Botschafter des Heils in Christo 1882

Sicherheit, Gewissheit und Genuss - Teil 1/2

Wir alle, Schreiber und Leser dieser Zeilen, befinden uns auf der bedeutungsvollen Reise aus der Zeit in die Ewigkeit, und keiner von uns weiß, wie nahe er dem Ziel ist. Bald, vielleicht völlig unerwartet, kann unsere Reise zu Ende gehen. Da ist es wohl der Mühe wert, sich zu fragen, wo sie enden wird. Allein um diese Frage richtig beantworten zu können, muss zunächst eine andere Frage in Ordnung gebracht sein, und diese lautet: In welcher Klasse reise ich? – Es gibt deren drei, wenn ich dieses Bild gebrauchen darf.

In der ersten Klasse befinden sich solche, welche errettet und sich ihrer Errettung bewusst sind.

In der Zweiten Klasse solche, welche ihrer Errettung nicht gewiss sind, aber es gerne werden möchten.

Die dritte Klasse endlich umfasst alle diejenigen, welche nicht nur nicht errettet, sondern auch völlig gleichgültig in Bezug auf ihr ewiges Seelenheil sind.

In einer von diesen Klassen befindet sich jeder Mensch, und die überaus wichtige Frage ist: In welcher? Es gibt nichts Törichteres, als gleichgültig zu sein, wenn es sich um die Ewigkeit handelt. Aber ach! Wie viele Millionen von Menschen mühen sich, Tag für Tag rastlos um ihre zeitlichen Interessen ab und scheuen keine Anstrengung, um dieselben zu fördern, während sie in Bezug auf ihr ewiges Wohl wie mit Blindheit geschlagen zu sein scheinen. Trotz der unendlichen Liebe, welche Gott auf Golgatha gegen Sünder offenbart hat, trotz seines oft ausgesprochenen Hasses gegen die Sünde, trotz der wohl bekannten Kürze des menschlichen Lebens, trotz all der Schrecken des Gerichts nach diesem Leben eilt der Mensch in der größten Sorglosigkeit dem schrecklichen Ende seines Weges entgegen, als wenn es keinen Gott, keinen Tod, kein Gericht, keinen Himmel und keine Hölle gebe. Gehörst du auch zu dieser Klaffe von Personen, mein lieber Leser? O möchte dann Gott in diesem Augenblick Erbarmen über dich haben und dir, während du diese Zeilen liest, die Augen öffnen, damit du deine gefährliche Stellung erkennst und siehst, dass du auf der Schwelle eines ewigen, endlosen Wehes stehst!

Du magst es glauben wollen oder nicht, aber dem Fall ist in Wahrheit ein verzweifelter. O, weise den Gedanken an die Ewigkeit nicht länger zurück! Es ist der große Feind der Seelen, „ein Dieb“ und „ein Mörder“, der dich zu betören und zum Aufschub zu veranlassen sucht. Es gibt ein spanisches Sprichwort, welches lautet: Der Weg „Später einmal“ führt zu der Stadt „Niemals.“ Darin liegt viel Wahrheit, und ich bitte dich, verfolge diesen Weg nicht länger! „Heute ist die Zeit der Annahme, heute ist der Tag des Heils.“

Doch vielleicht antwortest du mir: „Ich bin nicht gleichgültig in Betreff des Heils meiner Seele. Im Gegenteil bin ich oft tief bekümmert; aber ich befinde mich in völliger Ungewissheit; ich bin, um ihr Bild zu gebrauchen, in der zweiten Klasse.“

Dann, mein Freund, höre, dass dein Zustand Wohl ein anderer ist, als derjenige eines gleichgültigen Menschen, dass ihm aber dieselbe Sache zu Grund liegt. Gleichgültigkeit und Ungewissheit wachsen auf demselben Boden; und dieser heißt: „Unglaube.“ Der erste Zustand ist das Resultat des Unglaubens im Blick auf die Sünde und das Verderben des Menschen, der Zweite, der deinige, die Folge des Unglaubens im Blick auf das unumschränkte Heilmittel Gottes für den Menschen. Ich kann sehr gut deine Seelennot verstehen und bin überzeugt, dass, je größer dein Ernst ist, mit dem du diese überaus wichtige Sache betrachtest, desto größer auch dein Verlangen sein wird, Gewissheit über deine ewige Errettung zu erlangen. „Denn was wird es dem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewänne, aber seine Seele einbüßte?“ (Mt 16,26) Einem Menschen, der sich verirrt hat und müde und hungrig an einem Scheideweg anlangt, kann es nicht genügen, auf sein Befragen zur Antwort zu erhalten, dass der Eine der beiden Wege vielleicht ans Ziel führt. Er muss Gewissheit haben. Ebenso ist es mit jedem Menschen, der zu einem Bewusstsein seines Zustandes erwacht ist und mit Schrecken sieht, dass er auf dem breiten Wege ist, der ins Verderben führt. Es kann ihm nichts nützen, wenn ihm jemand einen Weg angibt, auf dem er hoffen kann, dem Verderben zu entrinnen. Er wird nicht eher zur Ruhe kommen, bis er gewiss weiß, dass er auf dem rechten Wege, auf dem Weg zum ewigen Leben ist.

Um dem Einen oder Anderen meiner Leser zur Erlangung dieser Gewissheit behilflich zu sein, möchte ich auf drei Dinge aufmerksam machen und sie unter der Leitung des Heiligen Geistes und im Licht des Wortes Gottes etwas näher betrachten. Dieselben sind:

1. Der Weg des Heils (Apg 16,17).

2. Die Erkenntnis des Heils (Lk 1,77).

3. Die Freude des Heils (Ps 51,12).

Wir werden im Lauf unserer Betrachtung sehen, dass ein jedes dieser drei Dinge, trotz ihrer innigen Verbindung unter einander, dennoch seine besondere Grundlage hat, so dass es sehr wohl möglich ist, dass eine Seele den Weg der Errettung kennt, ohne die bestimmte Gewissheit zu haben, dass sie selbst errettet ist, und dass ferner jemand seiner Errettung gewiss sein kann, ohne zu allen Zeiten die Freude zu genießen, welche diese Gewissheit begleiten sollte. Wenden wir zunächst unsere Aufmerksamkeit dem Weg der Errettung zu.

Über diesen Weg gibt uns das 13. Kapitel des zweiten Buches Mose in einem Vorbild die klarste Anweisung. Der Leser wird dort die Worte aus dem Mund Jehovas finden: „Und jedes Erstgeborene des Esels sollst du lösen mit einem Lamm, und wenn du es nicht lösest, brich ihm das Genick; und alles Erstgeborene von Menschen unter deinen Söhnen sollst du lösen“ (V 13). Jetzt möchte ich den Leser bitten, mir zu einer Szene zu folgen, die vor etwa 3000 Jahren stattgefunden haben mag. Zwei Männer – ein Priester Gottes und ein armer Israelit – stehen in eifrigem Gespräch bei einander. Nähern wir uns ihnen und lauschen ihren Worten. Die lebhaften Bewegungen beider lassen darauf schließen, dass sie eine Sache von großer Wichtigkeit verhandeln, und es fällt uns nicht schwer, zu erkennen, dass der Gegenstand der Unterhaltung ein kleiner Esel ist, der Zitternd zwischen beiden steht.

„Ich bin gekommen“, hören wir den armen Israeliten sagen, „um mich zu erkundigen, ob nicht dieses eine Mal zu meinen Gunsten eine Ausnahme gemacht werden kann. Dieses kleine Geschöpf hier ist das Erstgeborene meines Esels, und obgleich ich sehr wohl weiß, was das Gesetz Gottes über dasselbe sagt, so hoffe ich doch, dass Gott mir Erbarmen erzeigen und das Leben des Tieres nicht von mir fordern wird. Ich bin ein armer Mann, und es ist mir unmöglich, es zu lösen.“ „Aber“, erwidert der Priester in bestimmtem Ton, „das Gesetz Jehovas sagt klar und unzweideutig: ‚Jedes Erstgeborene des Esels sollst du lösen mit einem Lamm, und wenn du es nicht lösest, brich ihm das Genick.‘ – Wo ist das Lamm?“

„Ich besitze kein Lamm.“

„Dann geh, kaufe eins und komme wieder; andernfalls muss dem Esel das Genick gebrochen werden. Entweder muss das Lamm sterben, oder der Esel.“

„Ach, dann sind alle meine Hoffnungen vernichtet“, ruft der Arme traurig aus; „ich bin nicht im Stande, ein Lamm kaufen zu können.“

Unterdessen hat sich eine dritte Person, ein freundlich aussehender alter Israelit, der Gruppe genähert. Er vernimmt den verzweifelten Ausruf des armen Mannes. Einen Augenblick steht er nachdenklich da, wendet sich dann zu dem Armen und sagt freundlich: „Sei gutes Mutes, mein Freund; ich kann dir helfen. Ich besitze in meinem Haus ein kleines Lamm, ein schönes Tierchen ‚ohne Fehl.‘ Es ist die Freude aller im Haus und ist auch mir sehr teuer. Allein ich will es holen und es für deinen Esel opfern.“ Mit diesen Worten eilt der mitleidige Fremde fort und kommt nach kurzer Zeit mit dem versprochenen Lamm zurück. Der Priester nimmt es in Empfang, schlachtet es und verbrennt es auf dem Altar. Nachdem dies geschehen ist, wendet er sich zu dem armen Mann, der dem ganzen Vorgang sprachlos zugeschaut hat, und sagt: „Jetzt kannst du deinen Esel ruhig mit nach deinem Zause nehmen. Das Lamm ist an seiner Statt getötet worden, und in Folge dessen geht der Esel gerechter Weise frei aus. Bedanke dich bei deinem Freund!“

Erkennst du nicht, mein lieber Leser, in dem Erzählten ein treffendes Bild der Errettung eines Sünders? Gott muss von dir wegen deiner Sünden „ein gebrochenes Genick“ fordern, oder mit anderen Worten, Er muss ein gerechtes Gericht über dein schuldiges Haupt bringen. Die einzige Möglichkeit, diesem Gericht zu entrinnen, besteht darin, dass ein von Gott anerkannter und angenommener Stellvertreter deinen Platz einnimmt. Aber wo willst du einen solchen Stellvertreter finden? Es geht dir wie dem armen Israeliten. Du bist nicht im Stande, das von Gott geforderte Lamm zu beschaffen. Aber nun höre, was Gott getan hat, um deine Errettung zu ermöglichen. In der Person seines eingeborenen, geliebten Sohnes hat Er sich selbst ein Lamm vorgesehen, ein Lamm „ohne Fehl und ohne Flecken.“ „Siehe, das Lamm Gottes“, rief Johannes seinen Jüngern zu, als er die Person des Herrn Jesus erblickte, „siehe das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt!“

Dieser Jesus ging hinauf nach Golgatha „wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird“, und dort litt Er für unsere Sünden, „der Gerechte für die Ungerechten, auf dass Er uns zu Gott führe“ (1. Pet 3,18). Er wurde „unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt“ (Röm 4,25). Deshalb braucht Gott nicht ein Jota von seinen gerechten und heiligen Ansprüchen fallen zu lassen, wenn Er den gottlosen Sünder, der an Jesus glaubt, rechtfertigt (Röm 3,26). Gott sei Dank für einen solchen Heiland und für eine solche Errettung! Wenn ein Mensch in Wahrheit an den Sohn Gottes glaubt, so wird ihm der volle Wert des Opfertodes Christi zugerechnet, gerade so, als wenn er das Werk selbst vollbracht hätte. Gott sieht ihn nicht mehr in seinem alten, verwerflichen Zustand, sondern in der ganzen Annehmlichkeit der Person Christi. Sein Errettungsplan ist wahrhaft göttlich und Gottes selbst würdig; er befriedigt sein Herz der Liebe, verherrlicht seinen Sohn und bringt den Sünder in ewige Sicherheit. Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der seinen Eingeborenen und Geliebten gesandt hat, um das große Werk der Erlösung zu vollbringen, und der alles so völlig geordnet hat, dass solch elende, sündige Geschöpfe, wie du und ich, durch den Glauben an Ihn nicht nur der reichsten Segnungen, sondern auch für alle Ewigkeit der überaus köstlichen Gemeinschaft des Segnenden teilhaftig gemacht werden! „Erhebt Jehova mit mir und lasst uns mit einander erhöhen seinen Namen!“ (Ps 34,3)

Doch vielleicht erwiderst du mir: „Ich habe gelernt, von mir und von meinem eignen Tun völlig abzusehen und nur auf Christus und auf sein Werk zu vertrauen, und dennoch fehlt mir die volle Gewissheit meiner Errettung. Heute fühle ich mich ganz glücklich und erfreue mich meiner Annahme bei Gott durch den Glauben an Jesus und an sein vergossenes Blut, und vielleicht morgen schon verwandelt sich meine Freude in Trauer und Ungewissheit. Woher mag dies Wohl kommen?“ Auf diese Frage möchte ich dir mit einer Gegenfrage antworten: „Hast du schon jemals gehört, dass ein Kapitän die Anker seines Schiffes in dieses hineinwirft, umso einen sicheren Ankerplatz zu finden?“ Niemals, nicht wahr? Er müsste denn seinen Verstand verloren haben. Er wirft sie stets nach außen, in das Meer hinein. Verstehst du, was ich mit diesem Bild sagen will? Es mag sein, dass du ganz klar verstehst, dass der Tod Christi allein Sicherheit vor dem ewigen Gericht zu geben vermag, und dennoch denkst du, deine Gefühle seien es, die dir Gewissheit geben können. Anstatt nach außen zu blicken, blickst du in dich hinein, und da kann es nicht fehlen, dass du heute vielleicht glücklich bist, weil du die für einen Erretteten passenden Gefühle in dir zu entdecken meinst, während du morgen beim Verschwinden dieser Gefühle wie ein vom Sturm umhergeworfenes Schiff unruhig und in Not bist. Dies führt uns zu dem zweiten Hauptgegenstand unserer Betrachtung, zu der „Erkenntnis des Heils.“

Wieder muss ich den Leser bitten, seine Bibel zur Hand zu nehmen und das fünfte Kapitel des 1. Briefes Johannes aufzuschlagen. Dort wird er einen Vers finden, der den Weg angibt, auf welchem Gott dem Menschen die Erkenntnis des Heils mitteilt. Derselbe lautet: „Dies habe ich euch geschrieben, auf dass ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes“ (V 13). Beachten wir wohl, dass es nicht heißt: „Diese glücklichen Gefühle habe ich euch gegeben, auf dass ihr wisst usw.“

Woher wussten die erstgeborenen Söhne der Israeliten, dass sie in jener Nacht des Gerichts über Ägypten vor dem Schwert des Würgengels vollkommen sicher waren? Lasst uns im Geist zwei ihrer Häuser besuchen und hören, was ihre Bewohner zu sagen haben.

In dem ersten Haus, in welches wir eintreten, entdecken wir auf den ersten Blick, dass alle Bewohner voll Furcht und gespannter Erwartung sind. Die Gesichter sind bleich, und zitternd stehen Eltern und Kinder bei einander. Wir erkundigen uns nach der Ursache der allgemeinen Angst. Der älteste Sohn erzählt uns, dass der Engel des Todes in der kommenden Nacht durch das Land gehen werde, um alle Erstgeburt zu schlagen, und dass er nicht ganz sicher sei, wie es ihm in dieser schrecklichen Stunde ergehen werde. „Wenn der Engel an dem Haus meiner Eltern vorübergegangen und der Tag angebrochen ist, dann werde ich wissen, dass ich errettet bin; aber bis dahin bin ich nicht ganz sicher. Unsere Nachbarn im nächsten Haus behaupten allerdings, ihrer Errettung völlig gewiss zu sein, aber wir halten dies für eine große Anmaßung. Alles, was ich tun kann, ist, dass, ich die lange, schreckliche Nacht durchwache und das Beste hoffe.“

„Aber.“ fragen wir weiter, „hat der Gott Israels denn nicht seinem Volk einen Weg der Errettung angewiesen?“

„Allerdings“, lautet die Antwort, „und wir haben diesen Weg eingeschlagen. Wir haben nach seinem Wort ‚ein einjähriges Lamm ohne Fehl‘ geschlachtet und sein Blut mit einem Bündel Ysop an die Oberschwelle und die Pfosten der Tür gestrichen, aber dennoch sind wir nicht sicher, ob uns dies wirklich schützen wird.“

Lasst uns jetzt diese Zweifelnden, unruhigen Seelen verlassen und das nächste Haus betreten. Welch ein völliger Gegensatz tritt hier vor unser Auge! Eine friedliche Ruhe lagert auf jedem Antlitz. Die Bewohner stehen da mit umgürteten Lenden, den Stab in ihrer Hand, und nähren sich von dem gebratenen Lamm. Worin mag diese Ruhe angesichts einer solch schreckensvollen Nacht ihren Grund haben? Auf unser Befragen, warum sie so reisefertig an dem Tisch stehen, erhalten wir zur Antwort: „Wir warten auf den Befehl Jehovas zum Aufbruch; sobald er eintrifft, werden wir den grausamen Fronvögten und der harten Sklaverei Ägyptens für immer Lebewohl sagen.“

„Aber habt ihr denn ganz vergessen, dass dies die Nacht des Gerichts ist?“

„O nein, wir wissen das sehr wohl; aber unser Erstgeborener ist in völliger Sicherheit. Das Blut ist nach dem Willen Gottes an die Tür gestrichen worden.“

„Aber das ist auch hier im Nebenhaus geschehen“, erwidern wir, „und dennoch sind dort alle unglücklich, weil sie der Errettung ihres Erstgeborenen nicht gewiss sind.“

In diesem Augenblick lässt sich die Stimme des ältesten Sohnes vernehmen. Er sagt in bestimmtem Ton: „Wir haben nicht nur das Blut, sondern auch das unumstößliche Wort Gottes über dasselbe. Gott hat gesagt: ‚Wenn ich das Blut sehe, so will ich vorübergehen.‘ Gott ist befriedigt, wenn Er das Blut außen an unserer Tür sieht, und wir sind völlig befriedigt durch sein Wort. Er wird sein Wort wahrmachen.“

Und so ist es, mein lieber Leser. Das Blut des Lammes, das für uns vergossen ist, errettet uns, und das Wort, das aus dem Mund Gottes hervorgegangen ist, gibt uns eine unerschütterliche Gewissheit. Könnte es etwas geben, das uns vor jedem Gericht sicherer stellen könnte, als das Blut Christi? Könnte uns irgendetwas mehr Gewissheit verleihen, als das Urteil Gottes, sein geschriebenes Wort? Nichts, gar nichts. Welches jener beiden Häuser war in größerer Sicherheit, das Erste oder das Zweite? Das Zweite, denkst du vielleicht, weil dort alle ruhig und in Frieden waren? O nein, sage ich dir, beide waren gleich sicher. Ihre Sicherheit hing nicht ab von dem Zustand ihrer Gefühle innerhalb, sondern von dem, was Gott über das Blut außerhalb dachte. Und ebenso darfst du, wenn du über deine eigene Errettung gewiss sein willst, nicht lauschen auf das schwankende Zeugnis innerer Gefühle, sondern auf das unfehlbare Zeugnis des Wortes Gottes. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht“ (Joh 5,24).

Erlaube mir, dir ein Beispiel aus dem täglichen Leben zu erzählen. Ein gewisser Pächter hört, dass sein Grundherr eine schöne, fette Wiese in der Nähe seines Hauses zu verpachten gedenkt. Schon lange hat er gewünscht, diese Wiese zu besitzen, da er nicht Gras genug hat für sein Vieh. Er schreibt an den Besitzer der Wiese, erhalt aber längere Zeit keine Antwort. Eines Tages besucht ihn ein Nachbar, dem er die Sache erzählt. Derselbe hört aufmerksam zu und sagt dann: „O, ich bin fest überzeugt, dass du die Wiese erhalten wirst. Erinnerst du dich nicht, dass der Grundherr dir noch kürzlich ein schönes Geschenk machte und dabei deinen Fleiß und deine Pünktlichkeit lobte?“ Diese Worte erfüllen den Pächter mit der zuversichtlichsten Hoffnung. Am nächsten Tage begegnet ihm jedoch ein anderer Nachbar und bemerkt im Lauf der Unterhaltung: „Ich fürchte, du hast nicht die geringste Aussicht, die Wiese zu bekommen. Ich habe gehört, dass Herr N. sie ebenfalls zu mieten wünscht, und du weißt, wie beliebt er bei deinem Grundherrn ist, wie er ihn fast täglich besucht usw.“ Die Hoffnungen des Pächters sinken durch diese Worte wieder erheblich. Ganz niedergeschlagen kehrt er nach Haus zurück.

Kaum ist er hier angelangt, so erscheint der Postbote und überbringt ihm die ersehnte Antwort. Der Pächter erkennt in der Aufschrift die wohl bekannten Schriftzüge seines Herrn. Erregt erbricht er den Brief. Er liest, und nach und nach hellt sich sein Gesicht auf; die ängstliche Erwartung und Sorge machen der freudigsten Überraschung Platz. Den Brief triumphierend in die Höhe haltend, ruft er seinem Weib zu: „Jetzt ist alles in Ordnung; Herr X. schreibt mir, dass das Feld mein sei, solange ich es wünsche, und zwar zu den billigsten Bedingungen. Alle meine Befürchtungen waren vergebens. Mag jetzt kommen, wer will – ich habe sein Wort, das genügt mir.“

Ach, wie mancher Gläubige befindet sich in einem ähnlichen Zustand wieder beunruhigte Pächter – umhergeworfen und in Verlegenheit gebracht durch die Meinungen der Menschen oder die Gedanken und Gefühle seines eignen verräterischen Herzens! Nur die Annahme des Wortes Gottes als des unfehlbaren und untrüglichen Ausdrucks der Gedanken und Ratschlüsse Gottes kann der Seele Ruhe geben und sie vor Zweifeln und Beängstigungen sicherstellen. Wenn Gott spricht, so muss Gewissheit da sein, mag Er nun die Verurteilung des Gottlosen oder die Errettung des Gläubigen aussprechen. „In Ewigkeit, Jehova, steht fest dein Wort in den Himmeln“ (Ps 119,89). Für den einfältigen Gläubigen „ordnet sein Wort alles.“ „Nicht ein Mensch ist Gott, dass Er lüge, noch ein Menschensohn, dass Ihn etwas gereue. Sollte Er sprechen und nicht tun, und sollte reden und es nicht bestätigen?“ (4. Mo 23,19)

Aber, fragst du vielleicht, wie kann ich sicher sein, dass ich die rechte Art von Glauben habe? Auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: „Setzest du dein Vertrauen auf die richtige Person, d. i. auf den gepriesenen Sohn Gottes?“ Es handelt sich nicht um die Größe deines Glaubens, sondern um die Vertrauenswürdigkeit der Person, auf welche du dein Vertrauen setzest. Der Eine ergreift Christus gleichsam mit der Hast eines Ertrinkenden; der Andere wagt sich Ihm nur von hinten zu nahen und den Saum seines Kleides zu berühren. Doch darum ist der erstere nicht mehr in Sicherheit, als der letztere. Beide haben dieselbe Entdeckung gemacht, d. h. sie haben erkannt, dass sie auf sich selbst nicht das geringste Vertrauen setzen können, dass sie aber mit aller Ruhe auf Christus und auf sein Wort vertrauen und in seinem vollbrachten Werk ruhen dürfen. Siehe, das ist Glaube. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, hat ewiges Leben“ (Joh 6,47). Der schwächste Glaube an diesen Jesus errettet den Sünder für alle Ewigkeit, während der stärkste Glaube an etwas außer Ihm, seien es nun gute Werke, religiöse Gebräuche, fromme Gefühle oder irgendetwas Ähnliches, ebenso sicher ins ewige Verderben führt. Und Ihm können wir in Wahrheit vertrauen. Er ist der geliebte Sohn, an welchem der Vater seine ewige Wonne hat und der für den Sünder im Gericht stand und die ganze Glut des göttlichen Zornes Wider die Sünde trug.

Doch ach! Wie verkehrt ist das menschliche Herz! „Ich glaube wirklich an den Herrn Jesus“, sagte vor einiger Zeit ein junges Mädchen zu mir, „aber wenn man mich fragt, ob ich errettet sei, so möchte ich nicht gern ‚Ja‘ sagen, aus Furcht zu lügen.“ Die Sprecherin war die Tochter eines Fleischers. Zufällig war jener Tag ein Markttag, und ihr Vater war ausgegangen, um Vieh einzukaufen. An diesen Umstand anknüpfend, sagte ich: „Nehmen wir an, ihr Vater käme heim; Sie fragten ihn, wie viel Schafe er gekauft habe, und er erwiderte: ‚Zehn.‘ Nach einer Weile träte ein Fremder in den Laden und fragte sie: ‚Wie viel Schafe hat ihr Vater heute gekauft?‘ und Sie antworteten: ‚Mein Vater hat gesagt: ‚Zehn‘, aber ich möchte dies nicht gerne behaupten, aus Furcht zu lügen.‘ Was würden Sie damit tun?“

„Sie würde ihren Vater zu einem Lügner machen“, fiel die Mutter des Mädchens ein, die unserem Gespräch zugehört hatte.

„Ihre Mutter hat völlig Recht“, bemerkte ich, „Sie würden ihren Vater zu einem Lügner machen; und dasselbe tun Sie, ohne es zu wollen und zu wissen, im Blick auf den Herrn Jesus. Sie sagen: ‚Ich glaube an den Sohn Gottes, und Er sagt mir, dass ich dann ewiges Leben habe, aber ich möchte dies nicht gern aussprechen, aus Furcht zu lügen.‘ Sie machen den Herrn Jesus zu einem Lügner. Wie schrecklich ist das!“ (Schluss folgt)

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