Der verheißene König und sein Reich
Kommentar zum Matthäus-Evangelium

Kapitel 26

Der verheißene König und sein Reich

Die Reden des Herrn sind beendet (26,1.2)

„Und es geschah, als Jesus alle diese Reden vollendet hatte, sprach er zu seinen Jüngern: Ihr wisst, dass nach zwei Tagen das Passah ist, und der Sohn des Menschen wird überliefert, um gekreuzigt zu werden“ (26,1.2).

Die Reden des Herrn in der Öffentlichkeit waren beendet. Er hatte „die Gerechtigkeit verkündet in der großen Versammlung“, der Versammlung Israels, und seine Lippen nicht gehemmt (Ps 40,9.10). Er hatte seine Arbeit in vollkommener Weise vollendet. Er konnte sich so, wie Er war, vor Gott hinstellen, in absoluter Vollkommenheit. Aber er hatte wie einst der hebräische Knecht (2. Mo 21,5) gesagt: „Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, ich will nicht frei ausgehen“ und war bereit, nach Golgatha zu gehen. Er wollte Gott im Tod verherrlichen, um seine Braut und die Gläubigen aller Zeitalter zu retten. Er wollte in der Erfüllung des Willens des Vaters, der durch die sühnenden Leiden seines eingeborenen Sohnes den Sünder zu retten wünschte, den Weg bis zum Ende gehen. Er war mit seinem Gott in seinen Ratschlüssen und seiner Liebe eins und ging jetzt hin, um sich als Opfer hinzugeben, damit die Ratschlüsse der Gnade erfüllt werden konnten. Er ging hin, um sich von den Händen sündiger Menschen, die kein Herz und Gewissen hatten, kreuzigen zu lassen. Er war „wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird und seinen Mund nicht auftat“ (Jes 53,7). Mit der Ihm eigenen, würdevollen Ruhe zeigte der Herr seinen Jüngern an, was sich jetzt ereignen würde, denn Er, das freiwillige Opfer, hatte ein göttliches Wissen um alle Dinge.

Die erste Beratung bei Kajaphas (26,3–5)

„Dann versammelten sich die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes in den Hof des Hohenpriesters, der Kajaphas hieß, und beratschlagten miteinander, um Jesus mit List zu greifen und zu töten. Sie sagten aber: Nicht an dem Fest, damit kein Aufruhr unter dem Volk entsteht“ (26,3–5).

Die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes waren bei Kajaphas, dem Hohenpriester, versammelt und beratschlagten miteinander, wie sie den Herrn mit List greifen und töten könnten. Sie wollten es aber nicht an dem Fest tun, denn sie fürchteten die Volksmengen, die in diesen Tagen nach Jerusalem kamen. Die Volksmengen waren Zeugen der Güte und der Macht des Herrn, die sich während seines Dienstes zu ihren Gunsten offenbart hatten. Sie hielten Ihn zumindest für einen Propheten und zum Teil glaubten sie vielleicht sogar an Ihn als an den Christus (Mt 21,46).

Aber diese armen Obersten wollten ihre schreckliche Freveltat ausführen, ohne durch den Widerstand der Volksmengen daran gehindert zu werden. Sie wussten, dass die Volksmengen Nutzen aus den Wohltaten des Herrn hatten. Aber, im Gegensatz zu ihrem Willen, war es nach den Gedanken Gottes, dass das Gegenbild des Passahlammes am Passahfest selbst geopfert würde, womit dieses Fest seine Erfüllung bekam.

Wie wir im weiteren Verlauf sehen werden, waren ihre Vorsichtsmaßnahmen zu nichts nütze. Die Ereignisse überstürzten sich, der Herr wurde überliefert, und niemand erhob wirksamen Einspruch dagegen!

Der Herr Jesus bei Simon, dem Aussätzigen (26,6–13)

„Als aber Jesus in Bethanien war, im Haus Simons, des Aussätzigen, kam eine Frau zu ihm, die ein Alabasterfläschchen mit sehr kostbarem Salböl hatte, und goss es aus auf sein Haupt, als er zu Tisch lag. Als aber die Jünger es sahen, wurden sie unwillig und sprachen: Wozu diese Vergeudung? Denn dieses hätte teuer verkauft und den Armen gegeben werden können. Als aber Jesus es erkannte, sprach er zu ihnen: Was macht ihr der Frau Schwierigkeiten? Denn sie hat ein gutes Werk an mir getan; denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. Denn indem sie dieses Salböl über meinen Leib gegossen hat, hat sie es zu meinem Begräbnis getan. Wahrlich, ich sage euch: Wo irgend dieses Evangelium gepredigt werden wird in der ganzen Welt, wird auch davon geredet werden, was diese getan hat, zu ihrem Gedächtnis“ (26,6–13).

Der Herr kam nach Bethanien. In dieses Dorf war Er seit mehreren Tagen von Jerusalem aus hingegangen, um dort die Nacht zu verbringen (vgl. Joh 12,1; Mt 21,17; Mk 11,11.12.19.20.27). Sein Herz fand dort eine Zufluchtsstätte des Friedens, wo Er die Zuneigung des Lazarus und seiner Schwestern genießen konnte. Dort begegnete Er auch Simon, dem Aussätzigen, den Er zweifellos von seinem Aussatz geheilt hatte. Wie war Ihm diese Zuneigung so kostbar in diesen Augenblicken, wo der Hass der Menschen gegen Ihn immer mehr Herzen ergriff und wo man sich in der Stadt, in der man Ihn hätte zum König ausrufen sollen, zusammenrottete, um Ihn zu töten! Der teure Heiland, der von allem, was da vor sich ging, Kenntnis hatte, empfand den Hass gegen Ihn aufs schmerzlichste. Daher genoss Er umso wohltuender die Ihm bezeugte Zuneigung. Sein menschliches Herz sehnte sich nach Mitgefühl und wusste es gemäß den Vollkommenheiten seiner Natur wertzuschätzen.

In dem Haus des Simon wurde ihm einmal nach dem Bericht des Johannes ein Abendessen bereitet, als Martha ihm diente und Lazarus einer seiner Tischgenossen war (Joh 12,2). Jetzt brachte eine Frau, Maria, die Schwester der Martha, ein Alabasterfläschchen mit sehr kostbarer Salbe und goss sie über sein Haupt, als Er zu Tisch lag. Welch ein Unterschied zwischen dieser Szene und den Ereignissen in Jerusalem, bei Kajaphas, wo man Maßnahmen ergriff, um den zu Tode zu bringen, dem man bei Simon so viel Liebe und die größte Ehre erwies!

Wie gerne denken wir an das, was der Herr in diesem Augenblick empfand: Er fand bei einigen Personen Mitgefühl und Liebe, hervorgerufen durch die Gnade, die Er selbst in ihnen entfaltet hatte. Unter den Herzen, die ein wenig gelernt hatten, seine Person zu genießen, brannte das Herz der Maria vor Liebe zu Ihm. Diese Zuneigung zu Ihm hatte sie dazu geleitet, eine Handlung zu vollbringen, deren Tragweite sie selbst noch gar nicht erfassen konnte. Aber der Herr schätzte diese Handlung.

Sogar die Jünger, die ihre Beweggründe nicht kannten, verstanden nicht, was sie veranlasst hatte, diese kostbare Salbe ihrem Meister zu widmen. Unwillig sagten sie: „Wozu diese Vergeudung? Denn dieses hätte teuer verkauft und den Armen gegeben werden können.“ Arme Jünger! Wie weit waren sie von der Gemeinschaft entfernt, die zwischen dem Herrn und Maria bestand und die Gedanken dieser gottesfürchtigen Frau prägte! Für die Jünger war diese dem Herrn erwiesene Ehre ein Verlust, ein unnützes Opfer. In ihren Augen hatten die Armen mehr Wert als der Herr.

Wie wahr ist es doch, dass die Liebe zu Christus der richtige Weg zum geistlichen Verständnis ist! Wie musste diese fleischliche Einschätzung das Herz des Herrn verletzt haben, wie auch das der Maria! Darum sagte der Herr zu ihnen: „Was macht ihr der Frau Schwierigkeiten? Denn sie hat ein gutes Werk an mir getan; denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. Denn indem sie dieses Salböl über meinen Leib gegossen hat, hat sie es zu meinem Begräbnis getan.“ Der Hass der Juden gegenüber dem Herrn, der sich mit jeder Stunde steigerte, bedrückte das Herz Marias und regt ihre Liebe zu Ihm an. Die Verachtung, die man dem Herrn bezeugte und die in kurzem ihren Höhepunkt erreichen sollte, drängte sie, Ihm umso mehr Ehre zu erweisen. Aus diesem Grund wird im Evangelium nach Matthäus gesagt, dass das über sein Haupt ausgegossen worden ist. Maria wusste, dass der, den man töten wollte, ihr König war. Die Juden werden Ihn mit Dornen krönen, sie aber salbte dieses königliche Haupt mit Salböl. Wenn das Reich Christi nur aufgerichtet werden konnte, indem Er durch den Tod ging, so nahm Christus diese Salbung zu seinem Begräbnis an. Maria allein konnte etwas zur Einbalsamierung des Herrn beitragen. Als die übrigen Frauen mit ihren Spezereien, die sie zu diesem Zweck bereitet hatten, zur Gruft kamen, da war der Herr bereits auferstanden (Lk 24,1).

Die Handlung Marias ist in der wunderbaren Geschichte des Lebens des Herrn einzigartig, wenn man in Betracht zieht, in welchem Augenblick und in welcher Liebe sie es tat. Der Herr betrachtete dieses Geschehen als so bedeutungsvoll, dass Er sagte: „Wahrlich, ich sage euch: Wo irgend dieses Evangelium gepredigt werden wird in der ganzen Welt, wird auch davon geredet werden, was diese getan hat, zu ihrem Gedächtnis.“ Diese Tat ist so sehr mit dem Tod Christi, der dem in der ganzen Welt gepredigten Evangelium zugrunde liegt, verbunden, dass überall da, wo es verkündigt wird, man auch von dem Tun der Maria reden wird. „Die mich ehren, werde ich ehren, spricht der HERR“ (1. Sam 2,30).

Auch heute noch haben wir Gelegenheit, dem Herrn unsere Liebe zu bezeugen. Wir leben in einer Welt, in der der Hass und die Verachtung gegen Ihn jeden Tag größer werden. Lasst uns nicht davor zurückschrecken, unsere Anhänglichkeit an die herrliche Person dessen zu zeigen, der sich in den Tod hingegeben hat. Jeder darf merken, welchen Wert Er für uns hat!

Um dies tun zu können, müssen unsere Herzen mit Ihm beschäftigt und dadurch von seiner Liebe erfüllt sein. Wir können nur zu seinen Füßen lernen, da, wo einst Maria eine so innige Erkenntnis von Ihm selbst erworben hat. Hier hat sich ihre Liebe so sehr entwickelt, dass sie fähig war, den Herrn bei jener einzigartigen Gelegenheit durch die Salbung zu ehren, was für sein Herz einen so großen Wert hatte.

Judas verkauft seinen Meister (26,14–16)

„Dann ging einer der Zwölf, der Judas Iskariot hieß, zu den Hohenpriestern und sprach: Was wollt ihr mir geben, und ich werde ihn euch überliefern? Sie aber setzten ihm dreißig Silberstücke fest. Und von da an suchte er eine Gelegenheit, ihn zu überliefern“ (26,14–16).

Judas war bei der Salbung des Herrn mit in dem Haus des Simon gewesen. Aber sein Herz war durch die Geldliebe so verhärtet, dass er an der Salbung überhaupt keine innere Anteilnahme hatte. Auch seine zur Schau getragene Liebe für die Armen war geheuchelt. Wenn der Herr für Maria einen so großen Wert hatte, so sah Judas in dem Herrn nur ein Mittel, sich noch mehr Geld zu verschaffen.

Diese schreckliche Feststellung zeigt uns, wo man hinkommen kann, wenn man bei sich selbst böse Neigungen duldet und nicht verurteilt, um von ihnen befreit zu werden. Wenn man böse Lüste nährt, so stärkt sich das Böse im Herzen, selbst wenn man es noch für eine Zeit verbergen kann. Aber der Augenblick kommt, wo man von der Sünde beherrscht ein Sklave dessen wird, von dem man überwältigt ist (2. Pet 2,19).

Judas wurde ein Spielball Satans, der nun völlig Besitz von ihm ergreift, der durch die Reize der Lust total geblendet war. So ist es Judas ergangen: „Satan fuhr in Judas, der Iskariot genannt wird“ (Lk 22,3). Nachdem er es ihm ins Herz gegeben hatte (Joh 13,2), fuhr er nun in ihn, damit er den bösen Plan ausführe. So geht Satan bei allen Verbrechern vor: Ohne Gottesfurcht, ohne christliche und sittliche Erziehung suchen diese Unglücklichen ihre natürlichen Neigungen zum Bösen nicht zu unterdrücken. Satan, der Mörder, führt sie von einem Verbrechen zum anderen.

Es ist wichtig, den bösen Neigungen unserer natürlichen Herzen zu widerstehen, wenn sie sich zeigen, um nicht ein Spielball Satans zu werden. Wenn dieser eine günstige Gelegenheit findet, wird er den auf ihn Hörenden zu Fall bringen und verderben. Wenn man an diesem Punkt angelangt ist, hat der Teufel sein Werk vollendet. Weder er selbst, noch die, welche er zur Ausführung seiner Absichten gebraucht hat, werden mit ihrem Opfer Mitleid haben, wenn sie dessen Verzweiflung sehen. Das hat sich auch bei Judas bewahrheitet (Mt 27,3–5).

Unter der Macht Satans verließ Judas den Herrn Jesus und die Jünger und ging zu den Priestern, um die Geldsumme in Empfang zu nehmen, die sie ihm für die Überlieferung des Herrn geben wollten. Sogleich zahlten sie ihm dreißig Silberstücke aus, den Preis für einen Sklaven (2. Mose 21,32). Für die Führer war der Herrn nur so wenig wert! Das war „der herrliche Preis, dessen ich von ihnen wertgeachtet bin“, lesen wir in Sacharja 11,12.13. Von da an suchte Judas „Gelegenheit, ihn zu überliefern.“ Eine völlige Verblendung war über ihn gekommen, bis zu dem Augenblick, wo seine Freveltat ausgeführt war. Erst da gingen ihm die Augen auf über sein Verbrechen. Aber es war zu spät, für ewig zu spät!

Das letzte Passah (26,17–25)

„Am ersten Tag der ungesäuerten Brote aber traten die Jünger zu Jesus und sprachen: Wo willst du, dass wir dir bereiten, das Passah zu essen? Er aber sprach: Geht in die Stadt zu dem und dem und sprecht zu ihm: Der Lehrer sagt: Meine Zeit ist nahe; bei dir halte ich das Passah mit meinen Jüngern. Und die Jünger taten, wie Jesus ihnen befohlen hatte, und bereiteten das Passah. 
Als es aber Abend geworden war, legte er sich mit den Zwölfen zu Tisch. Und während sie aßen, sprach er: Wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern. Und sie wurden sehr betrübt und fingen an, ein jeder zu ihm zu sagen: Ich bin es doch nicht, Herr? Er aber antwortete und sprach: Der mit mir die Hand in die Schüssel eintaucht, der wird mich überliefern. Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie über ihn geschrieben steht; wehe aber jenem Menschen, durch den der Sohn des Menschen überliefert wird! Es wäre besser für jenen Menschen, wenn er nicht geboren wäre. Judas aber, der ihn überlieferte, antwortete und sprach: Ich bin es doch nicht, Rabbi? Er spricht zu ihm: Du hast es gesagt“ (26,17–25).

Als der Augenblick zum Feiern des Passahfestes gekommen war, traten die Jünger mit der Frage an den Herrn heran: „Wo willst du, dass wir dir bereiten, das Passah zu essen?“ Er, der sich als das wahre Passahlamm, als das Lamm Gottes darstellen sollte, lässt in seiner göttlichen Allwissenheit und in seiner Autorität als Meister seine Jünger einen Ort finden, wo Er mit ihnen sein letztes Mahl einnehmen kann. Durchdrungen von dem Gedanken an den nahen Augenblick seiner Leiden, lässt Er dem Herrn des Hauses sagen: „Meine Zeit ist nahe.“

Welche Gedanken drangen auf ein Herz ein, das fähig war, alles göttlich zu ergründen: Den Tod, den Verrat, die Verleugnung des Petrus, den Hass seines geliebten Volkes, das Er hatte sammeln und segnen wollen, und noch viele andere schmerzliche Dinge! Aber welche Liebe war doch in seinem vollkommenen Herzen! Sie hat auf dem Weg der Leiden dieses alles überwunden, um das Heil der Sünder möglich zu machen und dadurch Gott zu verherrlichen.

„Als es aber Abend geworden war, legte er sich mit den Zwölfen zu Tisch. Und während sie aßen, sprach er: Wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern.“ Der Herr wusste sehr wohl, dass es Judas war. Aber Er wollte das Herz und das Gewissen jedes Einzelnen seiner Jünger prüfen und ihnen zum Bewusstsein bringen, wie schmerzlich der Gedanke für Ihn war, dass eben einer von ihnen Ihn verraten würde. Einer von denen, mit welchen Er seinen Dienst der Liebe und der Macht erfüllt und den Er wie die anderen geliebt hatte. „Einer von euch“, diese Worte mussten ihr Herz durchbohren. „Und sie wurden sehr betrübt und fingen an, ein jeder zu ihm zu sagen: Ich bin es doch nicht, Herr?“ Alle Jünger außer Judas waren von dem Gedanken an eine solche Sache so weit entfernt, dass sie sich an die Allwissenheit des Herrn wandten, um zu erfahren, welcher es sein könnte. Er antwortete: „Der mit mir die Hand in die Schüssel eintaucht, der wird mich überliefern. Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie über ihn geschrieben steht; wehe aber jenem Menschen, durch den der Sohn des Menschen überliefert wird! Es wäre besser für jenen Menschen, wenn er nicht geboren wäre.“ Natürlich mussten die Ratschlüsse Gottes ihre Erfüllung finden. Aber trotzdem ist der Mensch für seine Taten Gott gegenüber selbst verantwortlich und muss die Folgen tragen.

Für Judas und für so viele andere wäre es besser gewesen, wenn sie nie geboren wären. Auch Judas sagte: „Ich bin es doch nicht, Rabbi? Jesus spricht zu ihm: Du hast es gesagt.“ Aber diese Bestätigung erschütterte den Verräter nicht. Auch die Zuneigung, die man durch das Eintauchen des Stückes Brot in die Schüssel seinem Tischnachbarn gegenüber ausdrückte, berührte ihn nicht. Satan war in ihm. Nach dem Bericht des Johannes-Evangeliums ging Judas nach diesem Gespräch hinaus, um sich mit denen in Verbindung zu setzen, die den Herrn greifen wollten.

Die Einsetzung des Abendmahles (26,26–30)

„Während sie aber aßen, nahm Jesus Brot, segnete, brach und gab es den Jüngern und sprach: Nehmt, esst; dies ist mein Leib. Und er nahm [den] Kelch und dankte und gab ihnen diesen und sagte: Trinkt alle daraus. Denn dies ist mein Blut, das des [neuen] Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch aber: Ich werde von jetzt an nicht von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, wenn ich es neu mit euch trinke in dem Reich meines Vaters. Und als sie ein Loblied gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg“ (26,26–30).

Während sie zu Tisch lagen, setzte der Herr in liebender Vorsorge für die seinen das Gedächtnismahl seines Todes ein. Das letzte Passah war jetzt vorüber. Es wurde einst in Erinnerung an die Befreiung von dem Gericht der Erstgeburt in Ägypten eingesetzt. Es war ein Vorbild auf das Opfer des Lammes Gottes, des „Lammes ohne Fehl und ohne Flecken..., zuvor erkannt vor Grundlegung der Welt, aber geoffenbart am Ende der Zeiten um euretwillen“ (1. Pet 1,19.20). Das Passah fand jetzt in dem Herrn Jesus seine Erfüllung.

Anstelle einer Handlung, die auf ein zukünftiges Opfer hindeutete, hinterließ der Herr jetzt den Seinen eine Erinnerung an Ihn selbst, der im Begriffe stand zu sterben, um die Befreiung der Menschen von dem ewigen Gericht zustande zu bringen. „Während sie aber aßen, nahm Jesus Brot, segnete, brach und gab es den Jüngern und sprach: Nehmt, esst; dies ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte und gab ihnen diesen und sagte: Trinkt alle daraus.“ Der Leib, dargestellt durch das gebrochene Brot, und das Blut, dargestellt durch den Wein, sind ein Bild des Todes. Blut, das vom Leib getrennt ist, bedeutet Tod. Die Gläubigen erinnern sich also eines gestorbenen Christus, und zwar bis Er wiederkommt.

Welche Erinnerungen rufen das Brot und der Wein bei denen hervor, die das Vorrecht haben, an diesem Gedächtnismahl teilzunehmen! Ihre Herzen versetzen sich in jene feierliche Stunde zurück, wo ihr Herr und Heiland durch den schmachvollen Tod am Kreuz hindurchgehen musste, wo Er von den Menschen litt und von Seiten Gottes das Gericht erduldete, das während der ganzen Ewigkeit ihr Teil gewesen wäre. Angesichts dieser Zeichen des Todes des Herrn werden wir an seine unvergleichliche Liebe erinnert, auf die sie hinweisen.

Das Gedächtnismahl erinnert uns auch an die Tatsache, dass dem Herrn von Seiten seiner Geschöpfe nur Verachtung, Leiden und Tod widerfahren ist, Ihm, dem Sohn Gottes, dem König der Könige, dem Herrn der Herren, dem Richter der Lebendigen und der Toten. Die Seinen feiern das Gedächtnismahl in Anerkennung all seiner Herrlichkeiten und seiner Ansprüche inmitten einer Welt, die Ihn immer noch verwirft. Wir tun es in Erwartung seiner Wiederkunft, wo Er uns zu sich nehmen wird. Damit ist auch der Gedanke verbunden, dass Er bald in Herrlichkeit, mit all den Seinen erscheinen wird, um sein Reich aufzurichten und die Ihm gebührende Ehre von seinem Volk und all seinen Geschöpfen zu empfangen.

Als der Herr den Kelch darreichte, fügte Er hinzu: „Denn dies ist mein Blut, das des neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Gott war mit dem Volk Israel am Sinai einen Bund eingegangen, durch den es sich verpflichtet hatte, alles zu tun, was der HERR geboten hatte (2. Mo 19,5–8). Dies wurde durch das Besprengen des Blutes der Farren bestätigt (2. Mo 24,8; Heb 9,20). Aber in seinem Ungehorsam hatte das Volk sein Wort nicht gehalten: „Sie haben meinen Bund übertreten und gegen mein Gesetz gefrevelt“ (Hos 8,1), so dass alle Segnungen, die von ihrer Treue abhingen, verloren gingen. Und als ihnen dann ihr Messias vorgestellt wurde, töteten sie Ihn.

Darum hat Israel - und folglich auch der Mensch als solcher – aufgrund seiner Verantwortung kein Anrecht mehr auf irgendetwas von Seiten Gottes, es sei denn auf das Gericht. Aber in seiner grenzenlosen Gnade hat Er Christus, seinen Sohn, dahingegeben, der durch seinen Tod die göttliche Gerechtigkeit geschaffen hat, aufgrund welcher Gott den Sünder erretten und Israel die Segnungen geben kann, die unter dem alten Bund unmöglich erreicht werden konnten (Heb 8,8–13; Jer 31,31–34). Wenn Gott hinsichtlich seines irdischen Volkes solch herrliche Dinge sagen kann, so geschieht dies nur auf Grund des Todes seines Sohnes, dessen Blut Gottes Gerechtigkeit vollkommen befriedigt hat.

Deshalb sagte der Herr, als Er seinen Jüngern den Kelch darreichte: „Dies ist mein Blut, das des neuen Bundes.“ So hatten die Jünger in dem Kelch also die Garantie für die Erfüllung der Segnungen Israels, die in einem späteren Zeitpunkt zur Verwirklichung kommen werden. Aber dieses Blut wurde nicht nur für Israel vergossen, sondern, wie der Herr beifügt: „...das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“, das heißt für alle, die sich an allen Orten durch den Glauben unter den Schutz des Blutes stellen.

Der Bund selbst wird mit Israel gemacht, nicht mit den Christen. Aber es ist das gleiche Blut, das den einen wie den anderen die Vergebung der Sünden gibt. Wenn jemand am Gedächtnismahl teilnimmt, so tut er es, weil seine Sünden vergeben sind, indem er sich daran erinnert, dass der Herr für ihn den Platz im Tod eingenommen hat. Wer also nicht im Besitz der Vergebung seiner Sünden ist, darf das Abendmahl nicht einnehmen. Dagegen sollten sich die Erlösten alle dieses Vorrecht nicht nehmen lassen, weil es gleichzeitig die Erfüllung des Wunsches des Herrn ist, den Er in jener denkwürdigen Nacht, in der Er überliefert wurde, ausgesprochen hat.

Der Herr fügte noch hinzu: „Ich sage euch aber: Ich werde von jetzt an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, wenn ich es neu mit euch trinke in dem Reich meines Vaters.“ Der Wein, das Gewächs des Weinstockes, ist ein Bild der Freude Gottes. Er konnte nicht in Verbindung mit dem Volk Israel nach dem Fleisch getrunken werden, weil es dem Herzen Gottes keine Freude gebracht hat. Aber im 1000-jährigen Reich wird diese Freude vorhanden sein. Wenn der Herr von „dem Gewächs des Weinstocks“ spricht, so macht Er eine Andeutung auf den Kelch des Passahmahles, das die Freude versinnbildlichte (Lk 22,17.18), was bei dem Kelch des Gedächtnismahles, der ein Bild von dem Blut des Herrn ist, nicht der Fall ist. Der Herr sagt: „Ich werde von jetzt an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, wenn ich es neu mit euch trinke in dem Reich meines Vaters.“ Der Herr wird diese Freude mit seinen Jüngern im Himmel, im Reich des Vaters, in einer neuen Weise genießen, aber nicht auf dieser Erde, wie die Jünger es erwartet hatten. Es wird aber der Fall sein für die, die unter der Herrschaft des Christus sein werden.

„Und als sie ein Loblied gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.“

Die Jünger werden gewarnt (26,31–35)

„Dann spricht Jesus zu ihnen: Ihr werdet alle in dieser Nacht an mir Anstoß nehmen; denn es steht geschrieben: 'Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden zerstreut werden.' Nach meiner Auferweckung aber werde ich euch vorausgehen nach Galiläa. Petrus aber antwortete und sprach zu ihm: Wenn alle an dir Anstoß nehmen werden, ich werde niemals Anstoß nehmen. Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir, dass du in dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, mich dreimal verleugnen wirst. Petrus spricht zu ihm: Selbst wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen. Ebenso sprachen auch alle Jünger“ (26,31–35).

Um zu dem Ölberg zu gelangen, musste man aus der Stadt hinausgehen, ins Tal Kidron hinabsteigen und den Hügel hinaufgehen, der Jerusalem gegenüber liegt. Ohne sich von der Ihm bevorstehenden seelischen Belastung niederdrücken zu lassen, nutzte der Herr die Zeit auf dem Weg nach Gethsemane aus, um seine Jünger auf das aufmerksam zu machen, was sich jetzt ereignen würde.

Die Weissagung des Sacharjas sollte sich nun erfüllen: „Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden zerstreut werden“ (Sach 13,7). Er hatte als der gute Hirte für seine Schafe gesorgt. Er hatte sie bei ihrem Namen gerufen und war ihnen vorangegangen. Aber damit sie das Leben empfingen, musste Er nun für sie sterben und an ihrer Stelle die Strafe erdulden. Wenn diese armen und schwachen Schafe, voller Furcht und Unwissenheit, ihren Hirten geschlagen sehen, werden sie zerstreut werden, wie eine eingeschüchterte Herde ihren Führer verlässt.

Aber Er, der gute Hirte, der sein Leben für seine Schafe lässt, denkt an sie und nennt ihnen einen Treffpunkt, den sie aufsuchen sollten, wo Er als Auferstandener vor ihnen stehen würde. Er würde vor ihnen nach Galiläa hingehen, wie wir es Matthäus 28 entnehmen können.

Petrus war mit dem Herrn innig verbunden. Aber er stützte sich auf die Liebe, die er für seinen Meister empfand, anstatt gegen sich selbst misstrauisch zu sein. Daher antwortete er dem Herrn: „Wenn alle an dir Anstoß nehmen werden, ich werde niemals Anstoß nehmen.“ Armer Petrus! Er wusste nicht, dass sein eigenes Ich, auf das er sich stützte, ihn auf einen Weg der Niederlage brachte.

„Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir, dass du in dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, mich dreimal verleugnen wirst. Petrus spricht zu ihm: Selbst wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen. Ebenso sprachen auch alle Jünger.“ Petrus musste lernen, dass wir den Wunsch, dem Herrn treu zu sein und Ihm hingebungsvoll nachzufolgen, nicht mit eigener Kraft aufrecht erhalten können. Wir müssen uns unserer eigenen Schwachheit bewusst sein und die Kraft in dem suchen, der „in uns sowohl das Wollen als auch das Wirken vollbringt nach seinem Wohlgefallen“ (Phil 2,13).

Wenn wir uns selbst gegenüber nicht misstrauisch sind, dann lässt Gott es wie bei Petrus zu, dass wir fallen und durch Erfahrung lernen, was das Wort uns über unsere eigene Kraftlosigkeit sagt. Wenn Petrus, in Furcht vor sich selbst, die Warnungen des Herrn zu Herzen genommen hätte, so würde er die Hilfe in Gott gesucht haben. Stattdessen bezeugte er nochmals, dass er für seinen Meister selbst in den Tod gehen würde. Und was geschah? Er fiel schon bei diesem kleinen Angriff des Feindes. Gott gebe, dass diese Lektion, die für Petrus so demütigend und schmerzlich war, zu unserem Nutzen ist!

Gethsemane (26,36–46)

„Dann kommt Jesus mit ihnen an einen Ort, genannt Gethsemane, und er spricht zu den Jüngern: Setzt euch hier, bis ich dorthin gegangen bin und gebetet habe. Und er nahm Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus mit und fing an, betrübt und beängstigt zu werden. Dann spricht er zu ihnen: Meine Seele ist sehr betrübt bis zum Tod; bleibt hier und wacht mit mir. Und er ging ein wenig weiter und fiel auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst. Und er kommt zu den Jüngern und findet sie schlafend; und er spricht zu Petrus: Also nicht eine Stunde vermochtet ihr mit mir zu wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt; der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach. Wiederum, zum zweiten Mal, ging er hin und betete und sprach: Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille. Und als er kam, fand er sie wieder schlafend, denn ihre Augen waren beschwert. Und er ließ sie, ging wieder hin, betete zum dritten Mal und sprach wieder dasselbe Wort. Dann kommt er zu den Jüngern und spricht zu ihnen: So schlaft denn weiter und ruht euch aus; siehe, die Stunde ist nahe gekommen, und der Sohn des Menschen wird in die Hände von Sündern überliefert. Steht auf, lasst uns gehen; siehe, nahe ist gekommen, der mich überliefert“ (26,36–46).

Mit seinen Jüngern in Gethsemane angekommen, sagt der Herr zu ihnen: „Setzt euch hier, bis ich dorthin gegangen bin und gebetet habe.“ Der Herr empfand das Bedürfnis, sich zurückzuziehen und in dieser feierlichen Stunde sein Herz vor seinem Vater auszuschütten. Jedoch nimmt er die drei Jünger mit sich, die auch der Szene der Verklärung beigewohnt hatten: Petrus, Johannes und Jakobus. Hoffte er, bei ihnen etwas Teilnahme zu finden?

Erfüllt von Traurigkeit und Schmerz sagt Er zu ihnen: „Meine Seele ist sehr betrübt bis zum Tod; bleibt hier und wacht mit mir.“ Der geliebte Heiland, der vollkommene Mensch, war bei dem Gedanken an den Kreuzestod niedergebeugt. Er stand in seiner ganzen Schrecklichkeit vor Ihm und warf auf seine heilige und reine Seele einen furchterregenden Schatten. So tief empfand Er alles, was Ihm bevorstand, dass Er seine drei Gefährten zurückließ und etwas weiter ging, um sich niederzuwerfen und seine Seele in Gebet und Flehen vor seinem Vater auszuschütten, woran niemand teilhaben konnte. Denn wer, außer Ihm, vermochte die ganze Tragweite eines solchen Augenblicks zu erfassen?

Er fiel auf sein Angesicht und sagte: „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ In diesem feierlichen Augenblick galt es, den Kelch des göttlichen Zornes, den wir verdient hatten, entgegenzunehmen, und damit auch den Tod und das Gericht Gottes zu erdulden. Satan ließ die Seele unseres anbetungswürdigen Heilandes das ganze Gewicht der fürchterlichen Folgen unseres Ungehorsams bis zum Tod fühlen. Seine reine und heilige Seele konnte nur wünschen, dass die schreckliche Stunde des Todes an Ihm vorüber gehen würde. Andererseits aber konnte Ihn seine Vollkommenheit nur dazu bewegen, zu dem Willen seines Vaters Ja zu sagen und im Gehorsam den Weg bis zum schmachvollen Ende voranzugehen.

Nachdem Er gebetet hat, kommt Er zu seinen Jüngern und findet sie schlafend. In seiner göttlichen Güte spricht Er zu Petrus: „Also nicht eine Stunde vermochtet ihr mit mir zu wachen?“ Wie hätten diese Worte sein Herz treffen und ihn zur Wachsamkeit veranlassen sollen! Der Herr fügt hinzu: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt; der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach.“ Er verlangte nicht, dass sie mit Ihm wachten, sondern dass sie für sich selbst wachten, damit sie, im Bewusstsein ihrer Schwachheit, sich nicht einer Prüfung aussetzten, der sie nicht gewachsen waren. Der Herr hatte den Kampf allein zu bestehen, in dem Satan Ihm nichts ersparte. Er wollte Ihn von dem Werk zurückhalten, durch das Er als „der Same der Frau“ der Schlange den Kopf zertreten würde. Der Herr entfernt sich wieder und wendet sich zum zweiten Mal an seinen Vater: „Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille.“ Dann kommt Er zurück zu seinen Jüngern und findet sie wiederum schlafend. Diesmal sagt Er nichts zu ihnen. Er erwartet nichts mehr von ihnen. So wurde erfüllt, was in Psalm 69,21 steht: „Ich habe auf Mitleid gewartet, und da war keins, und auf Tröster, und ich habe keine gefunden.“

„Und er ließ sie, ging wieder hin, betete zum dritten Mal und sprach wieder dasselbe Wort.“ In diesem Augenblick, in dem Er bis zum Tod betrübt war, geschah das, was wir in Hebräer 5,7 lesen: „Der in den Tagen des Fleisches, da er sowohl Bitten als Flehen dem, der ihn aus dem Tod zu erretten vermochte, mit starkem Schreien und Tränen dargebracht hat.“ Wer vermag die Beängstigungen und die Betrübnis der Seele unseres geliebten Herrn zu ermessen, der durch Satan den Schrecken des Todes gegenübergestellt wurde, um Ihn von dem Werk, das Er unternehmen wollte, zurückzuhalten, Ihn, der weder den Tod wünschen konnte, noch sich dem Willen seines Vaters entgegensetzen wollte! Wie bei der Versuchung am Anfang seines öffentlichen Dienstes, hat auch hier sein Gehorsam gesiegt.

Er nahm den Kelch nicht aus der Hand Satans, sondern, wie es in Johannes 18,11 steht, aus der Hand des Vaters. Darum kommt Er vollkommen ruhig zu seinen Jüngern zurück und sagt zu ihnen: „So schlaft denn weiter und ruht euch aus; siehe, die Stunde ist nahe gekommen, und der Sohn des Menschen wird in die Hände von Sündern überliefert. Steht auf, lasst uns gehen; siehe, nahe ist gekommen der mich überliefert.“ Welche Worte der Gnade, die auch uns angehen! Künftig konnten nun die Schuldigen die Ruhe genießen, weil Er, der Gerechte, der Unschuldige im Begriffe stand, den Tod zu erdulden, den sie verdient hatten.

Wir sehen also in dieser Szene von Gethsemane alles das, was Er im voraus angesichts des Todes, den Ihm Satan mit all seinen Schrecken als das Gericht Gottes vorstellte, gelitten hat. Dank und Lob unserem Gott und Ehre dem Herrn Jesus! Er war gehorsam. Seine Liebe war stärker als der Tod. Die großen Wasser vermochten sie nicht auszulöschen (Hld 8,7). Die Beängstigungen des Todes konnten seine Liebe nicht aufhalten.

Aber jetzt musste dieser Eine, heilig und vollkommen, noch den Tod in seiner furchtbaren Wirklichkeit durchschreiten. Der ewige Sohn schritt selbst dieser Stunde entgegen. Der Ihn überliefern sollte, war nahe gekommen.

Die Festnahme des Herrn (26,47–56)

„Und während er noch redete, siehe, da kam Judas, einer der Zwölf, und mit ihm eine große Volksmenge mit Schwertern und Stöcken, ausgesandt von den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes. Der ihn aber überlieferte, hatte ihnen ein Zeichen gegeben und gesagt: Wen irgend ich küssen werde, der ist es; ihn greift. Und sogleich trat er zu Jesus und sprach: Sei gegrüßt, Rabbi!, und küsste ihn sehr. Jesus aber sprach zu ihm: Freund, wozu bist du gekommen! Dann traten sie herzu und legten die Hände an Jesus und griffen ihn. Und siehe, einer von denen, die mit Jesus waren, streckte die Hand aus, zog sein Schwert und schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab. Da spricht Jesus zu ihm: Stecke dein Schwert an seinen Platz; denn alle, die das Schwert nehmen, werden durch das Schwert umkommen. Oder meinst du, dass ich nicht meinen Vater bitten könnte und er mir jetzt mehr als zwölf Legionen Engel stellen würde? Wie sollten denn die Schriften erfüllt werden, dass es so geschehen muss? In jener Stunde sprach Jesus zu den Volksmengen: Seid ihr ausgezogen wie gegen einen Räuber, mit Schwertern und Stöcken, um mich zu fangen? Täglich saß ich lehrend im Tempel, und ihr habt mich nicht gegriffen. Aber dies alles ist geschehen, damit die Schriften der Propheten erfüllt würden. Da verließen ihn die Jünger alle und flohen“ (26,47–56).

Welch ein Gegensatz zwischen dieser Szene, in der die Herrlichkeit des Herrn durch die Wolken des Todesschattens hervorbricht, wo seine Vollkommenheiten in seinem Gehorsam triumphieren, und der Szene, in der Judas, der unter der Macht Satans stehend den Herrn für 30 Silberstücke verkauft!

Während der Herr Jesus mit seinen Jüngern, die Er selber aufwecken musste, noch im Gespräch war, kam Judas „und mit ihm eine große Volksmenge mit Schwertern und Stöcken, ausgesandt von den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes.“ Diese Waffen erwiesen sich als nutzlose Vorsichtsmaßnahmen, denn vor ihnen stand doch der Sohn Gottes, der mit dem Hauch seines Mundes alle hätte verzehren können. Aber Er wollte sich selbst Gott opfern, wie „ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern“. Wenn sie Ihn erkannt hätten, „so würden sie wohl den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt haben“ (1. Kor 2,8).

Judas nähert sich dem Herrn und sagt zu Ihm: „Sei gegrüßt, Rabbi!“ Er küsst Ihn zärtlich und überliefert Ihn damit den Häschern. Mit der Ihm eigenen Würde sagt Er zu ihm: „Freund, wozu bist du gekommen!“ Das war wieder ein Wort aus dem Mund des Herrn, das Judas hätte nachdenklich machen sollen.

Dann ergriffen die Leute, die mit Judas gekommen waren, den Herrn. Einer der Jünger, nach Johannes 18,10 war es Petrus gewesen, zog sein Schwert, schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab. Petrus wollte zeigen, dass er fähig war, seinen Meister zu verteidigen, bevor dieser, nach seinen eigenen Worten, in den Tod gehen würde. Im Gegensatz dazu hat der Herr selbst seinen Mund nicht aufgetan (Jes 53,7). Hätte Er zu seiner Verteidigung den Mund geöffnet, dann wären alle seine Feinde vernichtet worden. Darum sagt Er zu Petrus: „Stecke dein Schwert an seinen Platz; denn alle, die das Schwert nehmen, werden durch das Schwert umkommen. Oder meinst du, dass ich nicht jetzt meinen Vater bitten könnte und er mir mehr als zwölf Legionen Engel stellen würde? Wie sollten denn die Schriften erfüllt werden, dass es so geschehen muss?“

Mit welcher Schönheit heben sich hier von dem dunklen Hintergrund des menschlichen Herzens die Vollkommenheiten des Herrn ab! Judas lag ganz in den Händen Satans. Die verblendete Volksmenge ließ sich gegen ihren Wohltäter bewaffnen. Die Jünger standen allem, was den Herrn betraf, fremd gegenüber. Inmitten aller dieser Menschen ging der Herr Jesus ruhig und würdevoll dem Kreuz entgegen, um das zu erfüllen, was die Schriften sagten.

Er antwortete Judas und Petrus mit Sanftmut und Entschiedenheit. Die Volksmenge, der Er nur Gutes getan hatte, versucht Er von ihrer Verirrung mit den Worten zu überführen: „Seid ihr ausgezogen wie gegen einen Räuber, mit Schwertern und Stöcken, um mich zu fangen? Täglich saß ich lehrend im Tempel, und ihr habt mich nicht gegriffen. Aber dies alles ist geschehen, damit die Schriften der Propheten erfüllt würden.“ Der Herr zeigt sowohl den einen wie auch den anderen, dass Er sich trotz ihrer Unkenntnis oder ihrer Bosheit allem unterziehen wird, was erforderlich ist, um die Schriften zu erfüllen. Aber seine Worte lassen auch erkennen, dass Ihn die Haltung der verschiedenen Menschenklassen Ihm gegenüber tief schmerzte!

Als die Jünger sahen, wie sich der Herr seinen Häschern überließ, verließen sie Ihn und flohen. Jetzt war der Sohn des Menschen in die Hände der Sünder überliefert.

Das Verhör vor Kajaphas (26,57–68)

„Die aber Jesus gegriffen hatten, führten ihn weg zu Kajaphas, dem Hohenpriester, wo die Schriftgelehrten und die Ältesten versammelt waren. Petrus aber folgte ihm von weitem bis zu dem Hof des Hohenpriesters und ging hinein und setzte sich zu den Dienern, um das Ende zu sehen. Die Hohenpriester aber und das ganze Synedrium suchten falsches Zeugnis gegen Jesus, um ihn zu Tode zu bringen; und sie fanden keins, obwohl viele falsche Zeugen herzutraten. Zuletzt aber traten zwei herzu und sprachen: Dieser sagte: Ich kann den Tempel Gottes abbrechen und [ihn] in drei Tagen aufbauen. Und der Hohepriester stand auf und sprach zu ihm: Antwortest du nichts? Was bringen diese gegen dich vor? Jesus aber schwieg. Und der Hohepriester [hob an und] sprach zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst, ob du der Christus bist, der Sohn Gottes! Jesus spricht zu ihm: Du hast es gesagt. Doch ich sage euch: Von jetzt an werdet ihr den Sohn des Menschen zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen. Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sprach: Er hat gelästert; was brauchen wir noch Zeugen? Siehe, jetzt habt ihr die Lästerung gehört. Was meint ihr? Sie aber antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig. Dann spien sie ihm ins Angesicht und schlugen ihn mit Fäusten; einige aber schlugen ihm ins Angesicht und sprachen: Weissage uns, Christus, wer ist es, der dich schlug?“ (26,57–68)“.

Während Judas die Schar zur Festnahme des Herrn anführte, warteten die Schriftgelehrten und Ältesten, die bei dem Hohenpriester Kajaphas versammelt waren, den Ausgang dieser traurigen Begebenheit ab. Dann kam die Volksmenge herbei, die Häscher führten Ihn zu Kajaphas, der jener schändlichen Ratssitzung vorstand. Petrus folgte diesem Zug von ferne: Er wollte sein Wort halten und dem Herrn bis in den Tod folgen. Er hätte sich besser zurückgezogen um zu beten, damit er selbst nicht in Versuchung kommen würde. Stattdessen trat er in den Hof des Hohenpriesters ein, aus dem er das mitansehen konnte, was dem Herrn geschah. „Und er setzte sich zu den Dienern, um das Ende zu sehen.“

Das ganze Synedrium, das eine Ratsversammlung und der Oberster Gerichtshof des jüdischen Volkes war, hatte bereits den Entschluss gefasst, Ihn umzubringen. Es handelte sich jetzt nur noch darum, einen stichhaltigen Grund zu finden. Ihren Hass gegen Ihn wollten sie verstecken. Da sie keinen Anklagegrund gegen Ihn hatten, mussten sie falsche Zeugen vorschieben. Aber auch so fanden sie nichts Todeswürdiges an Ihm.

Schließlich erklärten zwei jener Zeugen: „Dieser sagte: Ich kann den Tempel Gottes abbrechen und ihn in drei Tagen aufbauen.“ In Johannes 2,19–22 wird die Unrichtigkeit dieser Behauptung bewiesen. „Da stand der Hohepriester auf und sprach zu Jesu: „Antwortest du nichts? Was bringen diese gegen dich vor? Jesus aber schwieg.“ Der Herr öffnete wohl den Mund, wenn es darum ging, Zeugnis über seine Person abzulegen. Aber gegen ein falsches Zeugnis verteidigte Er sich nicht. Erregt über dieses Stillschweigen redet Kajaphas Ihn an: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst, ob du der Christus bist, der Sohn Gottes!“ Jesus war der Christus, der Sohn Gottes, und wenn Er als solcher verworfen wurde, so wird der Tag kommen, wo sein Volk Ihn als Sohn des Menschen auf den Wolken des Himmels kommen sehen wird, mit Macht und großer Herrlichkeit (Mt 24,30; Off 1,7).

Beim Hören dieses schönen Zeugnisses zerriss Kajaphas seine Kleider und rief dem Synedrium zu: „Er hat gelästert; was brauchen wir noch Zeugen? Siehe, jetzt habt ihr die Lästerung gehört. Was meint ihr?“ Die gewünschte Antwort kam schnell: „Er ist des Todes schuldig.“ Das Urteil, das von den Juden schon lange zuvor gefällt worden war, wurde jetzt ausgesprochen.

Von diesem Augenblick an nahmen die Feinde keine Rücksicht mehr auf den Verurteilten. Und auch die Führer des Volkes gaben ihrem Hass und ihrer Verachtung freien Lauf. Um ihren niederträchtigen Gefühlen Ausdruck zu geben, spien sie Ihm ins Angesicht und schlugen Ihn mit Fäusten. „Einige aber schlugen ihm ins Angesicht und sprachen: Weissage uns, Christus, wer ist es, der dich schlug?“

Der Herr blieb inmitten dieser Szene ruhig und still, obwohl Er alles beurteilte, alles fühlte und alles wusste. Er verwirklichte, was der Apostel Petrus, als Zeuge dieser Misshandlungen, über Ihn geschrieben hat: „Der keine Sünde tat, noch wurde Trug in seinem Mund gefunden, der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet“ (1. Pet 2,22.23). Diese Verse stellen Ihn als Beispiel vor uns hin. Lasst uns Ihn nachahmen!

Petrus verleugnet den Herrn (26,69–75)

„Petrus aber saß draußen im Hof; und eine Magd trat zu ihm und sprach: Auch du warst mit Jesus, dem Galiläer. Er aber leugnete vor allen und sprach: Ich weiß nicht, was du sagst. Als er aber in das Tor hinausgegangen war, sah ihn eine andere; und sie spricht zu denen dort: Dieser war mit Jesus, dem Nazaräer. Und wieder leugnete er mit einem Eid: Ich kenne den Menschen nicht! Kurz darauf aber traten die Dastehenden herzu und sprachen zu Petrus: Wahrhaftig, auch du bist einer von ihnen, denn auch deine Sprache verrät dich. Da fing er an zu fluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht! Und sogleich krähte der Hahn. Und Petrus erinnerte sich an das Wort Jesu, der gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich“ (26,69–75).

Während der Herr vor Kajaphas stand, spielte sich im Hof eine andere Szene ab. Eine Magd kam und sagte zu Petrus: „Auch du warst mit Jesus, dem Galiläer. Er aber leugnete vor allen und sprach: Ich weiß nicht, was du sagst.“ Bald darauf sah ihn auch eine andere Magd und sprach zu denen, die daselbst waren: „Auch dieser war mit Jesus, dem Nazaräer. Und wieder leugnete er mit einem Eid: Ich kenne den Menschen nicht!

Armer Petrus! Er liebte den Herrn aufrichtig. Aber voller Vertrauen auf sich selbst hatte er die Warnungen des Herrn nicht beachtet (Mt 26,31.34.40.41). Da er diese Worte nicht zu Herzen genommen hatte, ließ er sich von der Szene, die er vor Augen hatte, beeindrucken: Er war Zeuge des Hasses, der sich jetzt ungehemmt gegen seinen Meister entfesselte und sah nur auf die Gefahr, sich mit dem einszumachen, den sie bald kreuzigen würden. Das Fleisch, das er vorher in seinen guten Vorsätzen nicht erkannt hatte, fürchtete sich nun davor, in dergleichen Weise angespieen und geohrfeigt zu werden. Ohne geistliche Hilfsquellen war er außerstande, etwas anderes zu tun, als sich in Sicherheit zu bringen und seinen geliebten Meister zu verleugnen.

Der Hahnenschrei, die Erinnerung an die Worte des Herrn in Lukas 22,61 zerrissen plötzlich den finsteren und kalten Nebel, der ihn eingehüllt hatte. In seinem Herzen wurde es Tag und er erkannte mit Bitterkeit, was er soeben getan hatte. Er ging ganz zerbrochen hinaus und weinte bitterlich über seine schreckliche Sünde.

Hast du noch nie etwas von dieser Bitterkeit geschmeckt? Suchten nicht auch wir schon zu vermeiden, als Jünger des Herrn Jesus erkannt zu werden? Ohne vielleicht eine Verleugnung durch Unvorsichtigkeit herbeizuführen, haben wir uns wohl mehr als einmal schon versteckt, um nicht als Christen dazustehen, als Jünger dessen, der von den Menschen angespieen wurde, Faustschläge und Schmähungen empfing, und den schrecklichen Zorn Gottes wegen unseren Sünden erdulden musste. Wenn wir die Gunst der Welt, die von unserem Herrn nichts wissen will, der Schmach vorziehen, die sich an seinen Namen heftet, so verleugnen wir Ihn.

Welche Traurigkeit erfüllt dann aber das Herz beim Gedanken an seine Liebe, die immer dieselbe bleibt und deren wir uns so wenig bewusst sind! Eines Tages wird alles offenbar, und wir werden dann die ewigen Folgen unseres Verhaltens erkennen. „Denn wer irgend sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Sohn des Menschen schämen, wenn er kommt in seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel“ (Lk 9,26). Lasst uns an den Herrn und nicht an uns selbst denken, an seine Liebe zu uns und an die Herrlichkeit, in welcher Er mit allen seinen Heiligen erscheinen wird, damit wir treu bleiben und nicht die Bitterkeit, Ihn verunehrt zu haben, schmecken müssen. Möchten wir, wie Mose, die Schmach des Christus für größeren Reichtum halten als die Schätze Ägyptens und auf die Belohnung schauen (Heb 11,26)!

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