Botschafter des Heils in Christo 1868

Die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus als Mensch - Teil 2/3

6. Die Engel erfreuen sich der Buße der Sünder. „Es ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.“ Welch ein Glück für uns, dass uns dieses Geheimnis des Himmels offenbart ist, und dass wir in Betreff desselben eine Erklärung nach der anderen finden, wie dieses im Lukas 15 der Fall ist! Allein wir finden noch mehr. Die Freude, obwohl im Himmel, ist öffentlich, sie hat ihren Ausdruck und findet ihren Wiederhall. Es geziemt sich, dass es also ist; es geziemt sich, dass das ganze Haus an der Freude Anteil hat und sie als eine allgemeine Freude betrachtet. Aber, wie bereits gesagt, wir finden noch mehr. Es gibt eben sowohl eine Freude des Herzens Gottes, als eine Freude des Himmels. Wie wir die Letztere in Lukas 15 finden, so erkennen wir die erstere in Johannes 4. Es wird kaum zu bemerken nötig sein, dass die Freude des Herzens Gottes am tiefsten ist, sie ist vollkommen, schweigsam und persönlich; sie bedarf es nicht, durch andere hervorgerufen oder unterhalten zu werden. „Ich habe Speise zu essen, die ihr nicht kennt“ (Joh 4,32). Also redet das Herz Christi im Genüsse dieser Freude. Die Herrlichkeit erfüllte das Haus des Herrn; und die Diener des Heiligtums mussten eine Zeitlang bei Seite treten (1. Kön 8,11). Bis zu dem Augenblick, wo der Hirte das von der Herde abgeirrte Schaf, indem er es mit Freuden auf seine Schultern genommen, nach Haus brachte, war die Freude ganz und gar nur auf ihn beschränkt. Das ganze Haus war noch nicht herbeigerufen, als das samaritische Weib, gerettet und glücklich. Ihn verließ. Die Jünger begriffen das Eigentümliche des Augenblicks; sie mochten die Szene nicht unterbrechen. Das für den Altar bestimmte Fett, der vornehmste Teil des Festes, die „Speise Gottes“, ward zubereitet; und die Jünger standen schweigend zur Seite. Welch ein wunderbarer Moment! Kaum findet man seinesgleichen. Hier offenbart sich die tiefe, unaussprechliche Freude des Herzens Gottes, während uns in Lukas 15 die öffentliche Freude des Himmels gezeigt wird.

Aber Er, der auf diese Weise gespeist werden konnte, war bisweilen müde, hungrig und durstig. Wir sahen dieses in letzterem Kapitel, sowie auch in Markus 4, jedoch mit dem Unterschied, dass Jesus in Markus durch den Schlaf gestärkt und erquickt wird, während dieses in Johannes ohne irgendein äußeres Mittel geschieht. Und woher kommt dieses? In Markus hatte der Herr einen mühevollen Tag zurückgelegt; und am Abend fühlte Er sich müde und erschöpft, wie man es bei der menschlichen Natur nach ihrem Tagewerk findet. „Der Mensch geht aus an sein Werk und an seine Arbeit bis an den Abend“ (Ps 104,23) Dann wird ihm der Schlaf gesandt, um für den Dienst des wiederkehrenden Tages gestärkt und erquickt zu werden. Jesus macht die Erfahrung von allen diesen Dingen; Er schläft im Schiff auf einem Kopfkissen. – In Johannes 4 ist Er ermüdet von der Reise und hat Hunger und Durst. Er setzt sich, als ein müder Pilger an dem Brunnen nieder und harrt der Rückkehr der Jünger mit Speise aus der benachbarten Stadt entgegen. Als sie aber zurückkehrten, finden sie den Herrn erquickt und ausgeruht, und zwar ohne dass Er gegessen, oder getrunken, oder geschlafen hat. Seine Müdigkeit hatte eine Erfrischung gefunden, die Ihm der Schlaf nicht hätte verschaffen können. Er war glücklich gemacht worden durch die Frucht seiner Arbeit in der Seele einer armen Sünderin; und das Weib war fortgeschickt worden in der Freiheit des Heiles Gottes, während sich in Markus kein samaritisches Weib vorfindet und Er in seiner Müdigkeit von einem Kopfkissen Gebrauch macht.

Wie wahr und wie übereinstimmend ist dieses alles mit den Erfahrungen unserer menschlichen Natur! Wir fassen es sogleich. In Johannes 4 war, wenn ich mich also ausdrücken darf, das Herz des Herrn voll Freude, während in Markus 4 nichts vorhanden war, dessen Er sich hätte erfreuen können; und die heilige Schrift (und unsere Erfahrungen bestätigen die Wahrheit dieses Wortes) sagt: „Ein fröhliches Herz macht das Leben lustig; aber ein betrübter Mut verzehrt das Gebein“ (Spr 17,22). Daher konnte der, Herr in dem einen Fall sagen: „Ich habe Speise zu essen, die ihr nicht kennt“, und in dem anderen konnte Er auf einem Kopfkissen ausruhen, welches eine bereitwillige Liebe für seine Ermüdung herbeigeschafft hatte.

Wie vollkommen war die durch den Sohn angenommene Menschheit! Sicher, es war ganz und gar die menschliche Natur, doch ohne Sünde.

In einer Zeit, wo alles in Verwirrung ist, ist man geneigt. Alles hoffnungslos aufzugeben und zu sagen, dass das Trachten, einen Unterschied zwischen den Dingen zu machen, hinfort nutzlos und eine Arbeit ohne Ende sei. Überall zeigt sich Unordnung und Abfall, sagt man, – warum versucht man es noch, einen Unterschied zu machen? Doch das war nicht die Sprache des Herrn. Er befand sich inmitten der Verwirrung, aber Er hatte keinen Teil daran, sowie Er in der Welt, aber nicht von der Welt war. Er traf mit allen Arten von Leuten in den verschiedensten Zuständen zusammen; eine Schar folgte der anderen, wo alle hätten vereinigt zusammen sein sollen; und ohne die geringste Abweichung verfolgte Er stets seinen geraden, schmalen und heiligen Pfad. Die Anmaßungen der Pharisäer, der Weltsinn der Herodianer, die Philosophie der Sadduzäer, die Neugierde der Menge, die Anfälle der Widersacher, die Unwissenheit und Schwachheit der Jünger – kurz, alle diese Erscheinungen bildeten die moralischen Elemente, denen Er begegnete und mit welchen Er jeden Tag zu schaffen hatte.

Und wie die verschiedenen Charaktere der Personen, so übten auch die Ihn umgebenden Zustände das Herz des Herrn: die Münze des Kaisers zirkulierte im Land Immanuels; die Grenzmauern lagen in Trümmern; der Jude war mit dem Heiden, der Reine mit dem Unreinen vermengt, wenn nicht etwa religiöser Stolz die den verschiedenen Nationen eigentümlichen Weisen aufrechterhielt. Aber die goldene Regel Jesu: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ – stellte die Vollkommenheit ins Licht, mit welcher Er sich durch alles dieses hindurchbewegte. In den Tagen der Gefangenschaft, die ebenfalls Tage der Verwirrung waren, legte der Überrest Israels ein schönes Zeugnis ab, indem derselbe einen Unterschied machte zwischen dem, was verschieden war, und nicht alles als hoffnungslos betrachtete. Daniel war der Ratgeber des Königs; aber er weigerte sich, sein Fleisch zu essen. Nehemia diente in dem Palast; aber er duldete nicht die Moabiter und Ammoniter im Haus des Herrn. Mordechai wachte über das Leben des Königs; aber er beugte nicht das Knie vor dem Amalekiter. Esra und Serubbabel nahmen die Begünstigungen des persischen Königs an; allein sie wiesen die Hilfe der Samariter von sich und gestatteten keine Heirat mit den Heiden. Die Gefangenen beteten für den Frieden Babylons; aber sie weigerten sich, die Lieder Zions in einem fremden Land zu singen.

Alles dieses ist von großer Schönheit; und der Herr offenbarte in seinen Tagen vollkommen diesen Charakter des Überrestes. Sollte das nicht für uns ein Wink sein? Auch wir leben in einer Zeit, die, bezüglich ihres Charakters der Verwirrung, den Tagen des Überrestes oder den Tagen Jesu nicht unähnlich ist. Und wie damals sind auch wir zu handeln berufen, nicht als solche, die nirgends einen Ausweg sehen, sondern als solche, welche wissen „dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist.“ Diese moralische Schönheit des Herrn wird für uns ein Vorbild.

Indes sehen wir Jesus auch als Gott gegenüber der Sünde stehen; und das ist eine Stellung, die wir natürlich nimmer einnehmen. Er rührte den Aussätzigen und Er rührte die Tragbahre an; und dennoch blieb Er rein. Er stand als Gott der Sünde gegenüber. Er kannte das Gute und das Böse; aber Er beherrschte das eine wie das andere mit göttlicher Macht, indem Er beides kannte, wie Gott es kennt. Wäre Jesus nicht gewesen, wie Er war, so würde Ihn das Anrühren des Aussätzigen und der Tragbahre verunreinigt haben. Er hätte in diesem Fall außerhalb des Lagers sich der durch das Gesetz vorgeschriebenen Reinigung unterwerfen müssen. Aber wir entdecken dergleichen nichts in Ihm. Er war nicht ein verunreinigter Jude. Nicht nur wurde Er nicht besteckt, sondern konnte es auch nicht werden. Und dennoch war das Geheimnis seiner Person und die Vollkommenheit seiner mit seiner Gottheit vereinigten Menschheit von solcher Art, dass die Versuchung für Ihn ebenso wirklich, wie die Verunreinigung unmöglich war.

Verweilen wir hier einen Augenblick. Unser Platz, gegenüber einem so großen Teil dieser so notwendigen, obgleich geheimnisvollen und unendlich kostbaren Wahrheit, ist vielmehr, sie anzunehmen und anzubeten, als darüber diskutieren und sie zergliedern zu wollen. Zugleich ist es wohltuend für unser Herz, wenn wir es dem brennenden Verlangen etlicher einfältigen Seelen abfühlen, dass es ihnen um Christus selbst zu tun ist. Oft aber gehen wir mit Wahrheiten in einer Weise um, wobei uns nichts als die beschämende Überzeugung übrigbleibt, dass, wie sehr wir auch beschäftigt waren, wir dennoch Christus selbst nicht erreicht haben. Wir entdecken dann, dass wir uns auf dem Weg verirrt haben.

Der Herr war „arm, aber viele bereichernd“ – „nichts habend und alles besitzend“. – Diese erhabenen und wundervollen Zustände wurden in Ihm und zwar in einer Ihm eigentümlichen Weise offenbart. Er nahm die Beisteuer etlicher frommen Weiber an, die Ihn mit ihren Gaben unterstützten, und dennoch verfügte Er über die ganze Erde und ihre Fülle, um die Bedürfnisse derer zu stillen, welche Ihn umringten. Er vermochte Tausende in wüsten Örtern zu weisen; und selbst litt Er Hunger, harrend auf die Rückkehr seiner Jünger, welche ausgegangen waren, um Speise zu kaufen. Das hieß: „Nichts habend und alles besitzend.“ Aber wenn auch arm, bedürftig und den Gefahren ausgesetzt, so findet man doch nicht das Mindeste in Ihm, was einer Bettelei ähnlich wäre. Nie bat Er um ein Almosen, wiewohl Er so wenig besaß, dass, als Er (jedoch nicht zu seinem Gebrauch) eines Denars bedurfte, (Lk 20,20–26) Er genötigt war. Sich einen solchen zeigen lassen zu müssen. Nie floh Er, wenn Er auch in augenscheinlicher Lebensgefahr war; Er zog sich unbemerkt zurück und verließ den Platz, wo Er sich befand. Und also auch hier, obgleich Armut und Gefahren sein tägliches Los waren, knüpfte sich nichts an Ihn, was gemein war oder mit der vollkommenen Würde seiner Person im Widerspruch stand.

Welch eine bewunderungswürdige Vollkommenheit! Wie könnte je ein Gegenstand vor unsere Augen gestellt werden, der so vollkommen, so untadelig, so hervorleuchtend und so ausnehmend rein in den gewöhnlichsten und geringfügigsten Einzelheiten des menschlichen Lebens wäre! Paulus konnte es nicht; Jesus allem, der Mensch Gottes, vermochte es. Das Hervorstrahlen seiner Tugenden inmitten der gewöhnlichen Umstände seines Lebens redet uns von seiner Person. Es muss eine besondere Person, es muss ein göttlicher Mensch sein, welcher, wenn ich so reden darf, uns solch außergewöhnliche Erscheinungen in solch gewöhnlichen Umständen darstellen kann. Wir finden, ich wiederhole es, dergleichen nicht bei Paulus, wiewohl er ohne Zweifel viele Würde und moralische Größe besaß und wir bekennen müssen, dass, wenn es je einen Menschen gab, in welchem jene Dinge sich vorfanden, er es war. Aber sein Verhalten war nicht das Verhalten Jesu. Er befindet sich in Lebensgefahr und bedient sich der Beschirmung seines Vetters; und zu einer anderen Zeit lassen ihn seine Freunde von der Stadtmauer herab. Ich sage nicht, dass er jemanden um Geld anspricht; aber er bekennt, solches empfangen zu haben. Ich erinnere nicht daran, wie er vor einen aus Pharisäern und Sadduzäern zusammen gesetzten Versammlung erklärt, dass crem Pharisäer sei, noch daran, wie er redete vor dem Hohepriester, der ihn verurteilte; in diesen Umständen war sein Betragen moralisch schlecht. Ich rede nur von Fällen, welche ohne gerade moralisch schlecht zu sein, dennoch unter der vollkommenen persönlichen Würde stehen, welche die Pfade Christi kennzeichnet. Die so genannte Flucht nach Ägypten macht keine Ausnahme bezüglich des Charakters des Herrn; denn diese Reise war zur Erfüllung der Prophezeiung und auf Befehl eines göttlichen Ausspruchs unternommen.

Dieses alles ist in der Tat nicht nur moralische Herrlichkeit, nein, es ist ein moralisches Wunder; und es ist zum Erstaunen, wie eine von Menschenhand geführte Feder solche Schönheiten aufzuzeichnen vermocht hat! Wir können dieses Wunder nur durch die Tatsache erklären, dass es eine Wahrheit, eine uns dargestellte lebendige Wirklichkeit ist. Zu diesem gesegneten Beschluss sind wir gezwungen, worden. 7. In der Behandlung dieses herrlichen Gegenstandes fortschreitend erinnern wir uns der Schriftworte: „Euer Wort sei allezeit in Gnade mit Salz gewürzt, um zu wissen, wie ihr einem jeglichen antworten sollt“ (Kol 4,6). Unsere Worte sollen in der Tat „allezeit in Gnade sein“ – „Anderen Gutes tun“ – „Gnade mitteilend denen, die es hören.“ Oft werden indes unsere Worte den Charakter der Ermahnung oder der Zurechtweisung annehmen, zuweilen auch in Entschiedenheit und Strenge, in Entrüstung und im Eifer einen Ausdruck finden und also, wie die Schrift sagt, mit „Salz gewürzt“ sein. Und wenn sie diese schone Eigenschaften besitzen, mithin „allezeit in Gnaden“ und „mit Salz gewürzt“ sind, so werden sie uns Zeugnis geben, um zu wissen, wie wir einem jeden antworten sollen.

Unter allen Zügen der moralischen Herrlichkeit, hat sich der Herr Jesus auch darin unterschieden, dass Er einem jeglichen durch Worte zu begegnen wusste, die stets, mochte der Mensch sie hören oder das Ohr vor ihnen verschließen, nutzenbringend für die Seele waren – durch Worte, die zuweilen mit Salz, ja zuweilen stark mit Salz gewürzt waren. Wenn Er daher die an Ihn gerichteten Fragen beantwortete, so war dieses weniger sein eigentlicher Zweck, als dass Er das Gewissen des Ihn Fragenden zu erreichen und auf den Zustand der Seele desselben zu wirken trachtete.

In seinem Schweigen und seiner Weigerung zu antworten, als Er am Ende seiner Laufbahn vor den Juden und Heiden, vor den Hohepriestern und vor Herodes und Pilatus stand, zeigt sich sein Verhalten ebenso geziemend als wenn Er redete oder die an Ihn gerichteten Fragen beantwortete. Und in dieser Weise legte Er vor Gott das Zeugnis ab, dass unter den Menschensöhnen wenigstens einer vorhanden war, der es begriff, dass „Schweigen und das Reden seine Zeit hat“. Auch bemerkt man eine große Verschiedenheit des Tones und der Weise bei dem Herrn in allen Umständen seines Lebens; und diese Verschiedenheit, ob unscheinbar oder hervorragend, bildet einen Teil des duftenden Wohlgeruchs, der zu Gott emporstieg. Oft war das Wort Jesu sanft und lieblich, oft bestimmt und strenge; bisweilen redet Er in belehrender Weise, bisweilen tadelt Er mit aller Schärfe; und oft sogar macht die Ruhe in seiner Unterhaltung plötzlich dem niederschmetternden Tone der Verdammung Platz. Er betrachtet und wägt alle Dinge stets nach dem moralischen Gesichtspunkt.

Das 15. Kapitel im Matthäus hat mich in ganz besonderer Weise getroffen, indem dasselbe diese Vollkommenheit unter verschiedenen Formen von Schönheit und Vortrefflichkeit hervortreten lässt. Der Herr ist dort berufen, der Reihe nach den Pharisäern, der Volksmenge, dem armen, betrübten, kanaanitischen Weib und seinen eigenen Jüngern, nach der sich hier kundgebenden Unwissenheit oder Selbstsucht, zu antworten und wir können bei dieser Gelegenheit die verschiedene Weise sehen, in welcher Er tadelt, oder urteilt, oder ruhig und geduldig lehrt, oder eine schwache Seele mit Weisheit und Gnade aufzurichten trachtet. Und diese Verschiedenheit ist stets passend für den Ort und für die Gelegenheit, die Ihn zur Tätigkeit beruft.

Dieselbe Schönheit und dasselbe geziemende Verhalten finden wir in Lukas 2, wo Er weder unterweist, noch unterwiesen wird, sondern wo Er nur zuhört und fragt. Ein Unterweisen von seiner Seite wäre nicht passend gewesen; denn Er war ein Kind inmitten solcher Leute, die Ihn an Alter überragten. Sich unterweisen zu lassen wäre nicht in völliger Übereinstimmung gewesen mit dem reinen und herrlichen Licht, welches Er, wie Er wusste, in sich trug; denn man kann von Ihm in Wahrheit sagen, dass „Er verständiger war als seine Lehrer, und dass Er mehr Einsicht hatte, als die Alten“ (Ps 119). Ich rede hier nicht von dem, was Er als Gott, sondern was Er als Mensch war, „erfüllt von Weisheit“, wie die Schrift sagt. Er wusste von dieser Fülle der Weisheit nach der Vollkommenheit der Gnade Gebrauch zu machen; darum stellt der Evangelist Ihn im Tempel inmitten der Lehrer weder lehrend noch lernend vor unsere Augen, sondern sagt einfach, dass Er ihnen zuhörte und sie fragte. „Das Kind kein aber wuchs und ward stark im Geist, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade war auf Ihm.“ So redet die Schrift von seiner Jugend; und wenn Er als Mann mit den Menschen in der Welt verkehrt, so ist sein Wort „allezeit in Gnade und mit Salz gewürzt“, wie das Wort eines Mannes, welcher weiß, wie er einem jeglichen antworten soll. Welche Herrlichkeit und Vollkommenheit! Und welche Harmonie mit den verschiedenen Zeitpunkten der Jugend und des männlichen Alters!

Jedoch wird uns Jesus noch in verschiedenen anderen Gesichtspunkten vorgestellt. Bisweilen sehen wir Ihn verachtet und verschmäht; und verspottet und gehasst von seinen Feinden, ist Er gezwungen, sich zurück zu ziehen, um gleichsam sein Leben vor ihren Anfällen und Verfolgungen in Sicherheit zu bringen. Bisweilen sehen wir Ihn in Schwachheit, nur gefolgt von den Ärmsten des Volkes; auch ist Er ermüdet, hungrig und durstig und abhängig von der Bedienung etlicher frommen Weiber, welche fühlen, dass sie Ihm alles verdanken. Ein anderes Mal begegnen wir seiner zärtlichen Güte, seinem Wohlwollen und Mitleiden gegenüber, der Volksmenge oder Er vereinigt sich mit seinen Jüngern bei ihren Mahlzeiten oder auf ihren Reisen, indem Er sich mit ihnen unterhält, wie es ein Mensch mit seinen Freunden tun würde. Und wieder ein anderes Mal zeigt Er sich uns in Macht und Ehre, verrichtet Wunder und lässt bald diesen, bald jenen Strahl von Herrlichkeit hervorschimmern; und obwohl Er in seiner Person und in seiner Stellung nichts in der Welt war, als der ungelehrte und unansehnliche Sohn eines Zimmermanns, so rief Er dennoch unter den Menschen, und selbst, in gewissen Momenten, in den Gedanken der Regenten dieser Erde, größere Bewegungen hervor, als je ein Mensch dieses zu tun vermocht hatte.

So wird uns Jesus dargestellt in seiner Kindheit, in seinem Mannesalter und in den Mannigfaltigkeiten des menschlichen Lebens. O vermöchte unser Herz Ihn festzuhalten! Es zeigt sich in einzelnen der unscheinbarsten Einzelheiten eine Vollkommenheit, welche es laut bezeugt, dass eine göttliche Hand sie aufgezeichnet hat. Und welche Hand, wenn sie nicht durch den Heiligen Geist geführt und überwacht worden wäre, würde dieses Gemälde der Vollkommenheit haben entwerfen können, ohne deren seinen Zügen zu verunstalten! Wenn z. B. der Herr, um seine Gedanken in Betreff der Steuer zu entwickeln. Sich einen Denar fordert, so ist das für uns der Beweis, dass Er kein Geld bei sich trug. Die moralische Schönheit der Handlung floss aus der moralischen Vollkommenheit seines inneren Zustandes.

Er forderte die Jünger im Garten Gethsemane auf, mit Ihm zu wachen; aber Er fordert sie nicht auf, für Ihn zu beten. Er verlangte ihre Sympathie. Er schätzte dieselbe hoch in den Stunden der Schwachheit und der Angst und wünschte, dass die Herzen seiner Gefährten damals mit Ihm verbunden seien. Solch ein Wunsch hatte seine Quelle in der moralischen Herrlichkeit seiner Vollkommenheit als Mensch; aber obwohl Er diesen Wunsch fühlte und ihn den Jüngern zu erkennen gab, so konnte Er sie dennoch nicht auffordern, zu seinen Gunsten vor Gott hinzutreten. Er wollte, dass sie sich Ihm geben möchten; aber Er konnte unmöglich von ihnen fordern, sich Gott zu geben für Ihn. Darum, wie gesagt, bittet Er sie, mit Ihm zu wachen, aber Er bittet sie nicht, für Ihn zu beten. Wenn Er kurz nachher das Wachen und das Beten vereinigt, so geschieht es um ihretwillen und wegen ihrer Bedürfnisse, indem Er sagt: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung hineingeht.“ – Paulus konnte zu anderen Heiligen sagen: „Indem auch ihr im Flehen für uns mitwirkt“ (2. Kor 1,11). „Betet für uns; denn wir sind der Zuversicht, dass wir ein gutes Gewissen haben“ (Heb 13,18). Aber dieses war nicht die Sprache Jesu; und ich werde nicht zu sagen nötig haben, dass sie es auch nicht sein konnte; aber eine Feder, welche uns ein Leben wie dieses zeichnet, und welche uns einen solchen Charakter malt, diese Feder ist geführt durch den Geist Gottes. Er allein kann also schreiben.

Jesus tat Gutes und lieh aus, ohne etwas zurück zu erwarten. Er gab, und seine linke Hand wusste nicht, was die Rechts tat. Niemals, bei keiner Gelegenheit, machte Er Anspruch auf die Person oder den Dienst derer, die Er befreit oder geheilt hatte. Niemals betrachtete Er die durch Ihn bewirkte Befreiung von irgendeinem Übel als eine Verpflichtung, um Ihm zu dienen. Er wollte nicht, dass der Gadarener, der sich „Legion“ nannte. Ihm folgen sollte. Das Kind, welches Er am Fuß des Berges geheilt hatte, gab Er dem Vater desselben zurück. Die Tochter des Jairus blieb in dem Kreis ihrer Familie. Den Sohn der Witwe zu Nain gab Er der weinenden Mutter wieder. Nicht einen von diesen allen fordert Er für sich. Sollte Christus etwas geben, damit man es Ihm zurückgebe? Ist Er, der vollkommene Meister, nicht der beste Vollstrecker seiner Worte: „Tut Gutes und leiht, ohne etwas wieder zu hoffen.“? (Lk 6,35) Es ist die Natur der Gnade, dass sie anderen darreicht und sich selbst nicht bereichert; und Jesus kam, damit in Ihm und in allen seinen Wegen die Gnade in ihrem unausforschlichen Reichtum und in der ihr eigentümlichen Herrlichkeit hervorstrahle. Er fand Knechte in dieser Welt; aber Er begann nicht damit, dass Er sie zuvor heilte, um dann seine Ansprüche an ihnen geltend zu machen. Er berief sie und teilte ihnen Gaben mit. Sie waren die Frucht der Energie seines Geistes und der erweckten Neigungen in Herzen, welche durch seine Liebe getrieben wurden. Und sie aussendend, ruft Er ihnen zu: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst gebt“ (Mt 10,8).

Sicher es gibt in den Zügen eines solchen Charakters ein etwas, welches außer dem Bereich menschlicher Begriffe liegt. Man ruft es immer wieder vor die Seele zurück; und es ist lieblich, beifügen zu können, dass diese moralische Herrlichkeit des Herrn oft in den einfachsten Formen ins Licht tritt, in Formen, welche verständlich sind für alle Begriffe und für alle Sympathien des Herzens.

Jesus wies nie den schwächsten Glauben von sich ab, wiewohl Er auch mit Freuden dem freimütigsten Glauben entgegenkam und dessen Fragen beantwortete. Der starke Glaube, welcher ohne Umschweife und ohne Entschuldigung, in voller Zuversicht Ihm nahte, fand stets eine willkommene Aufnahme bei Ihm, während die schüchterne Seele, die kaum zu nahen wagte, ermuntert und gesegnet wurde. Das Wort, welches von den Lippen des Herrn floss, befreite augenblicklich den armen Aussätzigen von der einzigen Sache, welche über dem Herzen wie eine dunkle Wolke hing. „Herr!“ sagt er, „so du willst, kannst du mich wohl reinigen.“ Und die Antwort Jesu ist: „Ich will es, sei gereinigt!“ Doch kurz nachher drücken dieselben Lippen das aus, wovon das Herz Jesu, gegenüber dem zuversichtlichen Glauben des heidnischen Hauptmannes, erfüllt ist; und eben dasselbe finden wir bei der Gelegenheit, wo der kühne, ernste Glaube einer Familie in Israel das Dach eines Hauses aufdeckte, in welchem sich der Herr befand, um ihren Kranken zu seinen Füßen niederzulassen.

Wenn ein schwacher Glaube sich an den Herrn wandte, so gewährte Er die Segnung, die derselbe gesucht hatte; aber Er tadelte den Menschen, welcher in dieser Weise zu Ihm kam. Indes ist selbst dieser Verweis für uns voll von Ermutigung; denn Er scheint uns zu sagen: „Warum machst du keinen ausgedehnteren, freieren und glückseligeren Gebrauch von mir?“ – Schätzten wir nur den Geber so hoch wie die Gabe, das Herz Christi so hoch, wie seine Hand, dann würde uns die Bestrafung des schwachen Glaubens ebenso köstlich sein, wie die Antwort, die derselbe hervorlockt. – Und wenn der schwache Glaube in dieser Weise durch Ihn getadelt wird, wie willkommen muss Ihm ein starker Glaube sein! Wir können daher einigermaßen begreifen, welch ein lieblicher Anblick es für das Auge des Herrn sein mochte, als in dem vorgenannten Fall die Menschen das Dach abdeckten, um in seine Nähe kommen zu können. Ja sicher, es muss in der Tat ein herrliches Schauspiel für das Auge unseres gepriesenen und göttlichen Heilands gewesen sein. Man hatte durch diese Handlung ebenso sicher in seinem Herzen Eingang gefunden, als in dem Haus zu Kapernaum.

Wir erblicken in der Person des Herrn die Hohen der Herrlichkeit und die Tiefen der Niedrigkeit; und wir bedürfen beides. Der welcher einst sah am Brunnen zu Sichar, ist derselbe, der jetzt in den höchsten Himmeln Platz genommen hat. „Er, der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der über alle Himmel hinaufgestiegen ist.“ Hoheit und Niedrigkeit sind in Jesu vereinigt. Er hat einen Platz zur Rechten Gottes; und dennoch lässt Er sich herab, um die Füße der Heiligen hienieden zu waschen. Welch eine Verschiedenheit und Harmonie! Er verliert nichts von seiner Größe, ob Er sich auch in unsere Armut hüllt; nichts mangelt Ihm zu unserem Dienst, ob Er auch herrlich, fleckenlos und vollkommen in sich selbst ist.

Die Selbstsucht wird durch fortgesetztes, unverschämtes Drängen müde gemacht, wie uns die Schriftstelle sagt: „Ich sage euch, auch wenn er nicht aufstehen und ihm geben wird, weil er sein Freund ist, so wird er um seiner Unverschämtheit willen aufstehen und ihm geben so viel er bedarf“ (Lk 11,8). Also steht es bei dem Menschen, der voll Selbstsucht ist; aber anders steht es bei Gott, der die Liebe ist; denn der Gott in Jesaja 7,10–16 bildet das Gegenteil von dem Menschen in Lukas 11,5–13.

Der Unglaube ist es, der, da er sich nicht an Gott wenden wollte und sich weigerte, die durch das Zeugnis Gottes versiegelten und angekündigten Segnungen zu erbitten und zu empfangen, Gott ermüdete; nicht das unverschämte Anhalten und Drängen, sondern, wenn ich so sagen darf, der Mangel desselben. Und diese göttliche Herrlichkeit und Vortrefflichkeit, welche wir in Jesaja 7 bei dem Jehova des Hauses David finden, strahlt bei dem Herrn Jesus Christus der Evangelisten von neuem hervor, und zwar in seinen verschiedenen Handlungen gegen den schwachen und gegen den starken Glauben. Alles zeugt von seiner Vollkommenheit. Aber welch einen kleinen Teil vermögen wir von dieser ganzen Herrlichkeit zu entdecken!

Wir wissen in wie mannigfaltiger Weise unsere Mitpilger uns auf die Probe stellen und in Versuchung bringen, und ohne Zweifel tun wir ihnen gegenüber dasselbe. Wir sehen oder glauben an ihnen irgendeine Verkehrtheit zu entdecken, und es scheint uns höchst beschwerlich, noch einen längeren Verkehr mit ihnen zu unterhalten. Dennoch kann in diesem allen zum größten Teil die Schuld auf unserer Seite liegen, indem wir das, was nicht mit unserem Geschmack und unserem Urteil in Übereinstimmung ist, als etwas durchaus Tadelnswertes an ihnen betrachten.

Aber der Herr konnte sich nimmer also täuschen; und niemals lieh Er sich „durch das Böse überwinden“, sondern Er überwand stets „das Böse mit dem Guten“ – das Böse in dem Menschen durch das Gute, welches in Ihm war. Eitelkeit, böse Launen, Gleichgültigkeit gegen andere, Sorge für das eigene ich, Unwissenheit nach all der Mühe, die Er sich, um sie zu belehren, gegeben hatte, – das alles hatte Jesus beständig bei den Seinen zu erdulden. Sein Leben inmitten der Menschen war in einem gewissen Sinne ein Tag der „Erbitterung“, wie es die vierzig Jahre in der Wüste gewesen waren. Israel versuchte, so zu sagen, von neuem den Herrn, und erfuhr von neuem, wer Er war. Es ist in der Tat ein lieblicher Gedanke: Sie versuchten den Herrn; aber Er stellte ins Licht, wer Er war. Er litt, aber Er ertrug sie mit Geduld und verließ sie nimmer. Er warnte, belehrte, tadelte und verurteilte sie; aber nimmer wandte Er sich von ihnen ab. Im Gegenteil; am Ende ihrer gemeinschaftlichen Wanderung, ist Er ihnen näher, als jemals.

Wie vollkommen und vortrefflich ist dieses alles, und wie ermunternd für uns! Das was der Herr tut, um das Gewissen zu erreichen, lässt nie sein Herz erkalten. Wir büßen nichts ein, wenn Er uns tadelt. Und Er, der sich nicht von uns zurückzieht, wenn Er auf unser Gewissen wirkt, ist beschäftigt, unsere Seelen wiederherzustellen, damit das Gewissen, wenn ich mich so ausdrücken darf, bald seine Schule zu verlassen im Stande sei und das Herz die glückselige Freiheit in seiner Gegenwart wiederfinde.

Weiter möchte ich bemerken, dass wir in den Charakteren, welche der Herr, wenn auch nur gelegentlich und vorübergehend während seines Dienstes, zu offenbaren berufen war, stets dieselbe Vollkommenheit und dieselbe moralische Herrlichkeit auf dem Pfad erblicken, den Er täglich betritt. So z. B. wenn Er erscheint als Richter in Matthäus 24, oder als Advokat oder Mittler in Matthäus 22. Aber ich darf diesen so reichhaltigen Gegenstand nur andeuten. Jeder Schritt Jesu, jedes Wort und jede Handlung – in allem zeigt sich ein Strahl seiner Herrlichkeit; und das Auge Gottes findet in dem Leben Jesu eine größere Befriedigung, als in einer Ewigkeit von adamitischer Unschuld. Jesus wandelte inmitten des moralischen Verfalls der Menschheit; und aus dieser Region des Elends ließ Er zum Thron Gottes ein reicheres Opfer duftenden Wohlgeruchs emporsteigen, als je Eden und der Adam Edens, auch wenn sie rein geblieben wären, dargebracht oder darzubringen vermocht hätten.

Die Zeit bringt keinen Wechsel in dem Herrn hervor. Dieselben Offenbarungen seiner Gnade und seines Charakters vor und nach seiner Auferstehung bestätigen diese für uns so wichtige Wahrheit. Das, was Er gewesen ist, sagt uns, was Er in diesem Augenblick ist, und was Er immer sein wird, sowohl in seinem Charakter, als auch in seiner Natur, sowohl in Bezug auf uns, als auch bezüglich seiner selbst. „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in die Zeitalter“, (Heb 13,8) und die bloße Ermahnung dieser Wahrheit ist schon köstlich für uns. Bisweilen können Veränderungen uns betrüben; und zu anderen Zeiten wünschen wir sie. Auf verschiedenen Wegen lernen wir die unbeständige, unsichere Natur dessen erkennen, was das menschliche Leben ausmacht. Nicht nur die Umstände, sondern auch die Beziehungen, die Freundschaften, die Zuneigungen und Charaktere sind beständigen Veränderungen unterworfen, die uns überraschen oder betrüben. Wir werden von einer Station des Lebens zu einer anderen fortgetrieben: aber es ist selten, dass Zuneigungen nicht erkalten, und dass, mag es sich handeln um uns oder um unsere Reisegefährten, reine Grundsätze uns begleiten. Aber Jesus war nach seiner Auferstehung derselbe, der Er vorher war, obwohl die dazwischenliegenden Ereignisse eine weitere Entfernung zwischen Ihm und seinen Jüngern hervorgerufen hatten, als dieses unter „Reisegefährten“ je der Fall sein konnte. Die Jünger hatten ihre untreuen Herzen verraten, indem sie ihren Herrn und Meister verließen und in der Stunde seiner Schwachheit und Angst die Flucht ergriffen, während Er für sie durch den Tod gegangen war, – durch einen Tod, dem sich kein anderes Geschöpf unterwerfen konnte, ohne vernichtet zu werden. Die Jünger waren stets arme, schwache Galiläer geblieben, während Jesus verherrlicht und mit der ganzen Macht im Himmel und auf Erden bekleidet worden war.

Dennoch aber führt nichts von diesem allem irgendeinen Wechsel in dem Herrn herbei. „Weder Hohes, noch Tiefes, noch irgendeine andere Kreatur“ kann Ihn verändern. Die Liebe widerstand allem; und der Herr kehrt zu den Seinen als derselbe Jesus zurück, wie sie Ihn von jeher gekannt hatten. Er nahm Teil an ihrer Arbeit, sowohl nach seiner Auferstehung und selbst nach seiner Himmelfahrt, als Er es auch getan hätte während der Tage seines Dienstes und seines Pilgerns mit ihnen. Wir sehen dieses in dem letzten Verse des Markus.

Auf dem See glauben die Jünger, wie wir in Matthäus 14 sehen, ein Gespenst zu sehen und schrien vor Furcht; aber der Herr ließ sie erkennen, dass Er selbst in ihrer Nähe sei und zwar sowohl in Gnade als auch in Macht und Obergewalt über die Natur. Ähnliches finden wir in Lukas 24, wo Jesus nach seiner Auferstehung Fisch und eine Honigscheibe nimmt und vor ihren Augen genießt, damit sie mit derselben Gewissheit und Herzensruhe wie früher erkennen sollten, dass Er es war. Er wollte, dass sie Ihn betasteten und ansahen, indem Er sagte, dass ein Geist nicht Fleisch und Bein habe, wie dieses, wovon sie sich überzeugen konnten, bei Ihm der Fall sei.

In Johannes 3 führt Er einen „von Herzen trägen“ Lehrer in das Licht und auf den Weg der Wahrheit, indem Er ihn erträgt mit der ganzen Geduld der Gnade. Er handelt in gleicher Weise nach seiner Auferstehung mit den „Unverständigen und von Herzen trägen“ Jüngern auf dem Weg nach Emmaus (Lk 24). In Markus 4 bringt Er die Furcht der Seinen zum Schweigen, bevor Er sie wegen ihres Unglaubens tadelt. Er sprach zu dem Wind und zu dem See: „Schweig! verstumme!“ ehe Er noch zu den Jungem sagt: „Warum seid ihr so furchtsam? Wie habt ihr keinen Glauben?“ Und Ähnliches finden wir in Johannes 21 nach seiner Auferstehung, wo Er sich mit Petrus, als sei mit diesem nichts vorgefallen, in vollkommen freier Gemeinschaft zum Mahl niedersetzt, bevor Er den Jünger zur Verantwortung zieht und auf sein Gewissen durch die Worte wirkt: „Simon Jona, hast du mich lieb?“

Als der auferstandene Jesus der Maria Magdalena erscheint, trägt der Evangelist Sorge, uns mitzuteilen, dass Er derselbe Jesus ist, der sieben Teufel von ihr ausgetrieben hat; und Maria erkennt die Stimme dessen, der sie rief, als eine seit lange ihrem Ohr bekannt klingende Stimme. Welch eine Ähnlichkeit zwischen dem Christus in Niedrigkeit und dem Christus in Herrlichkeit, zwischen dem Heiland der Sünder und dem Herrn der zukünftigen Welt! Wie sehr verkündet uns alles, dass sowohl in Charakter als auch in persönlicher göttlicher Herrlichkeit, Er, der einmal herniederstieg, derselbe ist, als der einmal aufstieg. Auch wird Johannes, nachdem sein Herr auferstanden ist, uns als der Jünger vorgestellt, der während des Abendmahls an der Brust seines Meisters gelegen hatte. „Ich bin Jesus!“ So lautete die Antwort des Herrn aus dem erhabensten Platze des Himmels zur Rechten des Thrones der Majestät, als Saulus von Tarsus die Frage erhob: „Wer, bist du, Herr?“ (Apg 10)

Alles dieses findet persönlich auf uns seine Anwendung; wir sind persönlich dabei interessiert. Petrus erkannte, dass der Meister vor und nach seiner Auferstehung für ihn derselbe war. In Matthäus 16 tadelt ihn der Herr; aber wenige Tage nachher führt Er ihn, und zwar in völliger Freiheit des Herzens, als ob nichts vorgefallen sei, mit sich auf den heiligen Berg. Auch in Johannes 21 wird Petrus von neuem getadelt. Nach seiner Gewohnheit hatte er sich mit Dingen eingelassen, die seine Begriffe überstiegen und, auf Johannes zeigend, die Frage erhoben: „Herr, was aber dieser?“ Und sein Meister war gezwungen, ihn mit den Worten: „Was geht es dich an?“ in seine Schranken zurückweisen zu müssen. Und dennoch, gleichsam im Angesicht dieser höchst scharfen Zurechtweisung, sehen wir kurz nachher die beiden Jünger Petrus und Johannes dem Herrn folgen, der im Begriff ist gen Himmel zu fahren. Es war ein bestrafter Petrus, der einst mit dem Herrn auf den heiligen Berg gestiegen war; und es war ein bestrafter Petrus – derselbe Petrus – welcher den zum Himmel auffahrenden Herrn begleitete, indem er auf diese Weise zum zweiten Male den Berg der Herrlichkeit, den heiligen Berg der Verklärung bestieg. Welch ein kräftiger Trost liegt in diesem allen! Wir haben vor uns Jesus, unseren Herrn, „Derselbe ist gestern und heute und in die Zeitalter“, derselbe während den Tagen seines Dienstes und nach seiner Auferstehung, derselbe im Himmel, zu welchem Er emporgestiegen ist, und derselbe für immer! Und wie Er nach wie vor seiner Auferstehung derselbe bleibt und sich stets in derselben Gnade offenbart, so wird Er auch alle Verheißungen erfüllen, die Er seinen Jüngern gemacht hat. 8. „Fürchtet euch nicht!“ Dieses Trostwort, ob von den Lippen Jesu selbst, oder von den Lippen seiner Engel ausgesprochen, gilt sowohl jetzt als damals, sowohl seitdem Er auferstanden ist, als auch bevor Er litt (Siehe Mt 14,27; Mk 5,36; Lk 5,10 usw.). Vor seinem Tod hatte Er seinen Jüngern gesagt, dass Er ihnen seinen Frieden geben wolle, und nach seinem Tod sehen wir in der Tat, dass Er ihnen denselben in der feierlichsten Weise gibt. Er ruft ihnen zu: „Friede euch!“ (Joh 20,20–26) und dieses sagend, zeigt Er ihnen seine Hände und seine Seite, wo sie in symbolischen Zügen lesen konnten, welches ihre Rechts auf einen Frieden waren, den Er für sie durch sich selbst erfüllt und erworben hatte. Es war, in der bestimmtesten Weise, sein Friede; denn Er selbst hatte ihn gemacht; und nach einem unwiderruflichen und unveränderlichen Rechte, war es jetzt ihr Friede.

Zu einer anderen Zeit hatte der Herr zu ihnen gesagt: „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben;“ (Joh 14,19) und jetzt in den Tagen seiner Auferstehung, in den Tagen des auferstandenen Menschen, im Besitz eines siegreichen Lebens, teilt Er ihnen dieses Leben in vollkommenem Maß mit, indem Er, sie anhauchend, die Worte sagt: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,32) Die Welt sollte Ihn nicht mehr sehen, wie Er zu seinen Jüngern gesagt hatte. Doch sie sollten Ihn sehen; und dieses geschah denn auch in der Tat. Er wurde von ihnen gesehen während der vierzig Tage, mit ihnen „redend von den Dingen des Reiches Gottes“ (Apg 1). Aber dieses geschah im Geheimen. Die Welt hatte Ihn seit der Stunde auf Golgatha nicht gesehen; und sie wird Ihn nicht sehen, bevor Er zu ihrem Gericht erscheint.

Ein höchst einfaches Zeugnis von seiner völligen Treue in allen seinen Verheißungen erblicken wir darin, dass Er den Seinen in Galiläa entgegenkommt, wie Er ihnen gesagt hatte; aber einen noch völligeren Ausdruck von seiner Treue liefert uns die Tatsache, dass Er die Jünger zum Vater in den Himmeln führt, indem Er ihnen die Botschaft sendet: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater zu meinem Gott und eurem Gott!“ (Joh 20,17) Sei es daher unser Galiläa auf der Erde, oder seine Wohnung im Himmel, wo Er ihnen seine Gegenwart verheißen hat, – Er hat beide Verheißungen an ihnen erfüllt; und wir können zum Nutzen unseres eigenen Herzens die Demut, die Treue, die Fülle, die Einfachheit, die Größe und die Erhabenheit alles dessen betrachten, welches den Pfad des Herrn vor uns entfaltet und unterscheidet. Der Herr hatte viele Mühe mit Petrus, während Er mit seinen Jüngern umherwandelte; und dieses dauerte sogar noch fort, nachdem Jesus aus den Toten auferweckt war. Petrus füllt, so zu sagen, den ganzen Platz in dem letzten Kapitel des Evangeliums Johannes aus. Der Herr verfolgt in Bezug auf ihn das Werk der Gnade, welches Er, bevor Er ihn verließ, begonnen hatte; und Er nimmt dieses Werk an dem Punkt wieder auf, wo Er ihn gelassen hat. Petrus hatte ein großes Selbstvertrauen verraten. „Wenn sich alle an dir ärgern, ich werde mich niemals ärgern. ... Selbst wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen“ (Mt 26,33.35). das warm die Worte des Jüngers gewesen. Doch der Herr hatte ihm die Eitelkeit seines Rühmens unter die Augen gestellt und Zugleich die Verheißung seiner Fürbitte hinzugefügt, damit sein Glaube nicht aufhöre. Und als später wirklich dieses Rühmen sich als eitel erwies und Petrus seinen Herrn tatsächlich mit Eiden verleugnet hatte, da bedurfte es nur eines Blickes von Seiten des Herrn; und dieser Blick trug eine gesegnete Frucht. Das Gebet und der Blick hatten eine vortreffliche Wirkung ausgeübt. Das Gebet erhielt den Glauben des Petrus; und der Blick brach sein Herz. Petrus weinte und „weinte bitterlich“ (Lk 22,62).

Im Anfang des 21-ten Kapitels Johannes finden wir Petrus in dem moralischen Zustand wieder, in welchen ihn das Gebet und der Blick Jesu gestellt hatten. Dass sein Glaube nicht aufgehört hatte, wurde dadurch laut bezeugt, dass er, sobald er vernimmt, dass der am Ufer stehende Fremdling der Herr sei, sich sogleich ins Wasser stürzt, um Ihm entgegenzueilen. Er tut dieses jedoch nicht als Büßer, nicht als jemand, der nicht bereits Tränen vergossen hat, sondern als ein solcher, der vor Jesu erscheinen durfte in voller Zuversicht des Herzens. Unter diesem Charakter empfängt ihn sein wohlwollender Herr; und sie essen zusammen am Ufer des Sees. Das Gebet und der Blick hatten in dem Herzen des Jüngers ihre Wirkung gehabt und sollten sich nicht wiederholen. Der Herr setzt einfach das also begonnene Werk fort, um es zur Vollkommenheit zu führen; und mithin folgt dem Gebet und dem Blick das Wort. Nach der Überführung von Sünde und nach den Tränen folgt die Wiederherstellung. Petrus wird in den Stand gesetzt, seine Brüder zu stärken, wie es ihm sein Herr vorher angekündigt hatte, und Zugleich befähigt, Gott durch seinen Tod zu verherrlichen – ein Vorrecht, welches er durch seinen Unglauben und durch seine Verleugnung verloren hatte.

Von dieser Art war das wiederherstellende Wort, welches dem den Glauben stützenden Gebete und dem sein Herz brechenden Blicke folgte. Wie wir in Johannes 13 lesen, hatte der Herr seinen viel geliebten Jünger darüber belehrt, dass, „wer gebadet ist, nicht nötig hat, als sich Füße zu waschen, sondern ganz rein ist.“ Und in dieser Weise handelt hier der Herr mit Petrus. Er lässt ihn nicht zum zweiten Male die Erfahrung des 5. Kapitels in Lukas durchmachen, wo ihn der wunderbare Fischzug mit Erstaunen erfüllte und er sich als Sünder erkannte, sondern der Herr wäscht die beschmutzten Füße des Petrus. Er stellt ihn wieder her und führt ihn in seine wahre Stellung zurück (Siehe Joh 21,15–17).

Welch ein vollkommener Lehrer und Herr! Und derselbe ist für uns gestern und heute und in die Zeitalter und zwar in seiner von der Fülle der Gnade überströmender Liebe, welche das begonnene Werk fortsetzt, indem Er als auferstandener Herr bei den Seinen den wegen seiner Trennung unvollendeten Dienst wieder auf demselben Punkt aufnimmt, wo Er ihn abgebrochen hatte, und also in einer vollkommenen Gnade und Weisheit den vergangenen Dienst mit dem gegenwärtigen verknüpft.

Ein wenig weiter noch sehen wir, wie der Herr seine Verheißungen erfüllt. Ich denke an jene besondere nach seiner Auferstehung gegebene Verheißung, die Er „die Verheißung des Vaters“ und „die Kraft aus der Höhe“ nannte, (Lk 24) und die erst, nachdem Er gen Himmel gefahren und verherrlicht war, ihre Erfüllung fand (Apg 2). Es ist dieses nur die Fortsetzung der Geschichte und des Zeugnisses der Treue Jesu. Sein Leben vor dem Kreuz, seine Beziehungen zu seinen Jüngern nach seiner Auferstehung und jetzt alles das, was Er seit seiner Himmelfahrt getan hat, sind nur deutliche Beweise, dass bei Ihm „keine Veränderung noch Schatten von Wechsel ist.

Ungern möchte ich an einem anderen Beweis dieser Tatsache, den wir in demselben Kapitel des Evangeliums Lukas finden, mit Stillschweigen vorübergehen. Der auferstandene Herr bringt dort selbst seine Jünger zu dem Punkt zurück, wo er seine letzte Unterweisung abgebrochen hatte. „Dieses sind die Worte, die ich zu euch geredet habe, als ich noch bei euch war, dass alles, was von mir im Gesetz Moses und in den Propheten und Psalmen geschrieben steht, erfüllt werden muss.“ – Er erinnert sie also daran, was Er ihnen schon früher gesagt, dass die Schrift das große Zeugnis des Gedankens Gottes sei, und dass alles, was dort geschrieben war, hier erfüllt werden sollte. Und was tat der Herr nun? Er setzte in einer einfachen und natürlichen Weise die Belehrung fort, die Er ihnen gegeben hatte. „Da eröffnete Er ihnen das Verständnis, dass sie die Schriften verstanden.“ Seine Macht vereinigt sich mit seinen vorhergegangenen Belehrungen; und Er vollendet in den Seinen das, was Er ihnen bereits mitgeteilt hatte.

Die Natur und der Geist der Beziehungen zu seinen Jüngern während der vierzig Tage sind in einem gewissen Sinne dieselben geblieben. Er kannte sie bei Namen; Er offenbarte sich ihnen auf dieselbe Weise; nach wie vor seiner Auferstehung sehen wir Ihn an der Tafel, obwohl als Gast eingeladen, als den Hausherrn; (Joh 2; Lk 24) und durchdrungen von dem Gefühl der Wichtigkeit dieses Augenblicks, betrachten seine Jünger diese seine Anwesenheit, wie sie es früher zu tun pflegten. Am Brunnen zu Sichar (Joh 4) fürchteten sie, Ihn zu stören und stellten sich schweigend etwas seitwärts. Ebenso, als sie nach dem Fischfang zu Ihn: kommen, (Joh 21) verhalten sie sich wieder schweigend, da sie nach dem Charakter des Augenblicks auch hier urteilten, dass, wie sehr auch ihre Herzen mit Bewunderung und Freuds erfüllt sein mochten, wenige Worte genügend waren.

Welch zarte und doch welch mächtige Bande vereinigen Ihn, den wir bereits in den gewöhnlichen Umständen des menschlichen Lebens kennen gelernt haben, und Ihn, den wir durch alle Ewigkeiten erkennen sollen! Jesus stieg zuerst herab, wo wir waren, um uns dann dort einzuführen, wo Er ist. Aber hienieden ist es, wo wir Ihn kennen gelernt, ja für immer kennen gelernt haben. Diese Wahrheit ist von großem Wert. Petrus bezeugt uns dieses. Ich habe diese Szene bereits unter einen: anderen Gesichtspunkte betrachtet; aber ich wünsche zum zweiten Male hier ein wenig zu verweilen.

Bei jenem wunderbaren Fischfang, der vor der Auferstehung stattfand (Lk 5) wurde Petrus von der Sünde überführt. Petrus der Fischer wurde in seinen eigenen Augen Petrus der Sünder. „Gehe hinaus von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch!“ (Lk 5,8) das Wunder des Fischfangs, welches den Beweis lieferte, dass der in sein Schiff getretene Fremdling der Herr des Meeres und seiner Fülle war, hatte den Jünger im Geist in die Gegenwart Gottes geführt, wo er sich selbst kennen lernte; denn in der Tat nur hier können wir diese Lektion lernen. Aber der Herr rief ihm in diesem Augenblick wie aus der Herrlichkeit, das Trostwort zu: „Fürchte dich nicht!“ und Petrus war zur Ruhe gebracht. Nachdem nun die Herrlichkeit der Gegenwart Gottes ein Mittel zur Überführung von Sünde für ihn gewesen war, wurde sie ein Ruheplatz für ihn; und Petrus wandelte in völliger Gemütsruhe vor dem Herrn. Ebenso genießt Petrus bei dem zweiten Fischfang (Joh 21) nach der Auferstehung des Herrn dieselbe Zuversicht; er hat nur die bereits empfangene Unterweisung in Ausübung zu bringen. Und dieses findet statt. Er macht die Erfahrung, dass die Gegenwart des Herrn der Herrlichkeit ein Ruheplatz für ihn ist. Er empfängt die Überzeugung bei sich selbst und bezeugt sie uns, dass er das, was Er gelernt hat in Bezug auf Jesu, er für immer gelernt hat. Er hatte den am Ufer stehenden Fremdling nicht erkannt; aber sobald ihm Johannes gesagt hat, dass es der Herr sei, da ist jener Fremdling kein Unbekannter mehr für Petrus; und er beeilt sich, so schnell und so nahe als möglich zu Ihm zu kommen. Glückselig das Herz, welches diese Dinge versteht! Wenn es eine Freude ist zu wissen, dass Jesus stets derselbe ist, sowohl in unserer Welt, wie auch in der Seinen, sowohl inmitten unseres Elends, wie auch in seiner Herrlichkeit, welch eine Freude ist es dann, wenn jemand unter uns wie Petrus, in seiner Seele die Seligkeit genießt, die aus solch einer Tatsache hervorströmt. –

Ja, Jesus ist wahrlich stets derselbe – treu und wahrhaftig! Alles was Er seinen Jüngern vor dem Kreuz verheißen hat, hat Er nach seiner Auferstehung erfüllt. Alles, was Er in ihrer Mitte gewesen ist, das ist Er auch bis jetzt geblieben.

Der Herr gab unaufhörlich, aber Er bezeugte selten seinen Beifall. Da, wo Er nur geringe Gemeinschaft fand, teilte Ec überflüssig mit; und dieses erhöhte und verherrlichte seine Güte. Es gab in dem Menschen Nichts, was Ihn anziehen konnte; und dennoch teilte Er immer aus. Er war wie der Vater, der in den Himmeln ist und von welchem Er selbst sagte: „Er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute, und lässt regnen auf Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,45). Dieses sagt uns, zu seinem Preis, was Er ist, und zu unserer Beschämung, was wir sind.

Allein Jesus war nicht nur gleich dem Vater in den Himmeln, das Bild Gottes in dessen Handlungen, sondern Er war in dieser Welt Zugleich der „unbekannte Gott“, wovon Paulus redet (Apg 27,23). Die Finsternis begriff Ihn nicht; die Welt erkannte Ihn weder durch ihre Religion, noch durch ihre Weisheit. Die überschwänglichen Reichtümer seiner Gnade, die Reinheit seines Königreichs, das Fundament und die Rechte, auf welche allein die Herrlichkeit, die Er in einer Welt gleich der unsrigen suchte, gegründet werden konnte – alles dieses blieb den Gedanken der Menschenkinder ein unauflösliches Rätsel. Dieses zeigten zur Genüge die groben moralischen Verirrungen, in welche sie sich unaufhörlich hineinstürzten. Als z. B. die Menge mit Enthusiasmus Jesus als den König und in seiner Person das Königreich begrüßte, (Lk 19) sagten die Pharisäer: „Lehrer, verweise es deinen Jüngern!“ Sie konnten nicht den Gedanken ertragen, dass der Thron einem solchen Menschen, wie Er war, gehörte. Es war nach ihrer Meinung eine Anmaßung von Ihm, dem Jesus von Nazareth, zu gestatten, dass königlicher Jubel Ihn umringe. Sie erkannten nicht das Geheimnis wahrer Größe in dieser trügerischen und abgefallenen Welt; sie begriffen nicht mehr das Geheimnis der „Wurzel aus dürrem Erdreich“, und sie vermochten nicht mehr im Geist den „Arm des Herrn“ zu unterscheiden (Jes 53). Nur da, wo der Geist des Herrn die Herzen leitete, wurden Entdeckungen in Betreff Jesu gemacht – Entdeckungen, die ebenso kostbar, als auch verschieden nach ihrem Maß waren.

In Markus 1 wird von vielen Seiten auf den Dienst der Gnade und der Macht des Herrn Anspruch gemacht. Kranke aller Art kommen zu Ihm. Die Menge hört Ihm zu und erkennt die Autorität an, mit welcher Er redet. Ein Aussätziger bringt seinen Aussatz vor Ihn und erkennt mithin in Ihm den Gott Israels. Es gab damals in Verschiedenen Graden eine gewisse Erkenntnis von Jesu, sei es bezüglich dessen, was Er war, oder bezüglich dessen, was Er besaß. Aber im zweiten Kapitel desselben Evangeliums finden wir eine Erkenntnis von Ihm, welche sich in einer weit lebendigeren und vortrefflicheren Weise ausdrückt, sowie Beispiels des Glaubens, der Jesus versteht (Schluss folgt).

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