Botschafter des Heils in Christo 1882

Ein sicherer Ankerplatz

Ich bitte den Leser, für einige Augenblicke seine Aufmerksamkeit den Versen 7–15 im zehnten Kapitel des Hebräerbriefes zuzuwenden. Er wird in denselben, wenn er anders wirklich über das Heil seiner Seele bekümmert ist, den wahren Grund des Friedens, einen göttlich sicheren Ankerplatz finden. Ich denke nicht daran, eine lange, ausführliche Auslegung dieser Stelle zu geben, sondern möchte nur mit kurzen Worten den Inhalt derselben andeuten. Es werden uns hier drei große Gegenstände oder Seiten der Wahrheit vorgestellt; zunächst der Wille Gottes, dann das Werk Christi und endlich das Zeugnis des Heiligen Geistes, oder mit anderen Worten: die Quelle, aus welcher die ewige Errettung der Seele hervorkommt, der Kanal, durch welche sie stießt, und die Autorität, auf welche sie sich stützt. Wir sehen so die ewige Dreieinigkeit – Vater, Sohn und Heiliger Geist – mit dem großen Werk beschäftigt, den Grund zu unserem Frieden zu legen. Dies ist sicherlich etwas, das unserer ernsten und eingehenden Betrachtung wert ist.

1. Es ist von der höchsten Wichtigkeit für eine bekümmerte Seele, ein klares Verständnis über die Tatsache zu erlangen, dass der glorreiche Plan der Erlösung seinen Ursprung in dem Willen Gottes hatte, und zwar vor Grundlegung der Welt. Er wurde nicht erst nachträglich gefasst, nachdem der Mensch gefallen war. Gott brauchte nicht erst dann, als die Sünde da war, mit sich zu Rat zu gehen, was Er tun wollte. O nein, der Plan war schon lange vorher gefasst, schon lange vorher erwogen und festgestellt. Dies beweist der siebente Vers unseres Kapitels auf das Unzweideutigste: „Da sprach ich: Siehe, ich komme, (in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben) um deinen Willen, o Gott, zu tun.“ Bevor die Welten gemacht wurden, bevor die Sünde da war, stand der Plan bereits fest, dass Christus kommen und den Willen Gottes tun sollte – und dieser Wille hatte Bezug, auf die Errettung des Menschen. Diese Tatsache beweist die wunderbare Liebe Gottes zu dem Sünder. Er hätte uns dem Verderben überlassen können, wie wir es gerechter Weise wegen unserer Sünden verdient hätten, aber stattdessen trat Er, sobald die Sünde da war, mit dem herrlichen Plan der Erlösung durch den Samen des Weibes hervor.

2. Um diesen Plan auszuführen, kam der Sohn aus dem Schoß des Vaters herab. Er kam, um, koste es, was es wolle, den Willen Gottes zu tun. Es war seine Speise und sein Trank, diesen Willen zu tun, und – gepriesen sei sein heiliger Name! – Er hat ihn vollkommen erfüllt. Er hat das Werk vollbracht, das der Vater Ihm zu tun gegeben hatte, und dadurch den unerschütterlichen Grund zu unserem Frieden gelegt. Was alle die Opfer des alten Bundes nicht vermochten, das hat Jesus durch sein einmaliges Opfer vollbracht. „Indem Er vorhersagt: Schlachtopfer und Speisopfer und Brandopfer und Opfer für die Sünde hast du nicht gewollt, ... spricht Er dann: Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun ... Durch welchen Willen wir geheiligt sind durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi. Und jeglicher Priester steht täglich da, den Dienst verrichtend und oft dieselben Schlachtopfer darbringend, welche niemals Sünden hinwegnehmen können. Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für die Sünden dargebracht, hat sich für immerdar gesetzt zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis seine Feinde gelegt sind zum Schemel seiner Füße. Denn durch ein Opfer hat Er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden“ (V 8–14).

Hier haben wir den Kanal, durch welchen die Versöhnung uns zufließt, nämlich: „das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi.“ Es ist nicht durch die Kirche, nicht durch Sakramente, nicht durch Zeremonien und Gebräuche, nicht durch religiöse Satzungen und Einrichtungen, nicht durch irgendwelche Werke der Gerechtigkeit, durch Gebete, Fasten, Almosen oder irgendwelche andere menschliche Anstrengungen, sondern „durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi.“ Der Leser möge die Kraft und Wichtigkeit des Ausdrucks: „ein für alle Mal“ wohl erwägen! Dieses Opfer kann niemals wiederholt werden. Die Lehre von einem fortgesetzten Opfer für die Sünden ist eine direkte Verleugnung der klaren Unterweisungen des Heiligen Geistes in Hebräer 10. Wenn das Wort Gottes maßgebend für uns ist, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Sünden aller Glaubenden durch das eine vollkommene Opfer Christi auf dem Kreuz für immer hinweggetan sind. Den Beweis dafür sehen wir in der Tatsache, dass Jesus sich auf den Thron der Majestät in den Himmeln gesetzt hat. An die Stelle des täglichen Dastehens der jüdischen Priester ist das ewige Sitzen des Sohnes Gottes, an die Stelle der zahlreichen Opfer nach dem Gesetz das eine Opfer Jesu Christi getreten. Die Priester unter dem Gesetz konnten sich niemals setzen, weil ihr Werk nie vollendet wurde. Jesus dagegen hat sich nach Vollendung seines Werkes für immerdar gesetzt. Hierin liegt das wahre Geheimnis der Ruhe für das Gewissen. Christus hat sich gesetzt. Er wird sich nie wieder erheben, um sich mit dem Werk des Sündentragens zu beschäftigen. Wenn Er aufsteht, so geschieht es nur, um die seinigen zu sich zu nehmen und dann über seine Feinde Gericht auszuüben.

3. Es bleibt uns noch übrig, ein Wort über die Autorität zu sagen, auf Grund deren wir diese vollkommene Versöhnung empfangen. Es ist das Zeugnis des Heiligen Geistes, und dieses ist – beachten wir es wohl! – das Wort Gottes, die Heilige Schrift. „Das bezeugt uns aber auch der Heilige Geist; denn nachdem Er gesagt hat: Dies ist der Bund, den ich mit ihnen errichten werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Meine Gesetze in ihre Herzen gebend, werde ich sie auch auf ihre Sinne schreiben, und ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken. Wo aber eine Vergebung derselben ist, da ist nicht mehr ein Opfer für die Sünde“ (V 15–18). Auf die Frage: „Woher weißt du, dass alle deine Sünden und Gesetzlosigkeiten hinweggetan sind?“ kann ich jetzt antworten: „Durch das Zeugnis des Heiligen Geistes – durch das Zeugnis der Heiligen Schrift.“ Dies ist wiederum ein Punkt von hervorragender Wichtigkeit. Die Autorität, auf welcher ich im Blick auf die Errettung meiner Seele ruhe, ist ebenso wahrhaft und absolut göttlich, als der Kanal, durch welchen diese Errettung mir zufließt, oder die Quelle, aus der sie hervorgeht. Es ist nicht die Stimme der Kirche, es sind nicht die Beschlüsse von Konsilien, oder die Meinungen der Kirchenväter, oder endlich die Gebote, Lehren und Überlieferungen der Menschen, auch nicht die Vorstellungen und Gefühle meines eignen Herzens, welche mir Gewissheit geben können, dass ich von allen meinen Sünden gereinigt und für ewig errettet bin – es ist einzig und allein das Zeugnis der Heiligen Schrift. Wohl ist es wahr, dass wir durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes dieses Zeugnis annehmen und in demselben ruhen; allein immer bleibt es das Wort Gottes, woran wir glauben, anders wäre es kein göttlicher und seligmachender Glaube. Ein Glaube, der nicht einfach auf dem Wort Gottes ruht, ist ein wertloser, unechter und betrügerischer Glaube. Der wahre Glaube glaubt Gott und ruht in dem, was Er sagt, weil Er es sagt. Wenn ich etwas von einem Menschen nötig habe – eine Versicherung oder dergleichen, dass Gott in Wahrheit gesprochen habe, so bin ich gar kein Gläubiger. Der errettende Glaube, der Glaube eines wahren Christen, ist gegründet auf das Wort Gottes und auf nichts anderes.

Zum Schluss bitte ich den Leser, die obigen Bemerkungen mit Aufmerksamkeit zu erwägen. Sie enthalten nichts Neues oder bisher Unbekanntes, sind aber vermögend, ihm einen Frieden zu geben, den keine List Satans und keine Vernünftelei der Menschen jemals stören kann. Möge Gott sein teures Wort an unser aller Herzen segnen!

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel