Botschafter des Heils in Christo 1881

Ein Wort über die Heiligung

Die Heiligung findet ihre Quelle in Gott dem Vater. Er, der in sich selbst von dem Bösen völlig getrennt ist, hat uns aus dem Bösen herausgenommen und für sich bei Seite gestellt. Dem entsprechend sind wir durch seinen Willen geheiligt (Heb 10,10), sein Wille ist der Ursprung oder die Quelle unseres neuen seins. Das Werk Christi ist die Grundlage unserer Heiligung; durch sein einmaliges Opfer sind wir zu Priestern Gottes und zu seinen Anbetern gemacht. Die Person Christi ist das Maß unserer Heiligung; denn Er ist uns gemacht zur Heiligkeit (1. Kor 1,30). Er ist das heilige Gefäß, welches in der Gegenwart Gottes, von der Welt getrennt, für ihn abgesondert ist, und wir sind geheiligt in Ihm. Der Heilige Geist ist die Macht unserer Heiligung in ihrer Anwendung auf den Menschen hienieden, so dass der ganze Mensch (Geist, Seele und Leib) praktisch für Gott abgesondert ist. Petrus drückt sich im Blick hierauf folgendermaßen aus: „Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi“ (1. Pet 1,2). Paulus sagt zu den Thessalonichern: „Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und euer ganzer Geist und Seele und Leib werde untadelig bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“ (1. Thes 5,23).

Endlich ist in dieser letzten Beziehung das Wort das Werkzeug unserer Heiligung, gemäß den eignen Worten des Herrn: „Heilige sie durch die Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit“ (Joh 17,17). Dieses Wort übt einen reinigenden Einfluss auf den Menschen aus, indem es ihn durch das Licht, welches der Tod, die Auferstehung und die Herrlichkeit Christi auf ihn ausstrahlen, zum Selbstgericht bringt. Der Mensch wird moralisch verändert. Zudem wird ihm ein neues Leben mitgeteilt, ein Leben von und in Verbindung mit dem Christus in der Herrlichkeit, welcher die Gabe Gottes für den Gläubigen ist. Er wird geboren durch Wasser und Geist; nicht durch Wasser oder durch Geist allein, sondern durch Wasser und Geist, so dass dieselbe Person, moralisch gereinigt und ein neues Leben empfangen habend, Gott lebt.

Damit ist jedoch nicht gesagt, dass die Sünde aus dem Menschen ausgerottet sei. Nein, sie bleibt in ihm in ihrer ganzen Hässlichkeit, wie dies jeder wahre Christ, in welchem die Wahrheit ist, anerkennen wird. Aber der Mensch, Geist, Seele und Leib, ist durch den Tod Christi, der auf ihn angewandt wird, moralisch von ihr gereinigt und für Gott abgesondert. Fortan ist es seine Berufung, zur Verherrlichung Gottes zu leben. Es steht zu befürchten, dass manche von uns, nachdem sie entdeckt haben, wie wenig der neue Mensch in Christus Jesus gekannt wird, dazu übergegangen sind, praktisch (wenn auch nicht in ihren Worten) zu verleugnen, dass sie aus Wasser geboren, d. h., dass Herz und Seele moralisch von der Sünde gereinigt sind. Die Sünde wird mit dem Menschen verwechselt oder zu der Quelle seines Seins gemacht, anstatt anzuerkennen, dass der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, und dass die Sünde – eine von ihm ganz unterschiedliche Sache – erst bei dem Fall eingeführt wurde und alle seine Bestandteile, Geist, Seele und Leib, befleckte und verdarb. Die Sünde ist nicht die Quelle des menschlichen Seins; Gott ist es. Er bildete den Geist des Menschen, der in ihm ist. Die Sünde wurde von Adam auf alle seine Nachkommen übertragen, sie hat ihren Sitz im Herzen, so dass von dort aus böse Gedanken usw. kommen. Der Mensch ist ein zu Grund gerichtetes Geschöpf; Geist, Seele und Leib sind besteckt; er ist schuldig, ein Feind Gottes und in Sünde geboren. Aber sobald er an den Herrn Jesus Christus, als seinen Heiland und Erretter, als das Lamm Gottes, glaubt, ist er gerechtfertigt, versöhnt und befreit.

Die Heiligung durch den Geist ist daher die moralische Absonderung des Menschen von der Sünde und dem Fleisch für Gott, während beide noch in ihm bleiben. Weder die Sünde noch das Fleisch können ausgerottet oder gereinigt werden, sondern der Mensch wird, im Blick auf sein Herz, seine Gesinnung, seinen Willen, seine Seele und seinen inneren Menschen, moralisch gereinigt und für Gott abgesondert. Selbst der Leib ist, obgleich er in seinem gegenwärtigen Zustand für den Himmel unpassend ist, das abgesonderte Gefäß Gottes, in welchem sein Geist wohnt, um es in seinen Dienst zu gebrauchen.

In diesem Sinn kommt die Heiligung und mit ihr die Waschung durch das Wort vor der Rechtfertigung und der Blutbesprengung (vgl. 1. Kor 6,11; 1. Pet 1,2). Die beiden letzten empfängt man auf Grund der Annahme des Evangeliums. Unter dem alten Bunde Wurden die Priester zuerst mit Wasser gewaschen und dann mit Blut besprengt und mit Öl gesalbt. So finden wir auch in der Geschichte des Kornelius schon im Anfang des 10. Kapitels alle Früchte der neuen Geburt offenbart, aber er empfing nicht eher Vergebung der Sünden und in Folge dessen die Gabe des Heiligen Geistes, bis Petrus ihm das Evangelium verkündigt und er dasselbe angenommen hatte.

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