Botschafter des Heils in Christo 1874

Praktische Betrachtungen über die Psalmen

Der Zweck der folgenden Betrachtungen ist nicht, die Psalmen zu erklären, sondern aus ihnen einige geistliche Belehrungen und einige Erbauung für unsere Seelen zu ziehen. Die Erklärung ist in anderen Schriften zu geben versucht worden. Die Psalmen werfen ein ganz besonderes Licht auf die Regierung Gottes und auf das Mitgefühl des Geistes Christi mit seinem Volk. Zunächst sind die Juden der Gegenstand und der Mittelpunkt der Entfaltung derselben. Doch, obwohl ein großer Unterschied besteht zwischen dem Zustand der Juden und dem unsrigen, so wie zwischen den Beziehungen eines Volles zu Jehova und denen eines Kindes zum Vater, so sind doch die Wege Gottes als Regierung auch auf uns Christen anwendbar. Wenn es auch nicht der höchste Standpunkt ist, auf welchem der Christ gesehen wird, so ist es doch ein höchst wichtiger und interessanter, welcher die ganze Entfaltung der göttlichen Sorgfalt dessen ans Licht stellt, der die Haare unseres Hauptes zählte, so wie den Ernst und die Wachsamkeit, die erforderlich sind zu einem Wandel vor Gott, welcher niemals abweicht von seinen heiligen Wegen; der sich nicht spotten lässt, noch seine Augen abwendet von dem Gerechten, obschon seine Gnade in allem wirksam ist, um uns vollkommen zu machen vor Ihm, gemäß diesen Wegen. Die Regierung Gottes, angewandt auf den Weg des, Christen, ist besonders vorgestellt in den Briefen des Petrus. Siehe z. B. 1, Petrus 1,17; 3,10–15, sowie den Geist und Ton des ganzen Briefes. Diese Regierung ist in dem zweiten Brief fortgeführt bis auf die Vollendung aller Dinge. Der erste Brief stellt mehr die Regierung der Gerechten vor, die zweite das Gericht der Gottlosen, obschon dieses Gericht auch in der ersten angedeutet wird, als die Beendigung der Macht des Bösen und die Befreiung des Gerechten. Petrus war der Apostel der Beschneidung; deshalb steht ihm bei seinen Belehrungen besonders die Regierung Gottes vor Augen.

Psalm 1: Diese Regierung auf der Erde, so wie der Charakter derer, die durch diese Regierung gesegnet sind, ist klar ausgedrückt in dem ersten Psalm. Es ist darin die Rede von dem, der nicht steht auf dem Weg der Sünder, sondern im Gesetz Jehovas seine Wonne hat und darüber sinnt Tag und Nacht. Unterwerfung unter den Christus, als den Verwalter dieser Regierung in Gottes Ratschlüssen am Ende dieser Prüfungszeit, ist der Gegenstand des zweiten Psalms. Ich will hier nur einige Worte sagen über den ersten dieser beiden Psalmen, welche die Grundlage von allen den übrigen bilden. Der Rat der Gesetzlosen, der Weg der Sünder, und der Sitz der Spötter sind gemieden. Obschon hier in Verbindung mit der menschlichen Verantwortlichkeit im Wandel, ist man doch bewahrt vor dem Bösen. Ohne die Kraft dieser Worte näher auslegen zu wollen, mögen doch einige Bemerkungen darüber hier ihre Stelle finden. Die Gesetzlosen haben Pläne und Ratschläge nach ihrem eigenen Willen, sie haben ihre eigene Anschauung der Dinge und ihre eigenen Wege zur Erreichung ihrer Zwecke; da wird der Gerechte nicht gefunden. Der Sünder hat einen Weg, auf welchem er nach seinem eigenen Wohlgefallen wandelt; der Gerechte wandelt nicht mit ihm. Die Spötter gefallen sich darin, Gott zu verachten; da wird der Gerechte nicht sitzen. Aber das Gericht wird kommen, und dann werden auch die Sünder nicht Einlass finden in die Versammlung der Gerechten, die dann zur Ruhe gebracht sind durch die Herrlichkeit Gottes.

Psalm 2: Dieser Psalm kündigt die Aufrichtung des irdischen Triumphes Christi und seines Königtums in Zion an, wenn die Nationen Ihm zum Erbteil gegeben sein werden. Dies ist noch nicht erfüllt. Die Regierung Gottes stellt die Gläubigen nicht sicher vor dem Leiden, was dann doch der Fall sein wird; sie lässt aber das Leiden zu geistlicher Segnung ausschlagen und bewahrt den Überrest vor dem Zorn, indem sie für unsere kleine Trübsal eine herrliche Belohnung gibt. Für uns aber offenbart sich Gott als Vater in den Trübsalen. Wir rufen den als Vater an, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeglichen Werk, und wandeln die Zeit unserer Fremdlingschaft in Furcht, wissend, dass wir erlöst sind.

In diesem Psalm sind die Könige aufgefordert, sich zu unterwerfen, bevor das Gericht über die Erde komme. Aber dieses Gericht ist noch nicht ausgeführt, und wir haben unsere eigene Aufgabe in Geduld zu lernen. Dieses wollen die Psalmen uns lehren.

Psalm 3: Lasst uns jetzt die Belehrungen der ersten folgenden Psalmen untersuchen. Der Bedränger sind viele, aber der erste Gedanke des Glaubens ist: „Herr.“ Da fühlt sich die Seele in Sicherheit und betrachtet von hier aus die Bedränger. Jehova wird so der Gegenstand des Vertrauens. Wenn „der Herr“ in das Herz kommt vor denen, die mich bedrängen, so steht alles gut. Unser Geist sieht Ihn beteiligt bei den Ereignissen und ist in Frieden. „Er ist ein Schild um mich her, meine Herrlichkeit, und der mein Haupt emporhebt.“ Von der anderen Seite ist es nicht ein lässiges, sorgloses Hinblicken aus das Böse und Gute, noch ein gleichgültiges Vertrauen. Verlangen und Abhängigkeit sind wirksam – die Bande zwischen der Seele und Jehova. Ich schrie, und Er hörte. Das ist gewiss. „Dies ist die Zuversicht, die wir zu ihm haben, dass, wenn wir etwas nach seinem Willen bitten, er uns hört“, und wenn Er Hort, so haben wir die Bitte. Wenn wir aufrichtig sind, so begehren wir nicht etwas zu haben, was nicht mit seinem Willen übereinstimmt; aber es ist unendlich tröstlich, inmitten der Prüfungen und Schwierigkeiten der Erhörung und des Armes Gottes sicher zu sein in allem, was nach seinem Willen ist. Daraus entspringt Ruhe und Frieden. „Ich legte mich nieder und schlief; ich erwachte, denn Jehova stützte mich.“ Wie bestimmt und wie einfach! Ist es so bei dir, mein Leser? Findet jede Not dein Herz ruhend in Gott als deinem Vater, so dass sie, wenn sie noch größer wird, deinen Geist ruhig, deinen Schlaf süß sein lässt, indem du dich niederlegst, schläfst und aufstehst, als ob alles Frieden um dich her wäre, weil du weißt, dass Gott ist und dass Er über alles gebietet? Ist Er so zwischen dir und deiner Not und deinen Bedrängern? Und wenn Er es ist, was kann dir dann begegnen. Die „Tausende von Feinden“ machen keinen Unterschied, wenn Gott da ist. Der Assyrer ist geflohen, bevor er aufstehen kann, um zu bedrängen oder die Drohungen auszuführen, welche eigentlich nur verraten, dass er sich fürchtet. Wir sind töricht, wenn wir die Schwierigkeiten und Prüfungen nach unserer Kraft abmessen, anstatt nach der Kraft Gottes, welche für uns ist, wenn wir sein sind. Was machte es aus, dass die Städte Kanaans himmelhohe Mauern hatten, wenn dieselben fielen beim Schall einer Posaune? Hätte Petrus besser auf einem ruhigen See wandeln können als auf einem stürmischen? Unsere Weisheit ist, zu wissen, dass wir nichts tun können ohne Jesus, mit Ihm aber alles, was nach seinem Willen ist. Das Geheimnis des Friedens ist, mit Ihm beschäftigt zu sein um seiner selbst willen, und wir werden Frieden finden in Ihm und durch Ihn, und werden mehr als Überwinder sein, wenn Trübsal kommt. Nicht dass wir unempfindlich gegen die Prüfung sind, aber wir werden Ihn und seine zärtliche Sorgfalt für uns finden, wenn die Trübsal kommt.

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