Botschafter des Heils in Christo 1874

Die Grundwahrheiten der Versammlung Gottes (Fortsetzung)

4. Der Kultus, das Brotbrechen und das Gebet (Joh 4,10–24)

Ferner ist es nach Apostelgeschichte 20,7 klar, dass die Gläubigen jeden ersten Tag der Woche, und nicht etwa bloß jeden Monat oder gar nur jedes Vierteljahr einmal zum Brotbrechen zusammenkommen sollten. Auch findet diese Zusammenkunft nicht an dem Todestag, sondern an dem Auferstehungstag des Herrn statt. Jesus ist nicht mehr im Grab, sondern ist auferstanden, so dass wir in den Stand gesetzt sind, an dem Tag, der von seiner Auferstehungsmacht Zeugnis ablegt, nicht mit trauernden Herzen, sondern vielmehr mit dankbarer und inniger Freude das Brot brechen zu können. Unstreitig bezeichnet uns der Heilige Geist diesen Tag nicht nur als eine Gelegenheit zu unserer Erbauung, sondern als einen Tag, an welchem Er die Christen zusammenruft, um das Gedächtnis des Herrn zu feiern und seinen Tod zu verkündigen. Doch mit welcher Geringschätzung wird dieser Tag und vor allem der Tisch des Herrn von so vielen Gläubigen behandelt! Wie oft bringen sie ihre Sonntage in einer Weise zu, die auch nicht im Entferntesten den klaren Anweisungen des Wortes Gottes oder den in dieser Hinsicht offenbarten Gedanken des Herrn entspricht! Und wie sehr ist in der Christenheit der Charakter des Tages und des Tisches des Herrn, nicht nur der Form, sondern vornehmlich seinen Grundsätzen nach, in einer Weise verändert worden, dass auch nicht die geringste Spur von der ursprünglichen Einrichtung des Herrn übriggeblieben ist!

Der Tisch des Herrn muss in der Versammlung der Heiligen stets den ersten Platz haben; er muss in ihren Zusammenkünften am Tag des Herrn der vorherrschende Gedanke sein. Ihre Gebete, ihre Erbauung und Belehrung dürfen diesen erhabenen Gegenstand nimmer in den Hintergrund drängen. Denn wie geistlich der Dienst in der Versammlung auch sein mag, so nimmt dabei der Mensch doch irgendwie seinen Platz ein, während beim Abendmahl der Herr in seiner Erniedrigung der alleinige und erhabenste Gegenstand ist. Allerdings mag dieses für solche, welche an starre Formen gewöhnt sind, eine seltsame Sprache sein; allein das hat seinen Grund darin, dass sie zu wenig mit der Gegenwart und Leitung des Heiligen Geistes in der Versammlung Gottes vertraut sind. Wo aber die Tür für die Wirksamkeit des Heiligen Geistes geöffnet und ein richtiges Verständnis von dem, was die Versammlung durchdringt, vorhanden ist, da wird der Geist Gottes nach der Wahrheit der Dinge in seinen Augen alles an seinen wahren Platz zu stellen wissen; und, indem unser ganzes Vertrauen auf den Herrn gerichtet ist, werden wir den Trost seiner Leitung haben. Vielleicht auch fühlt sich jemand am Tisch des Herrn unbefriedigt, weil kein Vortrag über das Wort gehalten oder nicht irgendeine Ermahnung an die Versammlung gerichtet worden ist. Aber woher kommt dieses? Ist es nicht dem krankhaften Einflüsse des gegenwärtigen Zustandes des Christentums zuzuschreiben? Ohne Zweifel hat ein solches Herz den Geschmack an dem himmlischen Manna durch den Reiz der Speise Ägyptens verloren. Ist es nicht demütigend und betrübend, zu denken, dass dem Tisch des Herrn etwas mangele, wenn derselbe nicht mit einem Vortrag oder dergleichen etwas geziert ist? Kann da auch nur der Gedanke eines Mangels sein, wo der Tod des Herrn unseren Herzen vorgestellt wird, und wir mit allen, die Ihn lieben, um den Herrn versammelt sind? Und könnte für Gott irgendwelcher Dienst angenehmer sein, als die einfache Erinnerung an Jesus am Tisch des Herrn?

Schließlich werden manche Seelen durch die Furcht beunruhigt, sich durch unwürdiges Essen und Trinken die Verdammnis zuzuziehen. Allerdings haben wir gegen jede Nachlässigkeit oder gegen irgendwelche unwürdige Teilnahme am Tisch des Herrn zu wachen, aber von Verdammnis zu sprechen, hieße für den Gläubigen den Trost des Evangeliums und die allgemeine Richtung des Wortes Gottes umkehren. Es ist sicher wahr, dass, wenn wir mit einem leichtfertigen und verunreinigten Herzen an den Tisch des Herrn gehen, oder – mit anderen Worten. – unwürdig essen und trinken, wir nicht das Abendmahl des Herrn, sondern uns selber Gericht essen und trinken. Die Hand des Herrn wird auf solchen sein, wie dieses bei den Korinthern wegen ihrer Unordnung der Fall war; aber dieses war ausschließlich ein geistliches Gericht, „damit sie nicht mit der Welt verurteilt würden.“ Andererseits haben wir keine Entschuldigung, uns vom Tisch des Herrn zurück zu ziehen, selbst nicht wegen unserer Mängel und Gebrechen; sondern in diesem Fall haben wir uns vielmehr zu demütigen und den Herrn durch unser Selbstgericht zu rechtfertigen. Und wenn wir denken an die unergründliche Liebe des Herrn, welche Er in seiner Hingabe für uns gezeigt, sowie an die gänzlich unverdiente völlige Befreiung, die Er für uns durch seine tiefe Erniedrigung und Ertragen des Zornes Gottes auf dem Kreuz bewirkt hat, und endlich an alle die Ermunterungen und Unterstützungen, die wir durch Ihn im Kampf hienieden erfahren, dann können wir das dankbare Andenken an seinen Tod als die höchste Verpflichtung betrachten, welche unter keinen Umständen vernachlässigt werden darf.

Hinsichtlich des Gebets möchte ich nur noch mit wenigen Worten auf einen unter vielen Gläubigen ausgebreiteten Irrtum aufmerksam machen, demzufolge das Gebet als eine Gabe betrachtet wird – eine Meinung, wozu die Schrift nirgends einen Anhaltspunkt bietet. Dieses hat die traurige Wirkung zur Folge, dass es viele nicht wagen, in der Versammlung ein Gebet zu sprechen, indem sie keine Gabe dafür zu besitzen meinen; und anstatt dass die Versammlung durch ihr Gebet gesegnet werden konnte, schweigen sie zu ihrem eigenen und zum Schaden der Versammlung. Und ist es nicht Tatsache, dass manche aus dem Grund kein Gebet sprechen, weil sie fürchten, es möchte nicht, lang genug oder nicht genug in schöne Worte gekleidet sein? Möchten doch alle auch in dieser Beziehung das Wort Gottes prüfen und in 1. Timotheus 2 die Ermahnung des Apostels beherzigen, welcher in entschiedener Weise die Männer auffordert, an allen Orten zu beten und heilige Hände empor zu heben! Möchten die Brüder sich, frei von aller Zweifelsucht, dem Herrn übergeben und sich stets daran erinnern, dass das Wort Gottes nirgends eine Andeutung über eine Gabe des Gebets gibt. Ebenso ist es nach meiner Meinung ein Irrtum, die begabten Brüder als solche zu betrachten, die allein geeignet seien, ihre betende Stimme in der Versammlung Gottes hören zu lassen.

5.: Gaben und Ämter (Eph 4,7–11)

Eine Betrachtung über Gaben und Ämter nur in Bezug auf das, was diese in sich selbst sind, würde für manche Seelen, welche sich nicht in unmittelbarer Beziehung zu denselben sehen, als eine fruchtlose Spekulation erscheinen, während sie für andere, die sich daran beteiligt glauben, zur Schlinge werden könnte. Nichtsdestoweniger aber sind diese geistlichen Funktionen auf das innigste und wesentlichste mit Christus und der Versammlung Gottes verbunden. Gleich allen geistlichen Segnungen der Versammlung entströmen auch sie der reichhaltigen Gnadenquelle in der Höhe; sie kommen von Christus aus den himmlischen Örtern. Dieses sollte genügen, um jede Abneigung und jedes Bedenken gegenüber einer solchen Betrachtung zu beseitigen. Allerdings ist es in den Augen Gottes von der höchsten Wichtigkeit, die verliehenen Gaben zur Verherrlichung seines geliebten Sohnes zu verwerten. Es sollte daher die Betrachtung dieses Gegenstandes im Licht des Wortes sowohl denen willkommen sein, deren Vorrecht und Verantwortlichkeit es ist, die Gaben zu benutzen, als auch denen, die über die Verwaltung dieser Gaben mit Eifersucht zu wachen haben, damit dieselben nicht aus irgendeinem selbstsüchtigen oder weltlich gesinnten Grund ihren wahren Zweck verfehlen. Fern sei der Gedanke, die Gaben des Herrn zur Selbsterhebung gebrauchen zu wollen.

Aber nicht allein bezüglich ihrer Quelle, aus welcher die Gaben entspringen, sondern auch zu ihrem tätigen und eingreifenden Charakter bilden sie einen wesentlichen und höchst beachtenswerten Zug des Christentums. Jedoch sowohl ihre Quelle, als auch ihr Charakter sind auf die ewige, schon vollbrachte Erlösung gegründet. Je mehr diese Betrachtungen erwogen werden, desto mehr wird nicht nur ihre Wichtigkeit ans Licht treten, sondern auch das Verständnis geweckt werden, dass der Zweck der Gaben Christi weit über jenes irdische, fruchtleere Gebiet hinausreicht, welches die Theologie ihnen anweisen möchte.

Ferner begehen wir auch ein Unrecht gegen Gott und seine Heiligen, wenn wir das, womit Er uns nach seiner Güte in seinem Wort bekannt macht, und welches, wenn richtig angewandt, einen so hervorragenden Teil der Segnungen der Versammlung bildet, als eine untergeordnete Sache betrachten, die man nach Belieben annehmen oder bei Seite legen kann. Eine solche Geringschätzung ist eine tiefe Entehrung des Herrn und zieht stets einen großen Verlust nach sich. Im Gegenteil sehen wir vielmehr, dass der Heilige Geist dem Gegenstand der Gaben vornehmlich einen Platz in dem Brief an die Epheser anweist, in welcher mehr, als in irgendeinem anderen Teile des Neuen Testaments die Höhen und Tiefen der Segnungen der Versammlung und der Herrlichkeit des Herrn selbst entwickelt sind.

Lasst uns daher sehen, wie der Heilige Geist die Lehre bezüglich der von Christus ausfließenden Gaben vor unsere Augen stellt. „Einem jeglichen aber von uns ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe des Christus“ (Eph 4,7). Es handelt sich nicht um den Besitz bloßer Fähigkeiten, noch weniger um eine Sache, die man sich aneignen könnte, sondern um etwas ganz neues, als eine Frucht her freien Gunst des Herrn, welcher in diesen Dingen nach seinem eigenen unumschränkten Willen und zur Verherrlichung Gottes handelt. „Deshalb sagt Er: Er ist hinaufgestiegen in die Höhe und hat die Gefangenschaft gefangen geführt und hat den Menschen Gaben gegeben“ (V 8). Obwohl der Herr Jesus in seiner Person selbstverständlich zu allen Zeiten Gaben zu geben fähig war, so gefiel es Ihm dennoch, nach der Ordnung der Wege Gottes mit der Austeilung derselben zu warten, bis dass das große Werk der Erlösung – nicht nur als ein Zeugnis der Barmherzigkeit Gottes gegen den Menschen, sondern auch als ein Triumph über die Macht des die Kinder Gottes gefangenhaltenden Feindes – vollbracht war. Nachdem der Herr den geistlichen Feinden eine vollständige Niederlage vor Gott beigebracht, ist Er, triumphierend über die ganze, einst so furchtbare Macht des Bösen, über alle Himmel hinaufgestiegen. Der Dienst ist also auf die Tatsache gegründet, dass Jesus selbst im Kampf mit den Mächten der Finsternis gestanden und sie überwunden, und dass Er, aufgefahren in die Höhe, „die Gefangenschaft gefangen geführt und den Menschen Gaben gegeben hat.“ Dieses stellt den Anmaßungen der Menschen eine unüberwindbare Schranke entgegen. Die Versammlung besitzt nicht die geringste Segnung, nicht ein einziges, auf unsere eigene oder auf die Seele eines anderen erfolgreich einwirkenden Mittels außer in Verbindung mit Christus. Und nur da, wo man diese lebendige, alles umfassende Verbindung mit Ihm versteht, wird man das, was Vielleicht den Schein des Dienstes zur Schau trägt, aber, im Licht und in der Gegenwart Gottes betrachtet, nicht von Christus allein ausstießt, als wertlos und verderbenbringend verurteilen und verwerfen.

Christus ist also hinaufgestiegen in die Höhe, um von diesen Höhen des Glanzes und der Herrlichkeit den Menschen Gaben zu geben. Und hier lenkt der Geist Gottes für einen Augenblick unseren Blick nach einer anderen Richtung hin, um uns jenes mächtige Werk zu vergegenwärtigen, auf Grund dessen Christus seinen Platz dort oben eingenommen hat. „Das aber: Er ist hinaufgestiegen, was ist es anders, als dass er auch hinabgestiegen ist in die unteren Teile der Erde“ (V 9). Welch eine unergründliche Gnade erblicken wir hier in Ihm! Welch eine unermessliche Liebe gegen uns, die in den Staub des Todes hinabstieg, um uns segnen – ewiglich segnen zu können! Er hatte mit dem Vater und dem Geist ein gleichmäßiges Recht auf jenen erhabensten Platz der Majestät, welchen kein anderer ausfüllen konnte. Aber Er stieg hinab in die unteren Teile der Erde. Der höchste Platz in der Höhe gehörte Ihm, dem Sohn Gottes, der es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein; aber Er stieg hinab in die untersten Teile der Erde, um Leiden, Schmach und Sünde auf sich zu nehmen. Welche Feder wäre fähig, zu beschreiben, was sein Herniedersteigen, um Mensch zu werden und als ein Verachteter und Verworfener auf der Erde zu leben, für Ihn war? Und dennoch, was war dieses im Vergleich mit dem Kreuz? Ja, Er stieg hinab bis zur niedrigsten Stufe. Anbetungswürdige Liebe! „Deswegen hat Ihn Gott auch hoch erhoben und Ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist.“ Ihn, der sich bis zur tiefsten Tiefe erniedrigte, hat Gott als den Menschen bis zur höchsten Höhe erhoben. Christus hat in seinem Tod wieder gut gemacht, was der Mensch verdorben hatte; ja, weit mehr als dieses. Gott ist dadurch in einer Weise verherrlicht, wie es keine Kreatur hätte ahnen und voraussagen können. Alle Vorbilder und Schatten waren nur schwache Herolde dieser Herrlichkeit. Kein Prophet des Alten Bundes wäre fähig gewesen, sich bis zu den Höhen jener Segnungen, welche in Christus gefunden werden, emporzuschwingen, oder die Tiefen seiner moralischen Herrlichkeit in den Augen Gottes zu ergründen. Es war nötig, dass Er selbst erschien, damit der volle Wert seiner Leiden und seines Kreuzes offenbart wurde und seine Herrlichkeit ihren geeigneten Ausdruck fand.

Welch eine Veränderung! Die Menschheit ist jetzt in dem Herrn Jesus eine Natur geworden, worin der gepriesene Gott seine Wonne findet. Jesus ist nicht nur als Sohn Gottes hinaufgestiegen, sondern wir erblicken Ihn speziell in seinem Charakter als den Sohn des Menschen im Himmel. „Er ist hinaufgestiegen, auf dass er alles erfüllte!“ Die Höhe seiner Herrlichkeit, als die Folge seiner, alle menschlichen Begriffe übersteigenden Erniedrigung, ist nun die Grundlage des Dienstes, auf welcher die einfache Ausübung der Gaben Christi Gott gemäß stattfindet. Für die Welt ist natürlich auch dieses, wie alles Göttliche, nur ein Gegenstand des Spottes und der Verachtung, weil sie nichts davon kennt. Sie kann zwar das Christentum aus irgendeinem falschen Beweggrund annehmen, wie es einst ein gewisser römischer Kaiser getan hat, dem es gefiel, Christus einen Platz als Gott unter seinen übrigen Göttern in seinem Ehrentempel einzuräumen. Sie gebraucht das Christentum zur Ausschmückung eines Schauplatzes, auf welchen der Mensch wegen seiner Sünde als ein Verbannter von Gott hinausgetrieben ist.

Nur der Glaube allein hat das Vorrecht, seinen Blick weit über diese Welt hinaus zu erheben, um in jenen erhabenen Höhen des Himmels seinen Herrn und Meister zu sehen, der, auf diese arme Welt herniederblickend, in seiner Gnade den Menschen zu einem Kanal seiner kostbaren Gaben macht, durch welche Er uns nicht nur von seiner Person und seinem Werk, sondern auch von der Herrlichkeit, aus der Er sie uns zuströmen lässt, einen Vorgeschmack gibt. Es sind himmlische Gaben, bestimmt zu unserem Nutzen und zu seiner Herrlichkeit. O möchten wir doch seinem Wort glauben! Es ist das lebendige Wort des Gottes, der da lebt in die Zeitalter der Zeitalter. Wie dürfen wir zu denken und zu handeln wagen, als ob das Haupt der Kirche tot wäre? Nie und nimmer. Mag der Unglaube es tun; aber wir, als die Gläubigen, sollten es stets festhalten, dass Er immerdar lebt, und zwar nicht nur als Hohepriester, um – wie es der Hebräerbrief uns zeigt – sein Volk durch die Wüste zu führen, sondern auch als das Haupt seines Leibes. Unleugbar gibt es in den Christen eine Neigung, das Priestertum Christi außer Acht zu lassen; aber noch größer ist die Gefahr, Ihn als das lebendige Haupt, als jenen Segenspender der Vergessenheit anheim zu geben, der in seiner unveränderlich treuen Liebe stets bereit ist, der Versammlung seine Gaben darzureichen.

„Und Er hat etliche gegeben als Apostel, und etliche als Propheten, und etliche als Evangelisten, und etliche als Hirten und Lehrer“ (V 11). Wir finden zwischen dieser Stelle und den in 1. Korinther 12 erwähnten Gaben eine auffällige Verschiedenheit, und zwar aus dem Grund, weil es sich hier um die Vollendung der Heiligen und um die damit verbundene Auferbauung des Leibes handelt, während die Gaben „in Sprachen zu reden und Wunder zu tun“ diesen Zweck nicht haben. Hier im Epheserbriefe handelt es sich um die Ratschlüsse Gottes in Christus, sowie um die Entfaltung der Liebe Gottes für seine Versammlung. In Kapitel 2 sehen wir die beiden ersten Gaben als das Fundament dieses neuen Gebäudes der Versammlung Gottes: „Aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten, da Jesus Christus selbst Eckstein ist“ (V 20). Es war augenscheinlich, dass, als Gott dieses neue Werk auf der Erde einführte, dasselbe von einer neuen Offenbarung begleitet wurde. Christus wird hier nicht als das alleinige Fundament betrachtet, obwohl Er selbstverständlich dieses in dem hervorragendsten und erhabensten Sinn ist. „Auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen.“ Aber hier werden die Apostel und Propheten mit eingeführt, indem dieselben berufen waren, nicht nur das Geheimnis Gottes bezüglich der Versammlung zu offenbaren, sondern auch die Grenzen der Haushaltung Gottes auf der Erde in der Versammlung mit Autorität zu bezeichnen. Die Apostel unterschieden sich mehr durch Autorität in ihren Handlungen, während die Propheten mehr die Gedanken und den Willen Gottes hinsichtlich dieses großen Geheimnisses kundtaten. Man darf hier jedoch nicht an die Propheten des Alten Testaments denken, denn sonst würden sie jedenfalls vor den Aposteln angeführt sein; aber nach der Weisheit des Geistes Gottes heißt es: „Die Apostel und Propheten“, zum Beweis, dass hier von den Propheten des Neuen Testaments die Rede ist. Aber noch einleuchtender erscheint dieses durch den Ausdruck in Kapitel 3,5: „Welches (Geheimnis) in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden, wie es jetzt offenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten in dem Geist.“ Die Propheten des Alten Testaments verstanden nichts von diesem Geheimnis, mithin konnte von ihnen nicht die Rede sein. Alles, auch der Dienst war gänzlich neu. Selbst die Aussendung der zwölf Apostel, sowie der siebzig Jünger zurzeit der Anwesenheit des Herrn auf der Erde war ebenso verschieden von den vorherigen Wegen Gottes, wie sie es war von dem Dienst der Apostel in Epheser 4. Ohne Zweifel waren hier die Apostel dieselben Personen, mit Ausnahme des Judas Iskariot, der durch Matthias ersetzt worden war; allein ihr Dienst hatte einen ganz anderen Charakter. Während die Apostel zurzeit des Herrn auf der Erde ausgesandt waren, die Botschaft des Reiches Gottes in Beziehung zu Israel auf der Erde zu verkündigen, hatte jetzt seit der Himmelfahrt des Herrn ihre Botschaft unstreitig einen ganz und gar himmlischen Charakter. Ihre irdische Berufung und Mission war bei Seite gestellt; sie waren von jetzt an die Gefäße der himmlischen Gaben, und ihre Botschaft richtete sich nicht nur an die Juden, sondern an alle Nationen.

Ganz auffallend und über die Mission der „Zwölf“ hervorragend Zeigt sich uns über das Apostelamt des Paulus. Dasselbe ist in allen seinen Beziehungen ein außergewöhnliches; es ist himmlisch in seiner Quelle, wie auch in seinem Charakter und reiht die jüdischen Formen und Ordnungen vollständig nieder. Seine, fern von Jerusalem stattfindende Berufung – seine Absonderung von den anderen Aposteln – die ihm offenbarte, überströmende Gnade, – der seiner Bekehrung und seinem Zeugnis aufgeprägte, unverkennbar himmlische Stempel – alles dieses verlieh seinem Apostelamt einen höheren und himmlischeren Glanz, als demjenigen der übrigen Apostel, obwohl ihr Amt unzweifelhaft auf denselben Grundsätzen ruhte.

Aber, möchte ich fragen, wo finden wir hier auch nur die geringste Andeutung von irgendeiner feierlichen Einsetzung oder Ordination, worauf die Menschen so viel Gewicht legen? Wer von Seiten der Menschen ordinierte die Apostel für ihre himmlische Mission? Wenn sich hier keine Spur von einem Ritus, oder Händeauflegen, oder von irgendeiner gleichartigen Handlung findet, die man heutzutage nicht bloß als wünschenswert, sondern als wesentlich notwendig für den höchsten, wie für den niedrigsten Diener der Kirche betrachtet, warum mag denn dergleichen hier gänzlich unterblieben sein? Oder würde vielleicht irgendein Eiferer für die in seinen Augen so „heiligen Anordnungen“ zu sagen sich anmaßen, dass der Herr es nicht so gut wie er erkannt habe, was sich für seine eigene Herrlichkeit und für seine erhabensten Diener gezieme? Offenbar war die Berufung des großen Apostels unmittelbar vom Herrn und gänzlich unabhängig von Menschen. Ebenso wenig finden wir in dem ganzen Neuen Testament auch nur die geringste Spur von einer menschlichen Einsetzung der Propheten, Evangelisten, Hirten, und Lehrer; nicht einer unter diesen verschiedenen Klassen war durch eine menschliche Autorität berufen. Allerdings fand eine Auslegung der Hände statt, und zwar nicht nur in ihrer Anwendung auf Kranke und auf solche, die den Geist noch nicht empfangen hatten, sondern auch in Verbindung mit dem Gegenstand unserer Betrachtung. Aber es ist die Frage, welchen Gebrauch die Schrift davon macht. Wir lesen nirgends, dass jemandem die Hände ausgelegt wurden, um demselben irgendeine Gabe durch die Macht des Heiligen Geistes mitzuteilen, sondern es geschah, um begabte Männer bei der Ausführung eines besonderen Werkes der Gnade Gottes zu empfehlen, oder um jemanden – wie z. B. den Philippus und seine sechs Genossen – zu einer äußerlichen Bedienung der irdischen Bedürfnisse einzuführen. Und so finden wir auch, dass nach Apostelgeschichte 13,3 dem Barnabas und dem Paulus die Hände aufgelegt wurden, nicht um sie, welche beide schon lange mit Segen im Werk des Herrn tätig gewesen waren, als Diener einzuweihen, sondern um sie für das besondere Werk, wozu der Heilige Geist sie berufen hatte, der Gnade Gottes zu befehlen. Dieses geht klar aus Apostelgeschichte 14,36 hervor, wo wir lesen: „Und von dort schifften sie nach Antiochien, von wo sie der Gnade Gottes befohlen worden waren für das Werk, das sie erfüllt hatten.“ Dieses war der einzige Zweck, zu welchem ihre Mitarbeiter zu Antiochien ihnen die Hände aufgelegt hatten. Diese Handlung war ein Zeichen ihrer Gemeinschaft in Bezug auf das vom Geist Gottes aufgetragene Werk und scheint nach Kapitel 15,40 wiederholt worden zu sein. Dann hat die Stelle in 1. Timotheus 5,22: „Die Hände lege niemandem schnell auf“ – bei etlichen die Meinung wachgerufen, als ob jene Zeremonie auch bei Einsetzung der Ältesten stattgefunden habe. Allein dieses ist ein sehr unsicherer Schluss, indem augenscheinlich nach dem Vers 19 nicht mehr von den Ältesten die Rede ist. Dach vorausgesetzt, dass, wie den Diakonen, so auch den Ältesten bei ihrer Einsetzung die Hände aufgelegt worden wären, so bleibt es doch eine wichtige und unleugbare Tatsache in der Schrift, dass keine Ältesten eingesetzt wurden, es sei denn durch göttlich autorisierte Personen, welche einen bestimmten Auftrag zu diesem Zweck empfangen hatten. Die Schrift aber räumt niemandem eine solche Autorität ein, außer einem Apostel oder jemandem, der durch einen Apostel mit einem bestimmten Auftrag zu diesem Zweck betraut wurde. Wo aber ist jetzt jemand, der mit einer apostolischen Macht auftreten oder ein Zeugnis aufweisen könnte, solch einen Auftrag zur Einsetzung von Nettesten empfangen zu haben. Die Schrift gibt nirgends einen Wink über die Fortdauer der apostolischen Macht. Auch lesen wir nirgends, dass ein Apostel irgendeine Versammlung beauftragt habe, sich Älteste zu wählen. Paulus spricht von schweren Zeiten, die kommen würden, und von der Wichtigkeit der Schrift in solchen Zeiten; aber er sagt kein Wort von apostolischer Nachfolge in diesem Fall oder von einer Übertragung seiner Macht an andere; und ebenso wenig gibt er Andeutungen über die Wahl von Nettesten für solche Zeiten. Deshalb sind die Einsetzungen, Zeremonien und Ordinationen in unseren Tagen nicht nur eine traurige Nachahmung dessen, was das Wort Gottes darüber mitteilt, sondern auch eine schändliche Entehrung des Herrn, der allein durch den Geist zu seinem Dienst fähig macht.

Wenn nun eine Versammlung von Kindern Gottes im Wort findet, dass neben den allgemeinen Pflichten und Vorrechten aller Heiligen auch noch gewisse Gaben und Ämter vorhanden waren, die nur im Besitz der Apostel oder ihrer Stellvertreter sein konnten und folglich jetzt in der Versammlung fehlen, was hat sie dann zu tun? Soll sie deshalb das, was an die Versammlung zu Korinth oder an die Heiligen zu Ephesus geschrieben ist, vernachlässigen und das nachahmen, womit nicht die Versammlungen, sondern Timotheus und Titus beauftragt waren? Würde es nicht demütiger sein, in diesem Fall das Wort Gottes zu Rat zu ziehen und den Herrn zu fragen, um seinen Willen in dieser Sache kennen zu lernen? Dann würde man bald erkennen, dass zur Ausübung der Gaben, welche Christus uns darreicht, keine menschliche Bestätigung oder Vermittlung erforderlich ist. Es ist wahr, dass der Fall mit Timotheus eine Ausnahme macht. Er war durch die Weissagung im Voraus zu dem Werk, wozu der Herr ihn berief, bezeichnet worden. Der durch diese Weissagung geleitete Apostel legte ihm die Hände auf und übertrug ihm durch den Heiligen Geist eine unmittelbare Macht, welche für den durch ihn zu erfüllenden Dienst passend war. Und ebenso legten ihm die Ältesten seines Ortes in Gemeinschaft mit dem Apostel die Hände auf; jedoch war die Mitteilung der Gabe nur von der Wirkungskraft des Apostels und nicht von der der Ältesten abhängig, wie dieses aus dem Vergleich der beiden Stellen 1. Timotheus 4,14 und 2. Timotheus 1,6 klar hervorgeht, indem in der ersten die ganze Ältestenschaft in Verbindung mit dem Apostel erscheint, in der letzten hingegen der Apostel bezüglich des Werkzeugs der Mitteilung von sich allein redet. Es war ein apostolisches Vorrecht, jemandem eine geistliche Macht mitzuteilen oder ihn mit einem Amt zu bekleiden. Aber wer möchte sich jetzt ein solches Vorrecht, eine solche Autorität anmaßen? Man würde es als einen Verrat bezeichnen, wenn sich ein Untertan die Rechte des Königs anmaßen wollte; aber was soll man von jemandem denken, der sich einbildet, den Heiligen Geist oder irgendeine Macht des Heiligen Geistes im Namen des Herrn mitteilen zu können? –

Die Unterscheidung der geistlichen Gaben ist im allgemeinen eine klare und einfache Sache. Wenn z. B. ein Bruder in der Versammlung aufstehen und reden wird, ohne eine Gabe von Gott zu haben, so wird er dieses durch sein eigenes Gewissen, sowie durch das Urteil der Brüder auf schmerzliche Weise erkennen müssen. Jedoch kann es auch möglich sein, dass Brüder aus Vorurteil eine wirklich vorhandene Gabe nicht anerkennen und Gott dieses eine Zeitlang zulässt, weil vielleicht der betreffende Bruder von seiner Gabe zu hoch denkt, oder weil er sich selbst über den Charakter seiner Gabe oder über den Ort und die Zeit ihrer Ausübung nicht klar ist. Doch bleibt es eine unumstößliche Wahrheit, dass alles, was von Gott ist, sich selbst durch die Länge der Zeit bewährt. Nach meinen eigenen Erfahrungen in dem beschränkten Kreis meiner Beobachtungen bin ich zu denken geneigt, dass die Kinder Gottes im Allgemeinen eher zu viel, als zu wenig Gewicht auf die Gaben legen. Es gibt in dem gegenwärtigen Zustand der Kirche nur eine schwache Entfaltung der Gaben, und dieses wird nach dem Verhältnis der geistlichen Einsicht, welche man besitzt, mehr oder weniger gefühlt werden. Wenn indes jemand seinen wahren Platz zu erkennen wünscht, so möge er im Vertrauen auf den Herrn schauen und in dem Wort seiner Gnade forschen. Es gibt viele Dinge, welche geeignet sind, uns aufzuhalten oder vom rechten Wege abzuleiten. Für solche, die eine nach dem Wort Gottes falsche Stellung aufzugeben haben und dadurch alles einbüßen, was sie zu äußerem Durchkommen bedürfen, entsteht nicht selten die Frage: „Woher nehmen wir Brot?“ – und wenn dann nicht eigene Mittel zur Verfügung stehen, so ist dieses für sie stets eine Versuchung zu bleiben, wo sie sind. Sie sehen sich einer Schwierigkeit gegenüber, die unberechenbar, und die nur durch die Macht Gottes zu überwinden ist, welche allein die Seele in Frieden unterstützen kann, um „fest, unbeweglich, allezeit überreich fleißig im Werk des Herrn zu sein.“

Während wir indes versichert sein dürfen, dass das Wort und der Geist Gottes jedem einzelnen Christen den wahren Platz zu bezeichnen vermag, so haben wir doch andererseits zu fragen, ob wir diesen Platz einnehmen. Der Herr kann allerdings unumschränkt wirken; und wir sollen für alles, was Er gibt, dankbar sein. Er kann seine Gaben austeilen wie und wo es Ihm beliebt. Man findet seine Gaben sowohl unter den Predigern und Gliedern der Landeskirche, als auch in den Gemeinschaften der Dissidenten. Wer wollte es leugnen, dass der Herr gewisse Personen selbst in der römischen Kirche, z. B. einen Martin Boys, zur Bekehrung von Sündern oder zum Dienst der Heiligen in einem gewissen Maße gebraucht habe? Obwohl sich solche Männer in einer falschen Stellung befanden, so kann dieselbe doch seine Gnade nicht in ihrem Lauf aufhalten. Der Herr gibt durch den Heiligen Geist nach seinem Willen; und wir sollten seine Gaben, wo sie sich auch befinden mögen, stets anerkennen. Dennoch aber bleibt es wahr, dass nicht die entfernteste Ähnlichkeit zwischen diesen unter dem Schutz des Staates öder der Klerisei stehenden Systemen und der göttlichen Anordnung der geistlichen Gaben nach Epheser 4 besteht. Es existiert nur einer, der hinaufgestiegen ist in die Hohe. Sollen wir auf einen anderen warten, oder nach einem anderen Himmel emporblicken, um dessen Gunst zu erflehen? In der Voraussetzung, dass mein Leser ein Christ ist, möchte ich die Frage an ihn richten: „Achtest du das Wort Gottes? Oder hat es nur insofern einen Wert für dich, als es sich um das Heil deiner Seele handelt? Solltest du dich nicht von demselben Worte und von demselben Geist in Bezug auf den Dienst und die kirchlichen Ämter leiten lassen? Behandelt das lebendige und bleibende Wort Gottes diese Dinge nicht mit der ernstesten und genausten Sorgfalt? Und sind wir nicht verantwortlich, es zu hören und uns darunter zu beugen?“

Es muss jedem denkenden Gläubigen klar sein, dass, da wir weder Apostel, noch Stellvertreter, wie Timotheus und Titus, haben, wir nach dem Wort Gottes keine Ältesten in ihrer genauen amtlichen Form mehr erwarten können. Eine entgegengesetzte Behauptung entbehrt jeglichen Grund in der Heiligen Schrift. Es besitzt jetzt niemand die unumgängliche nötige Macht, einen Ältesten zu autorisieren; und hierin zeigt sich gerade die verhängnisvolle Schwäche der jetzigen Zeit, weshalb das Ganze, jetzt bestehende System aus Mangel an vollständiger Autorität zusammenbrechen wird. Niemand kann von den jetzigen Ältesten behaupten, dass sie der Heilige Geist zu Aufsehern gesetzt habe.

Aber sollte sich denn jetzt niemand finden, der zu einem Ältesten oder Aufseher geeignet wäre, und den die Apostel, falls sie sich unter uns befänden, einsetzen bürden? Gott sei Dank, dass es deren nicht wenige gibt! Es gibt kaum eine Versammlung von Kindern Gottes, in welcher sich nicht etliche erfahrene Männer befinden, die den Irrenden nachgehen, die Unordentlichen warnen, die Kleinmütigen trösten und den Seelen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und die Pflicht eines jeglichen Christen besteht unter den jetzigen Verhältnissen darin, dass er das benutze, was uns geblieben ist. Ich sage nicht, dass man solche Männer Älteste nennen solle; aber man soll sie um ihres Werkes willen hochschätzen, sie lieben und anerkennen, denn sie wachen über ihre Brüder im Herrn. Geliebte, fragen wir uns ernstlich vor Gott: Erkennen wir solche an, welche uns vorstehen im Herrn? Sind wir diesen tätigen Dienern des Herrn unterwürfig? Das Wort Gottes fordert uns auch in dieser Beziehung zum Gehorsam auf. Aber jede menschliche Erfindung ist verwerflich. Wo der Herr Gaben verleiht, da haben wir es dankbar anzuerkennen und die begabten Diener zu achten und zu lieben; aber wenn wir jetzt Menschen unter dem Schein der Nachfolge als Apostel bezeichnen, so wird der Herr, der einst von unseren Worten und Handlungen Rechenschaft fordern wird, uns fragen, wer uns zur Gutheißung solch willkürlicher Handlungen das Recht gab. Wer gibt dem Menschen die Erlaubnis, jemanden zu ordinieren. In der Tat, die Ordination von Ältesten ist, wie wohlgemeint sie auch sein mag, nicht nur ohne allen Wert, sondern auch eine schriftwidrige Anmaßung einer Autorität, welche dem Herrn allein gehört. Es ist daher geziemend für uns, einerseits den gänzlichen Mangel der apostolischen Macht in unseren Tagen, und andererseits das anzuerkennen, was Gott uns gegeben hat denn ich wiederhole es, dass in unseren Tagen Männer mit den Eigenschaften von Ältesten vorhanden sind, wiewohl wir nicht im Besitz der Macht sind, sie als solche zu ordinieren. Und es ist nach Römer 12 ein allgemeiner Grundsatz der Heiligen Schrift, dass jeder, der irgendeine Gabe – sei es als Lehrer, Ermahner oder Vorsteher – besitzt, dieselbe mit Fleiß auch dann auszuüben hat, wenn die Umstände die gesetzliche Einführung in ein Amt unausführbar machen.

Wir werden auch bald, wenn wir anders dem Wort Gottes unterworfen sind, die Entdeckung machen, dass der Herr, im Blick auf unseren gegenwärtigen mangelhaften Zustand der Dinge, in seiner Weisheit und Vorsorge gestattet hat, dass solche Zustände schon im Anfang der Kirche vorhanden waren. Wir wissen nämlich, dass der Apostel an solche Versammlungen, wie z. B. an die zu Thessalonich und Korinth, in denen keine Ältesten waren, Briefe geschrieben hat. In der korinthischen Versammlung herrschte offenkundig große Unordnung, so dass hier nach unseren Gedanken die Einsetzung von Ältesten am Platz gewesen wäre. Dennoch aber finden wir in beiden Briefen nicht die geringste Andeutung über diese Angelegenheit. Wären Älteste vorhanden gewesen, so würde sich der Apostel sicher an dieselben gewandt haben. Überhaupt aber war es nicht seine Gewohnheit, in jungen Versammlungen Älteste einzusetzen, sondern vielmehr in solchen, die schon seit längerer Zeit bestanden hatten; und dieses geschah ohne Zweifel in der Absicht, um die für ein solches Amt nötigen Eigenschaften ans Licht treten zu lassen. Andererseits finden wir in dem letzten Kapitel des ersten Thessalonicherbriefes wichtige Belehrungen für die Heiligen. Auch diese noch junge Versammlung wurde ermahnt, solche anzuerkennen, die unter ihnen arbeiteten. Und dieses gilt für jede Versammlung, in welcher keine Ältesten sind. So lesen wir in 1. Thessalonicher 5,12–13: „Wir bitten euch aber, Brüder, dass ihr die erkennt, die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen; und dass ihr sie über die Maßen in Liebe achtet um ihres Werkes nullen.“ – Es gab also schon damals Vorsteher im Herrn, ohne dass ordinierte Ältesten vorhanden waren; und dieses ist Zugleich ein Beweis der gnädigen Fürsorge Gottes für solche Zeiten, wo aus. Mangel an Aposteln keine Ältesten eingesetzt werden können. Ebenso spricht der Apostel vom Haus des Stephanas zu Korinth, dass sie sich selbst den Heiligen zum Dienst verordnet hatten; und er ermahnt die Brüder, solchen und jedem, der mitwirkt und arbeitet, untertan zu sein. Alle diese waren im Werk des Herrn tätig, ohne dass ihnen das Siegel apostolischer Anerkennung aufgeprägt war; und wir sehen, dass der Apostel sie ermutigt und sie der Liebe und Achtung der Heiligen empfiehlt. Hier gibt es kein äußeres Amt, wohl aber innerlich geistliche Kraft.

Wir haben also gesehen, dass der Herr allein die Gaben zum Dienst verleiht; alles hängt von seiner Liebe zu seiner Kirche, von seiner Treue gegenüber den Heiligen ab. Ist denn der Herr Jesus jetzt weniger besorgt und treu für die Seinen, als an jenem Pfingsttag? Wer würde dieses zu behaupten wagen? Ohne Zweifel war jene Szene der Ausgießung des, Heiligen Geistes von einem weitstrahlenden Gnadenglanze umgeben und von einer Einfachheit und Macht begleitet, die alles überwältigte; Aber wer war die Quelle, und woher kam die Energie, welche so viele der wunderbarsten Früchte auf dem ehemals so harten, kalten und steinigten Boden erzeugte? War es nicht der Herr, welcher für die Ehre seines Namens durch den Heiligen Geist wirkte, nachdem Er, um dem Menschen Gaben zu geben, seinen Platz in der Herrlichkeit genommen hatte? Und ist seine Gnade, die Er bei der Ankündigung jenes von den Geschlechtern her verborgenen, großen Geheimnisses offenbarte, für diese schweren Zeiten nicht dieselbe? Ja sicher, solange es noch Heilige hienieden gibt, welche es bedürfen, vollendet zu werden „für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Christus“, werden auch, bis das ganze Werk vollbracht ist und alle zur Einheit des Glaubens hingelangt sind, die Gaben nicht fehlen. Und je mächtiger sich der Feind offenbart, je schlauer seine Fallstricke gelegt und je größer die Gefahren sind, desto mehr wird die Liebe und Treue des Herrn mit den Seinen sein. Es gibt sowohl jetzt, wie damals für die Kirche eine Fülle von Segnungen in Christus. Möchten wir für jedes Bedürfnis mehr auf Ihn vertrauen und nicht durch Aufrichtung irgendeines Werkes unserer Hände, durch Aufrichtung eines goldenen Kalbes, seine Wahrheit entehren und – als ob wir nicht wüssten, was aus Ihm, der nach oben gegangen, geworden wäre – seine Gnade bezweifeln! Das sei ferne! Es ist sicher in den Augen des Unglaubens eine Torheit, wenn die Versammlung Gottes irgendwo zusammenkommt, ohne vorher zu wissen, wer sprechen, ermahnen oder danksagen wird; aber der Glaube weiß, dass der Herr, der alle Macht im Himmel und auf Erden in Händen hat, und der seine Versammlung liebt und pflegt, in der Mitte ist; und dass die Gegenwart des Heiligen Geistes nimmer fehlen wird, um zu leiten und zu führen. Dieses ist sowohl für jeden einzelnen, wie für alle Heiligen wahr; und ich möchte meinesteils nicht für einen Augenblick auf einem Boden stehen, der nicht die ganze Länge und Breite der Versammlung Gottes umfasste, und von wo aus der Glaube und die Liebe sich nicht zu allen Heiligen ausdehnen und sie umschließen könnte. Wenn jemand berufen ist, im, Wort und in der Lehre zu arbeiten, so wird ihm der Herr dazu den Weg bezeichnen. Er öffnet die Tür, die niemand zu schließen vermag; und Er schließt, und niemand öffnet. Er weiß für die schwächsten seiner Pilger einen Pfad zu finden und ihm Mut zu geben; und Er wird ihm klarmachen, wann und wo er Ihm zu dienen hat.

Aber wie geht es, wenn mehrere begabte Brüder in einer Versammlung sind? Desto besser; und wenn fünf oder zehn derselben sich in einer Versammlung befinden, so lasst uns dem Herrn dafür danken; es ist Raum für alle. Gott wolle uns bewahren, auch nur im entferntesten jener Neuerung unsere Zustimmung zu geben, die jedem Diener seine eigene kleine Herde angewiesen hat. Jemand, der nicht versteht, dass die Heiligen die „Herde Gottes“ sind, ist sicherlich unfähig, in geziemender Weise zu dienen. Augenscheinlich hat man den wahren Standpunkt der Kirche aus dem Auge verloren, wenn man anstatt an die „Herde Gottes“ nur an „seine Herde“ oder an „unsere Herde“ denkt.

Ich schließe diesen Abschnitt mit der Bemerkung, dass es mein Zweck war, den Unterschied zwischen Gaben und Ämtern hervorzuheben, indem ich gezeigt habe, dass die erstem ihre Quelle in dem verherrlichten Christus haben, während letztere die Einsetzung von Seiten solcher erforderten, die von dem Herrn zu diesem Zweck bevollmächtigt waren. Wir können hinsichtlich der Gaben sicher sein, dass sie uns bleiben, so wahr und solange Christus das Haupt bleibt und die Quelle derselben ist, wohingegen eine formelle Autorisation nicht mehr möglich ist, weil die dazu erforderliche apostolische Macht völlig mangelt. Alles, was in dieser Weise jetzt geschieht, ist nur eine armselige und vermessene Nachahmung der Apostel und ihrer Bevollmächtigten. Aber wenn wir wirklich den Herrn lieben und die göttliche Ordnung wertschätzen, so ist unsere Pflicht, im Namen des Herrn alle seine, selbst die geringsten Gaben in einer Weise anzuerkennen, wie wir es vielleicht bis jetzt noch nicht getan haben (Schluss folgt).

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