Der neue und lebendige Weg in das Heiligtum
Kommentar zum Hebräer-Brief

Kapitel 9

Der neue und lebendige Weg in das Heiligtum

„Es hatte nun zwar auch der erste Bund Satzungen des Dienstes und das Heiligtum, ein weltliches. Denn eine Hütte wurde zugerichtet, die vordere – in der sowohl der Leuchter war als auch der Tisch und die Darstellung der Brote –, die das Heilige genannt wird; hinter dem zweiten Vorhang aber eine Hütte, die das Allerheiligste genannt wird, die ein goldenes Räucherfass hatte und die Lade des Bundes, überall mit Gold überzogen, in der der goldene Krug war, der das Manna enthielt, und der Stab Aarons, der gesprosst hatte, und die Tafeln des Bundes; oben über ihr aber die Cherubim der Herrlichkeit, den Sühndeckel überschattend, worüber jetzt nicht im Einzelnen zu reden ist“ (9,1–5).

Der Heilige Geist stellt uns in diesem Teil des Briefes (Kap 9 und 10,1–18) – immer noch in Fortsetzung des großen Gegenstands des Priestertums – das einmalige und vollkommene Opfer des neuen Bundes vor und seinen hohen Wert, der im Gegensatz zu den früheren Opfern besteht. Um die Vortrefflichkeit der Vorrechte hervorzuheben, die mit dem neuen Zustand der Dinge verbunden sind, erinnert der Schreiber an das, was mit der alten Ordnung im Zusammenhang stand. Zu diesem Zweck beginnt er mit der Aufzählung der Dinge, die sich in der Stiftshütte befanden, die er das Irdische oder „Weltliche“ (kosmikos) nennt, das „von dieser Welt“ ist, im Vergleich zur „Hütte, die nicht mit Händen gemacht, das heißt, nicht von dieser Schöpfung ist“ (Heb 9,11). Beachten wir wohl, dass im ganzen Brief von der Stiftshütte in der Wüste gesprochen wird und nicht vom Tempel im Land, der ein Bild der Ruhe ist.

Der erste Bund steht in Verbindung mit dem irdischen Heiligtum in der Wüste und hatte Satzungen, die Gott für den damaligen Gottesdienst gegeben hatte. Diese Satzungen und der alte Bund sollten jetzt verschwinden. Schon der Bau jenes Heiligtums zeigte, dass der Anbeter nicht herzunahen konnte, denn Gott blieb hinter dem Vorhang verborgen. In der Tat bestand dieses Heiligtum aus zwei Teilen, die sich voneinander unterschieden, obwohl sie zusammen ein Ganzes bildeten. Im ersten Teil, der hier die „vordere Hütte“ oder „das Heilige“ genannt wird, befanden sich sowohl der Leuchter als auch der Tisch, auf dem die Schaubrote lagen.

Der zweite Teil – „eine Hütte“ – wurde „das Allerheiligste“ genannt und war von der vorderen Hütte durch einen Vorhang getrennt, der hier „der zweite Vorhang“ genannt wird, denn auch am Eingang in die vordere Hütte hing ein Vorhang.

Im Allerheiligsten befand sich – gemäß dieser Stelle – das goldene Räucherfass (oder die Räucherpfanne, siehe 3. Mo 16,12.13; 4. Mo 17,11), mit dem der Hohepriester den Weihrauch darbrachte an dem einzigen Tag im ganzen Jahr, an dem er in die Gegenwart des Herrn hineingehen durfte. Im Allerheiligsten stand auch die Bundeslade, der Thron Gottes. In dieser Lade befand sich der goldene Krug mit dem Manna, der eine Erinnerung an die Fürsorge Gottes für sein Volk in der Wüste war (2. Mo 16,32–34). Außerdem waren auch der Stab Aarons, der gesprosst hatte, und das Siegel seines Priestertums in der Bundeslade (4. Mo 17,25), ebenso die Tafeln des Gesetzes oder Zeugnisses, die hier „Tafeln des Bundes“ genannt werden. Diese Tafeln stehen mit dem alten Bund in Verbindung, der auf dem Grundsatz des Gehorsams des Menschen aufgerichtet worden war (2. Mo 34,27.28; 25,21; 40,20). Schließlich waren auf der Lade die Cherubim der Herrlichkeit, die den Sühnungsdeckel überschatteten.

Der Verfasser fügt hinzu, dass er jetzt nicht im Einzelnen von diesen Dingen, die alle ihre symbolische Bedeutung haben, zu reden habe. Wir sehen in der Tat, dass er den Räucheraltar zwar nicht erwähnt, dafür aber das Räucherfass, das am Sühnungstag mit dem Feuer des Altars gefüllt werden musste. Der Hohepriester brachte dann den Weihrauch nicht auf dem Altar, sondern im Allerheiligsten dar, auf dem Feuer im Räucherfass. Nebenbei ist zu bemerken, dass, was in den Kapiteln 9 und 10 von den Opfern gesagt wird, sich auf die Opfer des Sühnungstages bezieht.

„Da nun dieses so eingerichtet ist, gehen zwar in die vordere Hütte allezeit die Priester hinein und verrichten den Dienst; in die zweite aber einmal im Jahr allein der Hohepriester, nicht ohne Blut, das er für sich selbst und für die Verirrungen des Volkes darbringt; wodurch der Heilige Geist dieses anzeigt, dass der Weg zum Heiligtum noch nicht offenbart ist, solange die vordere Hütte noch Bestand hat, was ein Gleichnis auf die gegenwärtige Zeit ist, nach dem sowohl Gaben als auch Schlachtopfer dargebracht werden, die dem Gewissen nach den nicht vollkommen machen können, der den Gottesdienst ausübt, der allein in Speisen und Getränken und verschiedenen Waschungen besteht, in Satzungen des Fleisches, auferlegt bis auf die Zeit der Zurechtbringung“ (9,6–10).

Nachdem der Schreiber von der Einrichtung der zweiteiligen Stiftshütte gesprochen und die Dinge aufgezählt hat, die sie enthielt, erinnert er uns an zwei weitere Tatsachen, aus denen er wichtige Schlüsse zieht.

  1. Die Priester, zu denen auch der Hohepriester gehörte, gingen in die vordere Hütte hinein, um dort den Dienst zu vollbringen: Sie brachten auf dem Räucheraltar täglich Weihrauch dar, sie sorgten für die Lampen des goldenen Leuchters, damit diese beständig brannten, und sie erneuerten jeden Sabbat die Schaubrote auf dem Tisch (2. Mo 30,7.8; vgl. Lk 1,9; 1. Chr 6,34; 2. Mo 27,21; 3. Mo 24,1–9).
  2. Der Hohepriester ging allein, einmal des Jahres, am Sühnungstag ins Allerheiligste hinein (3. Mo 16,3–19), indem er das Blut der Opfer hineintrug, die sowohl für ihn selbst dargebracht worden waren (3. Mo 16,11) als auch für die Vergehungen oder Sünden, die das Volk aus Unwissenheit begangen hatte (3. Mo 16,15.16).

Der Heilige Geist belehrt uns jetzt darüber, was diese Dinge bedeuten. Vor allem zeigt er, dass der Weg zum Heiligtum Gottes unter dem ersten Bund verschlossen war. Der sündige Mensch konnte nicht in das Allerheiligste, in die Wohnung Gottes, eingehen. Der Weg dahin war noch nicht frei gemacht worden. Zweitens sehen wir, dass alle fleischlichen Satzungen des mosaischen Gottesdienstes, die Gaben, die Opfer und die Waschungen das Gewissen nicht vollkommen machen und von der Sünde reinigen konnten. Aber das ist eine unerlässliche Bedingung für den, der in Wirklichkeit Gott nahen und Gottesdienst üben will.

Der Ausdruck „Heiligtum“ im achten Vers redet von der Vereinigung der beiden Teile der Hütte zu einem Ganzen. Es ist das Bild des himmlischen Heiligtums, in das wir eintreten. Dort finden wir nur den „zerrissenen Vorhang“. In der Tat riss der Vorhang des Tempels „von oben bis unten in zwei Stücke“, als der Herr auf dem Kreuz sein Leben hingegeben hatte (Mt 27,51). In Kapitel 10,19 unseres Briefes lesen wir: „Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum“. Für uns ist es also das himmlische Heiligtum.

Der Hohepriester ging also am Sühnungstag in das Allerheiligste hinein mit dem Blut der Opfer, die sowohl für ihn selbst als auch für die Verirrungen des Volkes dargebracht worden waren. Diese Verirrungen sind die aus Versehen begangenen Sünden, von denen in 3. Mose 4,2 und 4. Mose 15,22–29 gesprochen wird. Aber für die wissentlich begangenen Sünden gab es kein Schlachtopfer, das sie sühnen konnte: Der Schuldige musste unerbittlich getötet werden (4. Mo 15,30–36). Jene Begebenheit ist ein Beispiel von einer Sünde aus Vermessenheit (vgl. 5. Mo 17,12). Daran wird auch in unserem Brief erinnert: „Jemand, der das Gesetz Moses verworfen hat, stirbt ohne Barmherzigkeit auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen“ (Heb 10,28).

Die Stiftshütte war auch ein Gleichnis auf die „gegenwärtige Zeit“ auf der Erde. Die Satzungen, die sich darauf bezogen, sollten nicht länger als bis zur „Zeit der Zurechtbringung“ dauern, der neuen Haushaltung. Ein Festklammern an dem mosaischen Judentum bedeutete also, den Schatten der Wirklichkeit vorzuziehen. Auf diese Weise kommt der Verfasser auf den Wert und die Tragweite des Opfers Christi zu sprechen, die in völligem Gegensatz zu den unter dem alten Bund dargebrachten Opfern stehen.

„Christus aber – gekommen als Hoherpriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist, auch nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut – ist ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung erfunden hatte“ (9,11–12).

Christus ist gekommen! Das ist die große und herrliche Tatsache, die jetzt dem Leser vorgestellt wird. Man erfasst ihre Bedeutung, wenn man sich an das erinnert, was von der Würde seiner Person gesagt worden ist. Zwei Dinge kennzeichnen Ihn:

  1. Christus ist „Hohepriester der zukünftigen Güter“. Diese zukünftigen Güter sind also nicht die Segnungen, die wir als Christen gegenwärtig in Christus genießen. Diese Segnungen und auch unsere Beziehung zu Christus sind himmlisch (Eph 1,3). Die zukünftigen Güter stehen im Gegensatz dazu in Zusammenhang mit dem neuen Bund, der mit Israel auf der Erde geschlossen wird. Sie umfassen die verheißenen Segnungen, die der Messias bringen wird, wenn Er während des Tausendjährigen Reiches regiert.
  2. Er ist gekommen, „in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist“. Christus ist also nicht in Verbindung mit der irdischen Hütte gekommen, die durch Menschenhände aufgerichtet wurde, sondern in Verbindung mit einer größeren und vollkommeneren Hütte, die außerhalb der irdischen Schöpfung und in Verbindung mit der himmlischen Hütte steht. Wir haben es hier immer mit dem Gegensatz zwischen irdischen Satzungen und den himmlischen, besseren Dingen zu tun.

Dann sehen wir:

  1. Christus ist gekommen, nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut. Das ist wieder ein neuer Gegensatz zur alten Ordnung. Er hat durch den unendlichen Wert dieses Blutes, dessen Wirksamkeit ewig bleibt, eine ewige Erlösung erfunden. Das Werk ist vollkommen, vollständig erfüllt, und die Sünde ist für immer hinweggenommen. Wir haben eine Erlösung für die Ewigkeit.
  2. Nachdem diese ewige Erlösung bewirkt ist, ist Christus „ein für allemal in das Heiligtum eingegangen“. Er bleibt dort, in der Gegenwart Gottes, als das Unterpfand der Vollkommenheit und des ewigen Bestandes des vollbrachten Werkes.

Beachten wir dabei im Vorbeigehen, welchen Platz das Blut in diesem Kapitel einnimmt. Damit soll der völlige Gegensatz zwischen dem Blut der Opfer und dem unendlichen Wert der umfassenden und ewigen Wirksamkeit des Blutes Christi hervorgehoben werden. Die Schrift lehrt uns, dass das Blut das Leben ist. Das erklärt, weshalb das Essen jeglichen Blutes ausdrücklich verboten ist (1. Mo 9,4–6; 3. Mo 3,17; 7,26; 17,10–14; 5. Mo 12,16; Apg 15,28.29). Das vergossene Blut bedeutet Tod, dass Leben zu Ende ist. Im Fall unseres anbetungswürdigen Heilandes sehen wir deutlich, dass Er sein Leben selbst hingegeben hat. Er selbst hat sein Leben ausgeschüttet in den Tod (Joh 10,11.15.17.18; Jes 53,12).

„Denn wenn das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh, auf die Verunreinigten gesprengt, zur Reinheit des Fleisches heiligt, wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen“ (9,13.14).

Welches sind nun die Folgen dieser ewigen Erlösung? Um sie deutlicher hervorzuheben, erinnert der Verfasser daran, was unter dem Gesetz geschah. Die damals ins Auge gefassten Verunreinigungen waren äußerlicher Art und tasteten die Reinheit des Fleisches an: der Aussatz, die Berührung eines Toten usw. Wer in dieser Weise verunreinigt wurde, befand sich außerhalb der Gemeinschaft des Volkes bis zu dem Augenblick, an dem das Blut von Böcken und Stieren dargebracht oder der Unreine mit dem Wasser der Reinigung besprengt wurde, das in Verbindung mit der Asche der geschlachteten roten jungen Kuh zubereitet worden war (vgl. 3. Mo 4,5.14.16; 4. Mo 19).

Durch das Blut Christi hingegen ist eine weit größere und wichtigere Reinigung bewirkt worden, und zwar eine sittliche, eine Reinigung des Gewissens. Beachten wir, wovon das Gewissen gereinigt wird: von toten Werken, nicht nur von gewissen Sünden, sondern von allem, was die sündige Natur des Menschen, der tot ist, in seinen Vergehungen und Sünden hervorbringt. Es sind tote Werke, Früchte eines verderbten Herzens, die vor Gott keinen Wert haben können. Sie zeigen deutlich, dass der „Baum“, der sie hervorbringt, „tot“ und verdorben ist. Das Gewissen wird durch das Werk Christi und das vergossene Blut auf der Grundlage einer ewigen Erlösung gereinigt. Damit sind die toten Werke und alles, was der Mensch in seiner sündigen Natur war und ihn verunreinigte, beiseite gesetzt und ausgelöscht.

Indem jetzt unser Gewissen gereinigt ist, sind wir fähig gemacht worden, dem lebendigen Gott zu dienen. Dieser Ausdruck „lebendiger Gott“ bildet einen absoluten Gegensatz zu den „toten Werken“, zu dem sittlichen Zustand des nicht wiedergeborenen Menschen, der sie hervorbringt und daher durchaus unfähig ist, dem lebendigen Gott zu dienen. Der Ausdruck „dienen“ bedeutet hier nicht „gehorchen“ oder „den Willen Gottes tun“, sondern bezieht sich auf den Priesterdienst in der Gegenwart Gottes. Im Grundtext ist es dasselbe Wort wie im neunten Vers, wo es mit „Gottesdienst üben“ übersetzt wird. Was für ein glückliches Vorrecht ist es doch, mit einem gereinigten Gewissen vor Gott stehen zu können, um Ihm in Anbetung zu dienen!

Aber bleiben wir noch einen Augenblick bei dem Mittel stehen, durch das wir eine solche Gunst genießen können. Es ist das Blut des Christus. Hier werden jedoch noch mehrere Dinge hinzugefügt, welche die Kraft und die Wirksamkeit dieses Opfers verdeutlichen. Die Opfer (Vers 13) wurden dargebracht, ohne dass die Tiere wussten, um was es ging. Christus aber hat sich selbst Gott geopfert. Er opferte sich in dem vollen Bewusstsein dessen, was Er tat. Sein Opfer war freiwillig, es geschah in Hingabe und Gehorsam Gott gegenüber. Die Opferung Christi war also eine sittliche Handlung, die zur Verherrlichung Gottes ausgeführt wurde.

„Ohne Flecken“ wird hinzugefügt. Die Tieropfer mussten äußerlich makellos sein. Christus aber war sittlich, innerlich rein, ohne Flecken. Auf diese Weise war er würdig vor dem Gott, dem Er sich dargebracht hat. Es handelte sich hier um Christus als den Menschen, denn als solcher hat Er Sünde nicht gekannt. Gezeugt vom Heiligen Geist ist Er ohne Sünde geboren. In seinem Leben wurde Er durch den Heiligen Geist geführt und hat die Sünde nicht in sich eindringen lassen. In allem war Er von ihr getrennt. Alle seine Beweggründe waren vollkommen rein und Er hatte nur Gott vor Augen. Sein Opfer war also nicht nur freiwillig, sondern auch ohne Flecken und daher von einer Vollkommenheit, die es für Gott wohlangenehm machte. Er war das wahrhaftige Brandopfer.

Noch ein anderer Charakterzug kennzeichnet die Vortrefflichkeit des Opfers Christi. Er hat sich durch den ewigen Geist geopfert. Seine Hingabe war durch die Kraft des Geistes Gottes, der in Ihm, dem Menschen, wohnte. Der Geist wird hier nicht „Heiliger Geist“ genannt sondern „ewiger Geist“, da auch die durch das Opfer Christi bewirkte Erlösung ewig ist. Die Kraft, in der sich Christus geopfert hat, wird also durch dasselbe Wort gekennzeichnet. Der Geist, durch den Christus sein Opfer vollbracht hat, verleiht diesem eine ewige Wirksamkeit und einen ewigen Wert. 1 Wie groß und wunderbar ist doch das Werk Christi am Kreuz von Golgatha!

„Und darum ist er Mittler eines neuen Bundes, damit, da der Tod stattgefunden hat zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen die Verheißung des ewigen Erbes empfingen“ (9,15).

Durch dieses vergossene Blut und den erlittenen Tod ist Christus der Mittler eines neuen Bundes geworden. Der neue Bund ist also auf sein Blut gegründet. Er betrifft Israel in der Zukunft. Daher vermeidet der Schreiber durchweg eine direkte Anwendung des neuen Bundes auf uns. Aber schon jetzt ist alles bereit, damit dieser Bund auch später seine Wirkung haben kann: der Mittler ist da und der Tod hat stattgefunden „zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund“.

Die unter dem ersten Bund dargebrachten Opfer konnten die begangenen Übertretungen nicht sühnen, aber der Mittler hat durch seinen Tod, der der Lohn der Sünde ist, das Lösegeld bezahlt. Die Sünden sind kraft dieses Todes ausgelöscht, so dass „die Berufenen“, die jetzt berufen werden (vgl. Heb 3,1), Nutznießer dieses Lösegeldes sind und das verheißene ewige Erbe empfangen. Dieses Erbe umfasst alle verheißenen Segnungen, die in Beziehung zum neuen Bund stehen. Dieses Erbe ist ewig, weil das Werk, das die Sünde vor den Augen Gottes wegnimmt, in Vollkommenheit erfüllt ist. Die Natur und das Wesen Gottes sind dadurch verherrlicht worden, und es hat einen ewigen Wert.

„(Denn wo ein Testament ist, da muss notwendig der Tod dessen eintreten, der das Testament gemacht hat. Denn ein Testament ist gültig, wenn der Tod eingetreten ist, weil es niemals Kraft hat, solange der lebt, der das Testament gemacht hat)“ (9,16.17).

Das sonst mit „Bund“ übersetzte Wort wird jetzt hier mit „Testament“ wiedergegeben. Es bedeutet auch „Verfügung“. Der Bund ist eine Verfügung, die Gott im Blick auf den Menschen, der zu Ihm in Beziehung tritt, getroffen hat. Das Testament ist eine Verfügung zu Gunsten eines anderen.

Aus diesen beiden Versen, die eine durch den Gedanken des Erbes veranlasste Einschaltung sind, geht deutlich hervor, dass es hier um die Bedeutung des Bundes als eines Testamentes geht. Dieser zusätzliche Gedanke wird eingeführt, um zu zeigen, dass der Tod des Christus als Erblasser eine Notwendigkeit war, um die Segnungen des ewigen Erbes, die der Inhalt des Testamentes sind, genießen zu können.

„Daher ist auch der erste Bund nicht ohne Blut eingeweiht worden. Denn als jedes Gebot nach dem Gesetz von Mose zu dem ganzen Volk geredet worden war, nahm er das Blut der Kälber und der Böcke mit Wasser und scharlachroter Wolle und Ysop und besprengte sowohl das Buch selbst als auch das ganze Volk und sprach: ‚Dies ist das Blut des Bundes, den Gott für euch geboten hat.’ Aber auch die Hütte und alle Geräte des Dienstes besprengte er ebenso mit dem Blut; und fast alle Dinge werden mit Blut gereinigt nach dem Gesetz, und ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung. Es war nun nötig, dass die Abbilder der Dinge in den Himmeln hierdurch gereinigt wurden, die himmlischen Dinge selbst aber durch bessere Schlachtopfer als diese“ (9,18–23).

Der Verfasser kommt auf den Gedanken des Bundes zurück und zeigt, dass auch der erste Bund nicht ohne Blut eingeweiht worden ist und deshalb mit dem Eintritt des Todes in Verbindung steht. In der Tat geht aus 2. Mose 24,7.8 hervor, dass das Blut der Opfer die Autorität des Gesetzes über das Volk besiegelte, das es mit den Worten angenommen hat: „Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir tun und gehorchen.“ Es war ein Zeichen dafür, dass mit dem Bund die Verpflichtung verbunden war, das Gesetz zu befolgen. Ein Übertreten des Gesetzes wurde mit der Todesstrafe geahndet.

Zweitens ersieht man aus zahlreichen Stellen und besonders in 3. Mose 16,15–19, dass selbst die Stiftshütte und ihre Geräte, die durch die Unreinheiten und die Übertretungen der Kinder Israels verschmutzt waren, durch Blut gereinigt wurden. 2

Damit gelangt der Schreiber zu der großen und wichtigen, im ganzen Gesetz verkündeten Wahrheit: „Ohne Blutvergießung (ohne Tod) gibt es keine Vergebung.“ Der Bund gründet sich also auf das Blut, durch das jetzt auch die Verunreinigungen ausgelöscht und die Vergebung der Sünden (die Aufhebung der Schuldhaftigkeit) bewirkt werden konnte.

Die Stiftshütte und alles was dazu gehörte, waren Abbilder der Dinge in den Himmeln und wurden durch das Blut der Opfer gereinigt. Die himmlischen Dinge selbst aber verlangten für ihre Reinigung bessere Schlachtopfer, das vollkommene Opfer Christi. Die himmlischen Dinge sind das Heiligtum droben, die „wahrhaftige Hütte“, in die Christus als Diener eingegangen ist (Heb 8,1.2). Auch sie bedürfen der Reinigung, weil sie durch die Gegenwart Satans und seiner Engel verunreinigt sind.

Am Sühnungstag (3. Mo 16) reinigte der Hohepriester, wie wir es weiter oben gesehen haben, das irdische Heiligtum, das durch die Sünden der Kinder Israels verunreinigt war, mit Blut. So hat auch Christus durch sein Blut und gestützt auf sein Opfer alles Nötige zur Reinigung des himmlischen Heiligtums getan. Das Werk, auf dem diese Reinigung ruht, ist vollbracht. Was uns betrifft, so genießen wir diese Reinigung schon heute: unsere Sünden sind ausgetilgt.

Wir sind daher mit Gott versöhnt und für die Gegenwart Gottes passend gemacht. Aber wenn Satan und seine Engel vom Himmel auf die Erde geworfen sein werden (Off 12,9), muss noch die endgültige Reinigung der himmlischen Dinge erfolgen. Auf Grund des Opfers Christi, des „Blutes des Kreuzes“ wird später auch die Versöhnung „aller Dinge“ mit Gott zustande gekommen sein, „seien es die Dinge auf der Erde oder die Dinge in den Himmeln“ (Kol 1,20), wenn Satan in den Abgrund geworfen und gebunden wird (Off 20,1–3). Wir aber sind jetzt schon versöhnt „im Leib seines Fleisches durch den Tod“ (Kol 1,21.22). Sowohl im Kolosser- als auch im Hebräerbrief wird also auf das Werk Christi am Kreuz, auf sein vergossenes Blut und auf die Gläubigen hingewiesen, aber auch auf seine zukünftige Anwendung: auf die Reinigung der „himmlischen Dinge“ und „die Versöhnung aller Dinge“.

„Denn Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen; …“ (9,24).

Die Reinigung und Versöhnung aller Dinge ist also die große Tatsache, die sich aus dem Opfer Christi ergibt. Er ist nicht in das mit Händen gemachte, irdische Heiligtum eingegangen, sondern in den Himmel selbst, in das himmlische Heiligtum. Er befindet sich dort gemäß der Vortrefflichkeit seiner Person und kraft der Vollkommenheit seines vollbrachten Werkes, und zwar in der Gegenwart Gottes selbst, vor dessen Angesicht Er nun für uns erscheint. So, wie einst der Hohepriester einmal des Jahres als Vertreter Israels ins Allerheiligste eintrat, so erscheint Christus jetzt für uns vor dem Angesicht Gottes und bleibt dort. Unsere Stellung verändert sich also nicht. Welche Gnade, in dieser Weise in Gottes Nähe zu sein, ohne dass zwischen Ihm und uns noch ein „Vorhang“ ist! Welche Vollkommenheit in der Person und im Werk dessen, der dort für uns erscheint! Welche Sicherheit für die Seele, in solch einer Weise vertreten zu sein!

„… auch nicht, damit er sich selbst oftmals opferte, wie der Hohepriester alljährlich in das Heiligtum hineingeht mit fremdem Blut; sonst hätte er oftmals leiden müssen von Grundlegung der Welt an. Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer“ (9,25.26).

In Israel musste der Hohepriester jedes Jahr mit dem Blut neuer Opfer ins Heiligtum eintreten. Dieses Blut war nicht sein eigenes Blut, sondern „anderes Blut“, mit dem das Volk und die Stiftshütte gereinigt wurden. Diese Handlung war nie vollkommen und konnte auch die Sünde nicht für immer hinweg nehmen. Sie musste ständig wiederholt werden.

Mit dem Opfer des Herrn ist es nicht so. Er ist ein für allemal ins himmlische Heiligtum eingegangen und bleibt dort. Er ist mit seinem eigenen Blut gekommen. Da sein Opfer sowohl in sich selbst als auch in seinen Auswirkungen vollkommen ist, muss es nicht wiederholt werden. Sonst hätte Christus oftmals leiden müssen von Grundlegung der Welt, von der Einführung der Sünde an, aber das war nicht nötig, denn jetzt „ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer“. Das ist eine Wahrheit von allergrößter Bedeutung, die unendlich wertvoll ist!

Es heißt hier „in der Vollendung der Zeitalter“. Die „Zeitalter“ sind die Zeiten der Langmut Gottes gegenüber dem Menschen, die dem Werk Christi vorausgingen, die Zeiten, in denen der Mensch auf verschiedene Weise auf die Probe gestellt wurde und in denen sich die Geschichte des Menschen abspielte, als er unter seine eigene Verantwortung gestellt war. Diese Zeiten umfassen die verschiedenen Haushaltungen, durch die ihn Gott hindurchgehen ließ:

  • vor dem Gesetz,
  • unter Gesetz,
  • mit dem Priestertum, um Gott zu nahen,
  • mit Verheißungen,
  • dann in der Gegenwart seines geliebten Sohnes, der in Gnade und Macht zur Befreiung gekommen war.

Diese vielen Jahrhunderte der Erprobung haben deutlich gezeigt, was der Mensch in seiner Natur und in seinem Willen ist. Er hat sich keineswegs Gott unterworfen und hat sich kein ihm angebotenes Mittel zunutze gemacht, um Gott zu nahen. Er hat sich deutlich als böse offenbart, unverbesserlich schlecht, als Sünder und Feind Gottes, und zwar in einem solchen Maß, dass der Herr am Ende seines Lebens auf der Erde das schmerzliche Wort aussprechen musste, das endgültig zusammenfasst, was das Menschenherz ist: „Jetzt aber haben sie gesehen und doch gehasst sowohl mich als auch meinen Vater“ (Joh 15,24).

Das ist „die Vollendung der Zeitalter“, das Ende der Geschichte des auf die Probe gestellten Menschen. Er setzte seiner Sünde durch die Verwerfung und Kreuzigung des Herrn Jesus, des Sohnes Gottes, die Krone auf.

Und da tritt Gott seinem ewigen Ratschluss der Liebe gemäß dazwischen. Der Mensch hat seine völlige Unfähigkeit erwiesen, die Anforderungen Gottes zu erfüllen. Er offenbarte sogar in der Verwerfung des Sohnes Gottes seine Feindschaft gegen Gott. In dieser Verwerfung, als Christus Gott offenbart hat, hat Er das Werk Gottes erfüllt und die Abschaffung der Sünde bewirkt. Er ist freiwillig gestorben, von Seiten der Menschen ermordet. Jetzt aber ist dieses Werk vollkommen erfüllt.

Die Sünde, die Gott verunehrt und den Menschen von Ihm getrennt hatte, ist durch das Opfer Christi zunichte gemacht worden. Sie ist vor den Augen Gottes hinweg getan und zwar ein für allemal. Christus ist einmal offenbart worden, und das eine Mal genügte, da durch die Abschaffung der Sünde das große Endresultat zur Ehre Gottes und zum Segen des Menschen erreicht war. Somit ist in sittlicher Beziehung die Vollendung der Zeitalter erreicht.

Es ist wohl wahr, dass noch nicht alle Ergebnisse des Werkes Christi in Erscheinung getreten sind. Aber die Grundlage dazu ist gelegt. Die Sünde wird von der Welt weggenommen (Joh 1,29). Die Werke des Teufels werden vernichtet werden (1. Joh 3,8). Es wird einen neuen Himmel und eine neue Erde geben, in denen Gerechtigkeit wohnt. Das ist eine ganz neue Schöpfung (Off 21,1; 2. Pet 3,13), in der die Sünde und ihre Folgen nicht mehr bestehen und nie mehr Eingang finden können. Das alles ist das Ergebnis des Werkes Christi. Sein Opfer, das Opfer seiner selbst auf dem Kreuz, ist die Grundlage, auf der diese Offenbarung der Macht, der Liebe und der Herrlichkeit Gottes in Ewigkeit ruht. Aber jetzt schon verwirklicht der Gläubige dieses Ergebnis, nämlich die Abschaffung der Sünde, in seinem Gewissen, so wie er auch jetzt schon in sittlicher Hinsicht zur neuen Schöpfung gehört (2. Kor 5,17).

„Und ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, so wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Mal denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Errettung“ (9,27.28).

Der Schluss des vorangegangenen Verses stellt uns das Werk Christi, sein Opfer und dessen allgemeine Tragweite vor, wovon das vollständige und endgültige Ergebnis noch kommen wird. Der Gläubige selbst besitzt dieses Ergebnis schon, allerdings noch nicht so, wie es sich in der Herrlichkeit zeigen wird, sondern bezüglich seines Gewissens, so dass für ihn die Sünde abgeschafft ist und er ohne Vorhang in der Gegenwart Gottes sein kann.

Christus wird hier als Stellvertreter vorgestellt: Er trägt die Sünden. Am Sühnungstag wurden zwei Böcke abgesondert. Einer war für den Herrn und wurde als Opfer für die Sünde des Volkes dargebracht. Sein Blut wurde in das Allerheiligste hineingetragen, um für das Heiligtum Sühnung zu tun und es von den Verunreinigungen des Volkes Israel zu reinigen. Im Vorbild entspricht dies der Abschaffung der Sünde vor Gott durch das Opfer Christi.

Der zweite Bock wurde nicht getötet, stand aber doch im Zusammenhang mit dem ersten, der geschlachtet wurde, denn er musste in der Wüste, in dem „öden Land“ verschwinden, dem Bild des Todes. Auf dem Kopf dieses zweiten Bockes bekannte Aaron, der Hohepriester und Vertreter des Volkes, die Übertretungen und Ungerechtigkeiten der Söhne Israels, und sie wurden so auf den Bock gelegt. Dann führte man ihn in die Wüste. Er nahm nun alle diese Sünden mit sich mit und sie verschwanden damit vor dem Auge Gottes und vor dem Volk (3. Mo 16). Im Bild stellt auch dieser zweite Bock Christus dar, „welcher einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen“. Das ist Christus als der Stellvertreter für uns Gläubige: „Er hat unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen“ (1. Pet 2,24).

Wegen der Sünde erwarten den Menschen zwei schreckliche Wirklichkeiten: der Tod und danach das Gericht. Das ist das Los des Menschen als Kind Adams: Es ist ihm gesetzt, einmal zu sterben. Aber mit diesem Tod, dem Lohn der Sünde (Röm 6,23), ist für ihn noch nicht alles beendet. Es folgt noch Schrecklicheres: das Gericht. Der Tod führt ihn vor Gott hin, der ihn richtet, und daher ist der Tod der König der Schrecken (Hiob 18,14). Aber für den Gläubigen ist alles anders: Er ist nicht mehr von Adam abhängig, sondern von Christus. Und in Christus findet er zwei gesegnete Gewissheiten:

  1. Christus ist ein für allemal für ihn geopfert worden, um seine Sünden zu tragen, und folglich sind sie völlig weggetan.
  2. Christus wird bald erscheinen und denen, die Ihn erwarten, eine vollkommene Befreiung bringen.

Er muss sich also durchaus nicht mehr vor dem Gericht fürchten. Deshalb hat auch der Tod, wenn er ihn erdulden muss, für ihn nicht mehr diesen Schrecken.

Beachten wir den Ausdruck „vieler“. Er steht im Gegensatz zu „aller“. Das Werk Christi genügt für alle. Er hat sich für alle zum Lösegeld gegeben. Er ist die Sühnung für die ganze Welt (1. Tim 2,6; 1. Joh 2,2). Er hat nicht „allversöhnend“ die Sünde aller getragen. Nur die Glaubenden genießen den Nutzen seines Werkes. „Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus gegen alle und auf alle, die glauben“ (Röm 3,22).

Für die Glaubenden, beachten wir auch dies, geht es nicht mehr so sehr um den Tod. Sie erwarten Christus, und Er wird ihnen erscheinen. Es ist sein zweites Kommen, und wie sehr unterscheidet es sich von dem ersten Kommen! Damals ist Er in tiefster Erniedrigung erschienen, nun aber kommt Er in Herrlichkeit. Beim ersten Kommen, obwohl in sich selbst absolut ohne Sünde (Heb 4,15), hatte Er es unsertwegen mit der Sünde zu tun. In der Tat: Er, der Sünde nicht kannte, wurde für uns zur Sünde gemacht (2. Kor 5,21). Er war das Opfer für die Sünde (Röm 8,3). Er hat die Sünden vieler getragen. Auf dem Kreuz wurde Er damit beladen. Dort aber hat Er die Sünde durch sein Opfer zunichte gemacht. Dort hat Er die Reinigung der Sünden bewirkt. Er hat sie gesühnt und sie für die Gläubigen völlig getilgt. Dieses Werk ist erfüllt. Die Frage der Sünde ist geordnet.

Wenn Er nun zum zweiten Mal erscheint, wird dies „ohne Sünde“ sein, unabhängig von jeder Frage der Sünde. Er hat dann im Blick auf die Gläubigen, die Ihn erwarten, nichts mehr mit Sünde zu tun, denn ihre Sünden sind völlig getilgt. Er wird ihnen nicht zum Gericht, sondern zur Seligkeit erscheinen, d. h. Er wird sie von allen Folgen der Sünde befreien.

Dieser Ausdruck „zur Seligkeit“, der sich ausschließlich auf den Gläubigen bezieht, umfasst auch den gläubigen jüdischen Überrest, der in der kommenden Zeit Christus erwarten und sehen wird, wenn Er zur Befreiung des Überrestes erscheinen wird. Hier ist nicht von der Entrückung der Heiligen die Rede, wie z.B. in 1. Thessalonicher 4, sondern von der Erscheinung Christi zur Befreiung derer, die Ihn erwarten: die Gläubigen heute, und später der gläubige jüdische Überrest. Es wird hier auch nicht erwähnt, dass diese Erscheinung zugleich seine Offenbarung vor der Welt sein wird, wo jedes Auge Ihn sehen wird (Off 1,7). Das wird zu ihrem Gericht sein. Hier wird nur von seiner Erscheinung zur Seligkeit derer gesprochen, die Ihn erwarten.

Wie wunderbar ist doch die Geschichte der Gnade, die uns durch das Opfer Christi aus unserem Zustand des Verfalls bis zur endgültigen Befreiung führt, indem sie uns jetzt schon einen gesicherten Platz in der Gegenwart Gottes gibt, wo Christus für uns erscheint!

In der Vollendung der Zeitalter ist Christus zum ersten Mal erschienen, um die Sünde abzuschaffen und die Sünden zu tragen; zum zweiten Mal wird Er ohne Sünde erscheinen, zur völligen Befreiung derer, die Ihn erwarten; dies ist unsere Hoffnung. Wir befinden uns zwischen diesen beiden Kommen, vollkommen gereinigt und ohne ein Gewissen von Sünde vor Gott, in dessen Gegenwart Christus jetzt für uns erscheint. Welch gesegnete Stellung, welch glückselige Erwartung!

Dieser Ausdruck „zur Seligkeit erscheinen“ beschließt und vervollständigt eine Serie von Stellen in unserem Brief, in der wir den Ausdrücken „Errettung“ oder „Heil“ begegnen, was die Übersetzung desselben Wortes aus dem Grundtext ist3. Es gibt solche, „welche die Seligkeit“ (1,14), „eine so große Errettung“ (2,3) ererben sollen; „der Urheber unserer Errettung“ wurde durch Leiden vollkommen gemacht (2,10); es ist ein „ewiges Heil“ (5,9); die besseren Dinge sind mit der Seligkeit verbunden (6,9); dieses durch Christus erworbene Heil ist vollständig und begleitet uns bis zum Abschluss der christlichen Laufbahn auf der Erde (7,25); und dieses Ende des Lebensweges ist dann erreicht, wenn Er denen, die Ihn erwarten, zur Seligkeit erscheinen wird.

Fußnoten

  • 1 Beachten wir, mit welcher Sorgfalt der Hebräerbrief allen Dingen das Beiwort „ewig“ hinzufügt. Er stellt den Gläubigen keineswegs auf den Boden einer zeitlichen Beziehung zu Gott auf der Erde, sondern auf den Boden einer ewigen Beziehung. So verhält es sich auch mit der Erlösung und dem Erbe. Auch im Hinblick auf dieses ist das Werk auf der Erde ein- für allemal vollbracht. Diese Bemerkung bezüglich der Natur des Werkes ist nicht ohne Wichtigkeit. Daher die Anwendung des Beiwortes „ewig“, selbst im Zusammenhang mit dem Heiligen Geist.
  • 2 „Fast alle Dinge werden mit Blut gereinigt nach dem Gesetz“, wird hier gesagt. Es gab Fälle, wo das Wasser als Mittel der Reinigung angewandt wurde, sowohl für Personen als auch für Dinge (Siehe 3. Mo 15 und 4. Mo 19). „Das Wasser ist ein Bild der sittlichen und praktischen Reinigung. Diese Reinigung geschieht durch die Anwendung des Wortes auf Herz und Gewissen, das alles Böse richtet und alles Gute offenbart.“
  • 3 In der französischen Bibelübersetzung findet sich an diesen Stellen überall das Wort „salut“.
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