Die letzten Dinge

Einleitung

Die letzten Dinge

„Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss; und durch seinen Engel sendend, hat er es seinem Knecht Johannes gezeigt, der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi, alles, was er sah“ (1,1.2).

Die Offenbarung ist zwischen 95–99 nach Christi Geburt geschrieben worden, also zu einer Zeit, da das Wegwenden der Kirche vom Herrn in Welt und Irrtum bereits begonnen hatte. Wohl gerade im Blick darauf ist der Charakter des Buches ein ganz anderer, als derjenige der Evangelien oder der Briefe. Die Schreibweise ist in einem sehr ernsten, offiziellen Ton gehalten. Es ist vor allem ein Buch der Gerichte. Es wird uns aber nicht nur die Entwicklung des Bösen bis zur völligen Reife zum Gericht gezeigt, sondern auch der endgültige Triumph und Sieg unseres Herrn über alle Dinge. Dieses letzte Buch der Heiligen Schrift will die „Knechte Gottes“ einerseits ermuntern, im Blick auf die herrliche Zukunft in Treue auszuharren, andererseits noch einmal alle Menschen auf die Gefahr, in der sie schweben, aufmerksam machen, damit sie nicht von „dem kommenden Zorn“ dahingerafft werden.

Dementsprechend ist auch die Anrede nicht mehr die innige, die aus dem Kindesverhältnis entspringende, wie in den Briefen, sondern eine gemessene, amtliche. Gott wird uns nicht in seinem Charakter der Liebe, als Gott der Vater, dargestellt, sondern als der ewige, allmächtige, heilige Herr, so wie wir ihn aus dem Alten Testament kennen. Jesus Christus wird uns in der als Mensch erworbenen Herrlichkeit gezeigt, darum lauten die Eingangsworte: „Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss“ (V. 1). Im Weiteren wird Er uns dann in seinem amtlichen Charakter als Herr und König, wie auch in seinen Anrechten an die Seinen und an die Schöpfung gezeigt und schlussendlich in seiner Eigenschaft als Richter, vor Augen geführt. In den Evangelien wird dies kaum, in den Briefen mehr beiläufig berührt, hier aber ist es der Hauptgegenstand der Darstellung.

In Übereinstimmung damit ist auch die Übermittlung nicht wie sonst eine direkte, sondern wiederum in offizieller, indirekter Form: „durch seinen Engel sendend“. Es ist aber nicht irgendeiner der Engel, sondern „sein Engel“ der „Engel des Herrn“, also niemand anders als der Herr Jesus selbst. Diese Gestalt eines Engels nimmt der Herr öfter in diesem Buch an, vor allem, wenn Er in das Geschehen vor seiner Offenbarwerdung handelnd eingreift. Er wird uns dann gewissermaßen nur als hinter der Szene wirkend gezeigt.

„Was bald geschehen muss.“ So sagte der Herr damals und doch sind seitdem 19 Jahrhunderte vergangen! Für ihn, den Ewigen, für den es keine Zeitrechnung gibt (2. Pet 3,8–9), sind natürlich auch ein paar tausend Jahre eine kleine Zeitspanne, nur für uns kurzlebige Menschen erscheint dies eine lange Zeit. Heute aber, da die Entwicklung der Dinge vor unseren Augen so weit gediehen ist, dass die meisten der prophetischen Umstände der Endzeit bereits in Sicht getreten sind, ist es auch für unser kurzes Zeitmaß: BALD!“ Das griechische Wort für bald, en tachu“, bedeutet übrigens auch „in rascher Folge“ (vgl. Tachometer = Geschwindigkeitsmesser). Die Geschehnisse in der Welt reifen in der Tat rasend schnell diesen Gerichten entgegen, und ehe die Welt sich versieht, wird sich alles in diesem Buch Verzeichnete in rascher Folge, Schlag auf Schlag, abwickeln.

„Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe“ (1,3).

Dies steht im völligen Gegensatz zu der Meinung vieler Christen, die das Buch als dunkel, unverdaulich und furchterregend beiseitelegen.

Gerade heute, wo das Weltgeschehen immer deutlicher den Charakter der Endzeit trägt, ist die Offenbarung, dieses wunderbare Buch, hochaktuell geworden. Wir können uns glücklich schätzen, dieses Buch zu kennen, denn wir brauchen nun nicht zu erschrecken vor „der Bedrängnis der Nationen in Ratlosigkeit bei dem Tosen und Wogen des Meeres, indem die Menschen vergehen vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen“ (Lk 21,25.26). Die Offenbarung gibt uns einen Überblick über alles Geschehen in Bezug auf die Welt und über den Weg der Seinen bis zum herrlichen Ziel.

„Johannes den sieben Versammlungen, die in Asien sind: Gnade euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind“ (1,4).

Hier übermittelt Johannes, bevor er auf die ihm gewordene Offenbarung eingeht, den sieben Versammlungen seinen apostolischen Gruß, wieder dem Charakter des Buchs entsprechend, nicht vertraut, sondern mehr offiziell gehalten, von dem Kommenden, der der Ewige und Allmächtige von Ewigkeit zu Ewigkeit ist. Der Gruß gilt, wie wir noch sehen werden, allen Versammlungen zu allen Zeiten. „Sieben“ ist eine symbolische Zahl und bedeutet eine göttlich vollkommene Umfassung und Darstellung des Mitgeteilten.

Bedeutsam sind die hier genannten Attribute Gottes: der Thron und die sieben Geister vor dem Thron. Der Thron zeigt Gott als den Herrn, als Regierenden, der die ganze Welt lenkt; die sieben Geister zeigen die Vollkommenheiten des Wesens und der Wirksamkeit Gottes in jeder Beziehung: es ist der Geist Gottes in seiner ganzen Fülle, aber nicht in seiner Beziehung zur Ekklesia, seiner Gemeinde, als dem einen Leib. Obwohl Er die dritte Person der Gottheit ist, wird Er in siebenfältiger Vollkommenheit, als der Geist der Vollzahl der göttlichen Wesenheiten dargestellt.

Dann nennt der Seher den Namen des Herrn Jesus Christus – wie vertraut ist er uns! – zum Zeichen, dass wir es auch hier, trotz des erhabenen Ernstes der Offenbarung, mit dem zu tun haben, den wir in seiner Güte, Liebe und Gnade kennen. Johannes fasst seine Darstellung in drei Dinge zusammen:

  1. was Er auf der Erde war: der eine Bote und Gesandte der Gnade und Ratschlüsse Gottes, der Eine und Einzige, der der „treue Zeuge“ genannt werden kann;
  2. was Er jetzt ist: der „Erstgeborene der Toten“, durch seine Auferstehung Unterpfand und Bürge unseres himmlischen Erbes und unserer Zukunft;
  3. was Er sein wird: der „Fürst der Könige der Erde“, der kommen wird, um an seinen Widersachern Gericht auszuüben und seine Herrschaft inmitten seines irdischen Bundesvolkes Israel, und damit über die ganze Erde, anzutreten.

Die Beschäftigung mit dem geliebten Herrn drängt Johannes, ihn anbetend zu verherrlichen:

„Und von Jesus Christus, der der treue Zeuge ist, der Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde! Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (1,5.6).

Die ganze bluterkaufte Gemeinde darf in dieses Lob einstimmen. Welches große und herrliche Vorrecht, ihn rühmen und preisen zu dürfen in Ewigkeit!

Johannes zählt auf, was der Herr für uns ist, was Er für uns gemacht hat:

  1. Er liebt uns; seine Liebe ist ewige Gegenwart und wird ihren Höhepunkt erreichen, wenn Er uns in das Vaterhaus eingeführt haben wird.
  2. Er hat uns in seinem kostbaren Blut weißer als Schnee gewaschen. Die Gabe seines Lebens, die tiefste Erniedrigung, seine unaussprechlichen Leiden, Hohn, Spott und Schmach, die Ihm zugefügt wurden, zuletzt sein Tod, zeugen von dem großen Preis, den Er bezahlt hat, um uns von Schuld und Gericht zu erretten.
  3. Dadurch, dass Er als Mensch unseren Platz eingenommen hat, gestorben, ins Grab gesunken, auferstanden und zur Rechten Gottes erhoben ist, hat Er uns auf den gleichen Platz gestellt und damit zu den höchsten Würden erhoben. Wir sollen Könige und Priester sein, Thron und Herrschaft mit ihm teilen.

Welche wunderbare Liebe! Aber es ist die letzte Erwähnung der Liebe in diesem Buch, und damit in der ganzen Heiligen Schrift. Wie ernst! Die Gerichte beginnen, und ihr Lauf kann nicht gehemmt werden.

„Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes. Ja, Amen.

Ich bin das Alpha und das Omega, spricht der Herr, Gott, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige“ (1,7.8).

Es ist das große Vorrecht der Knechte Gottes, in und vor der Welt Zeugnis abzulegen. Darum kommt Johannes jetzt auf die Botschaft zu sprechen, die er empfangen hat. Aber es kann jetzt nicht diejenige des Heils aus Gnade durch Glauben sein, auch nicht die der Wiederkunft des Herrn für die Seinen, beides kann in diesem ernsten Buch keinen Raum haben. Der Seher lenkt darum die Aufmerksamkeit auf den Charakter, in dem der Herr bald wieder vor die Menschen treten wird, nämlich in königlicher Herrlichkeit. Er wird dann, wie die beiden Engel bei der Himmelfahrt in Aussicht gestellt haben (Apg 1), in den Wolken kommen, und zwar werden ihn die Menschen, allen voran Israel, zu allererst an seinen früher am Kreuz empfangenen Wunden erkennen müssen. Der letzte Anblick des Herrn seitens der feindseligen Welt und des abtrünnigen Israel war der des blutenden und leidenden Jesus am Kreuz, und dieser Anblick wird auch das erste sein, was die Menschen dann sehen müssen, wenn Er in Herrlichkeit wiederkommt. Dann werden diese Menschen zu ihrem großen Schrecken erkennen müssen, was sie früher und bis dahin nicht wahrhaben wollten, dass dieser sanftmütige Jesus, an dem sie sich so schändlich vergangen haben, in Tat und Wahrheit, wie Er verkündet hatte, der Herr und König der Erde ist, der nun gekommen ist, um das Gericht an ihnen auszuüben.

Aber es wird dann zu spät sein, um noch umkehren zu können; denn die Gelegenheit dazu wird vorbei sein, wie die Betrachtung der Gerichte zeigen wird. Aber eine Ausnahme wird es doch geben, die in der ganz ähnlichen Stelle in Sacharja 12,10–14 dargestellt wird, nämlich die des gläubigen, durch die große Drangsal zubereiteten Überrestes aus Israel. Dieser wird gerade dann zur völligen Bekehrung durchbrechen. In wahrer Buße wird er wehklagen über seines Volkes größte, nun endlich erkannte Sünde und in tiefer Reue um Vergebung flehen.

Diesen gewaltigen Eindruck seines Wiederkommens unterstreicht Gott selbst mit dem Hinweis auf seine alles überragende Majestät und Würde. Als Alpha und Omega, als Anfang und Ende, ist Er der Allmächtige von Ewigkeit zu Ewigkeit. Als Schöpfer und Anfänger aller Ratschlüsse, alles Seins und alles Werkes ist Er auch der Vollender von allem, der endlich, in Ewigkeit, alles in allem sein wird.

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