Betrachtungen über das dritte Buch Mose

Gehorsam und Ungehorsam

Betrachtungen über das dritte Buch Mose

Segen oder Strafe

Dieses Kapitel bedarf keiner besonderen Erklärung. Es enthält ein ernstes und rührendes Zeugnis von den Segnungen des Gehorsams und den schrecklichen Folgen des Ungehorsams. Der Gehorsam der Kinder Israel hätte sie unüberwindlich gemacht (V. 6–13), die Gegenwart Gottes wäre stets ihr Schirm und Schild gewesen. Keine gegen sie geschmiedete Waffe hätte ihnen schaden können. Aber die Gegenwart Gottes konnte nur von einem gehorsamen Volk genossen werden. Der HERR konnte durch seine Gegenwart Ungehorsam und Gottlosigkeit nicht gutheißen. Die unbeschnittenen Völker ringsum mochten sich auf ihre Tapferkeit und ihre militärische Stärke verlassen. Israel hatte nur den Arm des HERRN zur Stütze, und dieser Arm konnte nie Unheiligkeit und Ungehorsam in Schutz nehmen. Ihre Kraft beruhte auf dem Wandel mit Gott in einem Geist der Abhängigkeit und des Gehorsams. Solange sie so lebten, war sozusagen eine feurige Mauer rings um sie her, die sie vor jedem Feind und vor allem Bösen beschirmte.

Aber ach! Israel kam seiner Berufung in keiner Weise nach. Trotz des ernsten und erschreckenden Gemäldes, das ihnen in den Versen 14–33 vor Augen gestellt wurde, verließen sie den Herrn, dienten anderen Göttern und brachten dadurch die hier angedrohten schrecklichen Gerichte über sich, deren bloße Erwähnung das Herz schaudern macht. Unter der Schwere dieser Gerichte leiden sie bis zu dieser Stunde. Zerstreut und ausgeplündert, verwüstet und ausgeworfen, sind sie das Denkmal der unverbrüchlichen Wahrheit und Gerechtigkeit des HERRN. Sie halten allen Nationen der Welt eine laute, eindrucksvolle Predigt über die Regierungswege Gottes – eine Predigt, deren Studium für diese Nation von Nutzen und deren eingehende Erwägung auch für uns heilsam wäre.

Gottes Regierungs- und Gnadenwege

Wir sind geneigt, zwei in der Schrift klar unterschiedene Dinge miteinander zu vermengen, nämlich die Regierungswege und die Gnade Gottes. Daraus entstehen mancherlei Übel. Eine solche Vermengung schwächt unser Gefühl von der Würde und dem Ernst der Regierungswege sowie von der Reinheit, Fülle und Erhabenheit der Gnade Gottes. Es ist völlig wahr, dass sich Gott in seiner Regierung das unumschränkte Recht, in Geduld, Langmut und Barmherzigkeit zu handeln, vorbehält, aber die Ausübung dieser Eigenschaften in Verbindung mit dem Thron seiner Regierung darf nicht mit dem bedingungslosen Handeln der reinen und unvermischten Gnade verwechselt werden.

Das vorliegende Kapitel handelt von den Regierungswegen Gottes, und dennoch finden wir hier auch unendlich gnädige Worte (V. 40–45). Wir finden Gott in seiner Regierung. Trotzdem kommt Er aber den ersten und schwächsten Kundgebungen eines gebrochenen und bußfertigen Herzens in großer Gnade entgegen. Die Geschichte der Richter und Könige liefert viele Beispiele von der Ausübung dieses schönen Merkmals der göttlichen Regierung. Immer und immer wieder wurde die Seele des HERRN ungeduldig über die Mühsal Israels (Ri 10,16), und Er sandte ihnen einen Befreier nach dem anderen, bis endlich keine Hoffnung mehr blieb und die gerechten Ansprüche seines Thrones ihre Verbannung aus dem Land notwendig machten, für dessen Verwaltung sie sich als völlig unfähig erwiesen hatten. Dies alles gehört in das Gebiet der Regierungswege. Doch bald wird Israel aufgrund einer unschätzbaren und unveränderlichen Gnade wieder ganz in den Besitz des Landes Kanaan gesetzt werden, einer Gnade, die in göttlicher Gerechtigkeit durch das Blut des Kreuzes ausgeübt werden wird. Es wird dies weder durch Gesetzeswerke noch durch die Anordnungen einer veralteten und verschwindenden Haushaltung (Heb 8,13) geschehen, sondern durch die Gnade, die „herrscht durch Gerechtigkeit, zu ewigem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (Röm 5,21). Deshalb werden sie auch nie wieder aus ihrem Besitztum vertrieben werden. Kein Feind wird sie je wieder belästigen. Sie werden eine ungestörte Ruhe hinter dem Schild der Gunst des HERRN genießen (Ps 5,13). Sie werden das Land besitzen gemäß der Unerschütterlichkeit der göttlichen Gnade und gemäß der Wirksamkeit des Blutes des ewigen Bundes. „Israel wird gerettet durch den HERRN mit ewiger Rettung“ (Jes 45,17).

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