Der Prophet Sacharja

Kapitel 12

Der Prophet Sacharja

Der letzte Tag

Mit dem zwölften Kapitel beginnt ein neuer Abschnitt des Buches des Propheten Sacharja. Er umfasst die beiden Kapitel 12 und 13 und enthält Aussprüche Gottes, wie der Heilige Geist, der Verfasser des göttlichen Buches, selber andeutet:

„Ausspruch des Wortes des HERRN über Israel. Es spricht der HERR, der den Himmel ausspannt und die Erde gründet und des Menschen Geist in seinem Innern bildet: Siehe, ich mache Jerusalem zu einer Taumelschale für alle Völker ringsum; und auch über Juda wird es kommen bei der Belagerung von Jerusalem“ (12,1.2).

Dieser zweite Ausspruch Gottes richtet sich weder an das Römische Weltreich noch an den Antichristen. Was dem Propheten immer vor Augen steht, ist Jerusalem und Juda. Er erwähnt Israel nur, wenn es sich um den glorreichen Ausgang des messianischen Königreiches handelt. Auch handelt dieser Ausspruch nicht von Gericht, sondern von Segnung, die sich auf die Leiden des Christus gründen. Es handelt sich nicht um die Gerichte, wie sie uns das Buch der Offenbarung als die Erfüllung dessen, was die zweite Hälfte der 70. Jahrwoche nach Daniel in sich schließt, kundtut. Nein, der Prophet sieht bereits das Reich des Friedens und der Gerechtigkeit angebrochen. Das Römische Weltreich hat aufgehört zu bestehen und der Antichrist ist vernichtet (Off 19,20).

„Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich Jerusalem zu einem Laststein für alle Völker machen: Alle, die ihn aufladen wollen, werden sich gewiss daran verwunden“ (12,3).

Der HERR selbst, der Schöpfer Himmels und der Erde, wird sich Jerusalems annehmen. Er wird es zu einem Laststein, zu einer Zuchtrute machen für alle Völker. Noch ist Jerusalem keine offene Stadt, noch besitzt es Mauern und Tore. Jerusalem wird am Ende der Tage nicht nur geographisch sondern auch politisch und wirtschaftlich „Nabel der Erde“ sein. Das ist eine begehrliche Sache und vor allem versuchte Rom, Land und Stadt in seinen Besitz zu bekommen. Sie kommen vor ihre Tore, aber Gott ist nicht mit ihnen, sie müssen umkehren. Das Römische Reich und andere Mächte haben sich immer wieder an diesem Laststein verwundet. Wohl herrschte Rom eine Zeitlang über Israel und die Einnahme Jerusalems wurde in Rom mit seltenem Jubel gefeiert. Aber Rom ist untergegangen. Der Herr weiß mit seinen Feinden abzurechnen.

„Und alle Nationen der Erde werden sich gegen es versammeln. An jenem Tag, spricht der HERR, werde ich alle Pferde mit Scheuwerden und ihre Reiter mit Wahnsinn schlagen; und über das Haus Juda werde ich meine Augen offen halten und alle Pferde der Völker mit Blindheit schlagen“ (12,3.4).

Wohl haben die Nationen sich wiederholt gegen Jerusalem versammelt, aber die vor uns liegenden Verse reden von dem letzten Ansturm, den die Völker gegen die Stadt Gottes unternehmen werden. Es ist im Grunde die letzte Auseinandersetzung zwischen Christus und Belial. Wer soll die Erde besitzen? Wem soll sie zum Schemel der Füße gelegt werden? Einer ist es, der Herr der Herren, der König der Könige. Ihm wird das Reich bleiben in alle Ewigkeit. Mit Scheuwerden, Wahnsinn und Blindheit wird Gott die rebellischen, gottfeindlichen und christusfeindlichen Völker schlagen. Ihre Niederlage wird eine völlige und endgültige sein. Nie mehr werden sie sich gegen den Heiligen und gegen sein Volk erheben.

Aber über das Haus Juda wird Gott seine Augen offen halten. Der bedrängte, treue, gläubige Überrest wird die Gnade und Durchhilfe des Herrn in reichem Maße erfahren und Gott wird den Widersachern zeigen, dass es sein Volk ist, das Er erwählt, geliebt und zu sich gezogen hat. Man kann nicht ungestraft gegen Gottes Volk angehen. Viele haben es schon hier auf Erden erleben und erfahren müssen, dass, wer sein Volk angreift, den göttlichen Augapfel antastet.

„Und die Fürsten von Juda werden in ihrem Herzen sprechen: Eine Stärke sind mir die Bewohner von Jerusalem in dem HERRN der Heerscharen, ihrem Gott“ (12,5).

Die „Fürsten von Juda“ waren die ersten, die den Herrn, als Er auf der Erde war, verwarfen. Die Gnade Gottes aber will, dass sie die Ersten sein sollen, denen Gott voll Huld und Vergebung naht. Könnte man sich größere Liebe, größeres Erbarmen vorstellen und erdenken? Nein, zu solchem Handeln braucht es göttliche Liebe und göttliche Huld. Rührend ist die Gemeinschaft zwischen Volk und Fürsten. Auch der Geringste ist gewillt, die von Gott gegebenen Autoritäten anzuerkennen und zu unterstützen. Wohl einer Regierung, die das Volk restlos hinter sich hat! Die „Bewohner von Jerusalem“, d. i. der treue, gläubige Überrest, der in schweren Tagen treu zum göttlichen Wort hielt, entbehrt nun nicht der Kraft, den Fürsten in ihrem auch nicht leichten Amt volle Unterstützung zu gewähren, ihnen für das Werk Gottes beizustehen.

„An jenem Tag werde ich die Fürsten von Juda einem Feuerbecken unter Holzstücken und einer Feuerfackel unter Garben gleichmachen; und sie werden zur Rechten und zur Linken alle Völker ringsum verzehren. Und fortan wird Jerusalem an seiner Stätte wohnen in Jerusalem“ (12,6).

Dieses Wort ist zweifellos noch nicht in Erfüllung gegangen. Die Erfüllung ist einer späteren Zeit vorbehalten. Aber der HERR selbst wird Sorge dafür tragen, dass es erfüllt werden wird, wenn Gottes Zeit dafür gekommen ist. Wir finden in dem Buch des Propheten Sacharja Erfülltes und noch nicht Erfülltes und es ist dem Erforscher der Schriften überlassen, darüber nachzusinnen, auf welcherlei Zeit der Herr geredet hat.

Wir bemerken noch, dass der Vers eingeleitet wird mit den Worten: „An jenem Tag“, und nicht „an jenen Tagen“. Ein plötzliches Verderben wird über die Widersacher, die wider Jerusalem hinaufziehen, kommen, gleich der Katastrophe, die über die Ägypter kam, als sie Israel nachjagten und mit Ross und Reiter und Wagen elendig im Roten Meer umkamen. Ja, der im Himmel thront, lacht und spottet seiner Feinde. „Jerusalem wird an seiner Stätte wohnen in Jerusalem.“ Dies ist kein Druckfehler, liebe Freunde des prophetischen Wortes, Gott meint, was Er sagt. Jerusalem, das Volk der Stadt, wird fortan in seiner Stadt, Jerusalem, wohnen. Es wird nicht wieder ausziehen und fliehen müssen vor feindlichen Horden, es wird nicht bedrängt oder erobert oder die Einwohner geschlachtet werden. Friede und Ruhe wird sein Teil sein immerdar!

„Und der HERR wird die Zelte Judas zuerst retten, damit die Pracht des Hauses David und die Pracht der Bewohner von Jerusalem sich nicht über Juda erhebe“ (12,7).

Juda zuerst, welche Gnade. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass wo die Sünde überströmend geworden, die Gnade noch mächtiger geworden ist. Könnte die Pracht Davids oder die Pracht Jerusalems sich dahin auswirken, dass sie sich überheblich erweisen würde? Nein, gewiss nicht! Der Segen des einen ist die Freude des anderen. Sollte es nicht auch so in unserer Mitte sein, dass, wenn Gott einen Bruder segnet, wir uns mit ihm freuen! Ach, dass Neid und Missgunst fern von uns sein möchte! So wird der HERR die Zelte Judas (Jerusalem liegt im Stamme Benjamin) vor Jerusalem segnen. Gott weiß, was zu tun nützlich ist und wie Er die seinen vor den Fallstricken der Überheblichkeit bewahren kann! Treu ist unser Gott! Ewig derselbe!

„An jenem Tag wird der HERR die Bewohner von Jerusalem beschirmen; und der Strauchelnde unter ihnen wird an jenem Tag wie David sein und das Haus David wie Gott, wie der Engel des HERRN vor ihnen her. Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich alle Nationen zu vertilgen suchen, die gegen Jerusalem herankommen“ (12,8.9).

Die Bewohner Jerusalems werden in jenen antichristlichen Tagen durch besondere Nöte und Schwierigkeiten gehen, aber der Herr wird sich aufmachen und sie beschirmen. Wie ihre Tage, so wird auch ihre Kraft sein, dargereicht durch die Güte und das Erbarmen Gottes.

Der „Strauchelnde“, genauer der Hinkende, das Schwache, das Elende, das ist es, was Gott sich erwählt hat. An dem, was nichts ist, will Er sich verherrlichen. Ja, das Haus David wird wie Christus in seiner Herrlichkeit sein. Für Christus selbst wäre alle Herrlichkeit ohne Interesse, wenn Er sie nicht teilen könnte mit denen, die Ihn lieben. Wie könnten nun die Feinde noch bestehen? Der Widersacher und alle seine Helfershelfer müssen das Feld räumen; sie haben keinen Platz in der Herrlichkeit des  Herrn.

So wird auch der Ansturm der Nationen gegen Jerusalem im Sand verlaufen. Wer könnte die Hand gegen den Allmächtigen erheben?

„Und ich werde über das Haus David und über die Bewohner von Jerusalem den Geist der Gnade und des Flehens ausgießen; und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen gleich der Wehklage über den einzigen Sohn und bitterlich über ihn Leid tragen, wie man bitterlich über den Erstgeborenen Leid trägt“ (12,10).

Bis hierhin hörten wir noch nichts von David und von seinem Haus. Doch jetzt in diesem Kapitel wird es fünf Mal genannt. Wir sehen darin, welche Herrlichkeit Gott diesem Haus Davids zugedacht hat. Diese Herrlichkeit wird an dem Tag der Offenbarung des wahren David, des Jesus Christus selbst, gekommen sein und wird in seinem völligen Glanz gesehen werden.

Es liegt auf der Hand, dass solche Herrlichkeit nicht offenbart werden kann, ohne dass sein Volk durch wahre Umkehr, Reue und Bekenntnis zu seinem HERRN und Messias umkehrt. Die große Drangsal Jakobs hat ihre Frucht gezeitigt.

Der 10. Vers unseres Kapitels ist im Grunde die Geschichte eines jeden Kindes Gottes. Es ist die Geschichte der Brüder Josephs. Sie verkauften ihn an das durchziehende Krämervolk, aber Gott benutzte ihr Tun zu ihrer eigenen Erhaltung. Joseph war gut gegen seine Brüder, obwohl das tiefe Gefühl der Reue erst kam, als Joseph sich ihnen zu erkennen gab.

Israel ist Träger und Erfüllung aller Verheißungen. Es muss dies aber noch lernen und erkennen, dass die Grundlage hierzu die Erlösung und das Werk am Kreuz von Golgatha ist. Es muss erkennen, dass sein Messias derselbe ist, den es verworfen und gekreuzigt hat, und dass Er zugleich der HERR ist.

Die Reue und Umkehr wird eine nationale, aber auch eine ganz persönliche sein, wie der nächste Vers zeigt.

„An jenem Tag wird die Wehklage in Jerusalem groß sein wie die Wehklage von Hadad-Rimmon in der Talebene Megiddo. Und wehklagen wird das Land, jede Familie für sich: die Familie des Hauses David für sich und ihre Frauen für sich; die Familie des Hauses Nathan für sich und ihre Frauen für sich; die Familie des Hauses Levi für sich und ihre Frauen für sich; die Familie der Simeiter für sich und ihre Frauen für sich; alle übrigen Familien, jede Familie für sich und ihre Frauen für sich“ (12,11-14).

Diese große Wehklage lässt uns erkennen, wie tief Israel am Tag seiner Erneuerung seine Blutschuld erkennen wird. Ja, sie haben, wie einst die Söhne Jakobs ihren Bruder Joseph an die Nationen verkauften, ihren Herrn und Messias den Nationen überliefert, um Ihn dem Tod zu überliefern, Ihn, der ihnen Leben, Freiheit und Erlösung aus aller Knechtschaft bringen wollte. Die Geschlechter und Familien wenden sich nicht gemeinsam zu Gott, nein, sogar Männer und Frauen geben gesondert ihrer Trauer und Reue Ausdruck. Es ist eine durchaus persönliche und intime Angelegenheit. Der, den sie hassten, ist nun Gegenstand ihrer tiefsten Liebe und Zuneigung geworden.

Es werden Häuser aus priesterlichem, prophetischem und königlichem Geschlecht angeführt. Nie in der Geschichte Israels wurde eine solche Reue und Umkehr wahrgenommen. Es wird auch nie mehr sein bis zu dem Augenblick, in dem sie den Durchbohrten an seinen Wundenmalen erkennen werden. Allerdings wird vorerst der Heilige Geist über das Volk ausgegossen werden. Sonst wäre ein solches Erkennen und eine gottgemäße Umkehr nicht möglich.

Das gleiche finden wir in der Offenbarung 1,7: „Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes. Ja, Amen.“ Welch ein Erwachen wird das für Israel sein! Sehnlichst erwartet der treue, gläubige Überrest die Ankunft ihres Messias, um sie aus den Klauen und Verfolgungen des Antichrists zu befreien. Sie sehen Ihn in der Wolke der Herrlichkeit kommen. Sie jubeln Ihm entgegen, aber was sehen sie? Der Kommende trägt an Händen und an Füßen Nägelmale und an der Seite das Mal des Lanzenstiches. Das öffnet ihnen die Augen, der Kommende ist der, den sie durchbohrt und umgebracht haben.

Wer mag ihr Erstaunen ermessen, wer die daraus hervorgehende Wehklage beschreiben? Jetzt ist das vom Herrn selbst geweissagte Wort erfüllt: „Und dann wird das Zeichen des Sohnes des Menschen am Himmel erscheinen; und dann werden alle Stämme des Landes wehklagen, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit“ (Mt 24,30). Den weinenden Frauen, die Ihm auf dem Kreuzesgang nachfolgten, sagt der Herr: „Weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder; denn siehe, Tage kommen, an denen man sagen wird: Glückselig die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren, und die Brüste, die nicht genährt haben! Dann werden sie anfangen, zu den Bergen zu sagen: Fallt auf uns!, und zu den Hügeln: Bedeckt uns!“ (Lk 23,28-30).

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