Botschafter des Heils in Christo 1874

"Er starb für mich."

Ein Reisender kam jüngst auf seiner Wanderung durch die südlichen Staaten Amerikas an einem Platz vorbei, wo er einen Mann bemerkte, der sich über einen frischen Grabeshügel beugte und mit tränenbenetzten Augen in den sorgfältig umgegrabenen Boden Blumen pflanzte. Nachdem er denselben eine Zeitlang beobachtet und seine tiefe Traurigkeit wahrgenommen hatte, sagte er zu ihm: „Jedenfalls trauern Sie über dem Grab ihres Weibes, nicht wahr?“ „O nein“, war die Antwort, „ich habe mein Weib nicht verloren.“ „Dann“ fuhr der Reisende fort, „benetzen ihre Tränen das Grab eines viel geliebten Kindes?“ „Nein“, erwiderte der Trauernde, „ich habe weder Weib noch Kind verloren.“ „Darf ich denn wissen“, fragte der Reisende, „wessen Tod die Ursache ihrer so großen Trauer ist?“ „Ich pflanze diese Blumen und vergieße diese Tränen für jemanden, der für mich starb“, sagte der Leidtragende: „Ich war in dem letzten Kriege als Soldat einberufen. Ich hatte Weib und Kinder, die, wenn ich fiel, unversorgt zurückgeblieben wären. Da trat mein Freund in mein Haus und sagte: ‚Ich habe weder Weib noch Kinder und will daher statt deiner ins Feld ziehen.‘ Er tat es und wurde in einer Schlacht verwundet. Kaum vernahm ich, dass er sich im Hospital in einem höchst gefährlichen Zustand befinde, so eilte ich zu ihm; aber ich fand ihn bereits in seinem Grab. Dieser Hügel deckt seine Gebeine. Er ist für mich ins Grab hinabgestiegen, und in dankbarer Erinnerung pflanze ich diese Blumen und benetze sie mit meinen Tränen.“

Der Leidtragende lieh nachher auf das Grab einen Stein setzen mit der einfachen, aber rührenden Inschrift:

„Er starb für mich.“

Es werden sicher wenige sein, die nicht durch diese kleine, rührende Geschichte bewegt werden; aber, mein teurer Leser, wie wenige gibt es, die berührt worden sind durch eine Tatsache, die nach viel wunderbarer und weit rührender ist. Die Heilige Schrift sagt: „Größere Liebe hat niemand, denn diese, dass jemand sein Leben lasst für seine Freunde“ (Joh 15,13); aber der Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, hat sein Leben für seine Feinde hingegeben; „denn wenn wir, da wir Feinde waren, Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes usw“ (Röm 5,10). Er starb für unsere Sünden; Er starb für uns, um uns zu seinen Freunden zu machen. Kannst du, mein Leser, sagen, dass du einer bist, den Er für sich gewonnen hat? Kannst du sagen: „Er starb für mich, und nicht nur starb Er für mich, sondern Er lebt auch für immerdar zur Rechten Gottes für mich?“ Und kannst du sagen: „Auch ich bin in Ihm gestorben und mithin getrennt von dem Zustand, in welchem ich, als ein Kind Adams, geboren war, und lebe jetzt in Ihm, dem Auferstandenen, und bin eins mit Ihm, dem Verherrlichten?“

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel