Botschafter des Heils in Christo 1871

Der Antichrist

Es ist zwar eben nicht sehr erbaulich, sich mit der Gesinnung und den bösen Werken des Antichristen zu beschäftigen; aber es ist das Wort Gottes, welches uns Mitteilungen über denselben macht; und ich hoffe, dass es keineswegs ohne Nutzen für uns sein wird, wenn wir die von diesem „Menschen der Sünde“ vornehmlich handelnden Stellen der Schrift etwas näher betrachten.

„Er wird Reden gegen den Höchsten ausstoßen, und die Heiligen des allerhöchsten aufreiben, und wird sinnen, Fest Zeiten und Gesetz zu ändern“ (Dan 7,25). – „Und eine Kriegsmacht wird von ihm bestellt werden, die wird das Heiligtum, die Beste, entweihen und das beständige Opfer abschaffen und den Gräuel des Verwüsters aufstellen, und die am Bund Frevelnden wird er zum Abfall verleiten durch Schmeicheleien. – Und es tut nach seinem Gefallen der König, und wird sich auflehnen und erheben wider alle Gottheit, und wider den Gott der Götter wird er Ungeheures reden. Auch die Götter seiner Väter wird er nicht achten, noch Frauenliebe noch irgendeinen Gott wird er achten, sondern sich wider alle erheben; aber der Gott, den seine Väter nicht gekannt haben, wird er ehren mit Gold und mit Silber und mit köstlichen Steinen und mit Kleinodien“ (Dan 11,31–32.36–37). – „Lasst euch von niemanden verführen, weil er (der Tag des Herrn) nicht kommt, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme, und der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, offenbart sei, welcher widersteht und sich selbst über alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist, erhöht, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selber darstellt, als sei er Gott. ... Und dann wird der Gesetzlose offenbart werden, welchen der Herr Jesus mit dem Hauch seines Mundes verzehren und durch die Erscheinung seiner Ankunft vernichten wird, ihn, dessen Ankunft nach der Wirkung Satans ist, in aller Kraft und Zeichen und Wunder der Lüge, und in allem Betrug der Ungerechtigkeit in denen, die verloren gehen“ (2. Thes 2,3–4.8). – „Und ich sah ein anderes wildes Tier aus der Erde aufsteigen; und es hatte zwei Hörner gleich einem Lamm, und es redete wie ein Drache, und es übte die ganze Gewalt des ersten wilden Tieres vor ihm aus, und macht, dass die Erde und die, welche darauf wohnen, das erste wilde Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt worden war, und es tut große Zeichen, dass es sogar Feuer vom Himmel auf die Erde vor den Menschen herniederkommen macht“ (Off 13,11).

Diese Stellen, denen man noch andere beifügen könnte, werden genügen, um durch das Wort Gottes die Überzeugung zu erlangen, dass es mit der Gottlosigkeit der Menschen je langer je ärger werden und das Böse sich schließlich in dem Antichristen gipfeln wird.

Wenn wir an der Hand der angeführten Stellen den Antichristen beleuchten, so finden wir zunächst, dass er den Höchsten lästern und wider den Gott aller Götter gräulich reden wird. Er wird sich über alles erheben und Gott gegenüber keine Grenze einhalten. Aber in diesem Hass gegen Gott birgt sich gerade seine Anerkennung des Daseins Gottes. Ebenso ist es in unseren Tagen. Wenn wir die Menschen wider Gott eifern sehen, so beweisen sie gerade dadurch, dass sie an das Vorhandensein dessen glauben, den sie zu leugnen sich bemühen. Kein Gottloser eifert gegen den Gott Mohameds oder gegen die heidnischen Götzen, weil man weiß, dass diese nicht existieren. Der Antichrist aber wird seinen Hass gegen Gott in der schrecklichsten Weise offenbaren.

Es ist für uns fast unbegreiflich, dass ein Mensch, welcher ein Gewissen hat, im Stande ist, gräulich zu reden wider Gott und Ihn zu lästern; man füllte meinen, es müsse noch ein Gefühl in der Seele sein, welches sich gegen diesen höchsten Ausdruck der Gottlosigkeit sträubte. Aber wozu ist der gefallene Mensch im Dienst Satans nicht fähig, und namentlich in jener Zeit, wo der Geist mit der Braut die Erde verlassen hat, und dann diese Erde der Schauplatz des Wirkens Satans darum in einer solch außerordentlichen Weise werden wird, weil Satan, aus dem Himmel geworfen, weiß, dass er nicht viele Zeit hat, und weil alle, die verloren gehen, von Gott völlig der Lüge, dem Betrüge und den. Wirkungen Satans preisgegeben sind!

Sicher ist jetzt schon des Bösen viel ans der Erde; aber Gott hält noch den völligen Ausbruch desselben zurück. Wenn Er aber die Bösen dem Satan völlig überlässt, so wird hie gewaltige Flut der Gottlosigkeit jeden hemmenden Damm durchbrechen und gar in keinem Vergleich zu dem stehen, was sich in unseren Tagen vor unseren Augen ereignet.

Mit dem Hass gegen Gott ist der Antichrist naturgemäß auch gegen die, welche Gott angehören; und so lesen wir, dass er die Heiligen des allerhöchsten zerstören wird. Wie könnte er auch jemanden dulden, der ein Zeugnis für Gott ist? Welche Trübsale wird er den Gläubigen jener Tage zufügen! Doch, der Herr sei dafür gepriesen! Er wird auch ihre Hilfe, ihre Zufluchtsstätte sein; und alles, was sie zu erdulden haben, wird Er zu ihrem Guten mitwirken lassen. 1 Es ist der Zweck des Antichristen, Gott zu beseitigen und auf dieser Erde jedes Zeugnis Gottes zu vernichten. Welch ein Vorrecht, dass wir in jenen Schreckenstagen nicht auf der Erde sein werden, sondern im Vaterhaus Gottes eine ungestörte Ruhe genießen! Es ist der wohlgefällige Wille des Herrn, dass wir bewahrt werden sollen vor der Stunde der Versuchung, welche über den Erdkreis kommen wird. Wir werden nicht nur den kommenden Leiden und Drangsalen entrückt und in Sicherheit, sondern auch keine Zeugen sein jener Lästerungen, die „der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens“ gegen den Höchsten, den wir unseren Gott und Vater nennen, ausstoßen wird.

„Er wird sinnen, Fest–Zeiten und Gesetz zu ändern.“ Jede Erinnerung an die Anordnungen und Einrichtungen Gottes dienen dem Antichristen zum Anstoß und zum Ärgernis. Die seit tausende von Jahren beobachtete Vorschrift der Feier des siebenten Tages muss beseitigt werden. Andere nicht von Gott gegebene Gesetze, und selbst andere, als die der bürgerlichen Gesellschaft gegeben sind, wird er aufrichten; und sicher wird er in allen seinen Einrichtungen und Neuerungen nirgends auch nur die Nennung des Namens Gottes gestatten.

Jerusalem, jene Stadt, in deren Toren die Füße Jesu standen, wird auch der Antichrist betreten. Er wird sich mit einer Kriegsmacht umgeben, um seine gottlosen Pläne auszuführen, und durch diese wird er das Heiligtum entweihen. Die Juden werden zu jener Zeit ihren Tempel wiederaufgerichtet haben und ihre Opfer bringen; aber der Böse wird bei seiner Erscheinung diese Opfer nicht mehr dulden; er wird, wer weiß durch welche teuflische Mittel, den Ort der Anbetung und der Opfer entweihen, das Opfer abschaffen und an dessen Stelle den Gräuel der Verwüstung setzen. Jerusalem, jene Stadt, von welcher Gott gesagt, dass sie seine höchste Wonne sein sollte, wird dann zu einer Stätte geworden sein, von welcher Gott mit dem tiefsten Missfallen seines Herzens das Auge abwendet. Auf keinem Platz dieser Erde hat der Mensch das Maß seiner Sünden so vollgemacht, als in Jerusalem. Nicht genug, den Herrn der Herrlichkeit dort gekreuzigt zu haben, nein, auch der Name Gottes muss dort gelästert und, wenn möglich, ausgerottet werden.

Aus dem Wort des Herrn, dass Er gekommen sei in seines Vaters Namen, ohne Aufnahme zu finden, dass aber ein anderer (der Antichrist) in seinem eigenen Namen kommen und Aufnahme finden werde, geht augenscheinlich hervor, dass der Antichrist ein Jude sein, aber nicht den Gott seiner Väter achten wird. Ehrfurcht gegen die Väter, welche an Gott glaubten, kennt er nicht; die Segnungen Gottes für Israel von alters her verachtet er. Es gibt nur eine Absicht in seiner Seele, nämlich Gott völlig zu beseitigen, so dass, wenn möglich, kein Mensch auf der Erde mehr den Namen Gottes nennen möchte; und nur einen Dienst hat er, nämlich den Dienst des Lügners. Wenn wir die Mühe und Arbeit dieses Bösen, seinen Eifer und seine Tätigkeit sehen, so werden wir auf eine beschämende Weise belehrt, dass der Mensch für das Böse weit mehr Anstrengungen macht, als wir, die Kinder Gottes, für das Gute.

Paulus nennt den Antichristen den „Menschen der Sünde“. Wir alle sind Sünder von Natur; und sowohl die heilige Schrift, als auch die Weltgeschichte hat uns Menschen aufgezeichnet, die in der Ausübung des Bösen hervorragten und sich auszeichneten; aber hier wird uns jemand vor Augen gestellt, der in ganz besonderer Weise als der „Mensch der Sünde“ bezeichnet wird. Es ist der Lebenszweck des Antichristen, Sünde zu vollbringen, und nicht nur Sünde im Allgemeinen, sondern sogar die Sünde, Gott zu beseitigen, gegen Gott in einer Weise zu freveln, die, solange die Erde steht, nicht ihres Gleichen hat. – Auch kommt er als der „Sohn des Verderbens“, um die Werke seines Vaters, des Lügners und des Mörders von Anfang, auszuüben; und die Menschen gehen ein in die finsteren Wege dieses Verwüsters. Ehemals ist einer zu ihnen gekommen, der die Liebe war und Errettung bringen wollte; aber sie haben Ihn nicht aufgenommen; später wird einer kommen, der sie verderben will; und ihn werden sie aufnehmen. „Weil sie der Wahrheit nicht geglaubt haben, werden sie dahingegeben, der Lüge zu glauben.“ Ach, wie tief ist der Mensch versunken! Er verwirft die Wahrheit und glaubt der Lüge; er verwirft das Licht und liebt die Finsternis, weil seine Werke böse sind.

Aber nicht genug, Gott bei Seite zu setzen und die Menschen zu verderben; nein, der Antichrist nimmt auch den Platz Gottes ein, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt und sich darstellt, als sei er Gott. Welche wunderbare Langmut offenbart Gott doch darin, dass er solange mit dem Gericht zögert, bis der Antichrist den Gipfel der Sünde erstiegen hat! Der Hochmut des „Menschen der Sünde“ wird keinen höheren Platz nehmen können, als sich an die Stelle Gottes zu setzen. Gott lässt dabei noch zu, dass der Teufel den Rebellen unterstützt, um diesen Platz zu behaupten. Satan treibt sein Spiel mit den Menschen, die verloren gehen, in einer noch nicht dagewesenen Weise und wirkt durch den Antichristen in aller Kraft, in Zeichen und Wundern der Lüge, und in allem Betrug der Ungerechtigkeit, so dass der Antichrist, gleich dem Elia, Feuer vom Himmel vor den Menschen herniederkommen lässt, als ob er Verbindungen mit dem Himmel habe.

In der angeführten Stelle der Offenbarung Johannes sehen wir den Antichristen auch in der Form und dem Charakter des Lammes auftreten, ein Beweis, dass ihm jedes Mittel und jede Täuschung, willkommen ist, wenn er nur seinen Platz behaupten und die Menschen verderben kann.

Doch schließlich erreicht die Langmut Gottes bezüglich dieses „Menschen der Sünde“ ihr Ende. Paulus sagt uns, „dass ihn der Herr Jesus mit dem Hauch seines Mundes verzehren und durch die Erscheinung seiner Ankunft vernichten werde.“ Wie viele werden bis zu diesem Ausgang hin die Größe und Macht des Antichristen angestaunt, welch eine Menge von Huldigungen wird man einem solchen Wundertäter gebracht haben! Sicher wird die Höhe, auf welche er sich, um große Dinge zu tun, ohne Gott geschwungen hat, eine staunenswerte sein; aber in dem Augenblick, wo er sich selbst verherrlicht und den höchsten Platz eingenommen hat, erscheint Christus; und die Erscheinung seiner Ankunft genügt völlig, um den Menschen der Sünde zu vernichten; ein Hauch des Mundes Christi verzehrt ihn.

Wie wunderbar verändert wird in diesem verhängnisvollen Augenblicke dann plötzlich der Zustand der Dinge auf der ganzen Erde sein! Bis hierher ging alles Streben der Menschen dahin, sich selbst zu erhöhen und Gott auszuschließen; aber welch ein Entsetzen wird die Menschen dann erfassen, wenn sie Ihn, den sie beseitigt glaubten, als den Richter der ganzen Erde erscheinen sehen! Wie ein Spinnengewebe wird sich dann alles erweisen, was die Menschen sind und was sie zu tun vermögen gegenüber der Kraft dessen, dem „alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist.“

Und Gott sei gepriesen, dass dann der Hochmut des Menschen sein Ende findet, und dass Er, der auf dieser Erde so erniedrigt war, dass man sein Angesicht nicht sehen mochte, so sehr erhöht sein wird, dass jedes Knie sich vor Ihm beugt und jede Zunge Ihn als den Herrn bekennt! Wir aber, geliebte Brüder, werden Zeugen dieser Szene sein, (2. Thes 1,10) wenn wir mit dem Herrn vom Himmel zurückkehren. Welch ein glücklicher Augenblick wird für ein Herz, das Jesus liebt, dann angebrochen sein, wenn unser Auge Ihn von der ganzen Welt verherrlicht sieht! Jetzt bewundern wir seine Geduld, mit der er das Gericht verzieht; denn eben dieser Langmut Gottes haben wir es zu verdanken, dass wir zu der Zahl der Erlösten gehören. Wäre Er früher gekommen, und hätte Er uns als Sünder gefunden, was würde unser Los gewesen sein? Aber jetzt harren wir seiner Wiederkunft entgegen, wo Er uns, um seine Ruhe zu genießen, in das Haus des Vaters führen wird; und dann werden wir mit Ihm erscheinen in Herrlichkeit.

Möchten wir es doch jetzt verstehen, uns von einer Welt getrennt zu halten, die nicht nur unseren Herrn Jesus Christus gekreuzigt hat, sondern die auch einem Menschen huldigen wird, welcher Gott zu beseitigen und seinen Platz einzunehmen sich anmaßt. Je mehr man versteht, was diese blinde Welt ist, je mehr man ihren Hass wider Gott, sowie ihr Streben, ohne Gott in dieser Welt zu sein, und endlich ihren Hochmut, den höchsten Platz einzunehmen erkannt hat, desto mehr klärt sich der Unterschied zwischen ihnen, den Kindern dieser Welt, und uns, den Kindern Gottes, die wir jetzt schon Gott kennen, und die wir berufen sind, Ihn zu lieben, Ihn durch einen treuen, demütigen Wandel zu preisen und den Augenblick herbei zu wünschen, wo Er kommen wird, um uns aus einer solch bösen Welt herauszunehmen und uns zu einer Stätte zu führen, in der unser Ohr nicht mehr die Stimme derer, welche Gott hassen vernimmt, und unser Auge nicht mehr die Werke derer schaut, die, von Gott entfremdet, in Hochmut, Verblendung und Sünde einher gehen. Hier seufzen wir inmitten einer gefallenen Schöpfung; dort aber werden wir frohlocken inmitten der herrlichsten Segnungen. Der Name des Herrn sei ewig dafür gepriesen!

Fußnoten

  • 1 Es wird wohl kaum für den Leser der Bemerkung bedürfen, dass die Heiligen jener Tage nicht der Kirche angehören; sondern vornehmlich jüdische Gläubige sind, die sich nach der Aufnahme der Kirche auf der Erde befinden und die Gerichte durchmachen müssen.
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