Vorträge über die Sendschreiben an die 7 Versammlungen
Botschafter des Heils in Christo 1881

Vorträge über die Sendschreiben an die sieben Versammlungen - Teil 1/14

1 Erster Vortrag

Ehe ich auf die Einzelheiten der Sendschreiben an die sieben Versammlungen eingehe, sei es mir vergönnt, einige Worte über den allgemeinen Charakter des Buches der Offenbarung zu sagen. Es ist von der höchsten Wichtigkeit, dass wir ein richtiges und klares Verständnis über gewisse Hauptgrundsätze erlangen, die sich durch das ganze Buch hinziehen; anders werden wir die Handlungsweise Gottes, wie sie uns in demselben mitgeteilt wird, nicht verstehen. Und vergessen wir nicht, dass wir allein aus der Schrift erfahren können, welches der Ratschluss Gottes ist, und was Er bezweckt mit dem, was Er tut, und mit der Art und Weise, wie Er es tut.

Das erste Kapitel bildet die Einleitung zum ganzen Buch. Letzteres ist eine Offenbarung, welche Jesus Christus gegeben wurde, um seinen Knechten zu zeigen, was geschehen muss, um die Erscheinung Christi vorzubereiten. Es ist ein wunderbarer Gedanke, dass Gott solche Mitteilungen macht, und bewundernswürdig ist auch die Art und Weise, wie Er sie macht. Gott schreibt nicht, wie ein Mensch, bloß um die menschlichen Wünsche zu befriedigen oder zu reizen. Nein, wenn Gott schreibt, so geschieht es, um etwas hervorzubringen, wodurch unsere Seelen geprüft und in seine Gemeinschaft gebracht werden. Nehmen wir als Beispiel die Evangelien; sie sind nicht nur geschrieben, um eine historische Darstellung des Lebens Christi hienieden zu geben, sondern um vor unseren Seelen die Ratschlüsse und Gnadenwege Gottes in dem Werk und der Person seines Sohnes zu entfalten. Und nur wenn wir auf diese Weise die Gedanken und Wege Gottes kennen lernen, sind wir fähig, zu verstehen, was Gott in jedem Teil seiner Wege tut.

Das Buch der Offenbarung redet von Anfang bis zu Ende von Gericht. Gott wird darin offenbart als einer, der im Begriff steht, das Gericht zu vollziehen. Dies findet seine Anwendung sogar auf die Kirche, wie wir aus Kapitel 2 und 3 ersehen können. Sie wird betrachtet als auf der Erde – dem Gericht unterworfen. Allerdings redet die Prophezeiung von den Gegenständen, die unter dem Gericht sind, sowie von den Mitteln, um dasselbe abzuwenden; allein das ganze Buch trägt durchweg einen richterlichen Charakter, mit Ausnahme der Beschreibung von dem herrlichen Zustand der Kirche, als des himmlischen Jerusalem. Dies ist sogar der Fall, wenn die Kirche in Tätigkeit tritt, wie im 19. Kapitel; sie folgt dort auf weißen Pferden dem Herrn, welcher auszieht zum Gericht. Wenn diese Wahrheit nicht völlig erfasst und festgehalten wird, so ist es unmöglich, den Zweck des Buches zu verstehen.

In Übereinstimmung mit dem oben Gesagten finden wir in der Offenbarung niemals den Namen des Vaters in Verbindung mit den Heiligen, wohl in Verbindung mit Christus (vgl. Kap 1,6; 2,27; 3,5.21). In Kapitel 14,1 wird der Name des Vaters des Lammes an die Stirnen der 144000 geschrieben; aber auch hier ist es immer sein Vater, wenn auch sein Name an ihren Stirnen steht. Ferner ist von dem Verhältnis der Braut, des Weibes des Lammes, durchaus keine Rede, bis die Feier der Hochzeit des Lammes erzählt wird. Die Grundsätze und Verhältnisse tragen in der Offenbarung einen völlig veränderten Charakter. Gott ist mit dem beschäftigt, was auf der Erde ist, und Zwar entsprechend der Verantwortlichkeit desselben. Dieser einfache Gedanke ist geeignet, vielen Irrtümern vorzubeugen. Das ganze Buch trägt, wie bereits bemerkt, den Charakter des Gerichts und zwar steht dieses Gericht in Verbindung mit der Erde, d. h. die Menschen sind auf Erden für das verantwortlich, was ihnen anvertraut worden ist. Wenn also von der Kirche, als auf der Erde befindlich, gesprochen wird, so ist der Gegenstand, um den es sich handelt, ihre Verantwortlichkeit, und daher kommt sie unter das Gericht. Die zweite Sache, die unsere besondere Beachtung verdient, ist diese, dass der ganze Charakter des Buches ein prophetischer ist. „Glückselig, der da liest, und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist.“ Sogar in den Anreden an die sieben Versammlungen ist die Sprache prophetisch. Anders verhält es sich mit den verschiedenen Briefen in dem vorhergehenden Teil des Neuen Testaments. Dort sind es Mitteilungen an die Versammlungen oder Heiligen, um sie zu belehren, wie sie sich in dem Verhältnis, in welches Gott sie in Gnade mit sich selbst und mit dem Herrn Jesus gebracht hat, zu verhalten haben. Die Sendschreiben aber sind, wie gesagt, prophetisch, d. h. sie kündigen die Resultate und Folgen an, die im Weg des Gerichts über diejenigen kommen sollen, an welche sie sich wenden, und welche einen öffentlichen Körper bilden. Es handelt sich nicht um den Dienst der Gnade und der Unterweisung in einem gesicherten und bleibenden Verhältnis, das keinem Wechsel unterworfen sein kann. Auch handelt es sich nicht um die gegenwärtige Segnung dessen, der redete, noch derer, welche das Wort zur Zeit aufnahmen, weil sie Ohren hatten, zu hören. Wir sehen den nämlichen Unterschied in den alttestamentlichen Propheten und in den prophetischen Stellen, die sich in den Briefen zerstreut finden. 1. Petrus 1,11–12 gibt eine Erklärung dessen, was ich meine. Es heißt dort: „Welchen es offenbart ward, dass sie nicht für sich selbst, sondern für euch die Dinge bedienten.“ Das ist der eigentliche Charakter der Prophezeiung. Sie wendet sich an eine Person und ist bestimmt für andere. Sie ist eine Offenbarung zukünftiger Dinge. Ein Prophet weissagte nicht über sich selbst; was ihm der Geist Christi offenbarte, waren Dinge, die nicht ihn, sondern andere betrafen. Der Unterschied bestand also darin, dass dieselben Dinge welche (jene bedient hatten) den Heiligen durch diejenigen mitgeteilt wurden, welche ihnen das Evangelium durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist predigten. Wenn der Heilige Geist in den Heiligen redet, so tut Er kund, dass die Dinge, von welchen Er spricht, ihnen selbst angehören. Er bedient sich deshalb auch beständig des Wörtchens „uns.“ Wir finden dieses Wort im Alten Testament nirgendwo in dieser Verbindung. „Der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat“ – „Gott zur Herrlichkeit durch uns“ – „der uns gesegnet hat ... wie er uns auserwählt ... und uns zuvorbestimmt hat“ – „der uns errettet hat“ – „und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus.“ Das heißt nicht einfach zukünftige Dinge anzeigen. Wenn der Heilige Geist etwas von den Dingen Christi offenbart, so umfasst Er alle Heiligen – „auf dass ihr völlig zu erfassen vermögt mit allen Heiligen.“ Mit einem Wort, der Heilige Geist schließt, wenn Er also redet, alle Heiligen ein, als solche, die jetzt Teil an der Segnung haben, und Er wendet alles, was uns Gott „in Christus Jesus“ gegeben hat, auf sie an. Allerdings genießen wir jetzt noch nicht alles und werden deshalb ermahnt, völlig auf die Gnade zu hoffen, welche uns gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi.

Es gibt hier gleichsam drei Abstufungen. Erstens: der Geist der Prophezeiung, welcher in vergangenen Zeiten in den Propheten, aber nicht für sie selbst, redete; zweitens: der Heilige Geist, hernieder gesandt, um die Erlösung zu verkündigen, und drittens der Heilige Geist als das Siegel, das Pfand und die Salbung, mittelst deren wir unser Teil kennen und genießen, als der Geist der Erwartung, da wir, solange wir in diesem Leib sind, noch nicht das besitzen, was einst unser sein wird. Wohl besitzen wir das Pfand, aber wir erwarten die „Sohnschaft, die Erlösung unseres Leibes.“ Dessen ungeachtet verleiht der Geist Gottes, welcher in der Kirche oder Versammlung wohnt, und zwar in eben diesem besonderen Charakter, durch die zwei ausdrucksvollen Worte: „uns“ und „wir“, das Bewusstsein des gegenwärtigen Genusses dessen, was Er offenbart.

Bei einer Betrachtung von Hebräer 9 sahen wir kürzlich, dass Christus in der Vollendung der Zeitalter in den Himmel aufgenommen wurde, und dass, während Er droben ist und bevor Er wieder auf diese Erde zurückkehrt, durch den Heiligen Geist ein Werk getan wird – ein Leib wird gesammelt und mit Ihm, dem Haupt im Himmel zur Rechten Gottes, verbunden. Kraft des auf diese Weise zur Rechten Gottes erhöhten Hauptes sendet Gott den Heiligen Geist hernieder, um einen Leib zu sammeln, der mit Ihm eins sei in Herrlichkeit, der dieselbe Herrlichkeit besitze, wie Er und aus Gliedern von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen bestehe. Dies ist der eigentliche Charakter des Geistes in Verbindung mit der Kirche; es handelt sich hier nicht um Prophezeiung, nicht um die Mitteilung dessen, was auf Erden anderen begegnen soll, sondern es ist der Geist als das Siegel, das Pfand und die Zusicherung der Segnungen, welche uns angehören, der Geist, welcher bezeugt, wie sehr Gott uns gesegnet hat – uns, und nicht andere Personen, und der bei uns bleibt bis zur Ankunft Christi. Dann wird, Gott sei dafür gepriesen! nicht ein Teilchen des kostbaren Staubes seiner Erkauften zurückbleiben, denn „wer dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit Ihm.“ Christus wird den ganzen Menschen, Leib, Seele und Geist, mit sich zu dem vollsten Genuss der himmlischen Segnungen einführen und zwar für immer und ewiglich.

Sobald der Geist Gottes seinen prophetischen Charakter annimmt, verändert sich alles. Sein Zeugnis muss sich dann auf etwas Irdisches beziehen. Er prophezeit niemals über den Himmel. Wenn Er uns sagt: Die ganze Herrlichkeit des Himmels ist euer, so ist das nicht eine Vorhersagung irgendeines später einzutreffenden Ereignisses, sondern eine Offenbarung. In gewissem Sinn sind wir schon dort, weil wir in Christus sind. Wir verwirklichen unsere Gemeinschaft in den himmlischen Örtern, während wir hienieden der Erfüllung alles dessen, was sich noch ereignen soll, entgegensehen und auf die Erlösung unseres Leibes warten. Beschäftige ich mich jedoch mit der Erde und ist die Kirche oder Versammlung der Gegenstand meiner Gedanken, so muss sie – so gewiss und unveränderlich ihre ewigen Vorrechte sind, sobald wir sie in ihrem wahren Charakter betrachten – vor meinen Augen stehen als ein verantwortlicher Körper auf der Erde – als „das was ist“ – verantwortlich nach dem Maß der Vorrechte, in welchen sie hienieden zurückgelassen ist.

Es ist von der allerhöchsten Wichtigkeit, diese Wahrheit festzuhalten, da wir anders die Handlungsweise Gottes nicht verstehen können. Der Heilige Geist, welcher in der Kirche oder Versammlung wohnt, vereinigt mich mit Christus. Handelt es sich um Gerechtigkeit? Ich bin die Gerechtigkeit Gottes in Ihm; um Leben? Er ist mein Leben; um Herrlichkeit? Er sagt: „die Herrlichkeit, die du mir gegeben, habe ich ihnen gegeben.“ Alles, was Er hat, ist unser, ausgenommen seine Gottheit, an welcher wir selbstredend nicht Teil haben können. 2 Alles, was Christus besitzt, gehört mir: denn „wer dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit Ihm.“ Hiermit konnte sich die Prophezeiung nicht beschäftigen, denn es war ein Geheimnis, das von den Zeitaltern und Geschlechtern her in Gott verborgen – war. Jetzt aber hat der Heilige Geist uns mitgeteilt, dass die Versammlung in der gegenwärtigen Zeit mit dem zur Rechten Gottes in den Himmeln erhöhten Christus in lebendige Verbindung gebracht ist – Christus, das Haupt, im Himmel, die Versammlung, die Glieder, auf der Erde. Die Heiligen des Alten Bundes konnten nicht von einem Menschen im Himmel reden, dessen Glieder sich auf der Erde befanden. Es hätte dies gar keinen Sinn für sie gehabt. Christus musste zuerst von der Erde verworfen sein, ehe man sagen konnte, dass Er sich als das Haupt im Himmel befinde und Glieder auf der Erde habe. Kehren wir nun zu der Prophezeiung zurück, so sehen wir die Versammlung in die Kenntnis dessen eingeführt, was Gott auf Erden zu tun beabsichtigt.

Wenn sich der Geist im Zweiten und dritten Kapitel der Offenbarung an die Versammlungen wendet, so redet Er nie von der Gnade, die von dem Haupt zu den Gliedern des Leibes herniederströmt, und selbst wenn uns die Heiligen droben gezeigt werden, so sehen wir sie nicht als einen Leib, sondern als einzelne Anbeter, als Könige und Priester Gottes, die einen Gegenstand der Anbetung im Himmel haben. Der Heilige Geist spricht in diesen Sendschreiben in der Tat nicht von der Versammlung als dem Leib Christi, sondern Er redet von gewissen Gemeinschaften, die sich in gewissen Umständen hienieden befinden. Er betrachtet sie nicht als die Glieder eines Leibes, noch spricht Er von der lebendigen Macht der Gnade, welche hienieden wirkt, um Segen hervorzubringen, sondern von dem Verhalten derer, welche, nachdem sie in diese Stellung der Segnung versetzt worden waren, die Vorzüge jener Gnade genossen hatten. Es handelt sich nicht darum, was die Kirche oder Versammlung ist, sondern um das, was sie getan hat; nicht um ihre Stellung in der Gnade, in welche sie die Macht des Heiligen Geistes versetzt hat, (denn der Heilige Geist erscheint nicht als in ihnen wohnend oder wirkend) sondern um ihre Verantwortlichkeit. Es findet sich daher, wie ich bereits bemerkte, in diesem Buch nirgendwo die Liebe des Vaters zu den Kindern, noch auch der Heilige Geist als die Seele (wenn ich so sagen darf) des Leibes, die denselben mit dem Haupt verbindet, noch endlich die Macht der Gnade, deren Endresultat die Hochzeit des Lammes ist. Wir sehen vielmehr die Versammlung in einem gegebenen Zustand auf der Erde, dem Gericht unterworfen. Von einer Einheit mit Christus ist hier gar nicht die Rede. Was wir finden, ist die Mitteilung dessen, was Christus einem jeden der besprochenen Zustände gegenüber ist – sein Urteil über das, was Er sieht und offenbar macht. Halten wir dieses fest, so ist der Inhalt der Sendschreiben einfach und leicht zu verstehen und als Warnung voll Nutzen für unsere Seelen. Die Worte, mit welchen das ganze Buch eingeleitet wird, sind überaus köstlich und lehrreich für uns: „Offenbarung Jesu Christi, die Gott Ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss“ (V 1). Hier ist es augenscheinlich nicht Christus im Himmel, als das Haupt, noch der Heilige Geist, der in den Gliedern zur Auferbauung des Leibes wirkt. Dieses Verhältnis und diese Stellung werden in den Briefen klar dargelegt. Hier ist es die Offenbarung, welche Gott Christus gab, um seinen Knechten nicht (den Söhnen) zu zeigen, was bald geschehen muss. Desgleichen bringt hier der Heilige Geist nicht, wie in dem Brief an die Epheser, den Kindern und der Braut Belehrung von oben, oder macht sie mit ihrer Verbindung mit dem Vater und dem Bräutigam bekannt, sondern es ist eine Offenbarung an Knechte und über Dinge, die bald auf Erden geschehen sollen; „und Er hat gesandt und es gedeutet durch seinen Engel.“ Der Dienst der Engel tritt auf diese Weise hinzu und Zeigt uns den prophetischen Charakter der Stelle. Beachten wir ferner, dass wir hier nicht die Entfaltung der Reichtümer Christi durch den Heiligen Geist haben, sondern eine Botschaft durch einen Engel.

„Der bezeugt hat“ – nicht die Gemeinschaft mit Christus, noch auch die Fülle Christi – sondern „das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi“ (V 2). Das Zeugnis Jesu Christi ist nicht seine Fülle, sondern sein Urteil über andere Gegenstände. Somit werden uns Ereignisse auf der Erde vor Augen geführt, und diese sind nie die Fülle Christi im Himmel, was wir stets festhalten müssen. Der dritte Vers enthält die Verheißung des Segens für alle diejenigen, welche die Worte der Weissagung lesen und hören.

„Gnade euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind“ (V 4). Die Gnade und der Friede kommen hier nicht von dem Vater und seinem Sohn, sondern von Jehova. Der Gruß ist, besonders was den Heiligen Geist betrifft, nicht derselbe wie in 2. Korinther 13,13, wiewohl die sieben Geister ohne Zweifel auf den Heiligen Geist anspielen, indem die Zahl sieben das Symbol der Vollkommenheit in ihrer vielseitigen Macht ist. Der hier dem Geist gegebene Titel steht in Verbindung mit der Macht und Einsicht, die sich bei der Regierung der Erde kundgeben (vgl. Kap 5,6).

„Und von Jesus Christus, der da ist der getreue Zeuge, der Erstgeborene aus den Toten und der Fürst der Könige der Erde“ (V 5). Christus wird zuletzt erwähnt, um zu zeigen, wie Er hier ganz und gar in Verbindung mit der Regierung der Erde erscheint. Er ist „der getreue Zeuge“, welcher, als Er hienieden war, ohne je zu fehlen, offenbart hat, was Gott und was die ganze Wahrheit ist. „Der Erstgeborene aus den Toten“ – das ist die Macht der Auferstehung „aus den Toten“ hienieden. „Der Fürst der Könige der Erde“ – sein Platz in Macht über jegliche Herrschaft hienieden, ein Platz, den Er noch nicht tatsächlich in Besitz genommen hat. Er wird hier nicht „der Sohn des Vaters“ genannt, noch auch als das Haupt des Leibes, der Versammlung, oder als das Lamm inmitten des Thrones eingeführt; sein Titel ist: Fürst der Könige der Erde, woraus wiederum hervorgeht, dass es sich nur um seine Verbindung mit der Erde handelt.

Allein es ist bemerkenswert, dass, sobald Christus genannt wird, die Versammlung ihrer Freude über ihre persönliche Verbindung mit Ihm einen lauten Ausdruck gibt. „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater.“ Dies kann nicht anders sein; mag der Gegenstand, um den es sich handelt, sein, welcher er will, Christus ist und bleibt stets unser Christus, mit welchem wir in lebendiger Weise verbunden sind, und unmöglich kann sein Name ausgesprochen werden, ohne die Antwort der Seele in Anerkennung dessen, was Er für sie ist, wachzurufen. Selbst wenn ich an das Gericht und an Ihn als den Richter denke, so sage ich: „Ich bin mit Ihm verbunden“; in allem ist Er mein Christus. Etwas Ähnliches können wir in dem natürlichen Leben beobachten. Wenn die Frau eines hochgestellten Mannes ihren Gatten kommen sieht, so wird sie unwillkürlich ausrufen: „Da kommt mein Mann“, da ihr Verhältnis zu ihm ihre Gedanken zunächst beschäftigt. Ebenso ist es mit der Versammlung Christus gegenüber, unter welchem Charakter Er auch offenbart werden mag. Sobald Er am Schluss des prophetischen Teiles des Buches sagt: „Ich bin der glänzende Morgenstern“, antwortet die Versammlung, in Übereinstimmung mit ihrer Hoffnung auf Ihn, sogleich mit dem Ruf: „Komm!“ „Der Geist und die Braut sagen: Komm!“ So sollte Christus stets der Gegenstand aller Gedanken und Zuneigungen unserer Herzen sein. Gerade das ist es, was einem jeden Zeugnis bezüglich seiner Person, einem jeden Teil seiner Herrlichkeit seinen Wert für uns verleiht. Alles, was Ihn angeht, geht auch mich an, was auch direkt der Gegenstand sein mag, um den es sich handelt. Ist mein Herz mit Christus, dem Besitzer der zukünftigen Herrlichkeit, beschäftigt, so wäre selbst die Herrlichkeit in meinen Augen nichts, wenn ich Ihn nicht dort fände. Ich bedarf stets etwas, was Christus angeht; und weil es Ihn angeht, so muss es notwendigerweise auch mich angehen. Allerdings ist es völlig wahr, dass unter den Gegenständen, die mit dem Herrn in Verbindung stehen, die Einen anziehender für uns sind, als die Anderen und zwar in dem Maß, als sie uns in eine innigere Verbindung mit Ihm bringen.

Die Krone Jesu wird an jenem Tag aus vielen Diademen bestehen, und jedes derselben wird, wenn auch nicht getragen im Blick auf die Versammlung, sondern auf andere, die den gesegneten Folgen seines Werkes teilhaftig geworden sind, einen Teil unserer Freude bilden, weil es zu seiner Herrlichkeit gehört; denn der Gedanke, Er könnte einen Teil seiner Krone und seiner Herrlichkeit verlieren, würde uns unglücklich machen. Unsere Freude besteht nicht nur in dem Bewusstsein unserer persönlichen Errettung, ebenso wenig wie diese das Ende unserer Freude bildet. Sie ist, Gott sei Dank! der Anfang derselben; aber dennoch gibt es nichts, was in den Augen eines Gläubigen je seinen Wert verlieren könnte, wenn er es, so wenig es auch auf seine Errettung Bezug haben mag, in Verbindung mit der Herrlichkeit Christi betrachtet. Dies zeigt sich am deutlichsten an dem Sterbebett eines Christen. Wenn Christus selbst die Freude des Sterbenden gewesen ist, so wird alles, was Christus angehört, kostbar für ihn sein. War aber die Seele bloß mit dem Werk Christi, durch welches ihr das Heil gebracht wurde, beschäftigt, so wird sie wohl Frieden haben, weil sie die Errettung kennt, allein sie wird jene innere, stets sprudelnde Quelle der Freude nicht besitzen, welche sich da vorfindet, wo die Person Christi der Gegenstand der Liebe geworden, und wo die Seele mit Ihm beschäftigt ist. Denn wenn Christus der persönliche Gegenstand der Seele ist, so genießt sie eine Freude, welche das bloße Bewusstsein der Errettung, so gesegnet dieses auch ist, nicht ohne Unterbrechung zu geben vermag. Erfüllt Er mein Herz, so werde ich nicht nur wegen meiner Errettung glücklich sein, sondern der Gedanke an Ihn, zu dem ich gehe, wird in mir eine, stete, unaussprechliche Freude hervorrufen. Wohl ist es wahr, dass ich in den Himmel gehe, aber nur der Gedanke, dass Christus sich dort befindet, macht den Himmel zu einem Himmel für meine Seele. Ich gehe zu Ihm, den ich hienieden geliebt habe, um allezeit bei Ihm im Himmel zu sein; so wird es stets in der Schrift ausgedrückt. Der Apostel wünscht, „abzuscheiden und bei Christus zu sein.“

Die Versammlung nimmt in der Offenbarung von Anfang an einen besonderen Platz ein; ihr priesterlicher Platz ist in den Himmeln außerhalb (des Wirkungskreises dieses Buches, oder vielmehr innerhalb des Vorhangs) droben, an dem Ort, woher das Buch gekommen ist. Dem entsprechend sind die Gedanken der Versammlung, wie sie dieselben in Vers 5, als auf dieser Erde befindlich, ausspricht: „Dem, der uns liebt.“ Es handelt sich durchaus nicht mehr um Gericht: „Er liebt uns.“ Ebenso wenig herrscht irgendwelche Ungewissheit hinsichtlich ihres Zustandes: „Er hat uns von unseren Sünden gewaschen in seinem Blut.“ Sobald der prophetische Teil des Buches beginnt, ist nicht mehr von dem Platz des Gläubigen die Rede. Christus ist gestorben und wieder auferstanden „und hat uns zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater gemacht“; und diese Titel besitzen wir, ohne dass unsere Verantwortlichkeit sie in Frage stellen könnte. Wohl stehen wir unter Verantwortlichkeit, allein Jesus hat uns gewaschen, und wir sind uns des Platzes, in welchen Er uns gebracht hat, wohl bewusst, da wir die Antwort des Herzens, in welchem der Heilige Geist wohnt, besitzen.

Der Platz der Versammlung wird unzweifelhaft festgestellt, ehe irgendetwas anderes offenbart wird. Derselbe Grundsatz tritt in Epheser 1 noch klarer ans Licht. Zu allererst wird dort die Versammlung in dieselbe Stellung der Annehmlichkeit vor Gott gebracht, in welcher sich der Herr Jesus Christus selbst befindet, und dann erst wird ihr das „Geheimnis seines Willens“ offenbart. Das ist nicht Weissagung, sondern wir sehen die Versammlung versetzt in dieselbe Stellung wie Christus, damit sie der Abglanz seiner Herrlichkeit sei. Nachdem Gott sie zuerst „begnadigt hat in dem Geliebten“, führt Er sie nach dem überströmenden Reichtum seiner Gnade in alle Weisheit und Einsicht ein, damit sie erkenne das Geheimnis seiner Gedanken und Ratschlüsse hinsichtlich der Herrlichkeit Christi, „alles unter ein Haupt zusammen zu bringen in dem Christus, das, was in den Himmeln und das, was auf der Erde ist.“

Nachdem der Heilige Geist das Ganze mit einem Amen geschlossen hat, beginnt Er mit der Erde und redet von der Wirkung der Erscheinung Christi auf die Bewohner derselben. „Siehe, Er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird Ihn sehen, und wehklagen werden seinetwegen alle die Stämme des Landes.“ Nicht so die Versammlung. Sie wird nicht wehklagen, wenn sie Christus sieht. Wie wird im Gegenteil das Angesicht eines jeden Gläubigen strahlen, wenn wir Ihn zum ersten Mal erblicken werden! Allerdings kann, wenn unser Herz nicht in warmer Liebe zu Jesu schlägt, der Gedanke, Ihm entgegengerückt zu werden, keine Ursache zu einer gegenwärtigen Freude bilden; und hier möchte ich fragen: Ist irgendetwas bei dir vorhanden, das den Wunsch rege macht, der Herr möchte noch verziehen? Sind irgendwelche natürlichen Gefühle und Zuneigungen da, die zwischen dich und Christus getreten sind und dein Auge und Herz von Ihm abwenden? Ist das Herz in Wahrheit auf Christus gerichtet, und fühlen wir, was es ist, sich in einer solchen Welt – der Mühsal nicht nur, sondern der Sünde – zu befinden, welch ein Gedanke muss es dann sein, fern von ihr bei Christus zu weilen! Sicherlich gibt es in dem Herzen des Gläubigen keine einzige Saite, die nicht in einer, den Gefühlen derer völlig entgegengesetzten Weise klingt, welche, wenn sie Ihn sehen, wehklagen werden. Aber dennoch ist die bestimmte Hoffnung und die Freude, Ihn zu sehen und bei Ihm zu sein, eine weit reichere Und bleibendere Quelle der Glückseligkeit, als die Errettung selbst. Wenn ich sage: „jedes Auge wird Ihn sehen“, so kann es für die arme Welt nur Wehklagen geben; sage ich aber: „mein Auge wird Ihn sehen“, so hüpft in ein Herz vor Freude, anstatt zu wehklagen. Erwarte ich etwa, bloß vor den Gerichten bewahrt zu werden? Hat Christus nicht gesagt: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten“, – und „ich komme wieder und will euch zu mir nehmen?“ oder mit anderen Worten: „Diese Welt ist nicht gut genug für euch. Ich kann nicht hier bei euch bleiben, wo alles den Stempel der Sünde und des Elends trägt; wenn aber die Stätte bereitet ist, so komme ich wieder und will euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seid?“ Welch ein unermesslicher Unterschied besteht zwischen diesen beiden Seiten der Ankunft des Herrn! (Fortsetzung folgt)

Fußnoten

  • 1 Gehalten in London im Jahr 1852 von J. N. D.
  • 2 Moralisch sind wir allerdings Teilhaber der göttlichen Natur geworden, um fähig zu sein, uns völlig in Gott zu freuen.
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