David und sein Wunsch, dem HERRN ein Haus zu bauen
Botschafter des Heils in Christo 1880

David und sein Wunsch, dem HERRN ein Haus zu bauen - Teil 2/3

Doch wir können aus dem Verhalten Davids noch etwas anderes lernen. Vielleicht bin ich nicht berufen ausschließlich in dem Werk des Herrn zu arbeiten. Aber kann ich nicht an diesem Werk dadurch teilnehmen, dass ich die von Gott dazu Berufenen auf betendem Herzen trage und nach Kräften behilflich bin, dass sie ihren Dienst ungehindert und ohne Sorge ausüben können. Vielleicht habe ich nicht die Gabe empfangen, vor einem großen Zuhörerkreis die frohe Botschaft von Jesus, dem Heiland der Sünder, zu verkündigen. Wohl aber kann ich solche, die den Herrn noch nicht kennen und die ich zu erreichen vermag, unter das Gehör des Evangeliums bringen und so, wenn Gott Gnade dazu gibt, das Werkzeug zu ihrer Errettung werden. Vielleicht bin ich nicht fähig, Traktate, Betrachtungen usw. Zu schreiben, die das Heil der Sünder oder die Erbauung und Belehrung der Gläubigen zum Gegenstand und Zweck haben. Wohl aber kann ich solche Schriften, vorausgesetzt, dass sie in dem Geist Christi geschrieben sind, verbreiten und dadurch viel zur Förderung des Werkes des Herrn beitragen. Ach, wenn wir nur Herzen haben, die warm für unseren Herrn schlagen, so werden wir täglich Gelegenheit genug finden, Ihm unsere Liebe zu beweisen und Ihm zu dienen.

Kehren wir nach dieser kurzen Abschweifung zu unserer Geschichte zurück. Gott lässt also seinem Knecht sagen, dass er Ihm kein Haus bauen solle. Allein kein Wort des Tadels oder des Vorwurfs kommt ans seinem Mund. Im Gegenteil ist Er auf die zärtlichste Weise bemüht, das Herz Davids, das durch die Verweigerung seines Wunsches vielleicht betrübt sein konnte, zu trösten und zu ermuntern. Er lässt ihm sagen: „Du willst mir ein Haus bauen zu meiner Wohnung? Denn ich habe nicht in einem Haus gewöhnt von dem Tag an, da ich die Kinder Israel heraufgeführt ans Ägypten bis auf diesen Tag, und ich wandelte umher in einem Zelt und in einer Wohnung. Bei all meinem Umherwandeln unter allen Kindern Israel – habe ich wohl ein Wort geredet zu einem der Stämme Israels, dem ich gebot, mein Volk Israel zu weiden, und gesagt: Warum baut ihr mir nicht ein Haus von Zedern?“ (V 5–7) Gott sagt gleichsam: Weißt du nicht, David, dass ich mich ganz mit meinem Volk eins gemacht habe, und dass ich nicht eher ruhen kann, bis auch mein Volk zur Ruhe gebracht ist? Hast du vergessen, dass ich seit dem Auszug aus Ägypten mit Israel umhergewandelt bin, dass ich stille stand, wenn es sich lagerte, und voranzog, wenn es aufbrach? Begreifst du nicht, dass ich mir nicht eher ein Haus bauen lassen kann, bis auch mein Volk Israel in ungestörtem Frieden in seinen Häusern wohnt? Solange dies nicht der Fall ist, solange es noch Feinde zu besiegen gibt, welche die Ruhe meines geliebten Volkes stören könnten, kann auch ich nicht ruhen. Die Zeit, ein Haus zu bauen, ist noch nicht gekommen.

Welch eine Herablassung! Der große Gott des Himmels macht sich vollkommen eins mit seinem halsstarrigen, unaufhörlich irrenden Volk. Er betrachtet ihre Kämpfe als seine Kämpfe, ihre Ruhe als seine Ruhe. Er geht, Er kämpft, Er wandelt und ruht mit ihnen. Wahrlich, solche Worte waren im Stande, das liebende Herz Davids zu Lob und Dank zu stimmen, trotzdem sein Wunsch nicht erfüllt werden konnte. Die Offenbarung solch zärtlicher Zuneigungen von Seiten Gottes, die Güte und Gnade, womit Er dem verkehrten Verlangen seines Dieners begegnete, mussten in dem König die höchste Bewunderung erwecken und seine laute Anbetung wachrufen. Doch Gott geht noch weiter. Er ist überströmend in seiner Gnade. Wenn David ein Herz voll Liebe für Ihn hatte, so Zeigt Gott, dass seine Liebe noch unendlich höher ist. Wenn der König etwas für Ihn tun wollte, so offenbart Gott, was Er bereits für seinen Diener getan hat und was Er noch tun will. Wenn David wünscht, Gott ein Haus zu bauen, so lässt ihm Gott sagen, dass Er ihm ein Haus bauen werde. Kann Jehova auch das Verlangen seines Knechtes nicht gutheißen, so erkennt Er dennoch die Liebe, aus welcher dasselbe hervorgegangen war, vollkommen an und belohnt sie reichlich.

So handelt Gott stets. Wie köstlich ist es für uns, die wir oft so unverständig sind und so wenig Weisheit besitzen, einen solchen Gott zum Vater zu haben! Er handelt nicht mit uns nach unserer Torheit; Er ist überaus gnädig und langmütig. Doch vergessen wir nicht, dass, obwohl unsere Liebe seine völlige Anerkennung findet, die verkehrten Ausflüsse derselben wertlos sind. Er kann sie nicht billigen und gutheißen und deshalb auch nicht seinen Segen zu unserer Arbeit geben. Vielleicht mag Er dennoch Gutes daraus hervorkommen lassen, aber dann beweist dies nur die Unumschränktheit seiner Gnade und Güte und die Größe seiner Macht, die selbst das Böse zum Guten wenden kann. Aber ich sage noch einmal, dass wir unmöglich auf Billigung und Belohnung unserer Arbeit von Seiten unseres Herrn rechnen können, solange sie nicht mit seinem wohlgefälligen Willen im Einklang steht. Es ist dies gerade für die jetzige Zeit, wo so viel Tätigkeit auf religiösem Gebiet entfaltet wird, ein sehr beherzigenswerter Gedanke. Sicher ist, dass ein großer Teil der Wirksamkeit der heutigen Christen nicht auf das Wohlgefallen des Herrn Anspruch machen kann, selbst da, wo die Liebe und der Wunsch, Ihm zu dienen, die Triebfeder derselben ist. Der Herr wolle geben, dass unsere Liebe täglich größer und inniger werde und mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht, und dass wir erfüllt sein möchten „mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis!“

Weiterhin lässt Jehova seinem Knecht durch Nathan, den Propheten, sagen: „Und nun sollst du also zu meinem Knecht, zu David, sagen: So spricht Jehova der Heerscharen: Ich habe dich genommen von der Trift hinter den Schafen weg, dass du Fürst sein solltest über mein Volk, über Israel, und ich bin mit dir gewesen überall, wohin du gegangen bist, und habe alle deine Feinde ausgerottet vor dir und habe dir einen großen Namen gemacht, gleich dem Namen der Großen, die auf Erden sind“ (V 8–9). Beachten wir die Worte: „mein Knecht, David“, und „mein Volk, Israel.“ Wieder stellt sich Gott in die innigste Beziehung zu David und zu Israel. Es ist sein Knecht und sein Volk. Er schämt sich nicht, ihr Gott zu heißen. Und dieser Gott hatte den unbekannten, verachteten Hirten von der Trift der Schafe weggenommen und ihn zum Fürsten über sein Volk Israel, zu seinem Gesalbten, erhoben. Er war mit ihm gewesen auf allen seinen Wegen, hatte alle seine Feinde vor ihm ausgerottet und ihm einen großen, berühmten Namen gemacht. Alles das hatte Er getan, aber Er wollte noch mehr tun. „Und ich will einen Ort setzen für mein Volk, für Israel, und will es pflanzen, dass es an seiner Stätte wohne und nicht mehr beunruhigt werde; und die Kinder der Bosheit sollen es nicht mehr unterdrücken wie früher und von dem Tag an, da ich Richter bestellt habe über mein Volk Israel“ (V 10–11).

Gott hatte dem Volk bei seinem Einzug in das Land Kanaan den bestimmten Auftrag gegeben, alle seine Feinde zu vernichten. Aber Israel war, nachdem es einen guten Anfang gemacht, des Kampfes bald müde geworden und hatte das Schwert mit, der Pflugschar vertauscht. Ungeachtet des ausdrücklichen Befehls Jehovas ließ es eine große Zahl der Bewohner des Landes am Leben. Sein Ungehorsam trug bittere Früchte. Gerade diese Übriggebliebenen waren es, die in späteren Jahren das Volk völlig unterjochten und oft so hart bedrängten, dass es in den Höhlen und Klüften der Berge seine Zuflucht suchte (Ri 6,2). Welch ein trauriger, demütigender Zustand des Volkes Gottes! Doch Gott erbarmte sich über sein armes, ungehorsames Volk. Er gab ihm Richter, die es zeitweilig von der Macht ihrer Feinde befreiten, und in David einen Mann, der es von Sieg zu Sieg führte, bis kein Gegner mehr übrig war. Und jetzt verheißt Er seinem Knecht, dass Er selbst es in Ruhe bringen wolle. „Ich will einen Ort setzen für mein Volk“, sagt Er, „und will es pflanzen, dass es nicht mehr beunruhigt werde.“ Welch köstliche Verheißung für David, dessen Herz mit seinem geliebten Volk auf das innigste verbunden war! Der Augenblick sollte kommen, wo es in vollkommener Ruhe an seiner Stätte wohnen und von den Kindern der Bosheit nicht mehr unterdrückt werden würde. Gott selbst wollte es in diese Ruhe einführen. Und diese Zeit kam. Wir lesen in 1. Könige 4,20.24.25: „Juda und Israel waren zahlreich wie der Sand, der am Meer ist, an Menge; sie aßen und tranken und waren fröhlich. Und Salomo hatte Frieden von allen Seiten ringsum. Und Juda und Israel wohnten in Sicherheit, ein jeglicher unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, von Dan bis Berseba, alle die Tage Salomos.“

Allein Gott hat für seinen Knecht noch eine ganz besondere, persönliche Verheißung. „Und ich habe dir Ruhe gegeben vor allen deinen Feinden, und Jehova hat dir kundgetan, dass Jehova dir ein Haus machen wird. Wenn deine Tage voll sein werden und du bei den Vätern liegst, so will ich deinen Samen nach dir aufrichten, der aus deinem Leib kommen soll, und will sein Königreich befestigen“ (V 11–12). Die Segnungen eines Israeliten waren alle irdischer Natur. Israel war das irdische Volk Jehovas, und daher beziehen sich alle seine Gebote, seine Satzungen und Verheißungen auf die Erde. Reichtum und Ehre, ein hohes Alter, vor allem aber eine Zahlreiche Nachkommenschaft und ein altes Geschlecht waren Gegenstände des Ruhms für einen Israeliten. Und dies letztere verheißt Gott hier seinem Knecht sein Geschlecht sollte nicht aussterben; Gott selbst wollte ihm ein Haus bauen. Sein Sohn sollte nach ihm den Thron Israels besteigen. „Ich will deinen Samen nach dir aufrichten und will sein Königreich befestigen auf ewig.“ Und dann fügt Gott noch eine weitere, herrliche Verheißung hinzu, eine Verheißung, die das Herz Davids mit hoher Freude erfüllen musste. War es ihm auch nicht vergönnt, Jehova ein Haus zu bauen, so sollte es doch niemand anders tun, als sein Sohn, der aus seinem Leib kommen sollte: „Der wird meinem Namen ein Haus bauen, und ich werde den Thron seines Königreichs befestigen auf ewig. Ich will ihm zum Vater sein, und er soll mir zum Sohn sein, dass, wenn er sich vergeht, so werde ich ihn Züchtigen mit Menschenruten und mit Schlägen der Menschenkinder; aber meine Güte soll nicht von ihm weichen, so wie ich sie habe weichen lassen von Saul, den ich vor dir weggetan habe. Und dein Haus und dein Königtum soll beständig sein auf ewig vor dir, dein Thron soll fest sein auf ewig“ (V 13–16). Welch eine Fülle von Segnung! Nicht nur soll Salomo das große Vorrecht besitzen, der Erbauer des Tempels Jehovas zu sein, nein, Gott selbst will in ein Verhältnis zu ihm treten, wie es inniger nicht gedacht werden kann. „Ich will ihm zum Vater sein, und er soll mir zum Sohn sein“ und „meine Güte soll nicht von ihm weichen.“ Und was David selbst anbetrifft, so soll sein Haus, sein Königtum und sein Thron beständig und fest sein „auf ewig“, d. h. solange diese Erde besteht. Denn alle Verheißungen des Alten Testaments beziehen sich, wie soeben bemerkt, auf die Erde und sind begrenzt durch die Dauer derselben. Die Bedeutung des Wörtchens „ewig“ im Alten Testament ist sehr verschieden von derjenigen im Neuen. Während die Verheißungen und Segnungen in jenem alle irdisch sind, tragen sie in diesem einen himmlischen Charakter, sind daher unbegrenzt in ihrer Dauer, da es im Himmel keine Zeitbestimmung gibt. Während hienieden alles dem Wechsel unterworfen ist und endlich einmal aufhören wird, ist dort alles unveränderlich, unvergänglich.

Jedoch möchte der eine oder andere meiner Leser einwenden: Hat denn Gott seine Verheißung nicht wahrgemacht? Es ist doch schon seit beinahe zweitausend Jahren von einem in Ruhe wohnenden Volk Israel und von einem beständigen, ewig festen Königtum keine Spur mehr vorhanden. Der Thron, den Jehova in Jerusalem aufgerichtet hatte, ist schon zurzeit Nebukadnezars verschwunden; alle Herrlichkeit des Volkes wurde vernichtet und ist bis heute nicht wiederhergestellt worden. Wie kann man nun den gegenwärtigen, traurigen Zustand Israels mit der obigen Verheißung vereinigen?

Allerdings hat es den Anschein, als wenn Gott vergessen hätte, was Er einst zu seinem Knecht David geredet hat. Allein es hat nur den Anschein so. Gott mag vielleicht seine Verheißungen nicht sogleich erfüllen, aber Er erfüllt sie sicher und gewiss. Seine Gnadengaben und Berufungen sind unbereubar. In Ihm ist alles Ja und Amen. Er kann nicht lügen. Er hat sein Volk nicht verstoßen, obwohl Er es wegen seines Ungehorsams und seiner Abtrünnigkeit für eine Zeitlang bei Seite gesetzt haben mag. Es wird aber der Augenblick kommen, wo Er sich wieder über sein Volk erbarmen und es in sein Land zurückführen wird. Wohl ist es durch den Ofen schrecklicher Trübsale hindurchgegangen und wird noch in größerem Maß hindurchgehen müssen; Gott wird es läutern, wie man Gold und Silber läutert. Aber dann wird jene Zeit vollkommener Ruhe und ungestörten Friedens kommen, von welcher alle die Propheten geredet haben – eine Zeit, wo kein Feind Israel mehr beunruhigen und unterdrücken wird. Christus, der aus dem Samen Davids ist, der wahre Salomo, wird dann ihr König sein auf ewig. „Und ich werde sie machen zu einer Nation im Land auf den Bergen Israels, und sie werden allesamt einen König zum König haben, und werden nicht mehr zwei Nationen und fortan nicht mehr in zwei Königreiche geteilt sein. ... Und mein Knecht David wird König über sie sein, und einen Hirten werden sie haben allzumal und werden in meinen Rechten wandeln und meine Satzungen bewahren und sie tun. Und sie werden wohnen in dem Land, das ich meinem Knecht Jakob gegeben, worin eure Väter gewohnt haben, und sie werden darin wohnen, sie und ihre Kinder und ihre Kindeskinder ewiglich; und mein Knecht David wird ihr Fürst sein ewiglich. Und ich werde mit ihnen einen Bund des Friedens machen, das soll ein ewiger Bund sein mit ihnen; und ich werde sie einsetzen und sie mehren und werde mein Heiligtum in ihre Mitte setzen ewiglich. Und meine Wohnstätte wird bei ihnen sein, und ich werde ihnen zum. Gott, und sie werden mir zum Volk sein. Und die Nationen werden wissen, dass ich Jehova bin, der Israel heiligt, wenn mein Heiligtum in ihrer Mitte sein wird ewiglich“ (Hes 37,22.24–28). (Schluss folgt)

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