Betrachtungen über das dritte Buch Mose

Unreinheit bei Mann oder Frau

Betrachtungen über das dritte Buch Mose

Was in dem Menschen von Natur wohnt

Dieses Kapitel handelt von verschiedenen Arten von Unreinheit, die jedoch weit weniger ernst waren als der Aussatz. Während der Aussatz wohl auf die tief eingewurzelte Kraft des Bösen in der Natur hinweist, werden in dem vorliegenden Kapitel eine Reihe von Dingen aufgezählt, die sich nur als unvermeidliche Schwachheiten kundgaben, die aber, da sie immerhin der Natur entsprangen, unrein waren und deshalb der Vorsorge der göttlichen Gnade bedurften. Die Gegenwart Gottes in der Versammlung erforderte ein höheres Maß von Heiligkeit und sittlicher Reinheit. Jede Regung der Natur erforderte gleichsam eine Reaktion Gottes. Selbst solche Dinge, die, soweit es den Menschen betraf, als unvermeidliche Schwachheiten betrachtet werden konnten, übten einen befleckenden Einfluss aus und machten die Reinigung nötig, weil der HERR im Lager war. Nichts Anstößiges, nichts Missfälliges, nichts irgendwie Ungeziemendes durfte in dem reinen und geheiligten Bereich der Gegenwart des Gottes Israels geduldet werden. Die ringsumher wohnenden unbeschnittenen Heiden würden von solch heiligen Anordnungen nichts verstanden haben, aber es war der Wille des HERRN, dass Israel heilig sei, weil Er der Gott Israels war. Erfreuten sich die Kinder Israel des Vorrechts und der Auszeichnung, einen heiligen Gott in ihrer Mitte zu haben, so mussten sie auch ein heiliges Volk sein.

Wie schön und bewundernswert ist die Sorge des HERRN bezüglich aller Gewohnheiten und Handlungen seines Volkes. Mochten sie daheim oder draußen sein, mochten sie wachen oder schlafen, bei Tag oder bei Nacht, stets wachte Er über sie. Er kümmerte sich um ihre Speise, ihre Kleidung, ja um ihre geringfügigsten und geheimsten Angelegenheiten. Sobald sich der geringste Flecken bei jemand zeigte, musste er sofort sorgfältig untersucht werden. Es wurde nichts übersehen, was irgendwie das Wohlbefinden oder die Reinheit derer hätte beeinträchtigen können, mit denen der HERR sich verbunden hatte und in deren Mitte Er wohnte. Er interessierte sich für die geringfügigsten Umstände. Mochte es sich um ihr öffentliches, ihr gesellschaftliches oder ihr häusliches Leben handeln – Er kümmerte sich um alles mit bewundernswerter Sorgfalt und Liebe.

Dies wäre für einen Unbeschnittenen unerträglich gewesen. Der Gedanke, einen unendlich heiligen Gott tagsüber auf seinem Weg und nachts an seinem Lager zu wissen, wäre ein Zwang gewesen, den er nicht hätte aushalten können; aber für jeden, der wirklich die Heiligkeit liebt, für jeden Freund Gottes gibt es nichts Herrlicheres als dieses Bewusstsein. Ein solcher freut sich in der Gewissheit, dass Gott ihm stets nahe ist, und hat Wonne an der Heiligkeit, die durch die Gegenwart Gottes zugleich gefordert und verbürgt wird.

Steht es so mit dir, mein Leser? Liebst du die Gegenwart Gottes und die mit dieser Gegenwart untrennbar verbundene Heiligkeit? Duldest du nichts bei dir, was mit der Heiligkeit der Nähe Gottes unverträglich ist? Stehen deine Gewohnheiten und Gedanken, dein Fühlen und Tun mit der Reinheit und Erhabenheit des Heiligtums in Übereinstimmung? Bedenke beim Lesen dieses fünfzehnten Kapitels des dritten Buches Mose, dass es zu deiner Belehrung geschrieben ist (Röm 15,4). Du hast es im Geist zu lesen, denn es ist in geistlichem Sinn auf dich anwendbar.

Was können wir aus diesem Kapitel lernen? Zunächst haben wir mit einem heiligen Eifer über alles zu wachen, was aus der Natur hervorkommt. Jede Regung und jeder Ausfluss der Natur ist unrein. Die gefallene menschliche Natur ist eine unreine Quelle, und alles, was aus ihr hervorsprudelt, wirkt verunreinigend. Sie vermag nichts hervorzubringen, was rein, heilig und gut ist. Dieser Wahrheit sind wir in unserem Buch schon wiederholt begegnet. Sie wird in diesem Kapitel besonders nachdrücklich gelehrt.

Das Wasser und das Blut

Doch gepriesen sei die Gnade, die solche Vorkehrungen gegen die Verunreinigungen der Natur getroffen hat! Diese Vorsorge wird uns im Wort Gottes, und namentlich in dem vorliegenden Abschnitt, in zwei verschiedenen Formen dargestellt, nämlich in dem „Wasser“ und in dem „Blut“. Beide gründen sich auf den Tod Christi. Das sühnende Blut und das reinigende Wasser sind beide aus der durchstochenen Seite des gekreuzigten Christus geflossen (vgl. Joh 19,34 mit 1. Joh 5,6).

„Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (1. Joh 1,7); das Wort Gottes reinigt unsere Handlungen und Wege (Ps 119,9.11; Eph 5,26). Auf diese Weise wird unsere Fähigkeit zur Gemeinschaft und Anbetung aufrechterhalten, obwohl wir durch eine Welt gehen, wo alles unrein ist, und eine Natur mit uns umhertragen, die bei jeder Regung einen Flecken zurücklässt.

Wir haben bereits bemerkt, dass unser Kapitel von einer Klasse von Verunreinigungen handelt, die weniger ernst waren als der Aussatz. Dies erklärt auch die Tatsache, dass hier das Sühnungswerk nicht durch einen Stier oder ein Lamm, sondern durch die niedrigste Opferart, durch „zwei Turteltauben“, dargestellt wird. Andererseits findet jedoch die reinigende Kraft des Wortes beständig in der Zeremonie des „Waschens“, des „Badens“ und des „Spülens“ ihren Ausdruck. „Wodurch wird ein Jüngling seinen Pfad in Reinheit wandeln? Indem er sich bewahrt nach deinem Wort.“ – „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, damit er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort“ (Eph 5,25). Das Wasser nahm einen hervorragenden Platz im levitischen Reinigungssystem ein; es deutet auf das Wort Gottes hin. Wie wichtig und lehrreich!

Die durchdringende Heiligkeit der Gegenwart Gottes tritt uns hier in einer Weise entgegen, die einen tiefen Eindruck auf Herz und Gewissen macht. Kein Flecken, kein Makel darf in dieser heiligen Nähe geduldet werden. „Ihr sollt die Kinder Israel absondern von ihrer Unreinheit, dass sie nicht in ihrer Unreinheit sterben, indem sie meine Wohnung verunreinigen, die in ihrer Mitte ist“ (V. 31).

Wir lernen auch, dass die menschliche Natur eine unaufhörlich sprudelnde Quelle von Unreinheit ist. Sie ist nicht nur unrein, sondern auch verunreinigend. Wachend oder schlafend, sitzend, stehend oder liegend ist sie unrein und wirkt verunreinigend. Ihre bloße Berührung zieht Befleckung nach sich. Das ist eine tief demütigende Lehre für die stolze Menschheit. Aber es ist so. Das dritte Buch Mose hält der Natur einen treuen Spiegel vor. Es lässt dem „Fleisch“ nichts, dessen es sich rühmen könnte. Menschen mögen sich ihrer Bildung, ihres sittlichen Gefühls, ihrer Würde rühmen, aber man gebe ihnen das dritte Buch Mose in die Hand, und sie werden finden, welchen Wert das alles in den Augen Gottes hat.

Schließlich lernen wir aufs Neue den versöhnenden Wert des Blutes Christi sowie die reinigende und heiligende Kraft des Wortes Gottes kennen. Wenn wir die Reinheit des Heiligtums betrachten und dann auf die Unreinheit der Natur sehen und die Frage stellen: „Wie werden wir je dort eintreten und wohnen können?“, so finden wir die Antwort in dem „Blut und Wasser“, die beide aus der Seite des gekreuzigten Christus flossen, des Christus, der sein Leben für uns in den Tod gab, damit wir durch ihn leben möchten. „Denn drei sind, die Zeugnis ablegen: der Geist und das Wasser und das Blut, und“ – Gott sei Dank dafür! – „die drei sind einstimmig“ (1. Joh 5,7). Der Geist bringt uns keine andere Botschaft als die, die wir im Wort finden, und beide, das Wort und der Geist, verkünden uns die Kostbarkeit und die Wirksamkeit des Blutes.

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