Botschafter des Heils in Christo 1877

Josaphat

In 2. Chronika 17 finden wir einen Teil der Geschichte Joschafats, des Königs von Juda. Wir sehen hier, wie Jehova in der Hand dieses Königs das Königreich befestigt, und wie das Volk denselben als seinen Herrscher anerkennt (V 5). Die erste Handlung, die von Joschafat aufgezeichnet steht, ist jedoch die, dass er sich „stärkte wider Israel“ (V 1). Das ist sehr beachtenswert. Israel und der König Israels dienten ihm beständig zum Fallstrick. Aber im Anfang seiner Regierung, in den Tagen seiner ersten Frische sehen wir ihn sich stärkend wider Israel.

Oft wird dieses in der Lebensgeschichte einzelner Christen beobachtet. Das Böse, das ihnen in späterer Zeit zur gefährlichsten Schlinge diente, war gerade dasselbe, gegen welches sie in den ersten Tagen die sorgfältigste Wachsamkeit an den Tag legten. Ein Glück ist es, wenn der Geist der Wachsamkeit mit dem Wachsen in der Erkenntnis der Neigungen und Empfänglichkeiten unseres Herzens gleichen Schritt hält. Doch leider ist dies nicht immer der Fall. Wie finden wir im Gegenteil so oft, dass die Gläubigen sich nach wenigen Jahren mit Dingen einlassen, denen ihr Gewissen in früherer Zeit mit aller Entschiedenheit entgegentrat! Dieses mag den Schein des Ablegens eines gesetzlichen Geistes haben; aber sollte man es nicht viel eher als das Ablegen eines zartfühlenden Gewissens betrachten? Es würde in der Tat sehr zu beklagen sein, wenn ein sorgloses Gemüt und ein abgestumpftes Gewissen die Folge einer mehr klaren Einsicht wären, und wenn ein tieferes Eindringen in die Wahrheit dazu diente, um diejenigen, welche sich früher verleugneten, gleichgültig und weltförmig zu machen.

Doch dieses ist nicht der Fall. Ein Wachsen in der Erkenntnis der Wahrheit ist ein Wachsen in der Erkenntnis Gottes; und ein Wachsen in der Erkenntnis Gottes ist ein Wachsen in der praktischen Heiligkeit. Das Gewissen, welches ohne Beschuldigung solche Dinge geschehen lassen kann, vor denen es früher zurückschreckte, steht nicht unter dem Einfluss der Wahrheit Gottes, sondern im Gegenteil unter dem verhärtenden Einfluss des Betruges der Sünde.

Joschafat nahm nicht nur alles in Besitz, was Asa, sein Vater, erobert hatte, sondern tat auch Schritte, um sein Königreich zu befestigen und durch Ergreifung geeigneter Maßregeln zu verwalten. Überall zeigte sich die größte Ordnung: „Und Jehova war mit Joschafat: denn er wandelte in den früheren Wegen seines Vaters David und suchte nicht die Baalim, sondern er suchte den Gott seines Vaters und wandelte in seinen Geboten und nicht nach dem Tun Israels. Und Jehova befestigte das Königreich in seiner Hand, und ganz Juda gab dem Joschafat Geschenke, und er hatte Reichtum und Ehre die Menge. Und sein Herz wurde gehoben auf den Wegen Jehovas, und er tat ferner weg die Höhen und Ascherim aus Juda“ (V 3–6). – das war das wahre Geheimnis seines Glücks. „Sein Herz wurde gehoben auf den Wegen Jehovas.“ Wenn das Herz also „gehoben“ wird, bewegt sich alles in gutem Geleise.

Doch in Kapitel 16 finden wir die Dinge in einer ganz anderen Lage. Das Glück Joschafats wird für ihn in der Hand des Teufels zu einem Fallstrick: „Und Joschafat hatte viel Reichtum und Ehre in Überfluss, und er verschwägerte sich mit Ahab“ (V 1). Wir haben bereits angedeutet, dass er sein Königreich befestigte, aber der Feind tritt ihm, ohne dass er es ahnt, in den Weg und überfällt nicht sein Königreich, sondern sein Herz. Er kommt nicht gleich einem Löwen, sondern gleich einer Schlange. Er bedient sich nicht der Kriegsleute, sondern der „Schafe und Rinder“ Ahabs. Eine Kriegserklärung von Seiten Ahabs würde Joschafat nur zu Jehova getrieben haben; darum wählt jener einen anderen Angriffsplan. Das Königreich Joschafats ist wider die feindseligen Maßregeln Ahabs erstarkt; aber das Herz Joschafats liegt offen für die Verlockungen Ahabs. Das war von großer Wichtigkeit. Wir sind oft wachsam gegen das Böse in der einen Form, während wir dasselbe in einer anderen auf uns einwirken lassen. Joschafat hatte sich anfangs wider Israel gestärkt, während er sich jetzt mit dem König Israels verschwägert. Und warum? War vielleicht irgendeine Veränderung zum Guten in Aussicht gestellt, und hatte sich das Herz des gottlosen Königs Ahabs etwa zu Jehova gewandt? Keineswegs. Er war derselbe geblieben; aber das Gewissen Joschafats hatte viel von dem früheren Zartgefühl eingebüßt; er hatte sich mehr dem Bösen zugeneigt und war in geheime Berührung mit demselben gekommen; er war, wie man zu sagen pflegt, mit Pech umgegangen und hatte sich besudelt. Er verschwägerte sich mit Ahab. Das war der Kern der Sache. Und dieses Böse muss, wie langsam es auch wirken mag, früher oder später seine eigenen Früchte tragen. „Wer für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleisch Verderben ernten“ (Gal 6,8). Diese Wahrheit wird sich unvermeidlich bestätigen. Es mag die Gnade uns unsere Sünden vergeben; aber die Frucht derselben wird zu seiner Zeit zum Vorschein kommen. Jehova nahm die gegen Uria begangene Sünde Davids weg; aber das Kind starb; und Absalom empörte sich. So ist es immer. Wenn wir für das Fleisch säen, müssen wir Verderben ernten; das Fleisch kann nichts anders hervorbringen.

In dem Fall Joschafats geschah es erst nach Jahren, dass sich die Folgen seines verkehrten Schrittes offenbarten. „Und nach Verlauf von einigen Jahren zog er hinab zu Ahab nach Samaria, und Ahab schlachtete für ihn Schafe und Rinder in Menge, und für das Volk, das mit ihm war, und beredete ihn, hinaufzuziehen gen Ramot in Gilead“ (V 2). Satan kennt das Terrain – er weiß, wo der böse Same Wurzel gefasst hat – er sieht das Herz, welches bereit ist, seinen Verlockungen Gehör zu geben – er begreift, dass die Verschwägerung, in welche der König von Juda mit dem König von Israel getreten, den ersteren zu weiteren Schritten in einer verkehrten Gesinnung vorbereitet hat. Sobald ein Christ mit der Welt in Verbindung tritt, bringt er sich selbst in Gefahr, durch die Welt „beredet“ oder angespornt zu werden, um unchristliche Handlungen zu begehen. David nahm Zicklag aus der Hand des Philisterkönigs Achisch (1. Sam 27,6), und der folgende Schritt bestand darin, dass er sich mit Achisch wider Israel verbündete (1. Sam 28,1). Die Welt wird einem Kind Gottes nimmer etwas schenken, ohne ihrerseits große Forderungen zu stellen. Nachdem der König von Juda die Schafe und Rinder Ahabs für sich hatte schlachten lassen, musste er es schwer finden, das Begehren Ahabs bezüglich des Geleites gen Ramot in Gilead abzuschlagen. Der sicherste Weg ist daher, der Welt nichts schuldig zu sein. Joschafat hätte mit Ahab nichts zu schaffen haben, sich „von der Welt unbefleckt“ erhalten müssen (Jak 1,27). Jehova war nicht mit Ahab; und obwohl die Wiedereroberung einer der Freistädte aus Feindes Hand als eine wünschenswerte Sache erscheinen mochte, so hätte auch Joschafat wissen sollen, dass das Böse nicht ausgeführt werden darf, damit das Gute daraus hervorgehe.

Ramot in Gilead war von alters her als eine Freistadt für den Todschläger bezeichnet worden (5. Mo 4,43); und diese Stadt aus den Händen des Königs von Syrien wieder zu erobern, war der Zweck des Kriegszuges Ahabs. Aber trotz diesem allen werden wir den Fallstrick des Feindes wahrnehmen, der sich sicher wenig um die Stadt bekümmerte, aber der große Stücke darauf hielt, einen Diener Gottes von dem Pfad der Absonderung und Reinheit ablocken zu können. Dazu weiß der Teufel nur zu gut, welch einen mächtigen Einfluss religiöse Dinge aus das Herz eines Gläubigen auszuüben vermögen. Er naht sich nicht mit etwas, das offenbar sündig ist; er stellt nicht an das Kind Gottes die Forderung, sich bezüglich schlechter Dings mit der Welt zu vereinigen, weil er weiß, dass das Gewissen davor zurückschrecken würde, sondern er stellt vielmehr eine an und für sich ehrenwerte Sache in Aussicht und verbirgt seine wahren Absichten unter dem Mantel der Religion oder des Wohlwollens, um auf diesem Weg die Seele in die Fall zu locken. Es gibt aber eine Wahrheit, die, wenn angewandt, den Christen wirklich von jeder Verbindung mit der Welt abhalten würde. Der Apostel belehrt uns nämlich durch den Heiligen Geist, dass die Ungläubigen „zu jedem guten Werke unbewährt“ seien (Tit 1,16).

Das ist genügend für eine gehorsame Seele. Wie können wir uns mit solchen vereinigen, die als „unbewährt“ bezeichnet werden? Es geschieht nicht, was sie uns vor Augen malen, mag es ein Werk der Liebestätigkeit oder ein Werk der Religion sein. Die Heilige Schrift belehrt uns, dass, wiewohl sie vorgeben, Gott zu kennen, sie zu jedem guten Werke unbewährt sind. Eines Weiteren bedarf es nicht. Gott kann weder anerkennen noch annehmen die Werke oder Opfer solcher, deren Herzen weit von Ihm entfernt sind: wie kann daher die Versammlung sich mit ihnen vereinigen, selbst wenn es sich um die Ausführung eines guten Werkes handelt? „Erhalte dich selber unbefleckt!“ ist eine ernste Ermahnung, die uns allen gilt. „Gehorsam ist besser, denn Opfer; aufmerken besser, denn das Fett der Widder.“ Wie viel besser würde es gewesen sein, wenn Joschafat sich von aller Verbindung mit Ahab ferngehalten hatte, anstatt mit ihm gen Ramot in Gilead zu ziehen, um diese Stadt den Syrern wieder zu entreißen.

Nichtsdestoweniger musste er dieses alles auf dem Weg bitterer Erfahrungen lernen. Und auf diesem Weg müssen auch die meisten von uns lernen, was wir zu lernen haben. Wir können sprechen, viel sprechen über gewisse Punkts der Wahrheit, während wir wenig aus Erfahrung kennen. Als Joschafat sich im Anfang wider Israel stärkte, dachte er wohl kaum daran, dass er bald durch den schlechtesten aller Israeliten umstrickt werden würde. Das einzige Bewahrungsmittel gegen das Böse ist die Gemeinschaft mit Gott. Wenn wir das Böse im Licht der Heiligkeit Gottes betrachten, sehen wir nicht nur auf die Tat, sondern auch auf den Grundsatz; und wenn der Grundsatz nicht taugt, so dürfen wir uns, wie auch der Erfolg sein mag, durchaus nicht damit einlassen. Um aber das Böse in dieser Weise zu behandeln, bedarf es einer steten Tätigkeit der Seele vor Gott, einer großen Geistlichkeit, einer ununterbrochenen Wachsamkeit und eines fortdauernden Gebetslebens. Möge der Herr uns diese Dinge verleihen, sowie eine größere Zartheit und Empfindlichkeit des Gewissens! Wir denken oft gar zu wenig an die traurigen Folgen eines verkehrten Schrittes bei einem Kind Gottes. Die große Zahl dieser Folgen kommt nicht immer zu unserer Kenntnis; aber der Feind sorgt, dass er Nutzen davon zieht, nicht nur in Betreff des Schadens derer, die den verkehrten Weg einschlagen, sondern auch derer, die davon berührt werden. Joschafat fiel nicht nur selbst in die Schlinge, sondern zog auch andere mit hinein. Er sagte nicht nur: „Ich will sein wie du“, – sondern auch: „Und mein Volk wie dein Volk.“ – Welch ein niedriger Standpunkt für einen Mann Gottes, und welch ein niedriger Standpunkt für das Volk Gottes: „Ich will sein, wie du“, sagte Joschafat: und es war ein Glück für ihn, dass seine Worte nicht tatsächlich zur Wahrheit wurden. Gott betrachtete ihn nicht als eins mit Ahab; und das war, selbst inmitten der schrecklichsten Folgen seiner Sorglosigkeit, seine Rettung. Er war am Ende seiner Laufbahn nicht dem Ahab gleich, wie enge er sich auch mit ihm verbündet hatte, um ihm in der Ausführung seiner Pläne hilfreich zur Seite zu stehen. Er stand nicht auf einem Boden mit Ahab, als derselbe von einem Pfeil durchbohrt wurde; er war nicht eins mit Ahab, als die Hunde Ahabs dessen Blut leckten. Der Herr hatte einen Unterschied zwischen ihm und Ahab gemacht.

Es ist indes nicht zu leugnen, dass, wenn ein Christ zu irgendeinem Zweck sich mit der Welt verbindet, er – wie Joschafat zu Ahab – dadurch ausdrückt: „Ich will sein wie du!“ Frage ein jeder sich selbst, ob dieses nicht wahr ist. Mit der Entschuldigung, über andere nicht urteilen zu wollen, werden wir nicht auskommen; denn Joschafat hätte urteilen sollen, wie dies deutlich aus den Worten Jehus hervorgeht, welcher ihm zuruft: „Sollst du dem Gesetzlosen helfen und lieben, die Jehova hassen?“ (Kap 19,2) Wie hätte er wissen können, wer gesetzlos war, oder wer den Herrn hasse, wenn er darüber kein Urteil fällen durfte? Wir haben sicher nichts mit dem Richten derer zu tun, die draußen sind; aber wir sind Zugleich berufen, diejenigen zu beurteilen, mit denen wir in Verbindung treten. Es ist selbstredend, dass hier von keiner Selbstüberhebung die Rede sein kann. Nicht weil ich heiliger bin, als ein anderer, sondern weil Gott heilig ist, muss ich mich auf seine Seite stellen. Nicht auf Grund dessen, was ich bin, sondern auf Grund dessen, was Gott ist, habe ich mich von dem Bösen getrennt zu halten. „Seid heilig, denn ich bin heilig“, ruft Gott uns zu.

Der Fehltritt Joschafats brachte auch andere zu demselben Fehltritt. Das ist eine ernste Lehre für uns. Wir müssen bedenken, dass Joschafat durch seine frühere Frömmigkeit auf das Herz seines Volkes einen bedeutenden Einfluss erlangt hatte: er hatte in einem gewissen Sinn mit Macht ihr Vertrauen und ihre Zuneigung gewonnen. Es ist sicher nicht verwerflich, wenn man denen, welche treu wandeln, Liebe und Vertrauen schenkt; allein hernach müssen wir gegen die Gefahr eines bloß persönlichen Einflusses auf unserer Hut sein. Nur jemand, der ein ausgedehntes Vertrauen genießt, kann sagen: „Mein Volk wird sein wie dein Volk.“ denn im anderen Fall würde er nur sagen konnten: „Ich will sein, wie du.“ – sein außerhalb der Gemeinschaft mit Gott ausgeübter Einfluss macht ihn nur umso fähiger, ein Werkzeug in der Hand des Feindes zu sein. Satan wusste dieses und kannte sein Ziel; er bediente sich nicht eines gewöhnlichen Mannes aus Juda, sondern wählte den ausgezeichnetsten und einflussreichsten Mann, den er aufzufinden vermochte, da er wohl wusste, dass, wenn es ihm gelang, denselben aus dem Geleise zu bringen, die Anderen ihm von selbst schon folgen würden. Und er täuschte sich nicht. Mancher Bewohner Judas wird vielleicht gesagt haben: „Warum sollte es verwerflich sein, dass wir an Ahabs Kriegszüge teilnehmen? Sicher wenn darin etwas Böses läge, würde ein so vortrefflicher Mann wie Joschafat nicht Teil daran nehmen. Solange wir ihn dort sehen, brauchen wir uns nicht darüber zu beunruhigen.“ – Doch wenn dieses auch in den Tagen Joschafats die Sprache nicht gewesen wäre, so ist es doch sicher die Sprache vieler in unseren Tagen. Wie oft hören wir einen Gläubigen sagen: „Warum sollte dieses oder jenes nicht gut sein, da wir doch so viele vortreffliche Menschen darin wandeln sehen?“ – Ach, wie grundfalsch ist eine solche Folgerung! Wir sind – was andere auch tun mögen – mit unseren Handlungen Gott verantwortlich. Wir müssen durch die Gnade fähig sein, zwar in aller Demut, aber auch mit völliger Bestimmtheit von unserem Tun und Lassen Rechenschaft zu geben. Es ist uns dazu nicht unbekannt, dass auch die Gläubigen verkehrte Dinge verrichten und verkehrte Pfade einschlagen und daher nicht unsere ausschließlichen Leiter sein können. „Er steht und fällt seinem eigenen Herrn.“ Wir bedürfen in ganz besonderer Weise einer geistlichen Gesinnung, eines durch das Wort Gottes erleuchteten Gewissens, eines Verständnisses unserer persönlichen Verantwortlichkeit und einer Aufrichtigkeit bezüglich unserer Absichten. Wo diese Dinge fehlen, da schlagen wir verkehrte Pfade ein.

Vielleicht sagt man: „Es gibt aber sehr wenige, die eine Stellung bekleiden, welche ihnen einen so bedeutenden Einfluss einräumt, wie Joschafat ihn besaß.“ Als Antwort wird es vielleicht von Nutzen sein, auf einige Augenblicke bei einer Wahrheit zu verweilen, die leider in unseren Tagen nur zu leicht aus dem Auge gesetzt wird, – nämlich bei der Wahrheit der Einheit des Leibes Christi und bei der Wirkung, die das Verhalten jedes einzelnen Gliedes auf den ganzen Leib ausübt.

Es ist zu fürchten, dass die Hauptwahrheit der Einheit der Versammlung auf Erden selbst von Seiten der geistlich Gesinnten und Unterwiesenen des Volkes Gottes wenig erkannt und wenig verwirklicht wird. Die Ursache liegt klar am Tag. Diese Wahrheit wird mehr in dem Licht des gegenwärtigen Zustandes der Versammlung, als in dem Licht des Neuen Testaments betrachtet; und in diesem Fall kann die Einheit nicht gut verstanden werden. Wenn wir uns einfach durch die Schrift leiten lassen, so werden wir nimmer fehlen. Dort lesen wir: „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit.“ Der Wandel selbst des unscheinbarsten Gliedes übt in gewissem Maß auf alle Glieder seine Wirkung aus. „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle zu einem Geist getränkt.“ Wenn daher irgendein Gläubiger sorglos und leichtfertig wandelt, wenn er nicht ausharrt im Gebet, wenn er sich selber nicht richtet, so dient er unausbleiblich dem ganzen Leib zum Schaden, während er bei einer geistlichen Gesinnung sicher den Segen und das Glück aller befördern wird.

Sicher war der Schritt Joschafats mit Kampf verbunden. Die Tätigkeit seines Gewissens leuchtet hervor aus den Worten: „Frage doch heute das Wort Jehovas“ (Kap 18,4). Aber ach, wie bedeutungslos war dieses, nachdem er gesagt hatte: „Ich will sein wie du, und mein Volk wie dein Volk!“ (V 3) Es ist nichts als Täuschung, wenn wir, nachdem unser Herz bereits seinen Entschluss gefasst hat, nach dem Willen des Herrn fragen. Und doch wie oft geschieht dieses! Ach, wie verwerflich! Wir ehren dann Gott mit den Lippen, während das Herz sich wider Ihn auflehnt. Haben wir in diesem Fall, anstatt den Willen des Herrn zu erfahren, nicht vielmehr die Zusendung eines Lügengeistes zu erwarten (V 21)? Ahab hatte keinen Mangel an Beratern; er versammelte sofort vierhundert Propheten, die bereit waren, ihm einen Rat zu erteilen, der mit den Wünschen seines Herzens ganz im Einklang war. Sie sprachen: „Ziehe hinauf, und Gott wird sie in die Hand des Königs geben“ (V 5). Das fehlte ihm noch gerade. Auch darf es uns nicht verwundern, dass Ahab mit solchen Prophezeiungen durchaus zufrieden war. Joschafat aber hätte selbst den Schein, jene Männer als Propheten Gottes anzuerkennen, vermeiden sollen; aber stattdessen sagte erblos: „Ist hier nicht noch ein Prophet Jehovas?“ Wäre er dem Herrn treu gewesen, so würde er diesen falschen Propheten das Recht, Rat zu geben, nicht eingeräumt haben. Aber ach, er verlieh dem Gottesdienst der Welt und dessen Dienern seine Anerkennung. Er fürchtete durch ein treues Handeln gegen diese Propheten die Gefühle Ahabs zu verletzen. Wie traurig ist es doch, sich in einem Seelenzustand zu befinden, wo wir unfähig sind, gegen die Diener Satans ein klares und treues Zeugnis abzulegen!

Da nun Joschafat so tief gesunken war, dass er aus Gefälligkeit gegen Ahab die falschen Propheten anerkannte, wie konnte da ein klares Zeugnis vor Gott stattfinden? Ein jeder schien bis zu dieser untersten Stufe herabzusinken, und der Feind das Feld zu behaupten; die Stimme der Wahrheit war erstickt und Gott vergessen. So geht es stets. Die Anstrengung, um die Wahrheit denen, die von der Welt sind, annehmbar zu machen, kann nur gänzlichen Abfall zur Folge haben. Ein gegenseitiges Übereinkommen ist nicht möglich. Die Wahrheit muss auf der ihr eigenen himmlischen Höhe bleiben; die Gläubigen müssen ganz und unbeweglich an ihrer Seite stehen; sie müssen die Sünder einladen, zu ihnen hinauf zu kommen, anstatt selbst bis zu den niedrigen Sitten und Gewohnheiten der Welt hinab zu steigen, wodurch sie nur die Schärfe und Kraft der Wahrheit einbüßen. Übrigens ist es nichts als Täuschung, wenn wir glauben, dem Kind dieser Welt die Wahrheit dadurch angenehm zu machen, dass wir uns nach seinen Wegen richten; vielmehr geben wir dadurch die Wahrheit, anstatt sie angenehm zu machen, dem Hohn und der Verachtung preis. Dadurch, dass Joschafat die Wege Ahabs einschlug und die Rechte der falschen Propheten anerkannte, schädigte er die Sache der Wahrheit. Der Mann, der die Wege der Welt betritt, wird ein Feind Christi und ein Feind des Volkes Gottes. Es kann nicht anders sein. Die Freundschaft der Welt ist Feindschaft wider Gott. Wer nun irgendein Freund der Welt sein will, stellt sich als Feind Gottes dar (Jak 4,4).

Welch einen unumstößlichen Beweis liefert hierfür der König Joschafat! Er wird der Freund und Genosse Ahabs, der den treuen Diener Gottes hasste; und ob er auch nicht persönlich diesen treuen Zeugen verfolgte, so saß er doch an der Seite Ahabs und sah es, ohne Widerspruch zu erheben, ruhig an, dass der Prophet Jehovas zuerst geschlagen und hernach deshalb ins Gefängnis geworfen wurde, weil er seine Aussage nicht aus Gefälligkeit gegen den gottlosen König Israels mit den Lügen der vierhundert falschen Propheten in Einklang bringen wollte. Was mag Joschafat gefühlt haben, als er sah, dass sein Bruder wegen eines treuen Zeugnisses gegen einen Kriegszug, dem er selbst sich angeschlossen hatte, geschlagen und eingesperrt wurde? Ja, in diesen Zustand hatte ihn sein Bündnis mit Ahab gebracht, dass er nicht nur kein Zeugnis gegen dessen Handlungen ablegte, sondern sogar dessen Genosse war. Wenn sich jemand mit der Welt verbindet, muss er auch in ihrer Weise handeln; der Feind ist mit halben Maßregeln nicht zufrieden, sondern wird alles anwenden, um einen Gläubigen, der sich außerhalb der Gemeinschaft mit Gott befindet, im Bösestun bis zum äußersten zu treiben. Kleine Anfänge ziehen die erschreckendsten Folgen nach sich. Anfangs ist die Berührung mit der Sünde höchst unscheinbar; dann nähert man sich derselben nach und nach immer mehr, schließt sich ihr immer enger an und übergibt sich ihr schließlich so gänzlich, dass nur eine unmittelbare Dazwischenkunft Gottes daraus befreien kann. – Joschafat verschwägerte sich mit Ahab: dann machte er Gebrauch von dessen Gastfreundschaft, wurde zu einem öffentlichen Bündnis mit demselben überredet und nahm schließlich seinen Platz ein in der Schlacht bei Ramot in Gilead. Er hatte zu Ahab gesagt: „Ich will sein wie du:“ und Ahab hielt ihn beim Wort und richtete an ihn die Aufforderung: „Ich will mich verstellen und in den Streit ziehen: du aber ziehe deine Kleider an“ (V 29). So völlig gab Joschafat in den Augen der Kinder dieser Welt seine persönliche Stellung auf, dass „es geschah, als die Obersten der Wagen den Joschafat sahen – denn sie sprachen: Das ist der König von Israel.“ – (V 31) Welch eine gefahrvolle Stellung für Joschafat! Dass man ihn für den gottlosesten aller Könige Israels hielt, war ein trauriger Beweis von der Gemeinschaft mit den Kindern der Welt. Ein Glück war es für ihn, dass Jehova ihn nicht beim Wort hielt, als er zu Ahab sagte: „Ich will sein wie du.“ Der Herr wusste, dass Joschafat nicht Ahab war, obwohl die Menschen ihn dafürhielten. Die Gnade hatte ihn von Ahab unterschieden; und der Wandel hätte beweisen sollen, was die Gnade aus ihm gemacht hatte. Gepriesen sei Gott! „Er weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu retten:“ und Er führte in Gnade seinen Diener aus dem Bösen, worin derselbe sich gestürzt hatte, und worin er auch umgekommen sein würde, wenn Gott seine Hand nicht ausgestreckt hätte, um ihn zu befreien. „Und Joschafat schrie, und Jehova half ihm, und Gott lenkte sie von ihm“ (V 31).

Hier haben wir den Wendepunkt in dieser Periode des Lebens Joschafats. Er erkannte die Stellung, in welche er sich selbst gebracht hatte; und da er den Irrtum seines Weges begriff, so erkannte er auch die Gefahr, worin er schwebte. Umzingelt von den syrischen Obersten, vermochte er einigermaßen zu fühlen, was die Einnahme des Platzes Ahabs in sich hatte. Ein Glück war es für ihn, dass er aus der Tiefe seines Elends zum Herrn emporschauen und Ihn am Tag seiner Bedrängnis anrufen konnte. Hatte er dieses nicht getan, so würde der Speer des Feindes tief in sein Herz gedrungen und die traurigen Folgen seiner ungöttlichen Verbindung ins Licht gestellt haben. „Joschafat schrie“, und sein Notschrei drang empor zum Herrn, dessen Ohr stets geöffnet ist für den Ruf derer, die ihre Not fühlen. „Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.“ Der verlorene Sohn sagte: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ ... „Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater und ward innerlich bewegt und lief hin und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn sehr.“ So kommt der Herr Gott stets denen entgegen, die in der Erkenntnis, dass sie sich geborstene Gruben, die kein Wasser halten, ausgegraben haben, zu Ihm, der Quelle des lebendigen Wassers, zurückkehren.

Ganz anders verhielt es sich mit Ahab. Obwohl tödlich verwundet, so blieb er doch „stehend in dem Wagen bis zum Abend“, um seine Schwäche zu verbergen und seinen Zweck zu erreichen. Von ihm drang kein Schrei aus der Tiefe: sein Auge blickte nicht nach oben. Man sieht an ihm nur das, was ihn stets kennzeichnete. Er starb, wie er gelebt hatte, und tat bis ans Ende, was böse war in den Augen Jehovas. Wie eitel war seine Anstrengung, um sich aufrecht zu erhalten! Der Tod hatte die Hand auf ihn gelegt, und wiewohl er sich eine Zeitlang auf den Füßen zu halten gedachte, so starb er doch „zurzeit des Sonnenuntergangs.“ Ein schreckliches Ende! – Das Ende dessen, der sich verkauft hatte, das Böse zu wirken! Wer möchte ein Anhänger dieser Welt sein wollen? Wer möchte – wenn er anders auf ein Leben von Reinheit, auf einen friedsamen und gottseligen Wandel einigen Wert setzt – sich mit der Welt und ihren Gewohnheiten eins machen wollen?

Lasst uns jetzt einen Blick auf Kapitel 19 werfen! Hier finden wir eine gesegnete Frucht von dem, was Joschafat durchgemacht hatte. „Er kehrte in Frieden zurück nach seinem Haus, nach Jerusalem“ (V 1). Ein herrlicher Ausgang! In Folge der Dazwischenkunft des Herrn war er aus dem Strick des Vogelstellers befreit worden; und wir dürfen voraussetzen, dass sein Herz erfüllt war mit Dank gegen Ihn, der, trotz seiner Worte: „Ich will sein wie du“, einen Unterschied zwischen ihm und Ahab gemacht hatte. Ahab war mit Scham und Schande ins Grab gesunken, während Joschafat in Frieden nach seinem Haus zurückkehrte. Doch welch eine Erfahrung! Er war nahe am Rand des Abgrunds gewesen. Dieses sollte und musste er fühlen. Wiewohl der Herr ihn in Frieden nach Jerusalem zurückkehren ließ und es dem Feind nicht gestattete, ihn zu verderben, so musste sein Gewissen doch wegen seiner Sünde in Tätigkeit gebracht werden. „Da ging ihm entgegen Jehu, der Sohn Hananis, der Seher, und sprach zu dem König Joschafat: Sollst du dem Gesetzlosen helfen und lieben, die Jehova hassen? Und um dessentwillen ist Zorn über dir von Jehova“ (V 2). Das war eine ernste Anklage, und sie hatte ihre besondere Wirkung. Joschafat „zog wiederum aus unter das Volk von Beerscheba bis zum Gebirge Ephraim und brachte sie zurück zu Jehova, dem Gott ihrer Väter“ (V 4). Wie Petrus dem Wort des Herrn: „Bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder!“ gehorchte, so tat es auch Joschafat; und es ist gesegnet, wenn durch die Gnade des Herrn die Irrtümer und Fehltritte zu einem solchen Ende führen. Nur göttliche Gnade kann solches bewirken. Wenn wir, die wir Joschafat anfangs inmitten der syrischen Obersten gefunden, ihn jetzt das Land durchziehen sehen, um seine Brüder in der Furcht des Herrn zu unterweisen, dann fühlen wir uns zu dem Ausruf gezwungen: „Das hat der Herr getan.“ Auch war Joschafat dazu der geeignete Mann. Wer in seiner eigenen Person die traurigen Folgen einer leichtfertigen Gesinnung erfahren hat, kann mit dem größten Nachdruck sagen: „Seht zu, was ihr tut!“ (V 6) Ein wiederhergestellter Petrus, der selbst den Heiligen verleugnet hatte, war das auserwählte Gefäß, um anderen die Worte: „Ihr habt den Heiligen und Gerechten verleugnet“ (Apg 3,14), zuzurufen und ihnen das kostbare Blut anzupreisen, welches ihn von aller Schuld gereinigt hatte. Ebenso kam Joschafat aus der Schlacht bei Ramot in Gilead, um mit feierlichem Ernst den Richtern zuzurufen: „Seht zu, was ihr tut!“ Er, der soeben dem Strick entronnen war, konnte am besten über den Strick sprechen und vor demselben warnen.

Wie bezeichnend sind die Worte Joschafats, wenn er sagt: „Bei Jehova, unserem Gott, ist kein Unrecht und kein Ansehen der Person und kein Annehmen von Geschenk!“ (V 7) Für ihn war das Geschenk Ahabs geradezu zu einer Schlinge geworden. „Ahab schlachtete für ihn Schafe und Rinder in Menge, und für das Volk, das mit ihm war, und beredete ihn, hinaufzuziehen gen Ramot in Gilead.“ Joschafat ließ sein Herz durch Ahabs Geschenke einnehmen und wurde dadurch umso leichter von den Überredungen desselben fortgeschleppt. Wir können nimmer mit geistlicher Nüchternheit die Scheingründe und Einflüsterungen der Welt einer Prüfung unterwerfen, solange wir in ihrer Sphäre leben und ihre Freundschaft annehmen. Wir müssen uns außerhalb derselben befinden und von ihr unabhängig sein; denn nur dann sind wir in der passenden Stellung, um ihre Zumutungen zu verwerfen und über ihre Versuchungen zu triumphieren. Die Gemeinschaft mit Gott ist die sichere Bewahrung gegen jede Versuchung; denn es gibt keine Sünde, die uns versuchen könnte, von welcher wir nicht das Entgegengesetzte in Gott finden; und wir können das Böse nur durch die Gemeinschaft mit dem Guten vermeiden. Das ist eine sehr einfache, aber praktische Wahrheit. Wäre Joschafat in Gemeinschaft mit Gott gewesen, so würde er die Gemeinschaft mit der Welt nicht gesucht haben. Sicher ist dieses der einzige richtige Gesichtspunkt, von welchem aus wir die Verbindung mit der Welt zu betrachten haben. Fragen wir uns: Ist diese oder jene Verbindung vereinbar mit unserer Gemeinschaft mit Gott? Darauf kommt alles an. Wie kann ich alle die Segnungen des Namens Jesu genießen und Zugleich diesen Namen dadurch entehren, dass ich mich mit den Kindern dieser Welt vermenge und mit ihnen einen und denselben Standpunkt einnehme? Wie deutlich wird diese Frage beantwortet, wenn wir sie vor das Angesicht Gottes und unter das offenbarmachende Licht seines Wortes bringen! „Sollst du dem Gesetzlosen helfen und lieben, die Jehova hassen?“ Die Wahrheit Gottes schiebt die falsche Hülle hinweg, womit sich ein Herz, außerhalb der Gemeinschaft mit Gott, zu bedecken pflegt. Nur wenn die Wahrheit ihren hellen Strahl auf unseren Pfad fallen lasst, sehen wir die Dinge in ihrer wahren Gestalt.

Joschafat hatte Ursache, für die durch seinen Fall empfangene heilsame Lehre dankbar zu sein: er war dadurch von der Notwendigkeit überzeugt worden, mehr in der Furcht des Herrn zu wandeln und dieses auch anderen ans Herz zu legen. Das war von großer Bedeutung. Zwar war es ein trauriger und beschwerlicher Weg, auf welchem er zu lernen hatte, aber es ist gesegnet, wenn wir selbst durch unsere Fehltritte lernen. Möchten wir dieses alle tief fühlen!

In Kapitel 20 finden wir Joschafat in einer gesegneteren Stellung, wie dieses in Kapitel 18 der Fall war. Er ist hier unter der Feuerprobe des Feindes. „Und es geschah nach diesem, da kamen die Kinder Moab und die Kinder Ammon und mit ihnen von den Ammonitern wider Joschafat zum Streit“ (V 1). Hier, wo Joschafat die Zielscheibe der Feindseligkeiten des Widersachers ist, ist weniger für ihn zu fürchten, als da, wo ihm derselbe freundlich mit Geschenken entgegenkommt. Im ersten Fall bleibt ihm nichts übrig, als sich einfach auf den Gott Israels zu werfen, während er in dem letzten Fall Gefahr läuft, in die Schlinge Satans zu geraten. Der rechte Platz für ein Kind Gottes ist, sich den Feinden Gottes geradezu gegenüber, nicht aber sich mit ihnen in Reih und Glied zu stellen. Wir können nimmer aus das Mitgefühl Gottes und auf seine Bewahrung rechnen, wenn wir uns zu unseren Feinden gesellen. Wie töricht war es (Kap 18,4), das Wort des Herrn zu erfragen in einer Sache, die Joschafat als verkehrt hätte erkennen sollen. In Kapitel 20 ist es ganz anders. Er meinte es aufrichtig, als er „sein Angesicht richtete, Jehova zu suchen, und ein Fasten ausrief in ganz Juda“ (V 3). Jetzt war es ihm um den Rat des Herrn zu tun. Nichts als die Drangsal von Seiten der Welt treibt so sehr den Gläubigen aus nach dem Platz der Absonderung von ihr. Wenn die Welt uns schmeichelt, sind wir in Gefahr, von ihr überlistet zu werden; wenn sie uns aber zürnt, werden wir ausgetrieben zu unserer Zuflucht und Stärke in Gott – und dieses ist sehr gesegnet und heilsam. Joschafat sagte nicht zu den Kindern Moab und zu den Kindern Ammon: „Ich will sein, wie du:“ denn er wusste wohl, dass dieses nicht der Fall war; auch hätten sie ihn vielleicht das Gegenteil erkennen lassen.

In dem Gebet Joschafats finden wir drei unterschiedene Punkte (V 6–12). Zunächst die Größe und Macht Gottes, dann die dem Abraham gegebene Verheißung Gottes in Betreff des Landes, und schließlich die Anstrengung des Feindes, um den Samen Abrahams aus dem Land zu vertreiben. Dieses Gebet ist sehr lehrreich und schön. Joschafat macht die vorliegende Streitsache ganz zu einer Frage zwischen dem Gott Abrahams und den Kindern Moab. Ammon und Seir. So macht es der Glaube zu allen Zeiten: und die Folgen werden stets dieselben sein. Er sagt: „Sie kommen, uns zu vertreiben aus deinem Besitztum, das du uns erblich gegeben hast.“ Wie einfach! Sie wollen nehmen, was Gott gegeben hat. Er wirft es, so zu sagen auf Gott, damit Gott seinen Bund aufrecht halte. „Unser Gott, willst du nicht richten über sie? Denn in uns ist keine Kraft vor dieser großen Menge, die wider uns kommt, und wir wissen nicht, was wir tun sollen, sondern auf dich sind unsere Augen gerichtet“ (V 13). Sicher, der Sieg war in der Hand dessen, der also vor Gott stehen konnte. Das fühlte auch Joschafat. Denn als er sich mit dem Volk beraten hatte, „bestellte er Sänger Jehovas, die da lobpriesen in heiliger Pracht, indem sie vor den Gerüsteten her auszogen und sprachen: Lobsingt Jehova, denn seine Güte währt ewiglich.“ Nur durch den Glauben war es möglich, einen Lobgesang anzustimmen, selbst noch ehe die Schlacht begonnen hatte. Sowie der Glaube den Abraham in den Stand setzte, seinen Samen im Besitz Kanaans zu sehen, machte derselbe auch den Joschafat fähig, zu vertrauen, dass Gott diesen Samen darin erhalten werde; und er hatte daher, um seinen Lobgesang zu erheben, nicht nötig, vorher den Sieg abzuwarten. Der Glaube konnte durch Moses sagen: „Du hast durch deine Güte geleitet das Volk, das du erlöst, hast es geführt durch deine Stärke zu der Wohnung deiner Heiligkeit“ (2. Mo 15,13), wiewohl man noch erst kaum den Fuß in die Wüste gesetzt hatte.

Doch welch ein seltsamer Anblick muss es für die Feinde Joschafats gewesen sein, als sie eine Zahl Männer, anstatt mit Waffen in der Hand, mit Musikinstrumenten auf sich zukommen sahen! Es war fast dieselbe Art von Kriegführung, wie wir sie später bei Hiskia finden, der sich, anstatt mit einer Waffenrüstung, mit einem Sack bekleidete (Jes 37,1). Beide waren auch in derselben Schule unterwiesen worden, und beide kämpften unter demselben Banner. O möchte doch unser Kampf gegen die Grundsätze der gegenwärtigen Zeit auch in derselben Weise geführt werden! „Über alles ergreift den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auszulöschen vermögt alle die feurigen Pfeile des Bösen“ (Eph 6,16).

Welch ein Gegensatz zwischen Joschafat, als er zu Ramot in Gilead den Ahab repräsentierte, und Joschafat, als er hier mit dem Herrn den Feinden gegenüberstand! Ja, in allem zeigt sich dieser Gegensatz. Seine Weise, Hilfe und Rat bei dem Herrn zu suchen, seine Weise, das Schlachtfeld zu betreten – ja, alles war verschieden. Und wie verschieden war auch das Ende! Anstatt vom Feind überrumpelt zu werden und aus der Tiefe des Elends und der Gefahr einen Notschrei ausstoßen zu müssen, bricht er jetzt jubelnd aus in Lob und Dank gegen den Gott seiner Väter, der ihm, ohne einen Schlag zu tun, den Sieg verliehen hat. Ja, welch ein Unterschied! Möchten wir doch dadurch zu einer bestimmten Wahl des Pfades der Absonderung und der Abhängigkeit von der Güte und Treue des Herrn geleitet werden! Das Tal Beracha (V 26), das Tal des Lobes, ist stets der Platz, wohin der Geist Gottes uns leiten will. Jedoch kann Er uns dahin nicht bringen, wenn wir uns den Ahabs dieser Welt zugesellen und ihre Pläne mit ihnen ausführen helfen. „Geht weg aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt Unreines nicht an; und ich werde euch aufnehmen, und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige“ (2. Kor 6,17–18).

Die weltliche Gesinnung verhindert oder vielmehr vernichtet den Geist der Danksagung. Sie ist in bestimmter Weise feindselig gegen diesen Geist: und wo man ihr einen Raum gestattet, da führt sie uns zu Beängstigungen und Zweifeln und endlich gar zu offenbarem Abfall von aller Gottseligkeit. Joschafat wurde durch Angst und Streit hindurch gedemütigt, aufgerichtet und zu großem Segen geführt.

Wer hätte nun denken können, dass Joschafat nach diesen ernsten Erfahrungen sich dennoch wieder mit den Gesetzlosen vereinigen würde, um ihre ehr– und habsüchtigen Pläne zu befördern? Gewiss nur jemand, der sein eigenes Herz kennen gelernt hat, begreift dieses. „Und hernach verband sich Joschafat, der König von Juda, mit Ahasja, dem König von Israel, der gesetzlos handelte in seinem Tun. Und er verband sich mit ihm, Schiffe zu bauen, um nach Tarsis zu fahren; und sie bauten Schiffe zu Ezeon–Geber. Und es weissagte Elieser, der Sohn Dodavas, von Maresa, wider Joschafat und sprach: Weil du dich mit Ahasja verbunden hast, so hat Jehova dein Werk zerrissen. – Und die Schiffe wurden zertrümmert und vermochten nicht nach Tarsis zufahren“ (V 35–37). Was ist doch der Mensch! Ein armes, strauchelndes, gebrechliches Geschöpf, das sich von einer Torheit in die andere stürzt. Joschafat war kaum von seiner Verbindung mit Ahab zurückgebracht, und schon tritt er wieder mit Ahasja in einen Bund. Er war mit Mühe oder vielmehr durch die besondere und gnädige Dazwischenkunft des Herrn den Pfeilen der Syrer entronnen, und wiederum finden wir ihn im Bund mit den Königen von Israel und Edom (2. Kön 3,7 usw.), um gegen die Moabiter zu streiten.

Das ist Joschafat und seine merkwürdige Laufbahn. Es wurde etwas Gutes in ihm gefunden; aber die Gemeinschaft mit der Welt wurde ihm zur Schlinge; und was wir aus seiner Geschichte zu lernen haben, ist, uns vor dem Bösen zu hüten. Die Worte: „Geht aus ihrer Mitte und sondert euch ab“ mögen fortdauernd zu unseren Ohren dringen. Wir können uns nicht mit der Welt vereinigen und uns durch ihre Grundsätze leiten lassen, ohne in unserer eigenen Seele Schaden zu leiden und unser Zeugnis zu schwächen.

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