Botschafter des Heils in Christo 1881

Gedanken

Der Glaube ist der glänzendste Stern an dem Firmament der Gnade. Sein Ursprung ist hoch und erhaben – denn seine Geburtsstätte ist der Himmel; sein Aufenthaltsort ist niedrig – denn er wohnt auf Erden in den Herzen der Erlösten. Mächtig sind seine Taten – er überwindet die Sünde und den Satan. Er tritt scheinbare Unmöglichkeiten unter die Füße. Er übersteigt siegreich Berge von gewaltigen Hindernissen. Er eilt seinem Hafen zu durch Meere, in welchen jede Woge eine überwältigende Schwierigkeit bildet. Er rüstet den christlichen Streiter zu jedem Kampf, indem er ihm einen Schild zur Bedeckung und ein Schwert zum Sieg darreicht. Er hat ein scharfes Auge, um unsichtbare Dinge zu erkennen. Er liest die Gedanken und die Gesinnung Gottes in den Wegen seiner Vorsehung und Regierung, sowie auf dem Kreuz Christus. Er zündet und facht die Flammen der Liebe an. Er öffnet die Lippen zum Gebet und zur Danksagung. Er verwandelt den Lebenslauf in einen stets fließenden Strom des Dienstes. Er währt, bis die Pforten des Lichts sich seiner Berührung öffnen. Er hört erst dann auf, wenn er den Herrn von Angesicht zu Angesicht schaut. Als jemand einst gefragt wurde: „Was ist Glauben?“ gab er die schöne Antwort: „Glauben heißt, den Willen Gottes tun und gar keine Fragen stellen.“ Der Glaube ist der Blick der Seele nach Außen, nicht nach Innen. Der Gegenstand, auf welchen er sein Auge gerichtet hält, sind nicht die stets wechselnden Gefühle und Vorstellungen des Herzens, sondern ein Christus, der sich nie verändert. Unsere Hoffnung hängt nicht an einem so schwachen Faden, wie die Hoffnungen und Erwartungen der Menschen dieser Welt. Sie sagen: „Ich denke“, oder „ich hoffe“, oder „es ist wahrscheinlich“; wir können sagen: „ich weiß“; denn das starke Tau, an welchem unser Anker befestigt ist, bildet der Eid und die Verheißung dessen, der die ewige Wahrheit ist. Unser Heil ist durch Gottes eigene Hand und durch die Kraft Christi so unveränderlich festgemacht, wie die Natur Gottes unveränderlich ist.

„Alle eure Sorge werft auf Ihn, denn Er sorgt für euch“ (1. Pet 5,7). Ein Mann wanderte eines Tages mit einer schweren Last seiner Heimat zu, als er von dem Gefährt eines reichen Mannes überholt wurde. Dieser bat in freundlich, sich hinten auf den Wagen zu setzen, was er dankbar annahm. Nach einer Weile blickte der Besitzer des Fuhrwerks um und sah die Last immer noch auf dem Rücken des Reisenden. Verwundert fragte er ihn, weshalb er denn seinen Pack nicht neben sich auf die Bank lege. „Ich darf nicht daran denken“, war die Antwort; „es ist völlig genug, dass Sie mir erlaubt haben, mich auf ihren Wagen zu setzen; es würde zu viel sein, wenn ich auch meine Bürde ablegen wollte.“ Welch ein törichter Mann, nicht wahr? Aber gleichen wir diesem törichten Mann nicht oft auf ein Haar? Fürchten wir uns nicht auch oft, zu viel auf unseren Gott zu legen, der uns doch bitten lässt, alle unsere Sorge auf Ihn zu werfen? Anstatt seinem Wort zu folgen und Ihm mit dankerfülltem Herzen die Sorge für uns in allen Dingen zu überlassen, schleppen wir uns mit unserer Last mühsam weiter, bis sie uns fast zu schwer wird, zu tragen. Halb wollen wir sie auf ihn werfen, halb sie selbst behalten. Wie töricht! „Alle eure Sorge werft auf Ihn; Er sorgt für euch.“ Es gibt nichts im Himmel und auf Erden, was sich mit der Innigkeit, welche zwischen dem Herrn und seinen Erlösten besteht, vergleichen ließe. Die Engel sind die Täter seines Wohlgefallens, sie weilen in seiner Gegenwart, haben ihren ersten Zustand bewahrt und dienen Ihm mit all ihrer Kraft. Allein sie befinden sich nicht an dem Platz, welchen erlöste Sünder einnehmen. Sie lernen durch die Versammlung die mannigfaltige Weisheit Gottes; uns aber hat der Sohn alles, was Er von dem Vater empfangen hat, mitgeteilt. Der Heiland macht sich mit den innersten Geheimnissen des Sünders bekannt, und zugleich teilt Er ihm die Geheimnisse des Herzens Gottes mit. Das ist in der Tat wahre Innigkeit. Er findet uns im Anfang seiner Wege mit uns im tiefsten Verderben, Er nimmt uns auf als Sünder, welche die Herrlichkeit Gottes nicht erreichen und sich in offener Empörung gegen Ihn befinden. Da beginnt unser Weg. Aber dann leitet Er uns aus unseren Tiefen zu seinen Höhen, aus unserem Verderben zu den Wundern und Reichtümern seiner Gnade. Er versetzt uns an einen Platz, wo wir über alle unsere Feinde triumphieren können und uns außer dem Bereich alles dessen befinden, was wider uns sein könnte. Jubelnd fragt das Herz: „Wenn Gott für uns, wer wider uns? ... Wer wird wider die Auserwählten Gottes Anklage erheben? Gott ist es, welcher rechtfertigt, wer ist, der verdamme? ... Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus?“ (Röm 8,31–39) Wenn wir uns auf dem Weg befinden, der Gott wohlgefällig ist, so mögen sich wohl ernste Schwierigkeiten erheben; aber diese werden nur dann Hindernisse für uns sein, wenn der Unglaube unsere Herzen erfüllt. Denn der Glaube rechnet auf Gott und vollbringt das, was Er will, trotz der Schwierigkeiten, die vor Ihm wie nichts sind. Der Unglaube kann und wird immer Entschuldigungen finden, und zwar solche, die wohl begründet erscheinen. Sie leiden nur an dem einen großen Fehler, dass sie Gott ausschließen.

Der Glaube macht aus den Umständen nichts, weil er aus Gott alles macht; nicht dass die Schwierigkeiten in sich selbst verringert würden, aber Gott steht vor dem Auge des Gläubigen, zwischen ihm und den Umständen, und so verlieren diese völlig ihr Beunruhigendes.

Es ist gesegnet und köstlich, den Pfad des Glaubens zu wandeln. Aber wenn wir ihn betreten, so werden wir auch die Erfahrung machen, dass nur der Glaube im Stande ist, ihn zu gehen.

Wir müssen die bitteren Wasser von Mara schmecken, nachdem uns die Salzwasser des roten Meeres von Ägypten für immer und ewig befreit haben. Aber nehmen wir das Holz des Baumes, das Kreuz Christi, und werfen es in die bitteren Wasser, in unsere Trübsale und Leiden hienieden, so wird mit einem Mal alles süß werden. „Gekreuzigt“ zu sein, ist eine schreckliche Sache, aber „gekreuzigt mit Christus“ ist Freude und Befreiung; Schmach ist schmerzlich und schwer zu ertragen, aber die Schmach Christi ist größerer Reichtum, als alle die Schätze Ägyptens.

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