Der Prophet Sacharja

Kapitel 13

Der Prophet Sacharja

Der geöffnete Quell

„An jenem Tag wird eine Quelle (Luther Übersetzt „Born“) geöffnet sein für das Haus David und für die Bewohner von Jerusalem für Sünde und für Unreinheit“ (13,1).

Das 13. Kapitel schließt sich inhaltlich voll und ganz dem vorhergehenden an. Es enthält in Einzelheiten die Geschichte der Reinigung und Erneuerung Israels, vom Anfang bis zum Ende. Der dem Haus Davids und den Bewohnern von Jerusalem geöffnete Quell ist das Wort Gottes. Vielfach nimmt man an, dass sich der Quell auf das Blut bezöge und singt darum auch das Lied: „Es ist ein Born, draus heil'ges Blut für arme Sünder quillt“. Das ist selbstverständlich richtig, nur redet unser Vers nicht davon. Wir haben die Sühnung durch das Blut im vorhergehenden Kapitel gesehen (Vers 10). Hier haben wir das, was der Errettung und Erlösung folgen muss: die praktische Reinigung. Sie wird auch während der Dauer des 1000-jährigen Reiches stattfinden. Erst das Blut und dann das Wasser: erst die Erlösung und dann die tägliche praktische Reinigung durch das Wort. Wir müssen das festhalten, das Blut ist einmal geflossen und fließt nie wieder. Die Reinigung auf dem Weg erfolgt nicht mehr durch das Blut, sondern durch das Wasser, das Wort. Diese Reinigung wird in Israel eine vollständige sein, man wird kein Götzenbild mehr finden, keinerlei Unreinigkeit ist mehr festzustellen.

„Und es wird geschehen an jenem Tag, spricht der HERR der Heerscharen, da werde ich die Namen der Götzen ausrotten aus dem Land, und man wird sich nicht mehr an sie erinnern; und auch die Propheten und den Geist der Unreinheit werde ich aus dem Land wegschaffen“ (13,2).

Israel wird in der Tat ein heiliges Priestervolk sein, der vorigen Tage der Unreinheit und des Götzendienstes wird nicht mehr gedacht werden. Es wird nicht mehr zu seinen alten Gewohnheiten der Sünde und Laster zurückkehren. Es wird in jeder Beziehung geheiligt und gereinigt sein, heilig in Bezug sowohl auf den Leib als auch in Bezug auf die Seele. Keine Gebrechen werden mehr auf Leib und Seele fallen. „Kein Einwohner wird sagen: Ich bin schwach“ (Jes 33,24). Das ist die Folge davon, dass der Heilige Geist nicht nur wie am Pfingsttag auf eine kleine Schar kommt, sondern auf das ganze Volk ausgegossen werden wird.

„Und es wird geschehen, wenn ein Mann ferner weissagt, so werden sein Vater und seine Mutter, seine Erzeuger, zu ihm sprechen: Du darfst nicht leben, denn du hast Lüge geredet im Namen des HERRN! Und sein Vater und seine Mutter, seine Erzeuger, werden ihn durchbohren, wenn er weissagt. Und es wird geschehen an jenem Tag, da werden die Propheten sich schämen, jeder über sein Gesicht, wenn er weissagt; und sie werden nicht mehr einen härenen Mantel anlegen, um zu lügen“ (13,3.4).

Ein Zittern und ein Schreck vor der Ungerechtigkeit wird über die Seelen kommen. Ein heiliger und gerechter Zorn, der, wenn Sünde offenbar wird, auch vor dem eigenen Fleisch und Blut nicht Halt macht, sondern in heiligem Zorn der Gerechtigkeit und Heiligkeit Nachdruck verschafft und den Übertreter sofort mit dem Schwert ausrottet. Eine Heiligkeit, wie sie nie auf der Erde gesehen wurde. Ach, wie glaubt man heute, die Sünde in all ihren Formen tolerieren und die Übertretungen beschönigen und als geringfügig übersehen zu dürfen. Man fragt nicht mehr, was Gott in seiner Heiligkeit dazu sagt. So entartet, so degeneriert und heruntergekommen ist die Moral in der Christenwelt. Und vor der Aufrichtung des Reiches wird es bei den Juden nicht anders sein. Auch das Prophetentum wird geheiligt sein. Die Propheten, statt ein Zeugnis für die Wahrheit zu sein, verstrickten sich in Götzendienst, predigten Lüge, dienten der Unreinigkeit. Aber nun wird alles ausgefegt sein. Ein heiliges Priestervolk dient dem HERRN, dem Gott der Heerscharen.

Hesekiel sagt von dieser gesegneten Zeit: „Ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben […] Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde bewirken, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechte bewahrt und tut“ (Hes 36,26.27). Auch der Prophet Jeremia bezeugt: „Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben; und ich werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein“ (Jer 31,33). Das alles bedingt aber, dass niemand mehr einen härenen Mantel (Zeichen der Prophetenwürde) anziehen wird, um Falschheit und Lüge zu verkündigen. Ja sie werden sich schämen, dass sie sich von Satan haben verblenden lassen, um Lüge zu verkündigen. Israel wird nun ein tiefes Gefühl für die göttliche Wahrheit haben. Es wird die Wahrheit lieben und schätzen, wie man einen kostbaren Juwel liebt und schätzt.

„Und er wird sprechen: Ich bin kein Prophet, ich bin ein Mann, der das Land bebaut; denn man hat mich gekauft von meiner Jugend an“ (13,5).

Es ist eine Eigenart des Propheten Sacharja, dass er den Herrn ganz plötzlich und unvermittelt in Szene treten lässt. Ohne Einleitung und ohne Umschweife sagt er einfach: „Er wird sprechen!“ Dies ist überaus schön. Der HERR ist gegenwärtig und Er spricht auch. Da möchten wir rufen: „O Land, Land, Land, höret das Wort des HERRN“ (Jer 22,29)! Was sagt Er? „Ich bin kein Prophet, ich bin ein Mann, der das Land bebaut.“ Wie klar und deutlich sprechen diese Worte davon, dass der HERR in Niedrigkeit gekommen ist. Er nahm die Stellung den Umständen entsprechend ein, in die Adam durch die Sünde gekommen ist. Er ist den Menschen wirklich gleich geworden, aber ohne Sünde. Christus war Apostel, Hirte und Prophet. Dennoch erscheint Er hier nicht in diesem Charakter. Er erscheint als ein einfacher Mensch, der sich in die Umstände begibt, die der Fluch hervorgebracht hat. Nichts könnte so sehr seine Erniedrigung kennzeichnen als die Worte: „Ein Mann, der das Land bebaut“. Er hungerte, Er dürstete, Er wurde müde, und noch mehr als das, Er unterwarf sich den Menschen, die als seine Geschöpfe aus seiner Hand hervorgegangen waren. Seinen Eltern untertan, gehorsam als Zimmermannssohn wurde Er Knecht der Menschen, Knecht seiner Geschöpfe. Kann man sich eine noch tiefere Erniedrigung denken? Unmöglich! Christus nahm aus Liebe zu uns den denkbar tiefsten Platz ein.

„Man hat mich gekauft von meiner Jugend an.“ Was will uns der HERR damit sagen? Doch jedenfalls, dass Er von seiner frühesten Jugend an nicht sich selbst gehörte. Schon als 12-jähriger sagt Er den Schriftgelehrten: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (Lk 2,49). War es je Sitte, dass ein Jüngling die betagten Gelehrten unterrichtete? Gewiss nicht! Aber der, der sich im Tempel die Buchrolle des Propheten Jesaja geben ließ und auslegte, war Gott von Ewigkeit. Aber in Menschengestalt unter Menschen war er deren erkaufter Sklave. Wer diese Höhen und Tiefen zu erfassen vermag, der erfasse sie!

„Und wenn jemand zu ihm spricht: Was sind das für Wunden in deinen Händen?, so wird er sagen: Es sind die Wunden, womit ich geschlagen worden bin im Haus derer, die mich lieben“ (13,6).

Der Herr stellt sich hier persönlich mit durchbohrten Händen und Füßen als der Gekreuzigte vor Jerusalem. Wie einen Übeltäter hat Ihn die religiöse Stadt behandelt, doch wir wissen, um unseretwillen war Er also geschlagen und maltraitiert. Wie lieblich deckt sich dieses ergreifende Zwiegespräch mit dem Gespräch und der Begegnung des Herrn mit Thomas. Angewandt auf Israel erkennen wir, dass der Überrest, wenn er dem Herrn begegnen wird, vom Glauben zum Schauen kommen wird. Man möchte denken, dass es eigentlich heißen müsste: Ich bin geschlagen worden im Haus derer, die mich hassten, aber es heißt anders: „im Haus derer, die mich lieben“. Der HERR sieht die Juden nicht mehr in dem Hass gegen Ihn. Nein, Er sieht den treuen Überrest, der Israel repräsentiert, in ihrer Liebe und in ihrer Zuneigung zu Ihm. Auch das ist Gnade.

„Schwert, erwache gegen meinen Hirten und gegen den Mann, der mein Genosse ist!, spricht der HERR der Heerscharen. Schlage den Hirten, und die Herde wird sich zerstreuen. Und ich werde meine Hand den Kleinen zuwenden“ (13,7).

Zwei Titel gibt hier der Vater seinem Sohn: Er nennt Ihn Hirte und seinen Genossen. Über diesen Treuen muss Er wegen unserer Untreue das Schwert ziehen. Gott muss seinen Sohn in Gericht und Tod geben. Wie schwer muss das dem Vater geworden sein. Aber es gab keinen anderen Weg, wenn nicht alle verloren gehen sollten. Im vorhergehenden Vers sahen wir Ihn geschlagen von Seiten der Menschen, aber hier sehen wir den Heiligen und Gerechten geschlagen von Gott. Ach, es gab keinen anderen Weg zu unserer Errettung. Der Lohn der Sünde ist der Tod, anders konnte sie nicht gesühnt werden. Aber weil das Werk der Sühnung auf Golgatha jetzt geschehen ist, kann Gott „seine Hand den Kleinen zuwenden“. Das ist das Ergebnis des Kreuzes. Die Kleinen bilden in der Anwendung heute die Versammlung des lebendigen Gottes. In den letzten Tagen wird es der treue Überrest aus Israel sein. Die Kleinen aber werden sich mehren und die Erde erfüllen.

„Und es wird geschehen im ganzen Land, spricht der HERR: Zwei Teile davon werden ausgerottet werden und verscheiden, aber der dritte Teil davon wird übrig bleiben. Und ich werde den dritten Teil ins Feuer bringen, und ich werde sie läutern, wie man das Silber läutert, und sie prüfen, wie man das Gold prüft. Es wird meinen Namen anrufen, und ich werde ihm antworten; ich werde sagen: Es ist mein Volk; und es wird sagen: Der HERR ist mein Gott“ (13,8.9).

Diese Verse reden von der Endzeit. Denn bis heute ist noch nichts davon erfüllt. Gott wird sich Israels nochmals annehmen. Aber da das ganze Volk dem Unglauben verfallen ist, wird Gott sich einen Überrest erwählen, aber auch dieser muss durch schweres Läuterungsfeuer hindurchgehen. In dieser scharfen Sichtung wird es von seinem Hass gegen den wahren Erben und von seiner Blindheit geheilt werden und in Christus Jesus seinen Messias erkennen und annehmen. Juda wird im Land gerichtet und geläutert werden und Israel auf dem Weg. Doch Sacharja beschäftigt sich hier nur mit Juda. Zwei Teile werden ausgerottet, weil sie sich in der Läuterung als Schlacken erweisen. Der göttliche Dritte Teil wird auch durch die große Drangsalszeit hindurch müssen, aber geläutert und gereinigt in das Reich eingehen, d. h. die Segnungen des 1000-jährigen Reiches empfangen. Das ist, was wir in den Psalmen und in den Propheten immer wieder finden.

Welch eine Freude und welch eine Wonne wird es für den HERRN, den Gott der Heerscharen, sein, ein Volk auf der Erde zu haben, das bereit ist, seinen Willen zu tun und nach seinen Geboten zu fragen! Er wird von diesem Überrest sagen können: Es ist mein Volk! und der Überrest wird antworten: Der HERR ist mein Gott! Nicht wird es weiter „Lo-Ammi“ = Nicht-mein-Volk genannt werden.

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