Botschafter des Heils in Christo 1882

Und dann?

Ein junger Mann besuchte eines Tages einen ihm befreundeten, bejahrten Professor und teilte ihm mit freudestrahlenden Blicken mit, dass endlich der Wunsch seines Herzens in Erfüllung gehen solle, da seine Eltern ihm die Erlaubnis gegeben hätten, die Rechte zu studieren. Geraume Zeit sprach er mit großer Aufregung von seinen Plänen und Aussichten. Der Greis hörte ihm geduldig und freundlich zu; als er endlich endigte, sagte er: „Und was gedenkst du zu tun, wenn du deine Studien vollendet hast?“ – „Nun, dann werde ich Advokat“, erwiderte der junge Mann rasch. – „Und dann?“ fragte der Professor weiter. – „Und dann werde ich, so viel als möglich, schwierige Rechtshandel übernehmen und mir einen geachteten Ruf als Rechtsanwalt verschaffen.“ – „Und dann?“ fragte der Mte zum zweiten Male. Der junge Mann blickte seinen Freund etwas verwundert an. Doch nach kurzem Besinnen antwortete er: „Vielleicht erlange ich dann eine höhere Stelle im Staatsdienst und gelange zu Reichtum und Ehre.“ – „Und dann?“ wiederholte der Professor ruhig. – „Und dann“, entgegnete der Jüngling, den die fortgesetzten Fragen zu ergötzen anfingen, „dann werde ich ein ruhiges und angenehmes Leben führen, von jedem geehrt und geachtet, und werde ein glückliches Alter erleben.“ – „Und dann?“ – „Nun, dann werde ich sterben, wie andere Menschen auch.“ – Der Alte erhob sich und fragte noch einmal mit großem Nachdruck: „Und dann?“ – Der junge Mann gab keine Antwort; diese Wendung des Gesprächs hatte er nicht erwartet. Einige Minuten saß er stillschweigend da, dann nahm er Abschied und ging, in tiefes Nachdenken versunken, heim. Das letzte: „Und dann?“ hatte sein Herz getroffen. Es war gleich einem scharfen Pfeil in seine Seele gedrungen; er konnte den Eindruck nicht wieder loswerden, und die Folge war eine völlige Veränderung seines Herzens und Lebens.

Die meisten Menschen gleichen jenem jungen Mann. Sie denken nur an das, was sie in diesem Leben tun und genießen wollen, und bekümmern sich um das, was nach diesem Leben folgt, nicht im Geringsten. Man jagt und rennt, man macht Plane über Pläne, wie man am besten durch die Welt kommen und in der kürzesten Zeit reich werden könne. Ein jeder Mensch hat seine besonderen Wünsche. Der Eine dürstet nach Ehre und Ansehen, der Andere wünscht reich zu werden, ein dritter will so viel als möglich die Vergnügungen dieser Welt genießen, ein vierter verlangt nach einem stillen, häuslichen Glück oder nach einem sorglosen Alter. So jagt der Eine nach diesem, der Andere nach jenem, je nachdem die Charaktere und Umstände verschieden sind. Doch an dies alles kommt einmal ein Ende. Einmal wirst du deinen Reichtum zurücklassen müssen, werden Ehre und Ansehen verschwinden; einmal wirst du den Vergnügungen der Welt Lebewohl sagen und deinen häuslichen Kreis verlassen müssen. Ob du es gut oder schlecht gehabt, ob du deine Wünsche erlangt oder nicht erlangt haben wirst – du wirst einmal sterben müssen. Und was dann? Ja, mein lieber Leser, was dann? Das ist eine ernste, eine höchst ernste Frage. Du antwortest vielleicht: „Ach, an den Tod will ich nicht denken; das würde alle meine Vergnügungen vergällen und meine Pläne durchkreuzen. Daran zu denken ist es immer noch früh genug.“ Ach, ich bitte dich, rede nicht so töricht! Täglich siehst du, wie der Tod rund um dich her seine Ernte hält. Heute oder morgen kannst auch du ihm zum Opfer fallen. – Und was dann?

In den Tagen Noahs machten es die Menschen gerade so wie du. Sie aßen, sie tranken, sie heirateten und wurden verheiratet – sie störten sich durchaus nicht an die Predigt Noahs, bis die Flut kam und sie alle umbrachte. Ebenso war es in den Tagen Lots. Niemand glaubte der Botschaft der Engel; aber an demselben Morgen, da Lot die Stadt verlieh, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel, und alle kamen um (Lk 17,16–30). So wird es auch dir ergehen, wenn du dich nicht warnen lassen willst. In einer Stunde, da du vielleicht am wenigsten daran denkst und mit deinen Plänen und den Eitelkeiten dieser Welt beschäftigt bist, tritt der König der Schrecken an dich heran. Plötzlich vielleicht ruft Gott dich ab von dieser Erde – und was dann?

Ja, was dann? Dann folgt das Gericht! „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, und danach das Gericht.“ Wirst du in dem Gericht Gottes bestehen können? Wirst du dich wegen all deiner. Taten verantworten können? Wirst du Gott anschauen dürfen? Nein, nein! antwortet dein eigenes Gewissen. Weißt du, was du in jenem Augenblick tun würdest, wenn es dir möglich wäre? Du würdest fliehen und dein Angesicht verbergen; du würdest wünschen, dass die Berge auf dich fielen und die Hügel dich bedeckten. Aber es wird unmöglich sein. Du wirst vor dem Richterstuhl stehen bleiben müssen, und Gott wird Gericht über dich halten. Und welches Urteil wird Er über dich aussprechen? Er wird sagen: „Geht hin von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln“ (Mt 25,41). Ja, das wird dein Urteil sein. Wie entsetzlich! Du wirst für ewig verloren, für immerdar aus der Gemeinschaft Gottes ausgeschlossen sein. Du wirst deine Augen aufschlagen „in der Qual“; und dort werden keine Vergnügungen mehr dein Leben erheitern, keine Freunde dir die Zeit verkürzen. Dort wirst du dich nicht mehr mit der trügerischen Hoffnung auf die Gnade Gottes beruhigen können – nein, du befindest dich in der schrecklichsten Wirklichkeit. Was du hier nicht hast glauben, woran du nicht hast denken wollen, das wirst du dann sehen und erfahren. Haft du hier gelacht und gespottet, dort wirst du weinen und wehklagen. Und das für immer und ewig!

Ja, mein Leser, für ewig! Du wirst, nachdem Millionen von Jahrhunderten vorübergegangen sind, noch ebenso weit von dem Ende entfernt sein, wie in dem Beginn deiner Qual. Welch ein überwältigender Gedanke! Jede Hoffnung auf eine jemalige Veränderung deines Zustandes ist dann vorüber. Es ist eine Qual ohne Ende, eine Strafe ohne Ende – für ewig, für ewig! O ich bitte dich, bedenke dieses wohl! Es sind keine Fabeln, die ich dir erzähle, es ist die Wahrheit – die Wahrheit, wie sie Gott selbst in seinem Wort uns mitgeteilt hat. Und er kann nicht lügen. Ach, lege diese Zeilen nicht fort mit dem Gedanken: Ich will später einmal darüber nachdenken. Denke an die Menschen in den Tagen Noahs, denke an die Leute von Sodom, denke an das schreckliche: Für ewig.

Fühlst du dich getroffen durch diese Wahrheit? Ist dein Gewissen erwacht und wünschest du, dem kommenden Zorn zu entfliehen? O dann ist der Zweck meiner Worte erreicht. Dann höre auf die frohe Botschaft, die Gott dir verkündigen lässt! Derselbe Gott, der dir die Wahrheit vorhält, predigt dir auch die Gnade. Du kannst jenem Zorn entfliehen, du kannst einen Platz finden in den vielen Wohnungen des Vaterhauses, wo ewiges Glück und ewiger Friede wohnen. Gott hat seinen Sohn Jesus – Christus in diese Welt gesandt, um zu suchen und zu erretten, was verloren ist. Er ist am Kreuz gestorben und hat ein vollkommenes Sühnopfer gebracht. Er hat ein Werk vollbracht, durch welches jeder Sünder von allen seinen Sünden gereinigt und des ewigen Lebens teilhaftig werden kann. Und der Sohn Gottes ladet dich selbst ein. Er ruft dir zu: „Kommt her zu mir, alle Mühselige und Beladene, ich will euch Ruhe geben!“ und Er sagt: „Wer an mich glaubt, hat das ewige Leben.“ O komme zu Ihm! Folge seiner Einladung! Traue seinem Wort und glaube an Ihn mit deinem ganzen Herzen! Komme zu Ihm, wie du bist, mit allen deinen Sünden, mit deiner ganzen Schuld, und Er wird sie dir gnädig abnehmen. Er wird dein Herz mit Ruhe und Freude erfüllen. Vertraue auf seine Liebe, auf sein Werk, auf sein vergossenes Blut, und du wirst von dem ewigen Verderben erlöst sein und, anstatt in der Hölle, für immerdar in dem Himmel wohnen. Bedenke, dass dies der einzige Weg zur Errettung ist! Es ist kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, in welchem du errettet werden könntest. Bedenke ferner, dass heute die Zeit der Annahme, dass heute der Tag des Heils ist!

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