Himmel und Erde
Botschafter des Heils in Christo 1880

Himmel und Erde - Teil 1/3

„Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.“ Der Schauplatz der göttlichen Handlung war ein zweifacher – und dies wird auch in „der Verwaltung der Fülle der Zeiten“ der Fall sein: Gott wird sich aufs Neue sowohl im Himmel, als auch auf der Erde offenbaren. Ich möchte meine Betrachtung über diesen göttlichen Gegenstand mit 1. Mose 1–47 beginnen. Diese Kapitel stellen uns, wie ich glaube, in treffender Weise den Herrn vor, wie Er teils im Himmel, teils auf der Erde tätig ist; am Schluss derselben finden wir beide vereinigt und zwar in einer Weise, welche uns vorbildlich zeigt, wie sie in der kommenden Verwaltung der Fülle der Zeiten verbunden und doch wieder getrennt sein werden. – Möchten unsere Betrachtungen immer seiner Wahrheit und seinem Geist unterworfen sein! Möchten wir sie auch jetzt beginnen in der Stimmung von Anbetern!

1. Mose 1–2 – Es war allein die Erde, über welche Adam zum Herrn eingesetzt wurde. Der Garten war sein Wohnsitz, und er sollte die Erde erfüllen und sich unterwürfig machen. Das waren die Grenzen seines Erbes und seines Besitzes. Er kannte den Himmel nur insoweit, als er ihn über sich sah und als die Lichter desselben seinen Tag und seine Nacht voneinander schieden. Aber er hatte keine Gedanken, die ihn persönlich mit demselben verbanden.

Kapitel 3 – Adam übertrat jedoch das Gebot Gottes und musste den Garten Oden verlassen. Er wurde ein Sklave und ein Knecht auf der Erde, anstatt der glückliche Herr derselben zu sein. Von ihren Früchten musste er jetzt ein dürftiges Dasein fristen, bis er sich selbst auf ihr zum Tod niederlegte.

Kapitel 4–5 – Es war also der Zustand Adams auf diese Weise völlig verändert. Jetzt an der Erde zu hängen als seiner Wonne und seinem Teil, hieß in frecher Verwerfung des Herrn des Gerichts handeln. Und ein solcher Geist beseelte Kam und seine Familie. Er betrachtete die Erde als gut genug für Gott, und für sich selbst wünschte er nichts Besseres. Er brachte Gott die Frucht derselben dar; auf ihrer Oberfläche baute er für sich eine Stadt und füllte sie mit allen begehrenswerten Dingen an, ohne durch den Gedanken an das Blut, mit dem seine eigene Hand sie befleckt, und an die Gegenwart des Herrn, dem er den Rücken gewandt hatte, beunruhigt zu werden. Ihm glich weder Adam, noch Set, noch Noah, noch endlich, jene ganze Reihe von Anbetern, die „den Namen des Herrn anrufen.“ Für sie ist die Erde nur eine Grabstätte. Doch da die Gnade für sie als Sünder ein Heilmittel vorgesehen, und die Gerechtigkeit sie von einer verfluchten Erde abgesondert hat, so glauben sie an dieses Heilmittel und suchen weder einen Platz, noch ein Gedächtnis auf der Erde; der Herr aber gibt ihnen ein höheres und reicheres Erbe, und zwar bei sich in den Himmeln, wie dies in der Aufnahme Henochs angedeutet wird.

Kapitel 6–9 – Aber obschon der Herr auf diese Weise den Schauplatz seiner Ratschlüsse und der Hoffnungen seiner Auserwählten von der Erde in den Himmel verlegt hat, so ist die Erde dennoch nicht aufgegeben. Sie ist, wie wir wissen, bestimmt, sich bald „der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“, oder, wie ich schon oben bemerkte, „der Verwaltung der Fülle der Zeiten“ zu erfreuen (Eph 1,9–10). Diesen Vorsatz hat der Herr zu gewissen Zeiten ans Licht gestellt und erläutert, wie z. B. hier in der Geschichte Noahs.

Die himmlische Familie starb der Erde und auf der Erde. Wohl konnte sie von dem Gericht, sowie von der Segnung reden, die über dieselbe kommen sollte. Henoch weissagte von dem ersteren und Lamech von der letzteren (Jud 14; 1. Mo 5,29); allem keiner von ihnen befand sich inmitten der Szenen, von welchen sie redeten. Noah ist jedoch wieder ein Mann der Erde. In seinen Tagen erscheint die Erde aufs Neue als ein Schauplatz der Sorge und des Wohlgefallens Gottes. Gott hat wieder Gemeinschaft auf ihr mit dem Menschen. Sie ist durch das Gericht der Wasser hindurchgegangen, und Gott macht einen Bund mit der Erde und hat einen Propheten, Priester und König auf derselben, der für ihre Ordnung und göttliche Regierung Sorge zu tragen hat. Noahs Verbindung mit der Erde war ganz anderer Art als diejenige Kains oder Sechs. Er erfüllte und genoss sie nicht, wie ersterer, in Verwerfung Gottes, noch nahm er sich, gleich letzterem, nur einen Begräbnisplatz auf ihr, sondern er erfreute sich ihrer ganzen Fülle in Unterwürfigkeit unter dem Herrn. Der Herr heiligte seine Herrschaft über sie, sein Erbteil und seine Freude an ihr.

Kapitel 10–11 – So ist mm die Erde wieder ein Gegenstand der Sorge des Herrn. Doch von Neuem wird sie vor Ihm verdorben. Wie Adam, so beginnt auch Noah diese traurige Geschichte, und die Erbauer Babels, gleich einer zweiten Familie Kains, vollenden den Abfall und suchen die Erde, in Unabhängigkeit von Gott, mit sich selbst anzufüllen. Sie waren „gewaltige Jäger vor dem Herrn“ – sie durchstreiften die Erde, als wollten sie in ihrem ungläubigen Hochmut fragen: „Wo ist der Gott des Gerichts?“

Kapitel 12–36 – Eine solche Handlungsweise konnte Gott in keinem Fall dulden, und es kommt in Folge dessen ein anderes Gericht über sie. Sie werden überallhin Zerstreut, und die ganze menschliche Gesellschaft wird auf eine schreckliche Weise aufgelöst. Allein Abraham wird berufen, getrennt von der Welt, eine Verbindung mit Gott zu finden. Seine Familie wohnte in Mesopotamien, jenseits des Euphrat. Er entstammte dem Geschlecht Sems, war aber, wie alle damaligen Völker, ein Götzendiener. Jedoch eine unumschränkte Gnade sonderte ihn ab, und der Gott der Herrlichkeit rief ihn aus seinem Land, aus seines Vaters Haus und aus seiner Verwandtschaft.

Diese Berufung beeinträchtigte indessen durchaus nicht die Ordnung der Erde, noch die Regierung unter den Nationen. Abraham wird berufen, ein Fremdling auf der Erde zu sein, nicht aber ein Nebenbuhler „der Gewaltigen“, oder ein neu gebildeter Herrscher irgendeines Volkes. Er wandelt mit Gott, als dem Gott der Herrlichkeit; Gott nimmt hier einen höheren Charakter an, als wenn Er sich als der offenbart, „durch den die Gewaltigen eingesetzt sind.“ Abraham war ein Pilger und ein Fremdling auf der Erde und wandelte als ein himmlischer Mensch. Er besaß die Verheißung, dass sein Same und sein Erbe auf der Erde einst mit einander verbunden werden sollten, und doch wohnte er sowohl, wie auch Isaak und Jakob, sein ganzes Leben hindurch in Zelten.

Wir haben hier also wiederum ein himmlisches Volk – himmlisch in dem Charakter seines Wandels, und, gleich Henoch und Lamech, himmlisch in seinem Verständnis der zukünftigen Geschichte der Erde und der Verheißungen in Betreff des Erbes, das seinem Samen zu seiner Zeit zu Teil werden sollte. – Doch wir finden in der Geschichte des Mannes, der nach Abraham, Isaak und Jakob auf den Schauplatz trat, noch tiefere und bedeutungsvollere Geheimnisse.

Kapitel 36–47 – Josef wird durch die Bosheit seiner Brüder, wie wir alle wohl wissen, von dem Schauplatz des ihm verheißenen und durch einen Bund zugesicherten Erbes entfernt, wird nach vielen Leiden Gatte, Vater und Fürst inmitten eines ferne wohnenden Volkes und versorgt und beherrscht zuletzt nicht nur seine Brüder, die ihn einst hassten, sondern auch alle Bewohner der Erde in Gnade und Weisheit.

Nichts kann bezeichnender sein, als dies alles. Es ist eine treffende Erläuterung des großen Ratschlusses, den Gott sich vorgesetzt hat „in der Verwaltung der Fülle der Zeiten.“ Josef wird unter die Nationen versetzt und dort, nach Trübsal und Knechtschaft, erhöht und das Haupt und der Vater einer Familie, und zwar mit einer solchen Freude, dass sein Herz eine Zeit lang im Stande ist, seine Verwandten nach dem Fleisch zu vergessen. In derselben Weise ist Christus nach seinen Leiden in den Himmel erhoben, und die Kirche oder Versammlung, die aus den Nationen genommen, ist zu seiner Gefährtin und Freude während der Zeit seiner Entfremdung von Israel gemacht. Aber im Lauf der Zeit wird Josef zum Bewahrer und Spender der Hilfsmittel der Welt; seine Brüder müssen sich so gut wie alle anderen ihm unterwerfen; er nährt und erhält sie zu seiner Freude. Ganz in derselben Weise wird auch Christus handeln, wenn Er wieder auf der Erde erscheinen wird. Nachdem Israel zur Buße umgekehrt und in den schönsten Teil der Erde versetzt ist, nachdem alle die Nationen unter seinem Zepter vereinigt sind, wird Er sie in Weisheit regieren und aus seinem Vorrat nähren; in Frieden und Gerechtigkeit wird Er sie wieder in ihr Erbe einsetzen.

Unzweifelhaft erblicken wir hier vorbildlich die Himmel und die Erde, wie sie einst in Wirklichkeit in „der Verwaltung der Fülle der Zeiten“ gesehen werden, wenn alle Dinge, sowohl im Himmel als auf der Erde, zusammen in Christus vereinigt sind. Sicherlich haben wir hier eine vorbildliche Darstellung des großen Endresultates; der Himmel und die Erde erzählen mit einander das Geheimnis Gottes.

Ich kann nicht umhin, einen Augenblick bei der willigen, nicht murrenden Unterwerfung der Ägypter unter Josef zu verweilen. Er sendet sie hierhin und dorthin, er leitet sie, wie es ihm beliebt – sie sind mit allem zufrieden; und ebenso wird in den Tagen des Königreichs die ganze Welt bereitwillig ausrufen: „Jesus hat alles wohl gemacht.“ Alles wird sich willig und freudig Ihm unterwerfen. Sein Zepter wird gebilligt und bewillkommnet werden von allen, über welche es seine Macht äußeren wird.

Nichtsdestoweniger steht die ganze Macht Josefs in völliger Übereinstimmung mit der Oberherrschaft Pharaos. Das Volk, das Vieh und die Länder werden alle von Josef für Pharao gekauft. Es ist noch immer Pharaos Königreich, obgleich unter der Herrschaft Josefs. So wird auch in dem Königreich des Herrn „jede Zunge bekennen, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.“

Diese Züge geben dem Gemälde seinen klaren Ausdruck und Charakter. Aber es enthält auch noch einen anderen Zug (den Zug von eines Meisters Hand, möchte ich ehrerbietig sagen), der an Bedeutung und Schönheit wohl keinem der Anderen nachsteht. Ich meine, dass an dieser ganzen Einrichtung der Erde Asenat, Josefs Weib, und die Kinder keinen Anteil haben. Es geschieht ihrer durchaus keine Erwähnung. Jakob erhält Gosen, aber Asenat, Ephraim und Manasse bekommen nichts. Was ist der Grund zu dieser merkwürdigen Erscheinung? Werden vielleicht das Weib und die Kinder weniger geliebt, als der Vater und die Brüder? Sicherlich nicht. Das kann nicht sein. Der Grund ist, wie ich deute, folgender: Asenat und die Kinder sind himmlisch, und ihr Teil ist in und mit Ihm, der der Herr und Spender aller dieser Dinge ist; sie können nicht mit den Interessen und den Einrichtungen der Erde vermischt werden. Selbst Gosen, der fetteste und beste Teil des Landes, ist ihrer unwürdig. Sie bilden die Familie des Herrn selbst. Sie genießen seine innigsten Zuneigungen; sie teilen die Wohnung und die Gegenwart dessen, der das glückliche und ehrenvolle Haupt dieser ganzen herrlichen Szene ist.

Stellt uns dies nicht das große Endresultat im Kleinen oder im Vorbild dar. Entdecken wir in diesem allen nicht jene verheißene „Verwaltung der Fülle der Zeiten“, in welcher Gott beides, sowohl die Dinge in den Himmeln, als auch die auf der Erde unter ein Haupt in dem Christus zusammenbringen wird? Treten uns in jener Szene nicht der Himmel und die Erde in ihrer Ordnung im tausendjährigen Reich entgegen? Ich denke nicht, dass ein einsichtsvoller Leser des Wortes dieses in Abrede stellen wird.

Folgen wir jetzt dem Lauf der göttlichen Verwaltungen, so entfalten sich immer mehr irdische und himmlische Szenen und Beispiele vor unseren Augen. Nach den in dem ersten Buch Mose erzählten Ereignissen wird Israel das Zeugnis Gottes und ein irdisches Volk. Ein Teil der Erde wird wieder zum Besitztum und Wohnplatz Gottes geheiligt. Wie die Sintflut sie in den Tagen Noahs gänzlich für die göttliche Macht und Gegenwart gereinigt hatte, so reinigt jetzt das Schwert Josuas einen Teil derselben für dieselbe Macht und Gegenwart Gottes in Israel. Gott hat sein Heiligtum und seinen Thron im Land Kanaan; Er wird zu Jerusalem angebetet, und von dort geht sein Gesetz aus. Die Herrlichkeit befindet sich wieder auf der Erde. Als Herr der Erde richtet und regiert Gott wieder auf derselben. Aber von neuem wird alles vernichtet. Kanaan wird durch den Abfall Israels verdorben, wie die Erde zu Noahs Zeiten durch den Turm zu Babel. Hesekiel, welcher wie ein Wächter in die Tage dieses Abfalls gesetzt wurde (Hes 3,17), sieht daher die Herrlichkeit Gottes auf ihrem Weg von Jerusalem zum Himmel. Sie sucht keinen anderen Platz auf der Erde, sondern, durch das Verderbnis des Volkes aus Jerusalem vertrieben, zieht sie sich in den Himmel zurück (Hes 11).

Bis zu den Tagen Hesekiels stand die Herrlichkeit in Macht mit Israel in Verbindung. Es war eine Herrlichkeit oder eine göttliche Gegenwart, die einst Ägypten gerichtet, das Heer durch die Wüste geführt, die Völker Kanaans vernichtet, ihr Land unter die Stämme verteilt und endlich sich selbst in den Tempel und auf den Thron zu Jerusalem gesetzt hatte. Dies alles war die Herrlichkeit in Macht. Aber, wie wir gesehen haben, verscherzte Israel diese Herrlichkeit, und sie kehrte in Folge dessen zum Himmel zurück. Jedoch sollte sie in einem anderen Charakter wieder erscheinen. Dieselbe Herrlichkeit oder göttliche Gegenwart, ja Gott selbst kehrte, verhüllt in der Erscheinung Jesu, zurück. Als ein verworfener Galiläer, oder als der Sohn des Zimmermanns, der nicht hatte, wohin Er sein Haupt legen sollte und also in der Welt noch schlimmer daran war, als die Vögel und die Füchse, erscheint sie in dem Land Israel in der vollkommensten Gnade, heilend und predigend, arbeitend und wachend, arm und doch andere bereichernd, hungrig und durstig und doch Tausende speisend, und bei jeder Gelegenheit ebenso einfach und bestimmt sich für die Herrlichkeit ausgebend, wie es geschah, als sie die Wasser des Jordans teilte oder die Mauern Jerichos umstürzte. Nur war es jetzt die Herrlichkeit in ihrer Gnade, während es damals die Herrlichkeit in ihrer Macht gewesen war. Trotzdem verwirkte Israel oder die Erde die Herrlichkeit mich in dieser Form; jedoch verließ dieselbe die Erde nicht auf dem nämlichen Wege wie früher. Als sie einst in ihrer Macht verworfen wurde, entfernte sie sich freiwillig, indem sie in gerechtem Zorn die Beschimpfung ahndete, die ihrer Majestät angetan war, und im Gericht diese Erde verließ (Hes 1–11); später aber, verworfen in ihrer Gnade, ward sie gleichsam weggeschickt, bevor sie sich selbst entfernt hatte. In beiden Fällen, mögen wir die Herrlichkeit betrachten in Macht oder in Gnade, hat die Welt sie verworfen, und sie ist jetzt in den Himmeln verborgen (Apg 7,55).

Das ist die Geschichte der Herrlichkeit von Hesekiel 11 bis zur Himmelfahrt Christi. Sie ist gegenwärtig wiederum dort, wohin der Prophet Gottes sie in jenem Kapitel gehen sah, nämlich im Himmel. Allem jetzt ist sie dort beschäftigt, die Fülle der Nationen zu sammeln und bei sich „die heiligen Brüder, die Genossen der himmlischen Berufung“ Zu empfangen. Der Heilige Geist ist herabgekommen, um hienieden von der Herrlichkeit droben zu Zeugen und ihr Teil zu unserem Teil zu machen. Das ist jetzt der Platz und die Tätigkeit der. Herrlichkeit.

Jedoch können wir ihre Geschichte noch von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachten. Hesekiel sieht sie an denselben Ort zurückkehren (Hes 43), von welchem sie sich entfernt hatte. Sie hatte niemals einen anderen Aufenthaltsort auf der Erde gesucht. Wenn Zion nicht für Jesus vorbereitet ist, dann muss die Erde Ihn entbehren. Denn von Zion allein hat Er gesagt: „Dort ist meine Ruhe für immer und ewiglich.“ Doch die Herrlichkeit kehrt wieder zurück, wie wir in dem 43. Kapitel des Propheten Hesekiel sehen. Und wenn das geschieht, so wird jene Ordnung der Dinge eintreten, die man gewöhnlich „das tausendjährige Reich“ zu nennen pflegt, wo Jesus der herrliche Mittelpunkt sein wird, die wahre Leiter, die Jakob einst sah, der Erhalter aller Dinge im Himmel und auf der Erde, der jetzt alles durch sein Blut versöhnt hat und dann alles in seiner eignen Person vereinigen wird, um seine Herrlichkeit über alles auszubreiten.

So haben die beiden Teile des zukünftigen Königreichs, der himmlische und der irdische, von Anfang an wieder und wieder eine vorbildliche Darstellung gefunden; ein Zeugnis nach dem Anderen hat, wie wir gesehen haben, von den göttlichen Ratschlüssen erzählt; das tausendjährige Reich wird die Bestätigung aller dieser Unterpfänder und die Erfüllung der Verheißungen dieser himmlischen und irdischen Zeugnisse sein.

Für mein Herz ist es immer sehr köstlich gewesen, an den Umgang zu denken, den der Himmel mit der Erde im Lauf ihrer mannigfaltigen und wunderbaren Geschichte gepflogen hat, und der sich in den Gesichten, den Träumen und den Besuchen der Engel, die zu Zeiten das Volk Gottes erfreuten, sowie in dem Hören göttlicher Offenbarungen kundgab. Alle diese Dinge zeigen uns deutlich, dass die Himmel Zugang zu der Erde hatten und nur durch einen dünnen Schleier von ihr getrennt waren.

Solange die Erde noch unbefleckt war, ging Gott der Herr in den Garten. Und nachher, obgleich in gewisser Beziehung von der Erde entfremdet, war Er doch stets bereit, sie um seiner Auserwählten willen zu besuchen, wie dies die Geschichte Abrahams, Josuas, Gideons und anderer zeigt. Die Leiter, welche Jakob im Traum sah, deren Spitze in den Himmel reichte, während ihr Fuß auf der Erde stand – das Hin– und Hergehen Moses zwischen dem Herrn und dem Volk – das Hinaufsteigen der Ältesten zu dem Gott Israels, den sie über dem Firmament sahen (2. Mo 24,9–11) – alles das sind Vorbilder und Merkmale des Umgangs zwischen den Himmeln und der Erde in den Tagen des Königreichs. Dahin gehört auch jene herrliche und denkwürdige Stunde, als Jesus auf dem Berg der Verklärung vor den Augen seiner drei Jünger verwandelt wurde und mit Moses und Elias seinen Ausgang besprach, den Er in Jerusalem erfüllen sollte, sowie die Tatsache, dass Christus nach seiner Auferstehung hie und da seinen Jüngern erschien, und das Gesicht des Petrus, welches er in Joppe auf dem Dach des Hauses Simons sah (Apg 10). Die himmlischen Dinge enthüllen sich in solchen Momenten vor dem menschlichen Auge und geben uns köstliche Zeichen von ihrer Nähe. Wir bemerken diese Nähe in dem gegenwärtigen Augenblick nicht, da die Herrlichkeit sich noch nicht an ihrem tausendjährigen Platze über der Stadt der Juden befindet, aber der Glaube liest diese Andeutungen über ihre Nähe und versteht sie. Der Glaube in Elisa wünschte nicht für sich, sie zu bemerken; er bat nur, dass seinem Diener die Augen geöffnet werden möchten, aber in Bezug auf seine eigene Person konnte er dies alles glauben und brauchte nicht um ein geöffnetes Auge zu bitten. Er wusste, dass der Herr der Heerscharen nahe, und dass die Berge rund um ihn her mit den Wagen und Rossen des Himmels bedeckt waren. Aber in dem tausendjährigen Reich wird alles dieses sichtbar sein. Die himmlische Herrlichkeit oder die Herrlichkeit der goldenen Stadt wird über dem Jerusalem des Landes Israel leuchten und wie eine Decke über alle ihre Wohnungen ausgebreitet sein. Die Leiter wird gleichsam aufgerichtet sein, mit ihrer Spitze in dem Himmel und ihrem Fuß auf der Erde; derselbe gesegnete Herr wird den Mittelpunkt aller Dinge bilden und, wie in den verschiedenen Teilen eines Tempels, so wird der Dienst des Lobes und der Freude begangen werden.

Jedoch sind es in diesem Verkehr stets die Himmel, welche die Erde besuchen – das Volk des Himmels wird herniederkommen zu dem Volk der Erde, nicht aber umgekehrt – das irdische Volk wird nur die himmlischen Besucher zu empfangen und zu bewillkommnen haben. In dem Reich der Natur ist es ebenso. Die Erde gibt dem Himmel nichts, empfängt aber alles von ihm; der Sonnenschein und der Regen kommen hernieder, um die Erde zu segnen, die Erde aber gibt nichts dafür zurück. 1

Doch in diesem kommenden Verkehr zwischen den Himmeln und der Erde, wenn das himmlische Volk die geheimnisvolle oder tausendjährige Leiter auf– und niedersteigen wird, scheint mir – und die Schrift selbst leitet mich zu dem Gedanken – ein Wechsel der Kleidung oder ein gewisses Verhüllen der den himmlischen Heiligen angehörenden Herrlichkeit stattzufinden, sobald sie herniederkommen, um Gemeinschaft mit den Bewohnern der Erde zu machen. Die Erscheinung des Herrn nach seiner Auferstehung aus den Toten liefert uns eine Darstellung hiervon. Er konnte zu jener Zeit eine Gestalt annehmen, wie sie für das Werk patzte, welches Er gerade zu tun hatte, so diejenige des Gärtners bei Maria, die eines Reisegesellschafters bei den beiden Jüngern, die nach Emmaus gingen, oder die Gestalt eines freundlichen Fremden an den Ufern des Sees von Tiberias. In solchen Erscheinungen wird Er nicht in dem Himmel gesehen; aber Er konnte sich so verhüllen, wenn das Werk, welches Er zu tun hatte, es erforderte. So war vor Alters Moses in der Gegenwart Gottes unverhüllt, während er vor den Augen Aarons und der ganzen Versammlung eine Decke ans sein Angesicht legte. Eine Art von Kleidung war passend für den Himmel, eine andere für die Erde. So hatten auch die Priester, wenn sie innerhalb des Heiligtums waren, eine Tracht, wie sie sich für diesen Platz geziemte, und eine andere, sobald sie außerhalb desselben erschienen. Sie kleideten sich für die Gegenwart Gottes anders, als für diejenige des Volkes (vgl. 3. Mo 6,11; 16,4.23–24; Hes 42,14; 44,19).

Außerdem sehen wir in alten Zeiten diese oft ändernde Erscheinung des Sohnes Gottes. Er hatte mannigfaltige Gestalten, worin Er sich zeigte und in welche Er die glänzendere Herrlichkeit, die nur für höhere Regionen passend war, einhüllte. Er erschien in einer Feuerflamme inmitten eines Dornbusches an dem Berg Horeb, in einer Wolken– und Feuersäule in der Wüste, und in Gestalt eines gewaffneten Kriegers vor den Mauern Jerichos. Er erschien in einer Weise, die dem Werk entsprach, das Er zu tun hatte. Alles dieses sind Zeichen der wechselnden Bekleidung und Gestalt, in welcher alle, die „den zukünftigen Erdkreis“ regieren und die Angelegenheiten des irdischen Königreiches ordnen sollen, ihres Dienstes hienieden warten werden, um dann wieder zurückzukehren und unverhüllt in den ihnen gehörenden himmlischen Örtern zu erscheinen.

Doch in Verbindung mit dieser Lehre von den himmlischen und irdischen Örtern und Völkern in den Tagen der zukünftigen Herrlichkeit, und in Verbindung mit der Wahrheit, dass dann ein gesegneter und wunderbarer Verkehr zwischen beiden bestehen wird, gibt es noch Freuden und Herrlichkeiten, die einem jeden derselben besonders angehören; und auf einige dieser Herrlichkeiten möchte ich hier noch aufmerksam machen.

Aufzuerstehen und dem Herrn in der Luft zu begegnen, ist die Hoffnung, welche am unmittelbarsten vor dem Herzen des Gläubigen steht. Dann ist es das Eingehen in die Wohnungen des Vaterhauses mit Ihm, welcher hingegangen ist, sie zu bereiten, wie Er zu seinen Jüngern sagte, bevor Er von ihnen schied: „Ich werde wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seid.“ Und jenes Haus wird allen den familiären Zuneigungen, welche das Herz so wohl versteht, Gelegenheit zur Ausübung geben. Der Vater wird dort sein und der Erstgeborene, unter vielen Brüdern, sowie diese vielen Brüder selbst. Und um diese Beziehungen noch inniger zu gestalten und die Zuneigungen in vollkommenem Maß zu erwecken, wird dort die Hochzeit gefeiert und die jetzt verlobte Kirche oder Versammlung das Weib des Lammes werden (Off 19).

Doch es gibt im Verein hiermit noch andere herrliche Szenen und Gelegenheiten zu unvermischter Freude. „Das heilige Jerusalem“ wird in den Himmeln sein, die Wohnung der Heiligen, als eines Volkes von Königen und Priestern, der Ort der Regierung und Anbetung – jene herrliche Stadt, in welcher der Baum des Lebens grünt und der Strom des Lebens seine erquickenden Wasser ergießt, in der sich das Licht, der Thron Gottes und das Lamm befindet. Die Heiligen werden dort singen und spielen, und Zwar nicht mit Zimbeln und Lauten, die durch menschliche Kunst hergestellt und nur geeignet sind, irdische Freuden zu wecken (Ps 98), sondern sie werden „Harfen Gottes“ in ihren Händen halten, Instrumente von göttlicher Arbeit und geeignet, Melodien wachzurufen, die des Himmels selbst würdig sind. Die Ältesten werden ans ihren Thronen sitzen und ihre Kronen niederwerfen vor dem Thron des Lammes; die Engel werden ihre höchste Wonne darin finden, alle ihre Macht und Herrlichkeit dem Lamm zu geben, das geschlachtet ist (Off 5).

Und bei allem diesem wird nichts vorhanden sein, das die Freude stören oder hindern könnte. So wie in jenen Tagen nichts auf der Erde „den Berg der Heiligkeit Jehovas“ antasten wird, so wird auch in den Himmeln nichts Eingang finden, was unrein ist. Kein Feind kann sich dort erheben, denn alle sind gerichtet; die List der Schlange ist zu Ende, denn der Same des Weibes hat ihr den Kopf zertreten. Keine Müdigkeit des Herzens oder Kälte, oder Missmut der Seele und Mattigkeit des Geistes wird mehr vorhanden sein. Die Diener werden dienen unaufhörlich und ohne Tadel; Nacht und Tag wird die Stimme der Anbetung erschallen: „Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott, Allmächtiger!“

Der Himmel wird zugleich der Schauplatz der Ruhe oder des Sabbats Gottes sein, und die Heiligen, welche nach ihrem Maß dieselbe Erquickung genießen, werden inmitten dieser Ruhe wohnen in Leibern, die dem verherrlichten Leib Christi gleichgestaltet sind. Sie werden Ihm gleich sein in seiner Herrlichkeit und Ihn sehen, wie Er ist. Sie werden leuchten „wie die Sonne“ in dem Reich ihres Vaters. Und dann werden sie die ganzen herrlichen Offenbarungen Gottes sehen und verstehen, nicht wie durch einen Spiegel, im Rätsel, sondern wie von Angesicht zu Angesicht; sie werden erkennen, wie sie selbst erkannt sind. Das weiße Steinchen wird sich dort finden und das verborgene Manna, der Morgenstern und die weißen Kleider, um darin zu stehen vor dem Thron Gottes und mit dem Lamm zu wandeln und auf Thronen zu sitzen (Off 2–3). Alle diese Dinge werden unser sein (Fortsetzung folgt).

Fußnoten

  • 1 Die Heiligen der gegenwärtigen Zeit sollten, da sie himmlisch in ihrer Berufung sind, auch in dem Geist ihrer Gesinnung himmlisch sein und sich stets bewusst bleiben, dass sie nur als Fremdlinge auf der Erde weilen und keine Heimat hienieden haben. Sie sollten ein Volk sein, das nicht von der Erde zum Himmel hinaufblickt, sondern das von dem Himmel zur Erde herniederschaut.
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