Botschafter des Heils in Christo 1865

"Der Vogel kennt seine bestimmte Zeit"

Im vorigen Herbst durchkreuzte ich das Moor im Norden Englands. Der wilde Sturm trieb den strömenden Regen hinab in die Täler und schwellte die Bäche an zu brausenden Strömen. Während ich die schwarzen Wolken anstaunte, bemerkte ich weit über mir einen weißen Fleck, der sich zu bewegen schien. Plötzlich Durchschnitt ein Sonnenstrahl die Wolken und zeigte mir einen Vogel, der mit dem Wind kämpfte. Meine Augen verfolgten lange Zeit den einsamen Wanderer, der so mutig gegen den Sturm ankämpfte. Oft musste er der Gewalt des Windes weichen und seine müden Flügel einen Augenblick ausruhen. Er schien alsdann sich ganz regungslos in der Luft zu halten; aber bald machte er neue Anstrengungen und kam immer weiter vorwärts. Endlich verlor ich ihn ganz aus dem Gesicht. – Was war sein Zweck? Der Herbst war da: und der Prophet sagt: „Der Vogel kennt seine bestimmte Zeit.“ Fern von dieser öden Wüste lag eine ruhige und sonnige Gegend. Dorthin richtete er seinen Flug, ohne sich seitwärts zu wenden, und ohne vor den Schwierigkeiten des Weges zurückzuschrecken.

Es war eine gesegnete Lektion, die mich dieser Vogel lehrte. Oft habe ich mein Herz, wenn es versucht und betrübt wurde, an jene göttliche Lektion, worin der Herr mich sogar aus der Natur unterrichten ließ, erinnert. Und auch du, mein christlicher Mitpilger kannst aus diesem einfachen Bilde lernen. Noch eine gar kleine Zeit, und du wirst das „bessere Land“ erreichen, wo du keine Trübsale und Beschwerden mehr finden wirst. Jetzt bist du in der Wüste, wo dein Fuß keine Ruhe finden kann, wenigstens nicht, wenn du mit Gott wandelst. Ist jener göttliche Grundsatz, dem Ziel der hohen Berufung Gottes in Christus Jesus entgegen zu eilen, so mächtig in dir, dass du vorandringst wie der Zugvogel nach seiner Heimat? Solltest du dich müde und schwach finden, so gedenke an jene Worte: „Meine Gnade ist dir genug; denn meine Kraft wird in der Schwachheit vollbracht.“ Dein Pfad ist ein Pfad des Glaubens. Nur das Auge des Glaubens erkennt ihn; dem natürlichen Auge ist er Torheit. „Durch den Glauben verstehen wir ...“ Bei deinem Kampf handelt es sich nicht um die Vergebung deiner Sünden; denn deine Sünden sind dir vergeben, um seines Namens willen. Jene Bürde der Sünde liegt nicht mehr auf deinem Rücken; Jesus hat sie alle an seinem Leib auf dem Holz getragen. Das Wort der Ermahnung ist jetzt, den Lauf mit Ausharren zu vollenden und auf Jesus zu sehen. Wir sind nicht von der Welt, wie auch Er nicht von der Welt ist; wir sind mit Ihm auferweckt und haben unseren Wandel in den Himmeln.

Als die Israeliten am Ufer des roten Meeres standen, sangen sie ein Triumphlied. „Der Herr hat eine herrliche Tat getan.“ Auch du hast vom Sieg gesungen durch das Blut des Lammes. Als aber Israel drei Tage in der Wüste gereist war, da murrte es über den Weg, weil kein Wasser in der Wüste war. Auch du wirst finden, dass diese arme Welt keine Erfrischungen für die wiedergeborene Seele hat. Doch murre nicht; denn unser Herr hat gesagt: „Das Wasser, welches ich ihm geben werde, wird in ihm ein Quell des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“

Schau auf Jesus, damit du nicht ermüdest, indem du in deiner Seele ermattest. Erinnere dich an das „bessere Land“, an den Ort deiner Bestimmung, und lerne von jenem einsamen Vogel, der seine weißen Flügel nach seiner Heimat ausbreitete und trotz Wolken und Sturm sich nicht seitwärts wandte.

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