Der Prophet Sacharja

Kapitel 5

Der Prophet Sacharja

Die fliegende Rolle

Das Buch des Propheten Sacharja ist reich an Bildern und es ist eine große Freude, sich in diese Bilder zu vertiefen. Es scheint nicht alles an der Oberfläche zu liegen, aber ein gehorsames und nach Licht dürstendes Herz hat eine Fundgrube kostbarster und ernstester Dinge vor sich. Es ist die Freude und das Wohlgefallen Gottes, uns in diese prophetischen Dinge einzuführen. Wir sollen nicht im Verständnis Kinder bleiben, sondern heranwachsen zum vollen Wuchs des Mannes in Christus Jesus (Eph 4,13).

„Und ich erhob wiederum meine Augen und sah: Und siehe, eine fliegende Rolle. Und er sprach zu mir: Was siehst du? Und ich sprach: Ich sehe eine fliegende Rolle, ihre Länge zwanzig Ellen und ihre Breite zehn Ellen“  (5,1.2).

Die Kapitel, die wir bisher betrachtet haben, zeigen uns die Segnungen, die den Treuen gegeben werden. Daraus ergibt sich jetzt die Frage, was mit denen geschieht, die sich geweigert haben, das Gnadenangebot Gottes anzunehmen. Die zwei Gesichte unseres Kapitels geben uns darüber in der „fliegenden Rolle“ und im „Epha“ Auskunft. Beides sind Gemälde des Gerichts, das über das gottlose Israel kommen werden.

Betrachten wir zuerst die fliegende Rolle. Der Prophet sieht eine gewaltige Buchrolle. Sie ist zwanzig Ellen lang und zehn Ellen breit. Selbstverständlich kann es sich dabei nicht um ein wirkliches Buch handeln. Die fliegende Rolle spricht davon, dass Gott alle seine Pläne und Ratschlüsse in seinem Wort niedergelegt hat und Er selbst darüber wachen wird, dass auch das letzte Detail zur Ausführung kommen wird.

Wir stellen fest, dass die Maße der Rolle den Maßen des Heiligtums entsprechen. Das Allerheiligste im Tempel, das bekanntlich eine Würfel-Form hatte, war in seiner Höhe, Länge und Breite 20 Ellen. Im Allerheiligsten stand die Bundeslade und wurde von den Flügeln der Cherubim überdeckt. Die Spannweite der Flügel betrug 10 Ellen. Die Bedeutung ist nicht schwer: Es ist die Heiligkeit Gottes in richterlicher Ausübung. Gott ist nicht nur Liebe, Er ist auch Gerechtigkeit. Er ist nicht nur der Heiland-Gott. Er ist auch der Richter der Lebendigen und Toten. Gott offenbart uns seine Liebe durch sein Wort. Aber es ist auch sein Wort, das den Menschen richten wird. Das gleiche haben wir in der Buchrolle. Das Wort Gottes ist lebendig, darum ist auch die Buchrolle fliegend (lebendig). Sein Wort ist kein toter Buchstabe. Es ist kein Menschenwort, das manchmal oder nie eintrifft. Auch kann niemand das Wort Gottes ungestraft ignorieren.

Im Gesicht der fliegenden Rolle wird der Fluch über die moralischen Verfehlungen ausgesprochen. Im zweiten Gesicht wird das Gericht über die religiösen Übertretungen ausgesprochen. Diebstahl und Meineid werden besonders erwähnt; es sind Versündigungen gegen Gott und gegen die Menschen. Den Augen Gottes, die den ganzen Erdkreis durchlaufen, entgeht nichts. Gott sieht alles, weiß alles und wird alles ins Gericht bringen. Wir erkennen hier den ganzen verderbten Zustand des Menschen. Er hat den Tempel Gottes zu einer Räuberhöhle gemacht (Mt 21,13). Maleachi gibt dem abtrünnigen Volk das gleiche Urteil: „Seit den Tagen eurer Väter seid ihr von meinen Satzungen abgewichen und habt sie nicht bewahrt. […] Eure Worte sind trotzig gegen mich gewesen“ (Mal 3,7.13).

Die Rolle wird uns in der Heiligen Schrift von drei Gesichtspunkten aus gezeigt:

  1. Wir finden in ihr den vollkommenen Gehorsam des Menschensohnes: „Siehe, ich komme; in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben“ (Ps 40,8).
  2. In der Offenbarung sehen wir die Buchrolle in der Hand dessen, der auf dem Thron sitzt. Sie enthält die Ratschlüsse Gottes in Bezug auf die Erde und auf sein Volk Israel. Das Lamm allein ist würdig die Siegel zu brechen und die darin beschriebenen Ereignisse und Gerichte ins Rollen zu bringen (Off 5,9).
  3. Die Buchrolle enthüllt den wahren Zustand des Menschen und seine Verantwortlichkeit. Weil er derselben nicht entsprochen hat, spricht die Buchrolle den Fluch über die Abtrünnigen aus. Bald wird die Buchrolle sich zum Flug erheben und die darin geschriebenen Gerichte werden ihren Lauf nehmen.

Lieber Leser, bist du in Sicherheit? Geborgen vor dem unerbittlichen Gericht? Wenn nicht, dann komm noch heute in Jesu Retterarme! Beuge dich in Reue und Umkehr vor dem Heiligen und Er wird dich in Gnade aufnehmen und vor dem kommenden Zorn bergen!

„Und er sprach zu mir: Dies ist der Fluch, der über die Fläche des ganzen Landes ausgeht; denn jeder, der stiehlt, wird entsprechend dem, was auf dieser Seite der Rolle geschrieben ist, weggefegt werden; und jeder, der falsch schwört, wird entsprechend dem, was auf jener Seite der Rolle geschrieben ist, weggefegt werden“ (5,3).

Einst sind die heiligen Füße des Menschensohnes über diese Erde geschritten. Er brachte Segen, aber man hat Ihn nicht angenommen. Die Häuser blieben Ihm verschlossen. Er hatte nicht, wo Er sein Haupt hinlegen konnte (Lk 9,58)! Nun kommt ein anderer, er schafft sich Eingang in jede Hütte, in jeden Palast, nichts und niemand kann sich wehren, kein Tor und kein Riegel hält ihn draußen. Sein Name ist Fluch. Er hat sich aufgemacht, die Erde zu schrecken. Er bringt nicht Segen, denn sein Kommen bedeutet erbarmungsloses Gericht.

„Ich habe ihn ausgehen lassen, spricht der HERR der Heerscharen; und er wird in das Haus des Diebes kommen und in das Haus dessen, der bei meinem Namen falsch schwört; und er wird in seinem Haus herbergen und es vernichten, sowohl sein Gebälk als auch seine Steine“ (5,4).

Man gönnte dem Herrn auch keine Herberge, jetzt kommt der Fluch. Nicht eingeladen und unerwünscht. Ohne zu fragen, tritt er in jedes Haus ein. Da wird er herbergen, also bleiben. Niemand kann den ungebetenen Gast veranlassen, sich zu entfernen. Wo er eintritt, bleibt er. Können wir uns das Furchtbare dieser Tatsache ausmalen? Nun, hast du dich geweigert, dem Herrn in deinem Haus und in deinem Herzen einen Platz zu geben? Die Folgen der Ablehnung des Herrn waren dir auch bekannt. Dann wirst du in Ewigkeit das Los dir selbst zuschreiben müssen und immer wiederholen: Ich habe nicht gewollt! Du vertrautest dem Haus, das du dir selbst gebaut hast. Du glaubtest, sein Gebälk und seine Steine würden der Ewigkeit trotzen, aber wie ein Kartenhaus wird es zusammenbrechen. Hast du die vier Schmiede im zweiten Kapitel wohl beachtet? Ja, sie waren nicht Vertrauen erweckend ausgerüstet, ihre Werkzeuge, sonst zum Guten bestimmt, sind Werkzeuge des Gerichts und des Verderbens geworden. Sie üben das Gericht aus, obwohl sie Gericht verdienen. Sie selbst und ihre Häuser werden von dem Gericht hinweggefegt werden.

Das Epha

„Und der Engel, der mit mir redete, trat hervor und sprach zu mir: Erhebe doch deine Augen und sieh: Was ist dies, das da hervorkommt? Und ich sprach: Was ist es? Und er sprach: Dies ist ein Epha, das hervorkommt; und er sprach: Das ist ihr Aussehen im ganzen Land“ (5,5.6).

Im zweiten Gesicht unseres Kapitels sieht Sacharja ein Epha. Das Epha ist ein Hohlmaß. Es gibt auch noch ein größeres Hohlmaß, ein Gomer oder ein Kor. Das Epha aber war das Einheitsmaß. Ein Gomer oder ein Kor hatte zehn Epha. Wir kennen auch z. B. Hektoliter, aber das Einheitsmaß ist der Liter. Mit dem Epha wurden Früchte gemessen. In dem Epha aber sah Sacharja in seinem Gesicht keine Frucht, sondern eine Frau.

„Und siehe, eine Scheibe aus Blei wurde aufgehoben; und da war eine Frau, die mitten in dem Epha saß. Und er sprach: Dies ist die Gottlosigkeit; und er warf sie mitten in das Epha hinein und warf das Bleigewicht auf dessen Öffnung. Und ich erhob meine Augen und sah: Und siehe, da kamen zwei Frauen hervor, und Wind war in ihren Flügeln, und sie hatten Flügel wie die Flügel des Storches; und sie hoben das Epha empor zwischen Erde und Himmel“ (5,7-9).

Die Frau, die Sacharja im Epha sitzend sah hieß Gesetzlosigkeit und deutet gleichzeitig an, dass das Maß der Sünde voll war. Durch die Bleiplatte wurde das von der Sünde volle Maß abgeschlossen. Es versinnbildlicht in erster Linie das abtrünnige Jerusalem. Es wird, weil es seinen Messias verwarf, von dem schweren Gewicht (Bleiplatte) getroffen, aus dem es sich nicht befreien kann. Trotz Völkerbund, trotz vielfacher Zusagen ist Israel nicht wirklich frei. Es wird dann frei werden, wenn Gott es frei macht. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2. Kor 3,17).

Der Storch ist nach der Schrift ein unreiner Vogel. Die zwei Frauen, die nun hervorkommen, haben Flügel wie Störche und sie heben das Epha hinauf zwischen Erde und Himmel. Alles ist unrein: das Epha, der Inhalt, die Träger. Welch ein Verderben!

„Und ich sprach zu dem Engel, der mit mir redete: Wohin bringen diese das Epha? Und er sprach zu mir: Um ihm im Land Sinear ein Haus zu bauen; und ist dies aufgerichtet, so wird es dort auf seine Stelle niedergesetzt werden“ (5,10.11).

Welche Beschämung! Die Unbeschnittenen, die von den zwei Frauen vorgebildet werden, führen das von Gott abgefallene Israel nach Babel in die Gefangenschaft. Sinear ist Babylonien, die Wiege des Götzendienstes. Das historische Babel ist verschwunden aber sein Geist ist geblieben. Israel hat sein Haus in Babel aufgerichtet, in der Verwirrung und in der Zerstreuung. Da finden wir es heute noch: der Mahnfinger der göttlichen Heiligkeit und der Unverbrüchlichkeit seiner Worte. Und die Christenheit? Ach, sie ist den gleichen Weg gegangen. Ist es nicht furchtbar, „das Haus in Sinear zu haben“? Was hat die Christenheit in der Welt zu suchen? Wie ernst schreibt Paulus an die gläubigen Korinther: „Welche Genossenschaft haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern“ (2. Kor 6,14-16)?

Ist es nicht furchtbar, anstatt in allem Wandel und in aller Lehre heilig zu sein, Götzendienst zu treiben?! Ist es nicht furchtbar, die göttlichen Gebote durch weltliche und verderbliche Grundsätze zu ersetzen?! Was muss Gott der abtrünnigen Christenheit zurufen: „Ich weiß, wo du wohnst: wo der Thron des Satans ist“ und „Ich habe gegen dich, dass du die Frau Jesabel duldest, und sie lehrt und verführt meine Knechte, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen“ (Off 2,13.20).

Wir wissen wohl, dass es sich für uns nicht um geographische Begriffe handelt, sondern um moralische; nicht um Orte, sondern um Zustände. Der Höhepunkt des christlichen Zerfalls am Ende der Tage wird die Anbetung des Antichristen sein, wie der Herr selbst gesagt hat: „Wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen“ (Joh 5,43).

„Der Wind in den Flügeln“ zeigt uns, dass die Zeitumstände die Entwicklung des Bösen unterstützen werden. Gott hat seine Hand in allem Geschehen. Er lässt die Entwicklung des Bösen und die Mehrung des Abfalls zu. Wenn es aber zur Reife gekommen sein wird, dann wird Er sein Gericht an aller Gottlosigkeit, an allem Abfall und an allem Götzendienst ausüben.

Der Gläubige erlebt es deshalb immer wieder, dass der Wind gegen ihn ist. Deshalb wollen wir mit Glaubensenergie gegen den Strom schwimmen, sich von aller Art des Bösen absondern, um würdig dem Herrn entgegenzugehen. O, lasst uns beeilen, allem, was mit Sinear in Verbindung ist, zu entfliehen! Der Herr ist nahe!

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