Der verheißene König und sein Reich
Kommentar zum Matthäus-Evangelium

Kapitel 25

Der verheißene König und sein Reich

Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (25,1–13)

„Dann wird das Reich der Himmel zehn Jungfrauen gleich werden, die ihre Lampen nahmen und ausgingen, dem Bräutigam entgegen. Fünf von ihnen aber waren töricht und fünf klug. Denn die Törichten nahmen ihre Lampen und nahmen kein Öl mit sich; die Klugen aber nahmen Öl mit in den Gefäßen, zusammen mit ihren Lampen. Als aber der Bräutigam noch ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. Um Mitternacht aber erhob sich ein lauter Ruf: Siehe, der Bräutigam! Geht aus, ihm entgegen! Da standen alle jene Jungfrauen auf und schmückten ihre Lampen. Die Törichten aber sprachen zu den Klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen erlöschen. Die Klugen aber antworteten und sagten: Keineswegs, damit es nicht etwa für uns und euch nicht ausreiche; geht lieber hin zu den Verkäufern und kauft für euch selbst. Als sie aber hingingen, um zu kaufen, kam der Bräutigam, und die, die bereit waren, gingen mit ihm ein zur Hochzeit; und die Tür wurde verschlossen. Später aber kommen auch die übrigen Jungfrauen und sagen: Herr, Herr, tu uns auf! Er aber antwortete und sprach: Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euch nicht. - Wacht also, denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde“ (25,1–13).

Hier ist wieder ein Gleichnis von dem Reich der Himmel vor uns, das von dem Zustand der Dinge redet, der während der Zeit der Verwerfung des Königs besteht, in welcher Ihm aber von denen, die Ihn aufgenommen und erkannt haben, Zeugnis gegeben wird. Der Herr zeigt uns hier eine der Formen dieses Reiches. Mehrere andere seiner Formen wurden uns im 13. Kapitel vorgestellt. Er vergleicht es mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nehmen und dem Bräutigam entgegen gehen. Bei den Hochzeiten, wie sie noch heute im Orient gefeiert werden, findet dies in der Nacht statt, in dem Augenblick der Ankunft des Bräutigams. Um in den Hochzeitssaal eintreten zu können, braucht er feierlich leuchtende Lampen. Zu diesem Dienst sind die Jungfrauen bestimmt und das allein gibt ihnen das Vorrecht, mit dem Bräutigam einzutreten und mitzufeiern.

Diese zehn Jungfrauen hatten also ihre Lampen genommen und waren ausgegangen, dem Bräutigam entgegen. Sie stellen alle die Menschen dar, die das Evangelium empfangen haben und sich zum Christentum bekennen. Seitdem das Evangelium den Juden und den Menschen aus den Nationen verkündigt wird, gibt es solche, die es annehmen und das Judentum oder das Heidentum, die Religion, die sie bis dahin praktiziert haben, verlassen, um den Herrn zu erwarten. Das Christentum, wie es in den ersten Tagen der Kirche verwirklicht wurde, war durch eine lebendige Erwartung der Wiederkehr Christi gekennzeichnet. Man erzählte es sich weit herum, wie sich die Thessalonicher „von den Götzenbildern zu Gott bekehrt hatten, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten“ (1. Thes 1,9.10).

Aber bald mischten sich Personen zu diesem öffentlichen Zeugnis, die sich nur äußerlich zum Christentum, als zu einer Religion bekannten, dabei aber kein Leben und auch nicht die Kraft des Geistes besaßen, um das Leben aus Gott hervorleuchten zu lassen, wie auch das Öl die Lampe zum Brennen bringt. Diese toten Bekenner sind in den fünf törichten Jungfrauen dargestellt. In der Tat ist es eine Torheit, sich ohne Öl zu denen zu gesellen, deren Aufgabe es ist, während einer ganzen Nacht zu leuchten. Denn es war doch ungewiss, zu welcher Stunde der Bräutigam kommen würde!

Die fünf klugen Jungfrauen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen mit ihren Lampen, denn sie waren sich ihres Dienstes wohl bewusst. Sie stellen also die wahren Gläubigen dar, die Leben aus Gott haben und den Geist Gottes besitzen, der ihnen in der sittlichen Nacht bis zur Wiederkehr des Herrn den Weg zeigt und Kraft zum Zeugnis gibt.

„Als aber der Bräutigam noch ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.“ Sowohl die Gläubigen als auch die Ungläubigen hatten die Hoffnung auf das Kommen des Herrn aus den Augen verloren. Der einschläfernde Einfluss der Nacht wirkte sich auf alle aus.

Es erfordert eine ununterbrochene Energie, um sich wach zu halten. Denn es fällt jedem schwer, während der ganzen Nacht wach zu bleiben. Dazu braucht das Herz etwas Fesselndes. Wenn also nicht Christus dieser Herzensgegenstand ist, wird der Christ bald einschlafen. Er lässt sich vom Strom dieser Welt dahintreiben, was für das Fleisch so natürlich ist.

„Um Mitternacht aber erhob sich ein lauter Ruf: 'Siehe, der Bräutigam! Geht aus, ihm entgegen!'“ Es gilt, von neuem auszugehen, nicht mehr aus dem Judentum oder aus dem Heidentum, wie am Anfang, sondern aus dem Zustand des Schlafes, in den die ganze Christenheit aus Mangel an Wachsamkeit gefallen ist. Es musste eine Erweckung kommen. Gerade das hat sich in der ersten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts zugetragen, als man im Wort Gottes die Wahrheit über das Kommen des Herrn wiederentdeckte. Da sind gleichsam alle Jungfrauen aufgestanden, um ihre Lampen zu schmücken. Aber die Lampen derer, die kein Öl bei sich trugen, erloschen bald. Denn was nützt es, den Docht nachzuziehen, wenn das Öl, das ihn speisen soll, fehlt? Man kann wohl versuchen, eine Religion ohne Leben zu reformieren, aber es entsteht daraus kein Licht für den Herrn. Das Öl fehlt. Die Früchte einer religiösen Natur sind nicht die Frucht des Heiligen Geistes und können nicht andauern. „Die Törichten aber sprachen zu den Klugen: 'Gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen erlöschen.'“ Die klugen Jungfrauen konnten ihre Gefährtinnen jedoch nur auf die einzige Hilfsquelle hinweisen: „Geht lieber hin zu den Verkäufern und kauft für euch selbst.“ Der Gläubige besitzt das Leben und den Heiligen Geist für sich selbst, aber er kann sie nicht anderen mitteilen.

„Als sie aber hingingen, um zu kaufen, kam der Bräutigam, und die, die bereit waren, gingen mit ihm ein zur Hochzeit.“ Sie hatten den Dienst, zu dem sie berufen waren, erfüllt. Ihr Platz war nun bei dem Bräutigam im Hochzeitssaal. „Und die Tür wurde verschlossen.“ Das ist eine schreckliche Tatsache!

Niemand wird diese Türe, welche die Seelen in der Freude und in dem Licht von denen trennt, die in der Finsternis und in den Tränen sind, öffnen können! Das bringt uns jene andere Tür in Erinnerung, die Gott angesichts einer gottlosen Welt, die von den Wassern verschlungen werden sollte, selber zuschloss (1. Mo 7,16). Die übrigen Jungfrauen kamen und sagten: „Herr, Herr, tu uns auf! Er aber antwortete und sprach: 'Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euch nicht.'“ Welche Antwort! Der Bräutigam hatte sich der Jungfrauen bedient, um Ihm im Augenblick seiner Ankunft zu leuchten. Diese fünf aber waren nicht da. Daher hatten sie kein Recht zum Eintritt in den Hochzeitssaal.

Wie verhängnisvoll ist es doch für einen Menschen, wenn er anfängt, mit der ihm anvertrauten Zeit zu spielen! Wir wissen nicht, wie lange die Frist ist, die noch zu unserer Verfügung steht. Die Zeit der Gnade geht ihrem Ende entgegen. Der Ruf: „Siehe, der Bräutigam!“ ist schon am Anfang des 19. Jahrhunderts gehört worden, als sich viele Gläubige jener Tage wieder an die Wiederkunft des Herrn erinnerten, von der Gottes Wort Zeugnis gibt und von der Er selbst so viel gesprochen hat. In der ganzen Christenheit wurde damals von dem Wiederkommen des Herrn Jesus Zeugnis abgelegt. Und dieser Ruf wird nicht wieder verstummen, bis Er kommt. Sein Kommen steht jetzt unmittelbar bevor, wenn es auch viele nicht glauben wollen. Wir sind diesem Augenblick heute schon viel näher als damals, als der Ruf zuerst erklungen ist. Dabei dürfen wir freilich nicht vergessen, dass vor dem Herrn tausend Jahre wie ein Tag und ein Tag wie tausend Jahre sind (2. Pet 3,8). Es ist nicht unsere Sache, über die Zeit seines Kommens zu spekulieren, denn nur Gott, dem Vater, steht es zu, diesen Zeitpunkt zu bestimmen. Aber der Herr nennt es töricht, zu denken, dass man noch viel Zeit zur Verfügung habe (vgl. Lk 12,19.20).

Man zittert bei dem Gedanken, dass viele Menschen und selbst Kinder von Gläubigen sich in der Stellung der törichten Jungfrauen befinden, indem sie kein Leben aus Gott haben und den Heiligen Geist nicht besitzen. Sie haben kein Öl in ihren Lampen, wenn der Herr Jesus kommt. Und in jenem Augenblick kann das Versäumte nicht mehr nachgeholt werden. Wer dann noch kommen will, wird die Tür verschlossen finden, die heute so weit geöffnet ist. Das Kommen des Herrn ist nahe. Willst du mit deinen Mitgenossen aus dem Mund des Herrn die Worte hören: „Ich kenne euch nicht“? Wie oft bist du schon eingeladen worden, deine Zuflucht zu dem Herrn zu nehmen! Komme doch heute, bevor es für immer zu spät ist!

Das Gleichnis von den Talenten (25,14–30)

„Denn so wie ein Mensch, der außer Landes reiste, seine eigenen Knechte rief und ihnen seine Habe übergab: Und einem gab er fünf Talente, einem anderen zwei, einem anderen eins, jedem nach seiner eigenen Fähigkeit; und sogleich reiste er außer Landes. Der die fünf Talente empfangen hatte, ging hin und handelte damit und gewann weitere fünf. Ebenso gewann der mit den zweien weitere zwei. Der aber das eine empfangen hatte, ging hin, grub die Erde auf und verbarg das Geld seines Herrn. Nach langer Zeit aber kommt der Herr jener Knechte und hält Abrechnung mit ihnen. Und der die fünf Talente empfangen hatte, trat herzu und brachte weitere fünf Talente und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir übergeben, siehe, weitere fünf Talente habe ich gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; geh ein in die Freude deines Herrn. Aber auch der mit den zwei Talenten trat herzu und sprach: Herr, zwei Talente hast du mir übergeben; siehe, weitere zwei Talente habe ich gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; geh ein in die Freude deines Herrn. Aber auch der das eine Talent empfangen hatte, trat herzu und sprach: Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast. Und ich fürchtete mich und ging hin und verbarg dein Talent in der Erde; siehe, da hast du das Deine. Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Du wusstest, dass ich ernte, wo ich nicht gesät, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe? So hättest du nun mein Geld den Wechslern geben sollen, und bei meinem Kommen hätte ich das Meine mit Zinsen zurückerhalten. Nehmt nun das Talent von ihm weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat; denn jedem, der hat, wird gegeben werden, und er wird Überfluss haben; von dem aber, der nicht hat, von dem wird selbst das, was er hat, weggenommen werden. Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis: Dort wird das Weinen und das Zähneknirschen sein“ (25,14–30).

„Denn so wie ein Mensch, der außer Landes reiste, seine eigenen Knechte rief und ihnen seine Habe übergab:“ Mit diesen Worten beginnt der Herr ein neues Gleichnis. Dieser „Mensch“ hier ist Christus. Er kam in diese Welt, zu den Seinigen. Aber Er wurde nicht aufgenommen und hat diese Welt für eine Zeit verlassen. Wir wissen, wo Er sich jetzt befindet. „Seine Habe“ sind die Segnungen, die seinem Kommen auf die Erde und seinem Werk am Kreuz entspringen. Er vertraut sie einem jeden der Seinen an, damit jeder während der Zeit seiner Abwesenheit mit ihnen handle und Er bei seiner Rückkehr Nutzen daraus ziehen könne.

Wir haben hier also eine andere Seite des Betragens und der Verantwortlichkeit derer, die den Herrn erwarten. Im 24. Kapitel war es der Dienst und die Aufgabe des Knechtes, die zu nähren, die mit ihm im Haus wohnen. Das Gleichnis der Jungfrauen sprach vom Licht des göttlichen Lebens, das im Blick auf die Wiederkunft des Herrn leuchten soll. Hier sind es die Güter, die die Gnade uns gebracht hat, die für den Herrn in dieser Welt nutzbringend eingesetzt werden sollen.

Dem einen gibt Er fünf Talente, einem anderen zwei und einem dritten ein Talent. Nach langer Zeit kommt Er wieder zurück. Da die Knechte Zeit gehabt hatten, mit den Talenten zu handeln, hält der Herr jetzt Rechnung mit ihnen. Die beiden ersten Knechte hatten die Summe verdoppelt, die ihnen anvertraut worden war. Daher konnte der Meister zu jedem von ihnen sagen: „Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; geh ein in die Freude deines Herrn.“ Die Belohnung, die Gott bereit hält, übertrifft die geleisteten Dienste bei weitem. Gott handelt immer in Gnade, auch wenn Er die für Ihn geleistete Arbeit belohnt. „Über vieles werde ich dich setzen“ – damit ist eine glückselige Teilhaberschaft an dem Reich und an der Freude des Herrn gemeint. Diese Knechte hatten in der Zeit ihrer Arbeit seine Liebe und seine Gemeinschaft genossen. Die Erkenntnis seiner Person hatte ihnen die nötige Energie gespendet, um Ihm treu zu dienen. Ihr glückseliges Teil bestand daher nicht nur darin, über vieles gesetzt zu werden, sondern vor allem darin, in die Freude dessen einzutreten, der auch seinerseits in unendlicher Weise von der Frucht der Mühsal seiner Seele genießen wird.

Welch ein Unterschied bestand doch zwischen diesen Knechten und dem, der nur ein Talent empfangen hatte und jetzt vor dem Herrn erschien! Anstatt damit zu arbeiten, hatte er es in der Erde verborgen. Er war träge gewesen, weil er den Charakter seines Herrn nicht kannte. Er sagte: „Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast. Und ich fürchtete mich und ging hin und verbarg dein Talent in der Erde; siehe, da hast du das Deine.“ Wie ist doch diese Einschätzung des Wesens unseres Herrn der Wahrheit so völlig entgegengesetzt! Er hat ja in der Armut gelebt, um uns reich zu machen (2. Kor 8,9). Er ist der, aus dessen Fülle „wir alle empfangen haben, und zwar Gnade um Gnade“ (Joh 1,16). Er ist der Sohn des Menschen, der nicht gekommen ist, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele (Mt 20,28). Er war der Sohn des Vaters, „sanftmütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29)! Wenn er es wirklich mit einem Herrn zu tun gehabt hätte, der so war, wie er Ihn jetzt beschrieb, so hätte er energisch arbeiten sollen, um Ihn zu befriedigen.

Allein die Erkenntnis der Gnade, die der Herr Jesus hier zum Ausdruck gebracht hat, kann Triebkraft sein, um mit Eifer und Einsicht in seinem Dienst zu arbeiten. Trotz aller Güter, die der Herr in dieser Welt zu seinem Dienst zurückgelassen hat, kann sie doch niemand für Ihn gebrauchen, wenn er nicht eine wirkliche Erkenntnis von Ihm selbst besitzt. Ohne diese bleibt das Talent in der Erde verborgen. Wenn man aber Christus kennt und seine Liebe das Herz erfüllt, dann gibt Er den Eifer und die nötige Einsicht, um für Ihn zu arbeiten. Wenn diese Liebe fehlt, kann nichts zustande kommen, weil man dann einen falschen Begriff von Gott hat. Man kann Gott nur durch den Herrn erkennen, denn nur Er hat Ihn in seiner unendlichen Liebe offenbart.

Ohne diese Erkenntnis spürt man gegenüber Gott nur das Misstrauen, das Satan bei dem Sündenfall in das Herz des Menschen gelegt hat. Damals hatte Satan den Menschen angelogen, indem er ihm sagte, dass Gott ihm einen Teil der Glückseligkeit vorenthalten würde, als Er ihm untersagte, von der Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und des Bösen zu essen. Der Mensch glaubte Satan und hat seitdem eine ganz falsche Vorstellung von Gott. Zudem wirft ihm sein eigenes Gewissen seine Vergehungen vor. Aber anstatt den Weg der Vergehungen zu verlassen und sich vor Gott zu demütigen, bringt es ihn nur dazu, Gott als die Ursache seines Unglücks anzuklagen.

In seiner unendlichen Liebe wollte Gott dem Menschen zeigen, dass Er im Gegenteil die einzige Quelle seiner Glückseligkeit ist. Er ist in der Person seines eingeborenen Sohnes auf die Erde gekommen, um Vergebung und Frieden zu bringen. Um Ihn aber so zu kennen, muss man Christus annehmen. Denn solange man Christus verwirft, verwirft man auch Gott. Der Mensch bleibt dann für ewig in seinem Zustand der Sünde.

Der Herr sagte von dem faulen Knecht: „Nehmt nun das Talent von ihm weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat; denn jedem, der hat, wird gegeben werden, und er wird Überfluss haben; von dem aber, der nicht hat, von dem wird selbst das, was er hat, weggenommen werden. Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis: Dort wird das Weinen und das Zähneknirschen sein.“ Der faule Knecht wird als „unnütz“ verurteilt. Nur was für Christus getan wird, ist von wahrem Nutzen. Von aller menschlichen Tätigkeit, so schön und nützlich sie erscheinen mag, wird für die Ewigkeit nur das bestehen bleiben, was für Christus und in lebendiger Erkenntnis seiner Person getan wurde. Man kann nur dann Christus zum Lebensinhalt haben, wenn man auch Christus als Leben besitzt.

Dass jenem Mann das Talent weggenommen und dem gegeben wurde, der schon zehn Talente besaß, erinnert uns an den Grundsatz, dass der Treue immer mehr empfängt. Je mehr man in der Erkenntnis und im Gehorsam Gott gegenüber wächst, desto mehr Segen wird ihm zuteil. Dieser Segen ist ein ewiges Teil in der Gegenwart des Herrn. Alle Wohltaten des Christentums, womit die religiöse Welt sich schmückt und deren sie sich gegenüber den Völkern rühmt, die noch im Götzendienst leben, werden ihr eines Tages weggenommen werden, wenn die Knechte, die den Herrn gekannt und Ihm gedient haben, in seine Freude eingehen und eine überströmende und ewige Segnung empfangen.

Möchten wir doch alle – ob jung oder alt – Christus besser erkennen, um durch diese Erkenntnis befähigt zu werden, einen Dienst für Ihn zu tun, dessen Ergebnisse Ewigkeitswert haben! Lasst uns - wie Maria - das gute Teil erwählen, das nicht weggenommen werden kann, weder hier noch in der Ewigkeit!

Der Thron des Sohnes des Menschen (25,31–46)

„Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen; und alle Nationen werden vor ihm versammelt werden, und er wird sie voneinander scheiden, so wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet. Und er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Böcke aber zur Linken. Dann wird der König zu denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, Gesegnete meines Vaters, erbt das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an; denn ich war hungrig, und ihr gabt mir zu essen; ich war durstig, und ihr gabt mir zu trinken; ich war Fremdling, und ihr nahmt mich auf; nackt, und ihr bekleidetet mich; ich war krank, und ihr besuchtet mich; ich war im Gefängnis, und ihr kamt zu mir. Dann werden die Gerechten ihm antworten und sagen: Herr, wann sahen wir dich hungrig und speisten dich, oder durstig und gaben dir zu trinken? Wann aber sahen wir dich als Fremdling und nahmen dich auf, oder nackt und bekleideten dich? Wann aber sahen wir dich krank oder im Gefängnis und kamen zu dir?
Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch, insofern ihr es einem der geringsten dieser meiner Brüder getan habt, habt ihr es mir getan. Dann wird er auch zu denen zur Linken sagen: Geht von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist; denn ich war hungrig, und ihr gabt mir nicht zu essen; ich war durstig, und ihr gabt mir nicht zu trinken; ich war Fremdling, und ihr nahmt mich nicht auf; nackt, und ihr bekleidetet mich nicht; krank und im Gefängnis, und ihr besuchtet mich nicht. Dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann sahen wir dich hungrig oder durstig oder als Fremdling oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch, insofern ihr es einem dieser Geringsten nicht getan habt, habt ihr es auch mir nicht getan. Und diese werden hingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben“ (25,31–46).

Wenn der Sohn des Menschen kommt, um den jüdischen Überrest aus den Verfolgungen zu befreien, die in Matthäus 24 beschrieben werden, wird der Sohn des Menschen sich auf seinen Thron setzen. Dann werden die Nationen gerichtet, denen das Evangelium des Reiches verkündigt worden ist (vgl. Mt 24,14). Durch diese Botschaft wird ausgerufen werden, dass nicht die gottlosen und mächtigen Herrscher, die dann durch die Macht Satans über die Erde herrschen, anerkannt werden, sondern dass der vom Himmel kommende Herr als König anerkannt und geehrt werden muss.

„Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit, und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen; und alle Nationen werden vor ihm versammelt werden.“ Außer den Nationen wird auch eine andere Personengruppe gegenwärtig sein, die der Herr „die Geringsten dieser meiner Brüder“ nennt (Verse 40 und 45). Das sind die Boten, die den Nationen, die das Evangelium der Gnade der heutigen Gnadenzeit nicht vernommen haben, das Evangelium des Reiches verkündigt haben werden.

Der Sohn des Menschen wird mit einem Hirten verglichen, der die Schafe von den Böcken trennt. Er stellt die Schafe zu seiner Rechten und die Böcke zu der Linken. Er kennt seine Schafe. Sie tragen diesen Charakter, weil sie die Boten angehört und aufgenommen haben. Sie haben diese Boten, die ihnen der König gesandt hat und die ihnen unter vielen Entbehrungen, Leiden und Verfolgungen das Evangelium des Reiches gebracht haben, einen Dienst erwiesen, den der Herr besonders anerkennt: „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat ... Und wer irgend einem dieser Kleinen nur einen Becher kaltes Wasser zu trinken gibt in eines Jüngers Namen, wahrlich, ich sage euch: Er wird seinen Lohn nicht verlieren“ (Mt 10,40.42). Der Herr wertet alles, was im guten oder im schlechten Sinn an einem der Seinen getan wird, als wenn es Ihm selbst (an)getan worden wäre. Deshalb sagte Er zu Saulus, als Er ihm auf dem Weg nach Damaskus entgegentrat: „Warum verfolgst du mich?“ Saulus wusste nicht, dass er dem Herrn in der Herrlichkeit entgegentrat, wenn er die Gläubigen verfolgte. Zwischen Christus und den Gläubigen und auch unter den Gläubigen besteht eine so enge Verbindung, wie zwischen den Gliedern eines Körpers und dem Haupt. Wir sollen also jedem Gläubigen gegenüber das Wohlwollen, die Ehre, die Beachtung und Liebe erweisen, die dem Herrn würdig ist. Denn auch wir werden vor dem Richterstuhl des Christus erscheinen müssen, aber zu einem anderen Zeitpunkt als die Nationen. Wir lesen in 2. Korinther 5,9.10: „Deshalb beeifern wir uns auch, ob einheimisch oder ausheimisch, ihm wohlgefällig zu sein. Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, damit jeder empfange, was er in dem Leib getan, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses.“

Der König wird denen, die zu seiner Rechten stehen, sagen: „Kommt her. Gesegnete meines Vaters, erbt das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an“. Das ist eine kostbare Segnung, die den Genuss des Reiches des Sohnes des Menschen ermöglicht. Darin werden sie auf dieser Erde ein vollkommenes Glück finden. Nach so vielen Leiden werden endlich Gerechtigkeit und Freude herrschen. Diese Vorrechte lassen aber auch deutlich erkennen, dass die Gläubigen heute noch höhere Segnungen besitzen. Sie gehören zur Versammlung, die als die Braut des Königs und nicht als seine Untertanen an diesem herrlichen Reich teilhaben werden. Die jetzigen Gläubigen sind nicht nur Gesegnete des Vaters, sondern Kinder Gottes. Der Herr Jesus hat sie in der Stellung, die Er als auferstandener und verherrlichter Mensch gegenwärtig einnimmt, mit sich vereinigt, wie Er es am Tag seiner Auferstehung den Jüngern verkündigen ließ (Joh 20,17). Unsere jetzigen Segnungen in Christus sind geistlich und himmlisch. Gott hat sich schon vor Grundlegung der Welt vorgenommen, sie uns zu geben (Eph 1,3.4). Das Reich hingegen wird das Teil des gesegneten Volkes sein, das auf der Erde leben wird. Dieses Teil ist ihm von Grundlegung der Welt an bereitet. Es wird nach den tausend Jahren zu Ende sein (Off 20,6.7). Alle Gläubigen jedoch, die an der Herrschaft Christi auf der Erde teilhaben, werden sich dann auch auf der neuen Erde befinden. Diese neue Erde erwarten wir alle, nachdem die jetzige Erde und die jetzigen Himmel vergangen sind (2. Pet 3,13; Off 21,1).

Der König erinnert die Schafe zu seiner Rechten an das, was sie für Ihn getan haben: „Denn ich war hungrig, und ihr gabt mir zu essen; ich war durstig, und ihr gabt mir zu trinken; ich war Fremdling, und ihr nahmt mich auf; nackt, und ihr bekleidetet mich; ich war krank, und ihr besuchtet mich; ich war im Gefängnis, und ihr kamt zu mir.“ Das alles lässt erkennen, durch welche schweren Umstände diese Boten des Herrn gehen werden. In dieser Zeit der Finsternis werden sich alle verbünden, um der Herrschaft Christi zu widerstehen. Aber diese Boten werden den Nationen das Evangelium bringen. Der Herr wird von der Höhe seines herrlichen Wohnortes aus über sie wachen und mit Wohlgefallen alles zur Kenntnis nehmen, was für jeden einzelnen derer getan wird, die Er seine „Brüder“ nennt. An seinem Tag werden die Früchte des Verhaltens jedes Einzelnen offenbar werden: Die Gerechten werden in die Segnung eingehen, die ihnen angekündigt worden ist.

Keiner der Gerechten ist sich bewusst, dass sie an den Boten einen Dienst erweisen und dadurch auch dem König einen Dienst erwiesen haben. Sie haben es nicht im Blick auf eine Belohnung getan. Sie haben nicht an die Tragweite ihrer Handlungen gegenüber den „Brüdern“ des Königs gedacht. Aber der Herr vergisst in seiner Güte nichts von dem, was für Ihn getan worden ist. Was oft von der Welt ungesehen und im Verborgenen geschah, wird vielleicht von den Menschen gering geachtet. Aber Gott ist es, der das Tun der Menschen beachtet und einschätzt. Er unterscheidet die Beweggründe, die zum Handeln führen und sieht, ob die Motivation die Frucht der Liebe zu Ihm ist.

An dem Tag, wo alles offenbar wird, zeigt sich, was seinem Herzen kostbar war. Die für Ihn wertvollsten Dienstleistungen werden ohne Frage die sein, die uns am wenigsten bewusst waren und die die natürliche Frucht unserer Anhänglichkeit an Ihn gewesen sind. Sie können sich in den kleinsten Einzelheiten unseres ganzen Lebens erfüllen und sich auch in der Fürsorge für die Kinder Gottes zeigen, die oft durch schwierige Umstände hindurchgehen müssen. Mit einem Wort: Sie umfassen alles das, was wir um seines Namens willen getan haben.

Denen zu der Linken wird der König sagen: „Geht von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist; denn ich war hungrig, und ihr gabt mir nicht zu essen; ich war durstig, und ihr gabt mir nicht zu trinken; ich war Fremdling, und ihr nahmt mich nicht auf; nackt, und ihr bekleidetet mich nicht; krank und im Gefängnis, und ihr besuchtet mich nicht.“ Auch diese waren sich nicht bewusst, wann sie Gelegenheit gehabt hätten, alle diese Dinge für den König zu tun. Diese Gelegenheit haben sie dann für immer verloren. Wenn sie die Gesandten des Königs verachteten, dann haben sie auch Ihn selbst verachtet.

Sowohl damals als auch heute findet das natürliche Herz nichts Anziehendes an der Verkündigung des Evangeliums. Die Welt und ihre irdischen Vorteile veranlassen die Menschen, der guten Botschaft des Heils und ihren Verkündigern aus dem Weg zu gehen. Aber der Tag des Herrn kommt, wo alles ans Licht kommen wird. Viele werden sich dann wünschen, früher einmal anders gehandelt zu haben. Denn was werden die Vergnügungen und die weltlichen Vorteile an diesem Tag nützen? Welchen Wert werden die Überlegungen des Menschengeistes, die jetzt weiser erscheinen als das Wort Gottes, dann noch haben? Es wird zu spät sein, um noch einmal von vorne zu beginnen. Dann ist es zu spät. An diesem Tag wird es nichts mehr nützen, den Unglauben zu verurteilen und festzustellen, dass alle eigene Weisheit Torheit war. An dem Tag des Gerichts wird Reue nicht mehr nützen. Denen, die zur Linken des Königs stehen, wird dann gesagt: „Geht von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist.“ Alle Beteuerung wird nutzlos sein. Sie hätten aus der durch die Verkündigung des Evangeliums gegebenen Gelegenheit zur Errettung Nutzen ziehen sollen. Ob es sich dabei um das heutige Evangelium der Gnade oder um das nachher verbreitete Evangelium des Reiches handelt – man muss es annehmen, wenn es vorgestellt wird. „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht“ (Heb 3,7). Diese Gerichtsszene schließt mit den Worten: „Und diese werden hingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben.“ Das ist eine ernste Erklärung für alle, die verdammt werden. Es ist auch eine einfache und klare Antwort an solche, die einerseits die ewige Pein leugnen, andererseits aber festhalten, dass es für die Gläubigen eine ewige Glückseligkeit gibt. Denn wenn der Ausdruck „ewig“ auf das Leben angewandt eine endlose Dauer bezeichnet, so hat er auch hinsichtlich der Pein dieselbe Bedeutung. Wer das eine leugnet, leugnet auch das andere.

Beachten wir, dass diese Gerichtsszene nicht zu verwechseln ist mit dem letzten Gericht. Das ist oft behauptet worden. Das letzte Gericht wird in Offenbarung 20,11–15 beschrieben. Es wird stattfinden, wenn Himmel und Erde entflohen sind. Es ist das Gericht der Toten. In unserem Kapitel aber haben wir es mit einem Gericht der Lebendigen zu tun, wozu auch das kriegerische Gericht gehört (Off 19,11–21). Vor dem großen weißen Thron (Off 20,11–15) erscheinen nur solche, die in ihrem Zustand der Sünde gestorben sind. Sie werden auferweckt werden, um vor Gott zu erscheinen und nach ihren Werken gerichtet zu werden. Keiner, dessen Name in das Buch des Lebens eingeschrieben ist, wird dort erscheinen, denn alle in Christus Gestorbenen werden schon vor dem 1000-jährigen Reich auferweckt und im Himmel sein.

Die Gerichtssitzung dagegen, in der die Nationen vor dem Sohn des Menschen versammelt sein werden, findet tausend Jahre vor diesem Gericht der Toten statt und ist nur für die Lebenden bestimmt, die dann auf der Erde sind. Dieses Gericht dient dazu, alle von der Erde wegzunehmen, die keinerlei Recht haben, die Herrschaft des Herrn zu genießen. Es geht um solche, die sich weigerten, die Botschaft, durch die ihnen der Eintritt in das Reich angeboten wurde, anzunehmen.

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel