation hatte Gottes Gunst verwirkt, sie standen unter dem Todesurteil und waren somit dem Untergang geweiht. Aber aufgrund des Werkes des Messias wird dieses Urteil nicht an ihnen vollzogen. Gott hat sein Volk, nachdem es seinen eigenen Messias verworfen hatte, für eine Zeit beiseite gesetzt, aber nicht endgültig (Röm 11,11). Nach der christlichen Haushaltung wird Gott die Zusagen erfüllen, die Er Abraham und seinen Nachkommen gemacht hat (Röm 11,25-32).

Den Grund dafür, dass Gott sein irdisches Volk doch noch segnen wird, beschreibt Jesaja mit den bekannten und treffenden Worten: „Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm“ (Jes 53,5). Ein Überrest aus Israel wird zu Gott umkehren (Röm 9,27) und so werden die Juden am Ende durch Christus, den Erlöser aus Zion (Röm 11,26), gerettet und unter seiner Herrschaft gesegnet werden.

Überblick über das Buch Esther

Mit dieser Übersicht der vorbildlichen Interpretation vor Augen, sind wir gerüstet, das Buch im Überblick anzuschauen. Dabei werden wir feststellen, dass die vorgeschlagene Auslegung (Esther als Vorbild auf den jüdischen Überrest und nicht als Vorbild auf die Versammlung) genau passt. Sie wird sowohl durch die Details als auch durch das Gesamtbild bestätigt.

Esther 1

In Kapitel 1 wird der König (der Gott repräsentiert) in seiner Herrlichkeit, Großzügigkeit und Gnade beschrieben. Er lädt zu einem Fest ein, das sich über einen extrem langen Zeitraum (180 Tage!) erstreckt, den er nutzt, um „die glänzende Pracht seiner Größe“ zu zeigen (Est 1,4).

Typologisch kann man das Fest des Königs als Bild all des Guten sehen, mit dem Gott die Menschen beschenkt. Er hat ihnen als Schöpfer irdische Freuden geschenkt, heute lädt Er die Menschen zu einem großen Gastmahl ein (vgl. Lk 14,16-24). Immer wieder erweist Er seine Güte und Menschenliebe.

Vasti hat keine Gemeinschaft mit dem König in seinem Anliegen, dem Volk Gutes zu erweisen. Sie entehrt ihn sogar durch Ungehorsam und ihre Weigerung, dieses große Fest anzuerkennen. Ihr Verhalten ist eine Blamage für Ahasveros. Der König beschließt, sie beiseitezusetzen. Ihr Platz soll „einer anderen“ gegeben werden:

„Wenn es der König für gut hält, so gehe ein königliches Wort von ihm aus und werde geschrieben in die Gesetze der Perser und Meder, damit es nicht vergehe: nämlich dass Vasti nicht mehr vor den König Ahasveros komme und dass der König ihre königliche Würde einer anderen gebe, die besser ist als sie“ (Est 1,19).

Vasti gibt ein treffendes Bild der Namenschristenheit ab, die gegenüber Gott ungehorsam ist. Schon heute lehnt sie die Einladung des Evangeliums ab. Nach der Entrückung der Versammlung (aller wahren Christen) wird die christuslose Christenheit abgesetzt und von Gott nicht mehr anerkannt werden (Röm 11,22-24, vgl. Off 3,16). In ihrem Endstadium wird sie als Babylon beschrieben, die große Stadt und Hure, die Gott richten wird (Off 17-18).

Esther 2

Nachdem Vasti beiseitegesetzt wurde, begann der König, eine neue Königin zu suchen:

„Nach diesen Dingen, als der Zorn des Königs Ahasveros sich gelegt hatte, erinnerte er sich an Vasti und an das, was sie getan und was über sie beschlossen worden war. Da sprachen die Diener des Königs, die ihn bedienten: Man suche dem König Mädchen, die Jungfrauen sind und schön von Aussehen“ (Est 2,1.2).

Die zeitliche Abfolge entspricht den zukünftigen Ereignissen, die wir auf Grundlage der Schrift erwarten: Die Christenheit wird beiseitegesetzt, die falsche Christenheit, Babylon, wird gerichtet werden und dann wird der Weg frei sein für das 1000-jährige Reich Christi, in dem Israel gesegnet sein wird.

So beginnt die Suche nach einer neuen Königin. Die Kandidatinnen werden in der Festung Susan unter der Aufsicht eines gewissen Hegai zusammengebracht, der während der Zeit ihrer Vorbereitung die Aufsicht über die Frauen hat. Sie müssen nach seinen Anweisungen vorgehen.

Einige Punkte erscheinen aus typologischer Sicht wichtig:

  • Esther durchläuft eine Zeit der Vorbereitung, bevor sie den König treffen kann. Ebenso wird es eine Vorbereitungszeit für den Überrest geben. Unter der Führung und Anleitung des Heiligen Geistes (wie in Hegai vorgebildet) wird die wahre Esther vorbereitet und ihre Schönheit sichtbar werden. Übrigens, dies gilt auch für Christen heute: Der Heilige Geist muss uns formen. Echte Schönheit für Gott können wir nicht durch eigene Kreativität oder Anstrengung erreichen.
  • Die Vorbereitung wird als Prozess der Reinigung beschrieben (Vers 12). Der Geist wird auf die Reinigung des Überrests hinarbeiten (Sach 12,10-12) – wie Er übrigens auch Christen zum Selbstgericht und damit zur Reinigung führt.
  • Esther wird vom König angenommen und findet „Gnade und Gunst“ in seinen Augen (Vers 17). Sie wird zur Königin erwählt und in eine Position großen Vorrechts gebracht, unverdient und entgegen jeder Erwartung. So wird es mit dem Überrest sein.
  • Die Tatsache, dass Esther zu dieser Zeit ihre Abstammung oder ihr Volk nicht preisgibt, ist bedeutend. Dadurch bleibt zunächst verborgen, dass sie demselben Volk angehört wie Mordokai. Der Charakter des Überrests und seine Beziehung zu Christus werden während der Drangsal zunächst noch verborgen sein.3
  • Unterdessen ist Mordokai da. Er hält sich im Hintergrund, ist aber voller Interesse an Esthers Wohlergehen (Verse 11.19). Mordokai entdeckt eine Verschwörung gegen den König und vereitelt sie. Die beiden Übeltäter werden hingerichtet und Mordokais Heldentat wird in den Chroniken festgehalten.

Diese Tat wird später die Grundlage für die Rettung Esthers und ihres Volkes. Sie erinnert uns an die größte Tat, die je von dem wahren Mordokai ausgeführt wurde: das Werk Christi am Kreuz. Dort hat Er Gottes Ehre wiederhergestellt und die Grundlage dafür gelegt, dass Gott seinen Ratschluss erfüllen kann. Das Kreuz ist ebenfalls die Grundlage für den neuen Bund, unter dem Israel gesegnet werden wird (Jer 31,31-34; Röm 11,27).

Esther 3

In Kapitel 3 tritt Haman in den Vordergrund. Einige Umstände fallen uns als bedeutend auf:

  • Haman taucht aus dem Nichts auf, ohne dass er in den vorherigen Kapiteln auch nur ein einziges Mal erwähnt wurde.
  • Haman wird vom König selbst erhöht und alle müssen sich vor ihm verbeugen.

So schwierig es zunächst erscheinen mag, dieses zu verstehen, Gott wird es zulassen, dass die Bosheit zur vollen Entfaltung kommt: Der Antichrist, der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens wird auf der Bühne dieser Welt erscheinen. Er wird besonders in Israel prominent sein und jedenfalls zu Beginn auch politische Macht ausüben, denn er wird König genannt (Dan 11,36). Aber er wird sich auch mit dem römischen Diktator verbünden und als religiöser Verführer agieren. Beide, der Antichrist und der römische Herrscher, werden durch satanische Energie handeln. Durch den Einsatz von Gewalt und Verführung versuchen sie, alle zu zwingen, das Tier anzubeten. Mehr dazu liest man in Offenbarung 13, wo sie als zwei Tiere beschrieben werden.

Gott wird all diese Dinge zulassen und in seiner Vorsehung wird Er sogar dafür sorgen, dass sie geschehen: die Wiederbelebung des Römischen Reiches, das aus dem Abgrund auftaucht, der Mensch der Sünde, der an die Macht kommt, „der Abfall“ – kurz gesagt, alle Ereignisse, die während der Endzeit stattfinden werden.

„Lasst euch von niemand auf irgendeine Weise verführen, denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens“ (2. Thes 2,3).

Mordokai weigert sich jedoch, sich vor Haman zu verneigen (Vers 2). Der HERR weigerte sich, sich vor Satan zu verneigen, als Er versucht wurde, und der treue Überrest wird sich weigern, sich vor dieser „Triade“ oder „Dreiheit“ 4 des Bösen zu verneigen. Viele werden dafür mit ihren Leben bezahlen.

Haman ist wütend und beschließt, nicht nur Mordokai, sondern sein gesamtes Volk zu verfolgen:

„Und als Haman sah, dass Mordokai sich nicht vor ihm beugte und niederwarf, da wurde Haman von Grimm erfüllt. Aber es war in seinen Augen verächtlich, die Hand an Mordokai allein zu legen; denn man hatte ihm das Volk Mordokais kundgetan. Und Haman suchte alle Juden, die im ganzen Königreich des Ahasveros waren, das Volk Mordokais, zu vertilgen“ (Est 3,5.6).

Haman klagt das jüdische Volk vor dem König an und wird als „Widersacher der Juden“ bezeichnet (Vers 10; vgl. 8,1; 9,10.24). Haman, der Verfolger der jüdischen Nation, wird zu einem Bild von Satan, der „die Frau“, Israel, verfolgen wird (vgl. Off 12,4.13-17).

Der Plan Hamans wird durch ein königliches Dekret bestätigt, das vorsieht, alle Juden im gesamten Persischen Reich umzubringen (Verse 12–15).

„Und die Briefe wurden durch die Eilboten in alle Landschaften des Königs gesandt, um alle Juden zu vertilgen, zu ermorden und umzubringen, vom Knaben bis zum Greis, kleine Kinder und Frauen, an einem Tag, am dreizehnten des zwölften Monats, das ist der Monat Adar, und um ihre Habe zu plündern“ (Est 3,13).

Dieser Umstand veranschaulicht die Tatsache, dass es ein göttliches Todesurteil über die jüdische Nation gibt. Wie gut zu wissen, dass – wie wir sehen werden – der König später ein zweites Dekret erlässt, welches das erste aufhebt. Das Todesurteil wird in Leben und Frieden verwandelt.

Esther 4

Kapitel 4 beginnt damit, dass Mordokai in tiefer Verzweiflung seine Kleider zerreißt. Er legt zum Zeichen seiner Trauer Sacktuch und Asche an, und weint „mit lautem und bitterlichem Geschrei“ (Vers 1). Er ist tief getroffen von der Aussicht, dass solches Leid das jüdische Volk treffen soll. Er verkörpert Christus, der nicht nur während seiner Lebenszeit auf der Erde von Menschen litt, sondern sich auch mit dem Überrest in all ihren Leiden identifizierte. „In all ihrer Bedrängnis war er bedrängt“ (Jes 63,9).

Die Zeitspanne von mindestens 2000 Jahren, die zwischen den Leiden des wahren Mordokai und dem Leiden des Überrests liegen muss, sollte uns nicht beunruhigen. Die Zeit der Versammlung wird im prophetischen Wort in Stille übergangen (mehr dazu im Abschnitt „Einwände“).

Bezüglich Esther sind die folgenden Punkte für die typologische Interpretation besonders auffällig:

  • Esther bekommt Einsicht in das königliche Dekret und erfährt so, dass ihr Schicksal und das ihres Volkes besiegelt ist. Die Gläubigen des jüdischen Überrests werden erfahren müssen, dass sie und ihre Nation zunächst Gegenstand des Gerichts Gottes sind.
  • Esther hat kein Recht, in die Gegenwart des Königs zu treten: Sie war seit 30 Tagen nicht „gerufen“ worden, um den König zu sehen! Dies erscheint uns ziemlich seltsam, da sie die Frau des Königs war und große Gunst in seinen Augen gefunden hatte. Um die Dinge noch schlimmer zu machen, gab es diese „eine Anordnung“, die – unter Todesstrafe – den Zugang in die Gegenwart des Königs verbot. Und diese Anordnung schien für Esther genauso zu gelten wie für jeden anderen (Vers 11).

Noch einmal scheint die typologische Botschaft klar zu sein: Der Überrest wird zu Gott kommen müssen, aber er wird sein Recht dazu verloren haben. Israel wird „Lo-Ammi“ („nicht-mein-Volk“) sein (und ist es heute schon), weil es gegen Gott gesündigt und schließlich den Messias abgelehnt hat. Daher ist Gnade die einzige Basis dafür, dass Israel schließlich gesegnet wird.

  • Esther erkennt in einem Akt des Glaubens, dass sie vollständig auf Gnade angewiesen ist. Sie entscheidet sich – nach Fasten und Trauer – zum König zu gehen und weiß, dass ihr Schicksal von seiner Barmherzigkeit abhängt: „Und dann will ich zum König hineingehen, was nicht nach der Anordnung ist; und wenn ich umkomme, so komme ich um“ (Vers 16).
  • So wird der Überrest sich Gott nähern: in dem Bewusstsein, vollkommen auf Gottes Gnade angewiesen zu sein, aber auch im Vertrauen auf seine Barmherzigkeit.

Esther 5

Esther führt ihren riskanten Beschluss aus und geht – unaufgefordert – zum König:

„Und es geschah am dritten Tag, da kleidete sich Esther königlich und trat in den inneren Hof des Hauses des Königs, dem Haus des Königs gegenüber. Und der König saß auf seinem königlichen Thron im königlichen Haus, dem Eingang des Hauses gegenüber“ (Est 5,1).

Darin veranschaulicht sie die Haltung des Überrests, der sich allein auf die Gnade Gottes verlassen wird und der weiß, dass dies seine einzige „Chance“ ist (vielleicht mit dem Unterschied, dass man auf Gottes Gnade immer vertrauen kann, während der Ausgang in Esthers Fall ungewiss war).

Interessanterweise wagt Esther diesen Schritt „am dritten Tag“. Der dritte Tag spricht in der Bibel oft von der Auferstehung des Herrn (Lk 18,33; 24,7.46). Nur auf Grundlage der Auferstehung Christi kann der Überrest angenommen werden (so wie wir).

Als der König Esther sieht, findet sie Gnade in seinen Augen und er streckt das goldene Zepter aus, die Geste der königlichen Annahme und Gunst. Hosea nimmt den Tag der Wiederherstellung Israels in Form eines Überrests vorweg, und verwendet dabei das Bild der Auferstehung (den dritten Tag):

„Er wird uns nach zwei Tagen wieder beleben, am dritten Tag uns aufrichten; und so werden wir vor seinem Angesicht leben“ (Hos 6,2).

Der König bietet Esther an, dass sie eine Bitte äußern und diese ihr gewährt werden soll. Die Bitte, die Esther vorbringt, ist in der Tat erstaunlich: ein königliches Mahl gemeinsam mit dem König und Haman. Diese Einladung bringt einerseits Hamans Charakterzug des Stolzes zum Vorschein (er prahlt vor seiner Familie damit, dass er eingeladen ist, mit dem König zu essen). Andererseits wird sichtbar, dass er sich täuscht und die Situation vollkommen falsch einschätzt: Er denkt, er stehe kurz vor immer größerem Ansehen und Ruhm.

Noch immer weigert sich Mordokai, sich vor Haman zu verneigen, was diesen zornig macht. Er kann es nicht ertragen, wenn jemand seine (vermeintliche und zum Scheitern verurteilte) Herrlichkeit und Autorität nicht anerkennt. Er nimmt den Rat an, einen Galgen für Mordokai errichten zu lassen, um ihn zu hängen.

Auch dieses Kapitel liefert wichtige typologische Hinweise, wenn auch im Blick auf Satan:

  • Stolz und Hochmut sind Charakterzüge Satans (Jes 14,12-15; Hes 28,17; 1. Tim 3,6).
  • Es war schon immer Satans Ziel, sich Christus entgegenzustellen (vgl. 1. Mo 3,15, Off 12,4).
  • Satan ist scheinbar der Sieger: Das Kreuz wurde aufgerichtet und Christus wurde gekreuzigt. Aber in Wirklichkeit wurde Satan durch den Tod Christi besiegt.

Esther 6

In Kapitel 6 wendet sich das Blatt. Alles beginnt damit, dass der König an die Heldentat Mordokais erinnert wird: Ahasveros kann nicht schlafen. Er lässt sich die Geschichtsbücher (Chroniken) bringen. Dort liest er beeindruckt davon, dass er sein Leben Mordokai verdankt. Er erkennt, dass Mordokai geehrt und belohnt werden muss, dass dies aber noch nicht geschehen war:

„Und der König sprach: Welche Ehre und Auszeichnung ist Mordokai dafür erwiesen worden? Und die Diener des Königs, die ihn bedienten, sprachen: Es ist ihm nichts erwiesen worden“ (Est 6,3).

Haman unterdessen ist völlig ahnungslos von dieser Wendung der Ereignisse und wird gefragt, was für den Mann zu tun sei, den der König ehren möchte. Da er denkt, dass diese Beschreibung auf niemand besser zutreffen könnte als auf ihn selbst, erstellt er eine Liste der größten Ehren, die einem solchen Mann zuteilwerden sollten. Zu seinem Schock und Entsetzen muss er jedoch entdecken, dass dieser Mann nicht er selbst ist, sondern ausgerechnet Mordokai – den er hängen lassen wollte.

All dies ist sehr aussagekräftig, wenn es typologisch interpretiert wird:

  • Gott möchte Christus ehren, weil Er an die große Tat denkt, die Christus am Kreuz vollbracht hat.
  • Satan, der Erzfeind Christi, wollte Ihn ans Kreuz bringen, um Ihn dort zu besiegen – ohne zu wissen, dass dieses Kreuz sich als das Symbol seines eigenen Untergangs herausstellen würde.

Der König befiehlt Haman: „Eile!“ (Vers 10). Mordokais Tat war zu groß, um irgendwelche Verzögerungen bezüglich seiner Ehre und Erhöhung zuzulassen. Es liegt ein Intervall zwischen der Erhöhung Mordokais und der Befreiung des Volkes.

So ist es auch mit Christus: Gott wollte Ihn nicht nur irgendwann in der Zukunft erhöhen und ehren, sondern Er legte Wert darauf, Ihn „sogleich“ zu verherrlichen:

„Wenn Gott verherrlicht ist in ihm, wird auch Gott ihn verherrlichen in sich selbst, und sogleich wird er ihn verherrlichen“ (Joh 13,32).

Siehe auch Hebräer 2,9 und 1. Petrus 1,21.

Die Befreiung des jüdischen Volkes und die Friedensherrschaft des Messias müssen noch warten. Aber schon jetzt hat Christus den Ehrenplatz zur Rechten Gottes. Dort wartet Er, bis seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden (Heb 1,13; 10,12.13).

Was Esther betrifft, so ist es bedeutend, dass die große Tat Mordokais den Wendepunkt für ihr Schicksal darstellt: Der König möchte Mordokai für seine Tat belohnen – und das erweist sich im weiteren Verlauf als Basis für die Befreiung Esthers und ihres Volkes. So wird Israel auf der Grundlage des Werkes Christi am Kreuz gerettet werden (Röm 11,26.27).

Esther 7

Esther hat ihre eigentliche Bitte immer noch nicht verraten. Stattdessen bittet sie den König, an einem zweiten festlichen Mahl teilzunehmen, das sie zubereiten wird. Sie nutzt diese Gelegenheit, um den König über die Notlage ihres Volkes – und ihre eigene Notlage – zu informieren.

„Da antwortete die Königin Esther und sprach: Wenn ich Gnade gefunden habe in deinen Augen, o König, und wenn es der König für gut hält, so möge mir mein Leben geschenkt werden auf meine Bitte hin, und mein Volk auf mein Begehren hin“ (Est 7,3).

Esther schüttet nun also ihr Herz aus. Das erinnert uns daran, wie der Überrest seine Sorgen vor Gott ausschütten wird – wie es in vielen Psalmen bezeugt wird.

Haman wird als Urheber dieses bösen Vernichtungsplans identifiziert und zum Tode verurteilt – interessanterweise an genau dem Galgen, den Haman selbst hatte errichten lassen (Est 5,14):

„Und Harbona, einer von den Hofbeamten, die vor dem König standen, sprach: Auch siehe, der Baum, den Haman für Mordokai hat machen lassen, der Gutes für den König geredet hat, steht im Haus Hamans, fünfzig Ellen hoch. Und der König sprach: Hängt ihn daran! Und man hängte Haman an den Baum, den er für Mordokai bereitet hatte. Und der Grimm des Königs legte sich“ (Est 7,9.10).

Die Tatsache, dass er an dem Galgen erhängt wird, den er für Mordokai vorbereitet hat, erinnert an eine Tatsache, die uns als Christen glücklich macht. Am Kreuz wurde Satan besiegt. Durch den Tod Christi wurde derjenige, der die Macht des Todes hatte, „zunichte gemacht“, d. h. seine Kraft wurde gebrochen und er wurde besiegt (Heb 2,14). Was wie eine große Niederlage aussah, stellte sich als der größte Sieg aller Zeiten heraus – und das Ende 5 des Gegners.

Esther 8

Kapitel 8 berichtet, dass Mordokai mit dem Siegelring belohnt wird, den der König Haman weggenommen hatte. Der Siegelring ist das Emblem der königlichen Autorität (vgl. 1. Mo 41,42; Est 3,12).

Dies zeigt, dass schließlich Satan, der Fürst dieser Welt (Joh 12,31; 14,30; 16,11), entthront wird und dass Christus dann die oberste Autorität haben wird, da alle Dinge unter ein Haupt zusammengebracht werden (Eph 1,10; Off 20,1-4).

Esther bittet den König, ein zweites Dekret zu erlassen, sodass das erste, das Todesurteil über ihr Volk, nicht ausgeführt wird. Ahasveros stimmt zu, und das neue Dekret wird verabschiedet, kopiert und – mit dem renommierten persischen Expresspostdienst – in jede der 127 Provinzen gesandt:

„Die Eilboten, die auf den königlichen Rennern ritten, zogen auf das Wort des Königs schleunigst und unverzüglich aus. Und die Anordnung wurde in der Burg Susan erlassen“ (Est 8,14).

Das jüdische Volk, das durch Esthers Herangehensweise und durch ihre Fürsprache beim König gerettet wird, veranschaulicht einen wichtigen prophetischen Zusammenhang: Zwar wird am Ende „ganz Israel gerettet werden“, aber nur dadurch, dass ein Überrest zum Herrn zurückkehren und von Gott als „ganz Israel“ angenommen werden wird (Röm 9,27; 11,26). Siehe auch Jeremia 31,7: „Rette dein Volk, HERR, den Überrest Israels!“ Die Masse des ungläubigen Volkes wird gerichtet werden. Der Überrest wird dann zum Volk Israel (er gehörte immer schon dazu, aber dann wird er als Volk Israel angenommen werden und das Volk Israel repräsentieren, vgl. Römer 11,26).

Der letzte Absatz beschreibt Mordokais Erhöhung. Der König zeichnet ihn aus und lässt ihm jede nur erdenkliche Ehre zukommen:

„Und Mordokai ging vom König hinaus in königlicher Kleidung von purpurblauer und weißer Baumwolle und mit einer großen goldenen Krone und in einem Mantel aus Byssus und rotem Purpur; und die Stadt Susan jauchzte und war fröhlich“ (Est 8,15).

Gott wird es nicht versäumen, Christus, der Ihn am Kreuz verherrlicht hat, die größte Ehre zu erweisen. Gott hat Ihn jetzt schon auf den Ehrenplatz zu seiner rechten Hand erhoben (wie wir in Kapitel 6 gesehen haben). Aber der Tag wird kommen, an dem Gott Ihn öffentlich ehren wird. So wie „Mordokai aus der Gegenwart des Königs in königlicher Kleidung ... und mit einer großen goldenen Krone“ (Vers 15) hervorkam, so wird Christus in Herrlichkeit erscheinen, aus der Gegenwart Gottes kommend, um auf der Erde erkannt und geehrt zu werden (2. Thes 1,10; Off 19,11 ff.).

„Wenn er kommt, um an jenem Tag verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert zu werden in allen denen, die geglaubt haben; denn unser Zeugnis bei euch ist geglaubt worden“ (2. Thes 1,10).

Die letzten beiden Verse beschreiben das Ergebnis für das Volk der Juden:

„Den Juden war Licht und Freude und Wonne und Ehre zuteilgeworden. Und in jeder einzelnen Landschaft und in jeder einzelnen Stadt, überall, wohin das Wort des Königs und seine Anordnung gelangte, war Freude und Wonne bei den Juden, Gastmahl und Festtag. Und viele aus den Völkern des Landes wurden Juden, denn die Furcht vor den Juden war auf sie gefallen“ (Est 8,16.17).

Die Freude der Juden zur Zeit Esthers veranschaulicht die Freude des Überrests, wenn Christus erscheinen wird, um sie zu befreien und um seine Herrschaft anzutreten. Die Sonne der Gerechtigkeit wird ihnen aufgehen und sie werden „hüpfen wie Mastkälber“ (Mal 3,20). Natürlich wird es auch für uns als Christen ein Tag der Freude sein, wenn wir sehen, dass Christus triumphiert und dass seine Brüder, die er „gesucht hat“ (vgl. 1. Mo 37,16), gefunden sind und Er endlich Gefallen finden kann an seinem Volk (Zeph 3,17).

Die Erwähnung von „Licht“ in Vers 16 ist auf einer rein historischen Ebene kaum verständlich. Warum sollten die Juden aufgrund eines neuen Dekrets oder Mordokais goldener Krone mehr „Licht“ haben? Prophetisch gesehen ist die Erwähnung des Lichts jedoch sehr schön: Es spricht vom neuen Tag, der anbrechen wird, und von der Erkenntnis des HERRN, die dieser Tag bringen wird (Jes 11,9; Hos 6,3; Hab 2,14; Mal 3,20).

Esther 9

In diesem Kapitel erfahren wir, wie Esthers Volk die Feinde besiegt (Verse 1–16).

„Da versammelten sich die Juden in ihren Städten, in allen Landschaften des Königs Ahasveros, um Hand an diejenigen zu legen, die ihr Unglück suchten. Und niemand konnte vor ihnen bestehen, denn die Furcht vor ihnen war auf alle Völker gefallen“ (Est 9,2).

Das prophetische Wort bestätigt, dass die Juden Rache nehmen und bei der Bestrafung ihrer Feinde eine entscheidende Rolle spielen werden, siehe zum Beispiel Sacharja 12,1-7 und Micha 5,5-8.

Dies wird erst der Fall sein, wenn Israel angenommen sein wird. Erst wenn ihr „Lo-Ammi-Urteil“ aufgehoben wird (Hos 2,25), kann Gott sie als sein Volk anerkennen, mit ihnen in Verbindung treten und sie im Kampf einsetzen. Vor diesem Zeitpunkt wird dies nicht der Fall sein – in Offenbarung 19 richtet der HERR die römischen Armeen ganz allein.

Vers 22 verwendet wunderschön bedeutungsvolle Sprache: Die Juden sollten am 14. und 15. Tag des Monats Adar ein Freudenfest feiern, weil sich ihr Kummer in Freude verwandelt hatte:

„Als die Tage, an denen die Juden Ruhe erlangt hatten vor ihren Feinden, und als den Monat, wo sich ihnen Kummer in Freude, und Trauer in einen Festtag verwandelt hatte – dass sie diese feiern sollten als Tage des Gastmahls und der Freude, wo man einander Teile sendet und den Armen Geschenke gibt“ (Est 9,22).

Genauso wird es im Fall Israels sein. Eine schreckliche Zeit des Leidens wird der Freude vorausgehen:

„Wehe, denn groß ist jener Tag, ohnegleichen, und es ist eine Zeit der Drangsal für Jakob! Doch er wird aus ihr gerettet werden“ (Jer 30,7).

„Denn dann wird große Drangsal sein, wie sie seit Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist und auch nicht wieder sein wird“ (Mt 24,21).

Aber danach wird die Zeit der Drangsal vorüber sein und die Juden – lange über den ganzen Globus zerstreut und verfolgt – werden „von ihren Feinden Ruhe haben“. Dann wird das Vorbild der Freude des Laubhüttenfestes erfüllt sein (5. Mo 16,13.14) und Israel wird in seine Sabbatruhe eintreten.

Esther 10

Das letzte Kapitel des Buches ist kurz, aber schön:

„Und der König Ahasveros legte dem Land und den Inseln des Meeres eine Abgabe auf. Und alle Taten seiner Gewalt und seiner Macht und die Beschreibung der Größe Mordokais, zu der der König ihn erhob, sind sie nicht geschrieben im Buch der Chroniken der Könige der Meder und Perser? Denn Mordokai, der Jude, war der Zweite nach dem König Ahasveros und groß bei den Juden und wohlgefällig der Menge seiner Brüder; er suchte das Wohl seines Volkes und redete zum Frieden seines ganzen Geschlechts“ (Est 10,1-3).

Die folgenden Punkte sind besonders auffällig im Kontext der typologischen Interpretation:

  • König Ahasveros legt eine Steuer auf das Land und die Inseln des Meeres – das illustriert sehr schön, dass Gott endlich (in Christus) über die ganze Erde herrschen wird (vgl. Sach 14,9.17);
  • die Größe, zu der Mordokai erhoben wird, wird betont;
  • er wurde vom König zu solcher Ehre „erhöht“;
  • er ist ein Jude – und hat die Herrschaft über das riesige Persische Reich;
  • Mordokai ist groß unter den Juden und wird von der Vielzahl seiner Brüder akzeptiert;
  • sein Charakter zeigt sich darin, dass er „das Wohl seines Volkes“ sucht und „Frieden spricht“.

Alle diese Punkte stellen die kommende Erhöhung Christi unter seinem Volk, den Juden, heraus. Christus wird höchste Herrschaft ausüben. Er ist (als Mensch gesehen) der Zweite nach dem König Ahasveros, d. h. nur Gott unterstellt (1. Kor 15,28).

Die Zeiten der Nationen, in denen Jerusalem von den Nationen zertreten werden wird, wird ein Ende haben (Lk 21,24). Das Volk Gottes wird der Kopf und nicht der Schwanz der Nationen sein (5. Mo 28,13; Ps 18,44). Christus wird nicht nur in Israel herrschen, sondern bis an die Enden der Erde (Ps 72,8; Sach 9,10). Es wird Gott selbst sein, der den Mann seines Ratschlusses (Jes 46,11) zu solcher Herrlichkeit erhöhen wird.

Christus wird dann endlich auch von seinen Brüdern akzeptiert werden. Sie werden sein „williges Volk“ sein: „Dein Volk wird voller Willigkeit sein am Tag deiner Macht, in heiliger Pracht“ (Ps 110,3).

Der Herr hat schon immer „das Wohl seines Volkes gesucht“, auch in seinem Leben auf der Erde. Aber damals wurde Er von der Mehrheit abgelehnt. In der kommenden Zeit wird dies von seinem Volk anerkannt und dankbar erlebt werden. Christus wird nicht nur das Wohl seines Volkes „suchen“, sondern Er wird ihnen das größte Wohl erweisen. Und Er wird nicht nur zum „Frieden (oder Wohlergehen) seines ganzen Geschlechts“ reden, sondern Er ist derjenige, der echten Frieden für sie herbeiführen wird (Ps 72,2-8).

Somit bestätigt auch das letzte Kapitel des Buches Esther, dass wir es hier mit der jüdischen Braut zu tun haben (d. h. mit Israel bzw. mit dem Überrest), nicht mit der Versammlung. Esther 10 liefert ein Bild von der Friedensherrschaft des Messias, in der die ganze Erde Gott (im Vorbild Ahasveros) unterworfen ist und das Volk des Messias (im Vorbild Mordokais) bleibenden Frieden und Segen genießt.

Einige Einwände

Es gibt eine Reihe von Einwänden, die gegen die oben dargestellte typologische Interpretation vorgebracht werden (und einige davon stellen zumindest auf den ersten Blick echte Schwierigkeiten dar). Schauen wir diese kurz an:

Einwand 1

„Wie kann ein heidnischer Monarch ein Vorbild auf Gott sein?“

Gott ist als einziger vollkommen. Er benutzt menschliche Vorbilder, damit wir sein Wesen und Handeln besser verstehen können. Natürlich sind Menschen immer unvollkommen. Dennoch können sie in Teilen ihres Lebens, in ihrer Stellung oder in bestimmten Handlungen etwas von Gott oder von Christus als Mensch widerspiegeln.

David war beispielsweise in einer Phase seines Lebens ein Vorbild auf Christus, aber in einer anderen Phase wurde er leider in Dinge verwickelt, die Christus sehr unähnlich (und sogar böse) waren.

Im Neuen Testament ist von Schatten die Reden (Kol 2,17; Heb 8,5; 10,1). Ein Schatten ist immer nur eine unvollständige und unvollkommene Darstellung des Körpers, der den Schatten wirft, da viele Aspekte nicht an dem Schatten erkannte werden können (er ist nur zweidimensional, ohne Farbe, etc.).

Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Bibel unvollkommene Gläubige als Vorbilder auf Christus verwendet und sogar Ungläubige, heidnische Könige, die aber in bestimmten Aspekten Gott darstellen (etwa in seiner absoluten Herrschaft) oder auch die Herrschaft Christi:

  • Beispiel 1: Der Pharao, der Joseph aus dem Gefängnis erhob und ihn über das ganze Land Ägypten setzte, ist eindeutig ein Bild von Gott, der Christus, den wahren Joseph, erhöht.
  • Beispiel 2: Der König Kores (auch als Kyros oder Cyrus bekannt) wurde von Jesaja mit Worten angekündigt, die keinen Zweifel an seiner Bedeutung als Vorbild auf Christus lassen: „... der von Kores spricht: Mein Hirte und der all mein Wohlgefallen ausführt“ (Jes 44,28). In Kapitel 45 bezeichnet Gott ihn sogar als „seinen Gesalbten“: „So spricht der HERR zu seinem Gesalbten, zu Kores, den ich bei seiner rechten Hand ergriffen habe, um Nationen vor ihm niederzuwerfen“ (Jes 45,1).

Einwand 2

„Wenn Esther den Überrest darstellt, warum ist sie dann nicht mit Mordokai verheiratet?“

Dies ist eine echte Schwierigkeit, zumindest auf den ersten Blick, besonders im Vergleich mit dem Hohelied Salomos.

  • Im Hohelied ist Sulamith die Braut von Salomo, ein Bild von Christus als König des Friedens.
  • Im Buch Esther wird der gleiche Überrest in der Königin Esther gesehen, der sich mit dem König verlobt (der ein Bild von Gott ist, nicht ein Bild von Christus als solchem, der durch Mordokai verkörpert wird).

Dieser scheinbare Widerspruch verschwindet jedoch schnell, wenn wir das Geheimnis der Person des Herrn berücksichtigen, der einerseits der Sohn des Menschen ist (wie in Salomo vorausgesagt) und andererseits Gott, der HERR selbst. Daher gibt es keinen Widerspruch. Israel wird in der Gestalt des Überrests mit Gott vermählt. Wie Jesaja sagt: „Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann – HERR der Heerscharen ist sein Name –, und der Heilige Israels ist dein Erlöser …“ Israel wurde von Ihm für eine Zeit verlassen, aber der Prophet fährt fort: „Denn wie eine verlassene und im Geist betrübte Frau ruft dich der HERR – und wie eine Frau der Jugend, wenn sie verstoßen ist, spricht dein Gott. Einen kleinen Augenblick habe ich dich verlassen, aber mit großem Erbarmen will ich dich sammeln“ (Jes 54,5-7). Oder, wie Hosea es formuliert:

„Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, und ich will dich mir verloben in Gerechtigkeit und in Gericht und in Güte und in Barmherzigkeit, und ich will dich mir verloben in Treue; und du wirst den HERRN erkennen. Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich erhören, spricht der HERR: Ich werde den Himmel erhören, und dieser wird die Erde erhören“ (Hos 2,21-23).

Einwand 3

„Die Interpretation vermischt Ereignisse, die vor 2000 Jahren stattgefunden haben, mit noch zukünftigen Ereignissen“

Auch dieses Problem ist real und mag anfangs schwierig erscheinen. Aber die Frage klärt sich schnell, wenn wir berücksichtigen, dass die Epoche der Versammlung nicht das Thema des prophetischen Wortes ist. Es gibt viele Beispiele, die diesen Punkt bestätigen:

  • Beispiel 1: Der Messias wurde am Ende der 69. Woche Daniels gekreuzigt, aber die 70. Woche beginnt erst nach der Entrückung. Dazwischen – nicht in Daniel 9 erwähnt – liegt die Zeit der Versammlung, die bis heute bereits seit etwa 2000 Jahren andauert.
  • Beispiel 2: Die Frau in Offenbarung 12 (ein Bild von Israel) steht im Begriff, ein männliches Kind zur Welt zu bringen. Der Drache will ihren Sohn verschlingen. Nun werden zwei Dinge in einem Atemzug erwähnt: Das männliche Kind wird zu Gott und seinem Thron entrückt (was jedoch vor etwa 2000 Jahren geschah) und der Drache verfolgt die Frau, die in die Wüste flieht und dort von Gott für 1260 Tage versorgt wird (was offensichtlich noch bevorsteht, während der großen Drangsal).
  • Beispiel 3: Sacharja prophezeit, dass der König Zions kommen wird, reitend auf dem Fohlen eines Esels (was vor etwa 2000 Jahren erfüllt wurde). Unmittelbar im Anschluss daran beschreibt er die Herrschaft dieses Königs, die sich von Meer zu Meer erstrecken wird – was erst mindestens 2000 Jahre später geschehen kann (Sach 9,9.10).
  • Beispiel 4: Christus zitiert Jesaja 61, Verse 1 und 2a. Mitten im zweiten Vers bricht Er das Zitat ab. Warum? Er war gekommen, um das angenehme Jahr des HERRN zu verkünden – aber nicht den Tag der Rache, den Jesaja in Vers 2b erwähnt. Wiederum liegen mindestens 2000 Jahre dazwischen.

Viele weitere Beispiele könnten hinzugefügt werden. Die Propheten sahen zwei hintereinanderliegende Berggipfel: das 1. Kommen Christi (in Gnade, vor 2000 Jahren) und das Kommen Christi, wenn Er in Herrlichkeit erscheint, aber nicht das „Tal“ der Gnadenzeit (oder der Versammlung) zwischen den beiden.

So auch mit Mordokai: Er ist dazu bestimmt, „an einem Baum (dem Galgen) aufgehängt zu werden“ (5,14), leidet zusammen mit Esther und vollbringt eine Heldentat von großem Verdienst (alles Anspielungen auf das, was Christus vor 2000 Jahren tat); dann hält er sich auch im Hintergrund, wacht über Esther und zeigt Interesse an ihrem Wohlergehen (hauptsächlich eine Anspielung auf seine Sorge um den zukünftigen Überrest). Schließlich wird Mordokai über das ganze Land gesetzt und von allen geehrt (wie Christus es in absolutem Sinn im 1000-jährigen Reich des Friedens sein wird).

Dieser „Zeitsprung“ oder „Schnellvorlauf“ zur Endzeit ist kein Einzelfall. Denken wir an Joseph: Er wurde von seinen Brüdern verachtet und später erhöht und über Ägypten gesetzt. Oder denken wir an David, den verworfenen König, den Saul wie ein Rebhuhn jagte, der dann zum König der Gnade Gottes in Zion wurde.

Einwand 4

„Die typologische Bedeutung von Haman ist nicht klar definiert – steht er für Satan, für den Antichristen oder für den römischen Diktator?“

Haman wird als „der Böse“ und „der Feind“ der Juden bezeichnet. Offensichtlich ist er der Hauptgegner von Mordokai und von Esther und ihrem Volk. Auf allgemeiner Ebene gibt es keine Schwierigkeit: Haman repräsentiert den Gegner.

Mir scheint, dass manche Details der Handlungen Hamans eher auf Satan selbst anwendbar sind (wie zum Beispiel die Tatsache, dass Christus sich nicht vor Satan niederbeugte). Andere Details dagegen passen eher auf Werkzeuge, die Satan benutzt.6

Diese Nuancen in der typologischen Interpretation von Haman brauchen uns nicht zu stören. Tatsächlich sind Satan und die beiden Hauptinstrumente, die er in der großen Drangsal einsetzen wird, sehr eng miteinander verknüpft:

  • Der Drache (Satan) verfolgt die Frau (Off 12). Aber wie wird dies geschehen? Durch die zwei Tiere, die die Instrumente Satans sind (Off 13).
  • Der römische Kaiser erhält seine Macht direkt von Satan (Off 13,2). Die Bewunderung dieses Diktators führt dazu, dass die Menschen Satan anbeten werden (Off 13,4).
  • Der römische Kaiser ähnelt dem Drachen (sieben Köpfe und zehn Hörner, vgl. Off 12,3; 13,1).
  • Der Antichrist nutzt all seinen Einfluss dazu, die Menschen zu verleiten, das erste Tier anzubeten, das seinerseits seine Macht von Satan erhalten hat.
  • Satan und die beiden Tiere (der römische Diktator und der Antichrist) verbünden sich gegen Christus.
  • Satan und die beiden Tiere teilen ein gemeinsames Urteil: im Feuersee (Off 20,10).

Weitere typologische Elemente

Sobald das Thema des Buches sowie seine typologische Bedeutung verstanden werden, entdeckt man leicht weitere Details, die in dieser Hinsicht relevant erscheinen:

  • Esther kennt ihren „Ehemann“ als „König“ (ähnlich wie Sulamith in Hohelied 1,12). Christen 7 hingegen kennen Gott als ihren Vater und Christus als ihren Herrn (Eph 1,3).
  • Mordokai, der Jude, ist ein Sohn von Benjamin (Bedeutung „Sohn meiner rechten Hand“). In Jakobs Segen wird der Stamm Benjamin als Wolf beschrieben, der seine Beute in Stücke reißt (1. Mo 49,27). Dies erreicht Mordokai in Bezug auf Haman den Agagiter (Est 3,1.10; 9,24.25). Darin steht er im Gegensatz zu Saul, der in dieser Aufgabe versagt und Agag, den Amalekiter, verschont hat (vgl. 2. Mo 17,16; 5. Mo 25,17-19; 1. Sam 15,8.9). Christus ist der wahre Benjamin, der wahre „Sohn meiner Rechten“. Als solcher wird Er das erforderliche göttliche Urteil vollziehen.
  • König Ahasveros erlegt den verschiedenen Ländern und sogar fernen Inseln eine Steuer auf (Est 10,1). So wird der Reichtum der Nationen Israel gegeben werden (vgl. Jes 60,5).

Gibt es eine Anwendung auf die Versammlung?

Die Antwort auf die Frage, ob es eine Anwendung auf die Versammlung gibt, hängt davon ab, was wir unter Anwendung verstehen:

  1. Es ist möglich, bestimmte Details der Erzählung selektiv auf die Versammlung (oder diejenigen, die die Versammlung bilden) anzuwenden:
    • Der Herr wird seine Versammlung nicht verlassen.
    • Er handelt im Hintergrund, zu ihrem Wohl.
    • Die Versammlung ist von Feinden umgeben (und Ziel des Hasses Satans).
    • Für diejenigen, die die Versammlung bilden, kommt aller Segen aus dem Werk des wahren Mordokai hervor.
  2. Es ist jedoch unmöglich, eine schlüssige Interpretation des Buches Esther zu geben, die Esther als Bild der Versammlung betrachtet. Selbst der Versuch wäre kontraproduktiv, da er die Bedeutung des Buches sowie die Wahrheit der Versammlung verschleiern würde.

Hier sind einige Beispiele für wesentliche Schlüsselpunkte der Erzählung, die einfach nicht zur Versammlung passen:

  1. Zentral im gesamten Buch ist die Frage der jüdischen Abstammung. Esther ist die jüdische Braut. Mordokai ist Jude. Im Zentrum des Buches steht das Schicksal des Volkes der Juden.
    Eine der Schlüsseleigenschaften der Versammlung ist jedoch, dass sie aus solchen besteht, die aus allen Nationen inklusive Israel herausgerufen wurden. In ihr haben alle – ob sie aus den Juden oder aus den Nationen kommen – die gleiche Stellung in Christus.
  2. Esther wird gehasst und ist in Gefahr, weil sie zu Mordokais Volk gehört. Das passt auf das Volk Israel, denn Christus ist aus Israel hervorgegangen (und natürlich nicht aus der Versammlung).
  3. Wenn Esther die Versammlung wäre, wer wäre dann Vasti? Die Versammlung wird nicht den Platz des nominalen Christentums auf der Erde einnehmen. Sie ist dann längst im Himmel.
  4. Esther und ihr Volk stehen unter einem Todesurteil (aufgrund des ersten Erlasses).
  5. Esther befindet sich in großer Entfernung zum König (sie wurde 30 Tage lang nicht zu ihm gerufen, durfte sich ihm nicht nähern, riskierte den Tod, es sei denn, das goldene Zepter wurde ihr aus reiner Gnade entgegengestreckt usw.). Jeder dieser Punkte würde, wenn man sie auf die Versammlung anwendet, ihre Natur und Stellung nur verdecken (vgl. z. B. Eph 2,18).
  6. Die Versammlung wird die Braut Christi und die Frau des Lammes genannt, aber nie die Braut oder Frau Gottes. Dies ist wichtig, da Esther die Frau von König Ahasveros wird, nicht diejenige Mordokais.
  7. Esthers Fürbitte führt zur Rettung ihres Volkes. Wenn Esther die Versammlung wäre, wer wäre dann das „Volk“ der Versammlung?
  8. Esther bittet den König, ein Urteil über ihre Feinde zu fällen. Das passt zu den Gebeten und Wünschen des Überrestes, die wir in den Psalmen und an anderen Stellen finden. Die Versammlung dagegen hat eine vollkommen andere Rolle und andere Empfindungen und Wünsche (Christen wünschen sich die Rettung und den Segen ihrer Feinde, nicht ihr Gericht).
  9. Esther und ihr Volk werden aktiv an der Ausführung des Gerichts über ihre Feinde beteiligt.

Alle diese Probleme verschwinden (oder entstehen gar nicht erst), wenn wir erkennen, dass Esther den treuen zukünftigen jüdischen Überrest darstellt.

Fazit

Das Buch Esther gibt uns interessante Einblicke in die Situation der Juden, die nach der 70-jährigen babylonischen Gefangenschaft nicht nach Israel zurückkehrten. Sie befanden sich (nach dem Sieg der Perser) im Medo-Persischen Reich.

Gott konnte sie in dieser Zeit nicht offiziell als sein Volk anerkennen, da sie unter dem „Lo-Ammi“ Urteil standen. Seine Namen, HERR oder Elohim, kommen in diesem Buch nicht einmal vor. Dennoch beobachtet und kontrolliert Er alles (sogar ob ein heidnischer König nachts schlafen kann oder nicht und was er liest). Das Buch enthält viele Lehren im Zusammenhang mit dem Vertrauen auf Gott und seine Vorsehung, dem Mut des Glaubens, der Schönheit der Gnade usw.

Andererseits ist es sehr offensichtlich, dass das Buch Esther auch eine tiefere, typologische Bedeutung hat. Es zeigt uns Aspekte des großen Themas, das sich durch die Propheten und die Psalmen (und das Hohelied) zieht: dass Israel in Form eines Überrests, der zu Gott zurückkehrt, unverdiente irdische Segnungen unter der Herrschaft Christi bekommt – und zwar aus reiner Gnade und auf der Grundlage des großen Werks Christi. Letzteres wird durch die Tat Mordokais vorgeschattet, die die Verschwörung gegen den König vereitelte und zur Erlösung Esthers und ihres Volkes führte.

Als Christen, die dieses Buch lesen, werden wir Freude an der Freude Christi finden; wir werden uns über die Erhöhung des wahren Mordokai freuen und darüber, dass die Sehnsucht seines Herzens – auch jene gegenüber seinem irdischen Volk – in voller Zufriedenheit enden werden:

„Der HERR, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein rettender Held. Er freut sich über dich mit Wonne, er schweigt in seiner Liebe, frohlockt über dich mit Jubel“ (Zeph 3,17).

Gleichzeitig entnehmen wir dem Buch Esther zahlreiche Impulse für unser Glaubensleben. Denken wir nur an den Mut Esthers, an ihr Vertrauen auf die Gnade, an die Wege der Vorsehung Gottes, der zur rechten Zeit eingreift, etc.

Fußnoten

  • 1 Natürlich war er ein heidnischer Herrscher. Aber das trifft auch auf den Pharao zu, der Joseph über das ganze Land Ägypten erhöhte und damit ein Bild von Gott ist, der Christus erhöht. Es geht jeweils darum, dass diese Monarchen absolute Macht besitzen. Darin sind sie Vorbilder auf Gott – auch wenn wir nicht alle Einzelheiten übertragen können.
  • 2 Dieser Überrest wird, nach der Entrückung der Versammlung in den Himmel, von Juden gebildet werden, die das Evangelium der Gnade nicht gekannt haben. In der Zeit der Drangsal (nach der Entrückung) kommen sie zum Glauben an den wahren Gott. Die Gedanken und Erfahrungen dieses Überrests sind das Thema vieler Psalmen. Darüber hinaus geben fast alle alttestamentlichen Propheten Auskunft über diesen Überrest und viele Vorbilder (wie die Brüder Josephs) kündigen ihn an. Das Neue Testament erwähnt diesen Überrest in Römer 9,27 und berichtet ausführlich über ihn in Matthäus 24 und in Offenbarung 6-18. Eine ausführliche Erklärung zum Thema jüdischer Überrest findet man in dem Buch „Heilsgeschichtlich Denken – der rote Faden zur Bibel“ von demselben Autor (Kapitel 6, Baustein 10).
  • 3 Sie werden auf den wahren Gott vertrauen und deshalb verfolgt werden. Aber wie die Brüder Josephs nach Ägypten kamen, ohne zu wissen, dass es Joseph war, der sie rettete, so werden auch dem Überrest die Augen erst ganz geöffnet, wenn sie „auf den blicken, den sie durchstochen haben“ und Ihn annehmen (Sach 12,10).
  • 4 Manchmal werden diese drei Charaktere (Satan und die beiden Tiere) als „Dreieinheit des Bösen“ bezeichnet (und wir wissen, was damit gemeint ist). Es handelt sich jedoch nicht um eine echte Dreieinheit, da es (im Gegensatz zur göttlichen Dreieinheit) hier keine Wesenseinheit dieser Personen gibt.
  • 5 Natürlich hat Satan heute noch Macht und er ist heute noch aktiv. Aber das Kreuz war für ihn „der Anfang vom Ende“: Dort wurde er entlarvt und verurteilt. Der Vollzug kommt noch (aus dem Himmel geworfen (Off 12,8.9), im Abgrund gebunden (Off 20,1-3) und schließlich in den Feuersee geworfen (Off 20,10).
  • 6 Manche haben den numerischen Wert der hebräischen Buchstaben von „Haman der Böse“ mit der Zahl 666 in Verbindung gebracht (vgl. Off 13,18). Aber auf dieses Ergebnis kommt man nur, wenn man den Ausdruck „Haman der Böse“ erweitert bzw. modifiziert. So, wie der Ausdruck in der Bibel vorkommt, beträgt der Zahlenwert 370.
  • 7 Christus wird herrschen, nachdem Er als „König der Könige“ in Macht und Herrlichkeit erschienen ist (Off 19,16; vgl. 1. Tim 6,15), aber Er hat seine Herrschaft noch nicht angetreten (vgl. Lk 19,12.15).
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