Botschafter des Heils in Christo 1866

Der Sabbat und der Tag des Herrn

Diese Worte sind von großer Wichtigkeit bei Betrachtung des oben genannten Gegenstandes. Sie zeigen uns den Unterschied zwischen der alten und neuen Ordnung. Das Gesetz fordert, ohne etwas zu geben – Jesus Christus offenbart Gnade und Wahrheit, wodurch Er den Menschen in den Stand setzt, Gott verherrlichen zu können. Das Gesetz verheißt Leben mit der Bedingung des Gehorsams – Jesus gibt das Leben ohne Bedingung – ein Leben, das sich durch Gehorsam offenbart. Das Gesetz verurteilt, verdammt. Verflucht – Jesus befreit von Fluch und Verdammnis. Alles dieses lässt uns die Unmöglichkeit erkennen, das Gesetz zu erfüllen. Wie kann ein Toter Früchte des Lebens, wie kann ein fleischlicher, unter die Sünde verkaufter Mensch Früchte des Geistes hervorbringen? Und zu einem solchen sagt das Gesetz: „Tue dies, so wirst du leben!“ – ein Beweis, dass der Mensch tot ist. Nicht um den Menschen in das Leben einzuführen, sondern um ihm die Erkenntnis seines toten Zustandes zu verschaffen, ward das Gesetz von Gott gegeben. Zugleich aber diente dasselbe auch als Mittel zur Absonderung Israels. Gott wählte sich, um die Heiligkeit seines Namens zu wahren, Israel aus und trennte es durch das Gesetz von anderen Völkern, dieses zeigt uns, dass das Gesetz eigentlich nur Israel, einem für Gott abgesonderten Volk, gegeben war. Nimmer waren die Heiden unter dem Gesetz. Aber in Israel finden wir das Gepräge der Geschichte der Menschheit; seine Übertretungen liefern den Beweis, dass niemand fähig ist, das Gesetz halten zu können. Israel stand unter dem Fluch des Gesetzes; aber Paulus ruft den Christen aus dem Judentum zu: „Christus hat uns vom Fluch des Gesetzes losgekauft, indem Er für uns zum Fluch geworden ist“ (Gal 3,15). „Bis auf Christus ist das Gesetz unser Zuchtmeister gewesen, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden. Nachdem aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister“ (V 24–25). Also nicht nur sind wir von dem Fluch des Gesetzes freigemacht, sondern auch von dem Gesetz selbst. Auch beweist der Apostel dieses deutlich in Römer 7, wo er sagt, dass man entweder Christus oder das Gesetz zum Mann habe, und dass man, glaubend an Christus, durch den Leib Christi dem Gesetz gestorben sei. – Christus ist für jeden Glaubenden des Gesetzes Ende (Röm 10,4). Da nun der gläubig gewordene Jude vom Gesetz befreit ist, so ist selbstredend der gläubige Heide, der nimmer unter dem Gesetz stand, durch den Glauben kein Sklave des Gesetzes geworden. Die so allgemeine Ansicht, dass man zwar von dem Fluch des Gesetzes, nicht aber von dem Gesetz selbst befreit sei, zeigt sich daher im Licht der heiligen Schrift als völlig irrtümlich. Es ist eine erwiesene Tatsache, dass niemand das Gesetz erfüllen kann; und deshalb macht sich ein jeder einer Übertretung schuldig und stellt sich unter den Fluch, sobald er das Gesetz erfüllen will. Wie man es auch betrachten mag – stets folgt der Fluch auf die Übertretung.

Wenn man sich also in Bezug auf die Heiligung des Sabbats auf das Gesetz beruft, so stellt man sich auf einen jüdischen und durchaus nicht evangelischen Standpunkt. Man wendet sich nach Sinai zurück, während Christus uns durch Offenbarung der Gnade und Wahrheit vollkommen erlöst hat. Vergeblich wird man im Neuen Testamente einen Grund für eine solche Anschauungsweise suchen; vielmehr sagt hier der Apostel im entgegengesetzten Sinne ganz ausdrücklich: „Dass euch denn niemand über Speise oder Trank, oder in Betreff eines Festes, oder Neumondes, oder der Sabbate richte, welches Schatten der zukünftigen Dinge sind, der Körper aber ist Christus“ (Kol 2,16–17). „Ihr beobachtet Tage und Monate und Zeiten und Jahre. Ich fürchte um euch, ob ich nicht vergeblich an euch gearbeitet habe“ (Gal 4,10–11). „Der eine hält einen Tag vor dem anderen; der andere aber hält jeden Tag gleich“ (Röm 14,4). Und diese Letzteren nennt Paulus die Starken, jene Ersteren die Schwachen. Er beweist also, wie hieraus hervorgeht, tatsächlich, dass er vom Gesetz frei ist, und benutzt diese Freiheit gegenüber denen, die unter dem Gesetz waren, wiewohl er sie in ihrer Schwachheit tragen will.

Im Allgemeinen richten sich solche, welche auf eine strenge Sabbatsfeier bestehen, meistens höchst willkürlich nach ihrer persönlichen Anschauung. Je nach den Umständen erlaubt sich der eine dieses, der andere jenes. Keiner hält sich in allem an die Vorschriften des Gesetzes. Macht man darauf aufmerksam, so wird das Evangelium als Deckmantel gebraucht, ohne zu bedenken, dass dadurch das ganze System umgestürzt wird. Wer an der so genannten Entheiligung des Sabbats Anstoß nimmt, wer demjenigen, welcher sich einer solchen Entheiligung schuldig macht, gleich das Gesetz vorhält, muss sich natürlich selbst dem Gesetz in allen Teilen unterwerfen und darf sich weder die geringste Abweichung erlauben, noch sich bei einer etwaigen Übertretung auf das Gesetz berufen. Dieses würde ganz willkürlich und eigenwillig sein und weder vor Gott noch vor den Menschen einigen Wert haben. Will man in dieser Beziehung sich auf das Gesetz berufen, so stellt man sich bei Übertretung desselben unter den Fluch; und die augenscheinliche Abweichung besteht doch wohl darin, dass man den Samstag – den siebenten Tag der Woche – in den Sonntag – den ersten Tag der Woche – zu verwandeln für gut befunden hat. Die heilige Schrift gibt nicht die geringste Anleitung dazu, sondern bezeichnet vielmehr den Unterschied ganz deutlich in den Worten: „Aber spät am Ende des Sabbats, in der Dämmerung des ersten Wochentages usw“ (Mt 23,1). Keineswegs ist hier der siebente Wochentag in den ersten verwandelt. Der Sabbat war vorüber, der erste Tag der Woche begann. Der erste Tag bezeichnet eine ganz neue Ordnung; es ist der Tag eines neuen Zeitabschnitts, nämlich des der Auferstehung. Auch finden wir in der Apostelgeschichte, dass der Sabbat fortbestand und die Apostel an diesem Tag in der Synagoge lehrten, während sie sich am ersten Wochentage zum Brotbrechen versammelten. Will man den im Gesetz gebotenen Sabbat feiern, so muss dieses selbstredend am Samstag geschehen, keinesfalls aber am ersten Wochentage – dem herrlichen Tage der Auferstehung. Geschieht dieses, so erniedrigt man diesen Tag zu einem Tag der ersten Schöpfung und knüpft ihn an die Erde. Man richte sich doch in allem nach der Schrift, und man verwirre nicht den schönen Zusammenhang ihrer herrlichen Grundsätze.

Viele andere, welche die oben angedeuteten Widersprüche einigermaßen begreifen, rechtfertigen ihre Anschauung betreffs der Sabbatsfeier durch die Behauptung, dass das Gebot einer solchen Feier im Gesetz nur eine Wiederholung des bei der Schöpfung gegebenen Gebotes sei, und dass jener Ruhetag, den Gott lange vor der Gesetzgebung einsetzte, ohne Widerrede beobachtet werden müsse. Lasst uns diese Behauptung etwas näher beleuchten. Wir lesen in 1. Mose 2: „Also ward vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer; und also vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die Er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die Er machte; und segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, darum, dass Er an demselben geruht hatte von allen seinen Werken, die Gott schuf und machte.“ – Hier findet sich nicht die mindeste Andeutung, dass der Mensch den Sabbat heiligen soll. Ein solches Gebot wäre auch, da Adam und Eva nichts zu tun hatten, als sich in Gott zu freuen, ganz und gar zwecklos gewesen, es wird uns hier nur gesagt, dass Gott ruhte, weil sein Werk vollbracht war. Weil es nichts mehr zu tun gab, so ruhte Er, der in sechs Tagen alles geschaffen hatte, am siebenten Tage. Alles war vollendet und vollkommen, alles war sehr gut. Alles war gerade so, wie Er es gemacht hatte; und von diesem Werk ruhte Er. Das Schöpfungswerk war vollbracht; Gott hielt einen Ruhetag.

Das ist der wahre Charakter des Sabbats. So viel uns die heilige Schrift darüber sagt, ist dieses der einzige Sabbat, den Gott gefeiert hat. Wohl lesen wir, dass das Gebot Gottes, den Sabbat zu halten, an den Menschen gerichtet wurde und der Mensch dieses Gebot übertrat; aber die Worte: „Gott ruhte“, finden wir nur bei der Schöpfung. Im Gegenteil sagt der Herr Jesus ausdrücklich: „Mein Vater wirkt bis jetzt und ich wirke.“ – Im eigentlichen Sinne des Wortes kann der Sabbat erst dann gefeiert werden, wenn alle Arbeit vollendet ist. Er konnte nur gefeiert werden inmitten einer unbefleckten Schöpfung – einer Schöpfung, wo nichts von Sünde zu entdecken war. Gott kann nicht ruhen, wo die Sünde wohnt. Man schaue um sich, und man wird begreifen, dem Gott in der gegenwärtigen Schöpfung nicht ruhen kann. Die Dornen und Disteln, verbunden mit den Tausenden jener niederbeugenden, demütigenden Früchten verkünden es mit lauter Stimme: „Gott mich wirken; Er kann nicht ruhen.“ Kann Er einen Ruheplatz feiern inmitten der Seufzer und Tränen, der Beschwerden und Leiden, der Krankheiten und des Todes, der Untreue und der Schuld einer verdorbenen Welt? Kann Er unter solchen Umständen Sabbat halten? Unmöglich. Die heilige Schrift sagt es uns unzweideutig, dass Er von der Schöpfung an bis jetzt unaufhörlich und ohne zu ruhen wirkt. Von dem Fall Adams an bis zur Menschwerdung Christus wirkte Gott, von der Menschwerdung bis zum Kreuz wirkte der Sohn Gottes, und vom Pfingstfest an bis jetzt wirkt der Heilige Geist. –

Und in der Tat, während der Herr Jesus hienieden war, gab es für Ihn keinen Sabbat. Allerdings vollendete Er sein Werk vollkommen; aber wo brachte Er seinen Sabbat zu? Im Grab. – Der Herr Jesus – Gott, offenbart im Fleisch – der Herr des Sabbats – der Schöpfer und Erhalter des Himmels und der Erde – Er brachte den Sabbat in dem finsteren und schweigenden Grab zu. Hat das keine Bedeutung? Haben wir nichts daran zu lernen? Kanu dieser Tag, an dem der Sohn Gottes im Grab lag, in Ruhe und Frieden und in dem Bewusstsein, dass es nichts mehr zu tun gebe, gefeiert werden? Unmöglich. Wir bedürfen weiter keines Beweises für die Unzulässigkeit der Sabbatsfeier. Es mag unser Erstaunen erregen, dass Er, der Heilige Gottes, gerade am Sabbat im Grab lag; aber ach! die Ursache ist offenbar: Der Mensch ist ein gefallenes, verdorbenes, schuldiges Geschöpf. Sein schrecklicher Gang auf dem Weg der Sünde hat in der Kreuzigung des Herrn der Herrlichkeit sein Ende gefunden; der Stein vor dem Grab des Herrn bildet den Schlussstein in der Geschichte des Menschen.

Was aber tat der Mensch, während Jesus im Grab lag? – Er feierte den Sabbat. – Sonderbare Widersprüche! Christus liegt im Grab, um Genugtuung für einen entheiligten Sabbat zu leisten; und der Mensch feiert einen Sabbat, als ob derselbe nimmer gebrochen wäre. Ach! es war der Sabbat des Menschen, nicht der Sabbat Gottes; – ein Sabbat ohne Christus – eine leere, kraftlose, wertlose, Form. – Die Tatsache, dass Christus am siebenten Tage im Grab lag, liefert uns den unwiderlegbaren Beweis, dass der Sabbat der ersten Schöpfung angehört – jener Schöpfung, deren Ende Christus durch seinen Tod geworden ist. Der erste Mensch war verloren; und Christus machte diesem Zustand durch seinen Tod ein Ende. Mit seiner Auferstehung begann eine neue Schöpfung. Er ist das Haupt dieser neuen Schöpfung, und die Gläubigen sind die Glieder derselben. „Das Alte ist vergangen; siehe, es ist alles neu geworden.“ Der erste Wochentag wurde Zugleich der erste Tag der neuen Schöpfung. Am Sabbat blieb der Herr im Grab – ein sprechendes Zeugnis, dass noch nicht an Ruhe zu denken sei: aber sobald der Sabbat vorüber war, sehen wir Ihn am ersten Wochentage aus dem Grab steigen – ein lebendiges Zeugnis, dass Gott das vollbrachte Werk Christi als gut anerkannte. Das ist jetzt der Tag des Lebens, der Freude, der Ruhe; denn alles ist vollbracht, und nichts ist mehr zu tun übriggeblieben. Dieser Tag führt uns in den Himmel und in die himmlischen Reiche ein. Welch ein treffendes Bild der Gnade! Es heißt jetzt ebenso wenig: „Sechs Tage sollst du arbeiten und am siebenten ruhen!“ – als: „Tue das, so wirst du leben!“ Nein jetzt heißt es: „Ruhe und dann gehe an deine Arbeit!“ oder: „Lebe, und dann bringe die Früchte des Lebens hervor!“ Herrliches Evangelium! Das lässt uns aus freier Brust Atem holen. Nicht länger brauchen wir zu seufzen unter der unerträglichen Bürde eines unerfüllbaren Gesetzes, sondern wir können, da wir des Lebens Gottes teilhaftig sind und seine Kraft besitzen, in Freiheit Gott verherrlichen, der uns von der Sünde erlöste und von den Fesseln Satans befreite.

Das also ist die wahre Bedeutung des ersten Wochentages. Welch ein weites Feld herzerhebender Betrachtungen eröffnet uns dieser Tag! Er ruft uns gleichsam zu: „Alles ist vollbracht; Gott hat das Werk seines Sohnes angenommen; und darin wöget ihr ruhen.“ – dieser Tag verkündigt uns, dass Sünde, Tod und Verdammnis im Grab geblieben, und Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht worden sind. Es ist das Licht jener herrlichen, himmlischen Ruhe, die wir bald mit Jesu genießen werden. Wir sind mit Christus gestorben und haben aufgehört, Kinder des ersten Adams zu sein. Wie könnten wir nun noch den Tag der ersten Schöpfung feiern? Dadurch würden wir nur beweisen, dass wir jener Schöpfung nicht angehörten, und somit unseren herrlichen Standpunkt in der neuen Schöpfung verleugnen. Aber welch ein herrliches Vorrecht ist es andererseits, sich am ersten Tage der Woche mit den Brüdern versammeln zu dürfen, um als Glieder seines Leibes über die vollbrachte Erlösung zu frohlocken! Wie herrlich ist es, nach dem Vorbild der ersten Christen gerade an diesem Tag zusammen zu kommen, um den Tod des Herrn zu verkündigen! Wie sehr geziemt es sich, an diesem Tag seiner Auferstehung an seinem Tisch versammelt zu sein – zum Gedächtnis seines Todes und vollbrachten Werkes! „Der Herr ist gestorben – gestorben für uns;“ – das ist es was uns das Brot und der Kelch zurufen. „Der Herr ist auferstanden; Er lebt für uns!“ – das ist die laute Verkündigung des ersten Tages der Woche. Welch ein reicher Trost, während wir an seinem Tisch versammelt sind!

Ja wahrlich, der erste Tag der Woche kann nicht hoch genug geschätzt werden. Zweimal erschien der Herr an diesem Tag seinen Jüngern, als sie in dem oberen Saale beisammen waren (Joh 20). An diesem Tag versammelten sich die ersten Jünger, um das Brot zu brechen; (Apg 20,7) und in der Offenbarung wird dieser Tag der „Tag des Herrn“ genannt (Off 1,10). Daraus geht deutlich hervor, dass es in der Absicht des Herrn liegt, dass wir an diesem Tag ruhen und unser Zusammenkommen nicht versäumen. Er hat uns nicht ein Gebot, sondern das herrliche Vorrecht gegeben, uns an diesen: Tage vorzugsweise mit seinem Worts zu beschäftigen und, von allem abgesondert, uns in unseren himmlischen Segnungen zu vertiefen. Dieser Grundsatz ist von sehr großem Gewicht. Es ist ein Vorrecht, eine Gnade Gottes, dass wir am ersten Tage der Woche ruhen dürfen. Er hat uns durch die allgemeine Einrichtung der Verhältnisse, worin wir leben, in den Stand gesetzt, dieses, ohne äußere Verluste zu leiden, tun zu können. Es ist durchaus keine Sünde, wenn wir am Tag des Herrn arbeiten; denn wo kein Gebot ist, da ist auch keine Übertretung. Das Arbeiten am Sonntag ist ebenso wenig Sünde, als das Arbeiten am Montag, weil für den, der die Freiheit versteht, alle Tage gleich sind. Jemanden, weil er am Sonntag gearbeitet hat, von der Gemeinschaft der Gläubigen auszuschließen, würde eine verkehrte Handlung sein. Paulus sagt: „Wer den Tag achtet, er achtet ihn dem Herrn; und wer den Tag nicht achtet, dem Herrn achtet er ihn nicht“ (Röm 14,6). Wir können aus Liebe für den Herrn uns freiwillig alles Arbeitens an seinem Tag enthalten; aber wir dürfen nie vergessen, dass es der Tag der Auferstehung ist – der Tag des Lebens, der Tag, auf den kein Gesetz Anspruch machen kann. Möge, dass er niemand einen Christen mit dem eisernen Joch des Gesetzes an den siebten Tag binden, während es sein herrliches Vorrecht ist, den ersten Tag zu feiern! Möge niemand ihn aus dem Himmel, wo er ruhen kann, auf eine dem Fluch unterworfene Erde bringen, wo keine Ruhe zu finden ist.

Aber da das Ruhen am ersten Tage ein uns von Gott geschenktes Vorrecht ist, so ist es nötig zu untersuchen, ob wir uns dieses Vorrechts in angemessener Weise bedienen, ob wir es schätzen oder ob wir es mit gleichgültigen Blicken betrachten. Denn wenn der Herr uns das Vorrecht geschenkt hat, von unserer Arbeit ruhen zu dürfen; wenn Er uns die Gelegenheit gegeben, uns versammeln zu können, wird es da wohl zu seiner Ehre, zu seiner Verherrlichung dienen, wenn wir dieses Vorrecht, diese Gelegenheit unbenutzt lassen? Werde ich Ihn verherrlichen, wenn ich meine tägliche Arbeit am Sonntag verrichte, während meine Brüder um seinen Tisch Versammelt sind? Oder sollte Er es gutheißen, wenn ich mich mit einem von harter Arbeit ermüdeten Körper, halb schlafend, in der Versammlung einfinde? Nein, sicher nicht. Nun, das ist genug, um die Wichtigkeit dieses Tages zu begreifen.

„Aber“ – wenden vielleicht etliche ein – „weil es doch keine Sünde ist, am Sonntag zu arbeiten, warum sollte ich es denn gänzlich einstellen?“ – Ach! Kennt ihr, liebe Brüder, keine höheren Beweggründe für euren Wandel, als das Gesetz? Das ist in der Tat beklagenswert und liefert den Beweis, dass ihr noch nicht tief in den Geist des Evangeliums eingedrungen seid. Alles, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde. Das Essen ist keine Sünde an und für sich; aber es kann für mich zur Sünde werden, wenn ich es nicht zur Ehre Gottes tue. Und könnt ihr mir mit aufrichtigem Herzen versichern, dass ihr am Tag des Herrn eure Arbeit zu seiner Ehre im Glauben verrichtet? Ihr werdet es nicht können; und darum bitte ich euch, doch nicht die Vorrechte gering zu schätzen, die Gott euch gegeben hat! Allerdings können Umstände obwalten, wo es notwendig ist, zu arbeiten, und wo man es mit völliger Ruhe und in dem Bewusstsein tun kann, dass es dem Herrn wohlgefällig ist. Aber in einem solchen Fall wird man es schmerzlich fühlen, durch die Umstände gezwungen zu sein, auf ein so herrliches Vorrecht verzichten zu müssen. Befindet man sich in einer Stellung, wo man genötigt ist, am Sonntag zu arbeiten, dann sollte es, wie glänzend diese Stellung auch sein mag, doch unser Bestreben sein, daraus befreit zu werden oder der Zeit entgegen zu harren, wo der Herr uns daraus erlöst. Es kommt dabei stets auf die Stellung des Herzens an. Wenn man das uns von Gott verliehene Vorrecht nach seinem Wert schätzt und, je nachdem es die Umstände einigermaßen zulassen, mit Sorgfalt benutzt, dann wird man sicher nicht beschuldigt werden, dass man die Freiheit zum Vorwand für das Fleisch gebrauche. Aber der Beweggrund zur Arbeit ist ein durchaus sündiger, wenn man sie verrichtet, um mehr Geld zu verdienen, oder um am folgenden Tage etwas weniger zu tun zu haben. Dann ist Habsucht, Bequemlichkeit oder Misstrauen gegen die Durchhilfe Gottes die Quelle, als ob Er, der uns die Ruhe gestattet, nicht auch dafür sorgen würde, dass wir durch diese Ruhe an dem Notwendigen keinen Mangel leiden. In diesem Fall gebraucht man die Freiheit zu einem Vorwand für das Fleisch und bedient sich des Wortes Gottes, um seine eigene verkehrte Handlungsweise zu rechtfertigen. Ach, leider gibt es eine Menge Christen, die also handeln. Aber sie können überzeugt sein, dass sie den Herrn betrüben. Und leider gibt es auch solche, die durch ihr Arbeiten am Tags des Herrn ihre christliche Freiheit an den Tag legen wollen. Wenn Gott Freiheit zur Ruhe gibt, wie töricht ist es dann, durch Arbeiten seine Freiheit an den Tag legen zu wollen!

Und außerdem, dass man durch ein solches Verfahren seine Gleichgültigkeit gegen die Vorrechte Gottes kundgibt und Gott dadurch betrübt, versündigt man sich auch gegen solche Brüder, welche einer gesetzlicheren Auffassung dieses Tages zugetan sind. Es würde natürlich töricht sein, wenn man sich stets an solche stören wollte, die an allem, was nach ihrer Meinung am Tag des Herrn zu tun verboten ist, Anstoß und Ärgernis nehmen; denn dadurch würde man sich, angesichts der großen Meinungsverschiedenheit in diesem Punkt, gänzlich zu einem Sklaven des Menschen machen und sich schließlich unter ein noch schwereres Gesetz stellen, als dasjenige von Sinai. Wir sind Knechte Gottes, aber nicht Sklaven der Menschen. Und deshalb kann ich mich, wo ich in meinem Innern sicher bin, Gott verherrlichen zu können, keineswegs dem Urteil der Menschen unterwerfen. Jedoch sollen wir, so viel wie möglich, alle Ursachen zum Ärgernis zu beseitigen suchen, namentlich denen gegenüber, die ihre Freiheit zum Nutzen des Fleisches gebrauchen. Überdies steht für uns alle geschrieben: „Wer den Tag achtet, dem Herrn achtet er ihn, und wer ihn nicht achtet, dem Herrn achtet er ihn nicht.“

Wir müssen daher einander völlige Freiheit in dergleichen Dingen lassen. Es ist eine Sache des Gewissens. Wirst du den Sabbat halten, ich werde mich nicht daran ärgern; aber dann ärgere auch du dich nicht, wenn ich den Tag des Herrn achte und mich durch kein Gesetz binden lasse. Meine einzige Frage an dich wird immer sein: „Kannst du mir deine Meinung durch die Schrift beweisen?“ Und dann halte ich es für meine Pflicht, dein Gewissen zu unterweisen. Beharrst du bei deiner Meinung, so wirst du, dessen bin ich gewiss, manchen Genuss entbehren, weil das Verständnis der Bedeutung des Tages des Herrn in enger Verbindung mit dem Erkennen der Freiheit in Christus, dem wahren und vollen Inhalte des Evangeliums, steht. –

Und solange andere fortfahren, an diesem Tag – sei es aus Habsucht, Bequemlichkeit oder Unglauben, sei es in der verwerflichen Absicht, ihre Freiheit bekunden zu wollen – ihre gewöhnliche Arbeit zu verrichten, so beweisen sie nur, dass sie die Bedeutung des Tages des Herrn nicht verstehen und die Vorrechte Gottes geringachten. Möge der Herr uns allen Weisheit und Licht schenken, um sein Wort und seinen Willen zu verstehen und diesen Willen mit einem Herzen voll Glauben und Lieds zu erfüllen.

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